eJournals lendemains 43/170-171

lendemains
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
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2018
43170-171

„Depression ist voll Mainstream“

2018
Julien Bobineau
ldm43170-1710214
214 Dossier Julien Bobineau „Depression ist voll Mainstream“ Crossmediales Storytelling als Abbild digitaler Welten in der deutsch-französischen TV-Serie About: Kate Seit Richard Kämmerlings die TV -Serie als den „Balzac für unsere Zeit“ bezeichnet hat (Kämmerlings 2010), gilt unbestritten: Die TV -Serie ist das epische Format des 21. Jahrhunderts. Als „Spiegel der Gesellschaft“ bildet sie dabei gesellschaftliche Strömungen, diverse Debatten und aktuelle Herausforderungen ab. Interessanterweise ist dabei in den letzten fünfzehn Jahren eine zunehmende Psychologisierung von US -amerikanischen Fernsehproduktionen zu beobachten: In Serien wie The Sopranos (1999-2007), Monk (2002-2009), In Treatment (2007-2010), Perception (2012-2015), Hannibal (2013-2015) oder Black Box (2014) stehen Therapeutinnen und Therapeuten als Haupt- oder Nebenfiguren im Vordergrund. 1 Auch die deutschfranzösische TV -Serie About: Kate, die in einer bisher einzigen Staffel von Ulmen TV produziert und 2013 auf ARTE ausgestrahlt wurde, reiht sich in diese Psychologisierung des Fernsehens ein und überträgt die Prinzipien ihrer US -amerikanischen Vorläufer auf die europäische Fernsehlandschaft: Die Kunststudentin Katharina Harff, Kate genannt, weist sich selbst in einer Silvesternacht in eine Nervenklinik ein. Der Zuschauer begleitet Kate in einer Staffel mit insgesamt 14 Episoden zu je 25 Minuten durch ihren Klinikalltag, der insbesondere von therapeutischen Gesprächen mit der Psychologin Luise Desmarin sowie von Kates sozialen Beziehungen zur Mitpatientin Erika Wirtz und zum Pfleger Ingo Albrecht geprägt ist. Das assoziative Erzählprinzip folgt dabei Kates Bewusstseinsstrom mitsamt Traumsequenzen und tiefenpsychologischen Erscheinungen, die in einer vielschichten Popkultur-Metaphorik ausgedrückt werden. Überfordert von der Komplexität der realen und der digitalen Welten, in denen Kate sich bewegt, hat sie eine paranoide Persönlichkeitsstörung entwickelt. Während der Ausstrahlung der Serie im Fernsehen und der zeitweiligen Verfügbarkeit in der ARTE -Mediathek kamen diverse, crossmediale Erzähltechniken zum Einsatz: So konnte der Rezipient eine Facebook-Freundschaft mit Kate führen oder virtuell per App und Website zusätzliche Informationen zu Figur und Serie erhalten. Dieses Zusatzangebot bildet gleichzeitig die zentralen Themen der Serie ab: Kates Onlinesucht sowie die therapeutische Auseinandersetzung der Protagonistin mit ihrer Persönlichkeitsstörung, ihrer Identität und ihrem kindlichen Ich stehen erzählerisch im Fokus. Die Onlinesucht gilt zwar noch nicht als offizielle Diagnose innerhalb der Psychotherapie, doch wurde eine Erweiterung des Diagnosemanuals der American Psychiatric Association ( APA ) verfasst, die im Annex die folgenden Kriterien für Computerspielsucht im Internet nennt: gedankliche Vereinnahmung, Entzugserscheinungen, Toleranzentwicklung, Kontrollverlust, Fortsetzung der Sucht trotz negativer Konsequenzen, verhaltensbezogene Vereinnahmung, dysfunktionale 215 Dossier Stressbewältigung, Dissimulation sowie Inkaufnahme von Gefährdungen und Verlusten (American Psychiatric Association 2017). Die TV -Serie About: Kate verarbeitet diese komplexe Thematik dabei nicht nur auf inhaltlicher Ebene, sondern integriert die Darstellung von sowie die Sucht nach medialer Überforderung in den Erzählmodus, wie die schweizerische Kritikerin Nina Fargahi beobachtet: „Der Irrsinn von Social Media ist nicht nur Thema der 14-teiligen Serie, er bestimmt auch das Erzählprinzip“ (Fargahi 2013). Die folgenden Ausführungen gehen der Frage nach, mit welchen narrativen Mitteln das Erzählprinzip der Serie gestaltet ist. Im Fokus steht dabei das Konzept des Audience Engagement, das den Rezipienten mithilfe verschiedener Interaktionsinstrumente - den sogenannten Touchpoints - an der Diegese teilhaben lässt. In der Folge wird diskutiert, inwiefern der serielle und crossmediale Erzählmodus selbst als Portrait einer (über)digitalisierten Gesellschaft fungiert und den Rezipienten bewusst überfordern soll. Crossmediales Erzählen. Die narrativen Prinzipien des Audience Engagements 2 Audience Engagement bezeichnet die willentliche Beschäftigung („Engagement“) des Rezipienten („Audience“) mit bestimmten Medien, Inhalten oder Marken und bildet die Basis des transbzw. crossmedialen Erzählens 3 (Askwith 2007: 49ff.). Der Rezipient geht dabei eine interaktive Beziehung mit einem Gegenstand ein, die eine emotionale, soziale, psychologische, intellektuelle, zeitliche oder finanzielle Investition voraussetzt und oftmals kollektiv gestaltet ist. Laut Jason Mittell bedeutet diese Beziehung in Bezug auf TV -Serien für den Zuschauer, „in eine fesselnde Diegese hineingezogen zu werden [...], dabei aber zugleich die Erzählprozesse zu erkunden, mit deren Hilfe die Sendung den nötigen Grad an Komplexität und Rätselhaftigkeit erreicht“ (Mittell 2012: 119). Indem er serienbezogene Inhalte und Produkte wie Merchandise-Artikel oder Hintergrundberichte zur Produktion konsumiert, an serienverwandten Aktivitäten wie Gewinnspielen oder Web-Games partizipiert und sich mit Serieninhalten und Charakteren identifiziert, wird der Rezipient vom Konsumenten zum handelnden Aktanten. In Anlehnung an Ivan Askwith lassen sich insgesamt acht verschiedene Engagement Touchpoints in TV -Serien unterscheiden: 4 Neben dem erweiterten Zugang auf On-Demand-Plattformen (Expanded Access), neu aufbereiteten Inhalten in Form von DVD -Boxen (Repackaged Content), zusätzlichen Hintergrundinformationen (Ancillary Content) und Merchandise-Artikeln (Branded Products) 5 bezeichnet Askwith strukturierte Aktivitäten (Related Activities), die inhaltlich mit einer Serie verknüpft sind, als die ersten fünf Touchpoints des Audience Engagements. Der hiernach folgende sechste Touchpoint, den Askwith als Related Activities bezeichnet, kann überdies in vier Kategorien unterschieden werden: Die (A) Themed Activites sind lediglich thematisch an die jeweilige Serie angelehnt, während der Rezipient 216 Dossier innerhalb der (B) Experimental Activities durch aktive Handlungen in Serien-bezogenen Computerspielen oder Rollenspielen selbst aktiv wird. Die (C) Productive Activities transformieren den Zuschauer vom Konsumenten zum Kritiker, wenn er in Schrift- oder Videobeiträgen, die auf Internetplattformen wie sozialen Netzwerken, Fansites und Online-Communities publiziert werden, seine Meinungen, Interpretationen und Wünsche in Bezug auf den Serieninhalt publizieren kann (D). In den Challenge Activities ist hingegen das Serienwissen des Zuschauers gefragt, z. B. in serienbezogenen Quizspielen. Als sechsten Touchpoint benennt Askwith die soziale Interaktion (Social Interaction) mit Produzenten, Regisseuren oder Schauspielern der Serie, die als solche beispielsweise im Internet auftreten, während die Interaktion (Interactivity) als letztes Instrument des Audience Engagement im Fokus steht: Dieser siebte Touchpoint umfasst die direkte, unmittelbare Interaktion zwischen Produzenten und Rezipienten, die eine zielgerichtete Erfassung des Meinungsbildes auf Seiten des Zuschauers ermöglicht. Der achte Touchpoint ist die aktivste und einflussreichste Art der Zuschauerbeteiligung: Als User Generated Content werden solche digitalen Inhalte bezeichnet, die laut der geläufigen Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ( OECD ) durch die Veröffentlichung kreativer Hervorbringungen außerhalb professioneller Produktionsstrukturen gekennzeichnet sind ( OECD 2007: 8). Hierbei handelt es sich um Fotos, Musik, Videos oder Text, die von Internetnutzern selbst produziert und in ein professionelles System übertragen werden. 6 Obwohl sich der Zuschauer bereits seit den 1960er Jahren insbesondere in Form von Fankulturen (z. B. zur Serie Star Trek) beteiligt, beeinflusst das transbzw. crossmediale Erzählprinzip rezenter TV -Serien die Narration stärker bei der Gestaltung der Diegese. Mithilfe der ersten sieben Touchpoints des Audience Engagement kann ein Narrativ transbzw. crossmedial erzählt werden, was laut Henry Jenkins einem „entertainment for the age of media convergence [gleichkommt], integrating multiple texts to create a narrative so large it cannot be contained within a single medium“ (Jenkins 2006: 95). Durch den Verbund verschiedener Medien entsteht eine „Inhaltserweiterung über Mediengrenzen hinweg“ (Piepiorka 2011: 109). Hieraus lässt sich ableiten, dass nicht nur das Narrativ durch transbzw. crossmediale Erzählweisen erweitert wird, sondern zugleich die Ebene der erzählten Welt. Dabei sollen mit der Diegese der narrativen Welt als fiktionaler Ebene (Kerndiegese) und der Interdiegese als real-fiktionaler Ebene zwei diegetische Ebenen unterschieden werden. Abbildung 1 erweitert das Kommunikationsmodell eines narrativen Textes von Ansgar Nünning dabei um die Ebene der Interdiegese. Die Interdiegese stellt einen ‚Zwischenraum‘ dar, in den der Rezipient durch die verschiedenen Touchpoints ‚hineinstoßen‘ kann. Im Rahmen eines verstärkten Empfindens der parasozialen Interaktion - also der fingierten Beziehung zwischen den Akteuren einer Fiktion und dem Rezipienten - entsteht somit die Illusion der unmittelbaren Teilhabe an der Diegese und ein „Anwesenheitsgefühl in der virtuellen Welt“ (Petry 2010: 68). Der Rezipient erhält hierdurch das Gefühl, beispielsweise durch 217 Dossier Related Activities oder Branded Products aktiv an Handlung und Interdiegese teilhaben zu können und diese mitzugestalten. Gleichzeitig kann auch der Autor einen Nutzen aus der Interdiegese ziehen: Die Zwischenwelt gibt ihm die Möglichkeit, die Aktivitäten des Zuschauers zu analysieren und die fiktionale Handlung gemäß dessen Wünschen zu modifizieren. Hinsichtlich des achten Touchpoints, dem User Generated Content, lässt sich hingegen nicht von einer interdiegetischen Zwischenwelt sprechen, da der Rezipient die Kerndiegese über diesen Touchpoint tatsächlich aktiv beeinflussen kann. About: Kate. Crossmediales Erzählen als Abbild digitaler Welten Mit derartigen Mitteln des transbzw. crossmedialen Erzählens arbeitet auch die deutsch-französische Serie About: Kate, denn einige der angewandten Erzählstrategien können unter das erläuterte Konzept des Audience Engagement subsumiert werden - mit dem Unterschied, dass sie keine reinen Zusatzangebote sind wie beispielsweise Merchandise-Artikel oder zusätzliche Informationen in Form von Episoden-Guides darstellen, sondern dass sie die Thematik der ‚digitalen Überforderungen‘ als gesellschaftliche Herausforderung per se verkörpern. Die Kommunikationsagentur Netzbewegung, die von ARTE den Auftrag für die Programmierung der digitalen Angebote erhielt, bestätigt diese Hypothese in einer Projektbeschreibung: „Da die Serie sich auch um die mentale Verfassung in der digitalisierten Gesellschaft drehte, war schnell klar, dass der Zuschauer zum Mitpatienten der Protagonistin werden sollte [...]“ (Netzbewegung 2017: unpaginiert). So wie Kate mit den digitalen Welten und ihren verschiedenen, z. T. auch inszenierten Identitäten überfordert ist, so soll auch der Zuschauer diese Überforderung während der Rezeption durch mediale Reizüberflutung mithilfe der folgenden Elemente nachempfinden können: Abb. 1: Das Interdiegese-Modell (Bobineau 2014: 238) Ebene der realen Wirklichkeit Autor Zuschauer Narrative Welt der TV-Serie (Fiktionale Ebene) Kerndiegese Interdiegese Instrumente des audience engagement Interaktion 218 Dossier A. Social Media: Die Figur Kate Harff besaß vor, während und kurze Zeit nach der Ausstrahlung der Serie einen eigenen, fiktionalen Facebook-Account, mit dem der Rezipient interagieren konnte. Es bestand dabei die Möglichkeit, mit dem Profil befreundet zu sein, der Figur Kate Messenger-Nachrichten zu schreiben und ihre Statusmeldungen zu verfolgen. Facebook-Inhalte aus der Kerndiegese wurden ebenfalls - und zwar in Echtzeit während der Ausstrahlung - auf den fiktiven Facebook- Account übertragen. Der Account wurde zwischenzeitlich gelöscht. B. Second Screen: ARTE bot eine App für Smartphones an, die in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut von Netzbewegung entwickelt wurde. Die kostenfreie App verknüpfte sich durch Sprach- und Musikerkennung mit der jeweiligen Episode der Serie und lieferte als Second Screen kontextabhängiges Zusatzmaterial. Neben Diskussionen im Forum „Gruppenraum“ war in der App auch eine „Eigentherapie“ mit Hilfe von Fragebögen möglich. C. Website: Eine Website wurde unter der URL www.arte.tv/ kate eingerichtet, von wo aus der Rezipient die digitalen Spuren der Protagonistin verfolgen konnte, wie etwa den Verlauf ihrer Suchmaschinenanfragen, Kates Musik-Playlist oder ihre Forenbeiträge. Der Link der Website leitet nun auf die ARTE Creative-Plattform weiter, da das Angebot eingestellt wurde. D. User generated Content: Neben Clips von Videokünstlern der Plattform ARTE Creative waren die Rezipienten der Serie ab der dritten Folge aufgerufen, eigenes Video- und Bildmaterial einzusenden, das anschließend tatsächlich in die TV -Produktion eingebettet wurde. Die technische Umsetzung erfolgte über die ARTE - Homepage, wo interessierten Nutzern die Möglichkeit geboten wurde, ihre eigenen Inhalte hochzuladen. Durch die aktive Teilhabe an Social Media, der App und der Website (A, B, C) hat der Rezipient Zugang zur Interdiegese. Somit werden durch die narrativen Techniken des Audience Engagement bestehende Grenzen zwischen Realität und Fiktion, Abb. 2: Benutzeroberfläche der App Abb. 3: Die Eigentherapie (Netzbewegung 2017: unpaginiert) (Netzbewegung 2017: unpaginiert) 219 Dossier zwischen digitalen und analogen Welten aufgebrochen, wenn Regisseurin und Drehbuchautorin Janna Nandzik behauptet: „Inhalt und Form [der Serie] liegen also nahe beieinander, so wie Mensch und Maschine“ (Nandzik in Tobesocial 2013). Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion werden auch verwischt, indem etwa lange Zeit unklar bleibt, ob der Party-Film in S1E5 - ein inszeniertes The Prodigy-Zitat, das den Clip zu Smack My Bitch Up intertextuell zitiert - eine Traumsequenz darstellt oder von Kate in der seriellen Wirklichkeit derart durchlebt wurde. Erst am Ende der Episode erfährt der Zuschauer, dass Kate die dargestellten Ereignisse aufgrund eines Vollrausches durch Hustensaft durchlebt. Die Reaktionen auf Seiten der Rezipienten, des Fachpublikums und der Fernsehkritik waren insbesondere wegen der narrativen Innovationen durchweg positiv: About: Kate wurde 2014 in der Kategorie „Spezial“ des Grimme Preises für das interaktive und multimediale Konzept und dessen Umsetzung nominiert. Im Jahr 2013 gewann die Serie auf dem Internationalen Filmfestival in Genf den Youth Jury Award in der Kategorie Best Multimedia Interactive Film und 2014 wurde sie mit dem Crossmediapreis der Bremischen Landesmedienanstalt ausgezeichnet. Die deutsche Erstausstrahlung der Pilotepisode erfolgte am 27. April 2013, während die Social- Media-Kanäle bereits etwa einen Monat vorher online gegangen waren. An den darauffolgenden dreizehn Samstagen liefen die übrigen Kapitel jeweils ab 23: 40 Uhr über den Bildschirm. Das Feuilleton war bereits nach der Ausstrahlung der ersten Episode begeistert: „Endlich eine Serie, die wirklich neues Fernsehen ist - und daher gar kein Fernsehen mehr. [...] Die große popkulturelle Sensibilität und der Mut zum hochtourigen Assoziieren bestätigen Nandzik als einzigartige Stimme unter den jungen Fernsehmacherinnen“ (Pilarczyk 2013: unpaginiert), befand Spiegel Online, einer der Meinungsführer der relevanten Zielgruppe in Deutschland. Auch wenn das Medienecho in Frankreich nicht vergleichbar überschwänglich ausfiel, so wurde die Serie zumindest von den Rezipienten außerordentlich positiv bewertet: Auf der Bewertungsplattform Sens Critique erhielt About: Kate 8,2 von 10 Punkten in der Gesamtwertung Rezeption (Sens Critique 2013: unpaginiert). Ihr Innovationspotential bezieht die Serie dabei von der traditionellen Ausstrahlungspraxis konventioneller Fernsehformate, denn About: Kate erschien wöchentlich und steht damit dem On-Demand-Angebot vieler ‚innovativer‘ TV -Serien auf den bekannten Anbieterplattformen wie Netflix oder AmazonPrime entgegen. 7 Um die Serie in ihrer crossmedialen Komplexität voll erfassen und mit App, Second Screen-Website 8 und Facebook live an den zusätzlichen Inhalten teilhaben zu können, musste der Rezipient das Fernsehgerät zur Sendezeit im Frühjahr 2013 einschalten. 9 Die daraus entstehende Kollektivität der Rezeption ließe sich insofern mit der literarischen Gattung des Dramas vergleichen, als man an dieser Stelle das technisierte Abbild der Rezeptionssituation im Theater vorfindet, denn die dramatische Handlung spricht alle Sinne an: Man kann gemeinsam mit anderen Rezipienten Beifall klatschen, Buhrufe skandieren, Gegenstände auf die Bühne werfen und mit dem Sitznachbarn diskutieren - nur eben digital vernetzt und ohne vierte Wand. Der Zuschauerraum ist das Internet. 220 Dossier Letztlich liegt mit About: Kate ein multimediales Live-Event vor, das nun, knapp vier Jahre nach der Ausstrahlung, gerade durch seinen interaktiven Charakter an Komplexität verloren hat, wie auch Elena Pilipets, Matthias Wieser und Rainer Winter feststellen: Die auf Kollektivität, Situativität und aktive Beteiligung ausgelegte Serie, die - nicht zuletzt aufgrund ihrer intensivierten Liveness - für starke Medienresonanz gesorgt hat, erweist sich paradoxerweise gerade wegen ihrer seriellen Form als einmaliges Medienereignis, das nur in einem neuen Setting wiederholbar ist (Pilipets/ Wieser/ Winter 2017: 153). Auf die Vergänglichkeit digitaler Welten weist die Protagonistin Kate selbstreflexiv hin, wenn sie sich in S1E1 die Frage stellt, was nach dem Tod einer Person mit deren Facebook-Profil geschieht. Die Antwort darauf ist einfach und spiegelt gleichsam das interaktive und damit auf die Ausstrahlung begrenzte Erzählprinzip wider: Wer nicht in Form von Posts, Likes oder Comments interagiert, wird auch nicht wahrgenommen. Und so läuft auch About: Kate Gefahr, in Vergessenheit zu geraten, da die vielen crossmedialen Zusatzangebote nicht mehr verfügbar sind. Gleichzeitig ist der Platz im Zuschauerraum aus rezeptionsästhetischer Sicht durch diese mediale Komplexität und die crossmediale Erzählstrategie begrenzt. Die Serie soll das junge Fernsehpublikum ansprechen, die Zielgruppe zwischen 18 und 35 Jahren, für die es als Digital Natives selbstverständlich ist, im Hörsaal einer Vorlesung zu folgen und dabei gleichzeitig mit mehreren Personen auf WhatsApp über das gerade eben abgesetzte Instagram-Bild zu chatten. Eine solche Digital Native ist letztlich auch Kate, die gegen diesen Status des unfreiwilligen und natürlichen - das ‚Natürliche‘ impliziert ja bereits der Begriff des ‚digitalen Ureinwohners‘ - Hineingeborenwerdens in eine digitale Welt und die dort vorherrschende mediale Überforderung durch ihre Selbsteinweisung rebelliert. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Kates emotionale Öffnung gegenüber ihrer Therapeutin erst dann erfolgt, nachdem die Klinikleitung Kates Handy und ihren Laptop konfisziert hat. Im darauffolgenden Therapiegespräch mit der Psychologin Desmarin wünscht sich Kate in ihre Kindheit zurück, was sich als Flucht in eine Zeit außerhalb permanenter medialer Überforderung offenbart: K: Ich habe die Wünsche eines Kindes. Ich will dazugehören. Ich will einzigartig sein. T: Das sind ja nicht zwangsläufig infantile Wünsche, das sind menschliche Urwünsche, ja. K: Ja, aber mein Hadern damit seit Jahren. T: Sie wollen ein Teil dieser Welt sein und gleichzeitig einen Unterschied machen. Das ist vollkommen legitim. K: Aber ich komme überhaupt nicht mit dem in Kontakt, was mich ausmacht. Ich bin damit beschäftigt, den Wünschen und Erwartungen anderer Leute zu entsprechen. Dieses Anecken und Sich-Verbiegen, ich will das nicht mehr (S1E8, 5: 28-6: 10). Das Leitmotiv des ‚inneren Kindes‘ - die Protagonistin Kate trifft regelmäßig auf ihr ca. 8-jähriges Ich bzw. jene kindliche Kate nimmt die Rolle der erwachsenen Kate in der Nervenklinik ein - kann dabei als Referenz auf aktuelle Behandlungskonzepte 221 Dossier in der Psychotherapie gedeutet werden. 10 Kate meidet die Auseinandersetzung mit ihrem kindlichen Ich zunächst. Doch im weiteren Gesprächsverlauf erkennt die Therapeutin Kates Willen zur Selbstreflexion, die sie vor allem in der freiwilligen Einweisung verortet sieht: „Aber hierher sind sie selbst gegangen. Sie wollten sich auf die Schliche kommen“ (S1E8, 7: 48-7: 55). Kate sucht demnach die analoge Befreiung und unterwirft sich daraufhin den Regeln der Psychiatrie. Im Verlauf der Therapie fällt es ihr allerdings stetig schwerer, sich diesem System zu beugen, wie sie im Dialog mit dem Pfleger preisgibt: K: Was ist, wenn ich das eigentlich will? P: Was denn? K: Bevormundet werden. P: Machst mir gar nicht so ‘nen Eindruck. K: Dann hätte man aber an gar nichts Schuld. P: Außer am Bevormundet-werden (S1E6, 22: 40-23: 13). Das Gespräch offenbart Kates Sorgen im Umgang mit ihrer eigenen (Wahl-)Freiheit und ließe sich mühelos in deterministische Debatten einfügen: Ihre größte Angst ist die „Schuld“, was bedeutet, gegenüber sich selbst und gegenüber anderen für ihre eigenen Entscheidungen und Handlungen die Verantwortung zu übernehmen. Letztlich bleibt offen, ob sie diese Angst überhaupt überwinden möchte oder nicht - ein Dilemma, wie es für die Generation Y nicht bezeichnender sein könnte: Will ich oder will ich nicht zu mir selbst finden? Will ich oder will ich nicht Teil des Systems sein? Bin ich individuell genug? Für ältere Generationen, die mit Telefonzellen, Wählscheiben und Briefpost aufgewachsen sind, bedeutet ‚mediale Überforderung‘ hingegen etwas Anderes, und zwar nicht, vom Leben in der digitalen Welt überfordert zu sein, sondern vielmehr überhaupt erst den Zugang hierzu zu finden. Sicherlich wird dieser Gedanke laut der taz-Feuilletonistin Marion Bergermann auch auf inhaltlicher Ebene verstärkt, denn „[d]ie Posts, die Kate erhält, scheinen fast alle von MacBook-NutzerInnen aus der Mittelschicht zu stammen. So lesen sich auch die Themen, um die es in den ersten Sendungen geht, ein wenig wie Titel aus dem Mittdreißiger-Magazin Neon: Egoist oder Hippie? Wie beziehungsfähig bist du? “ (Bergermann 2013). Über diese Fragen reflektiert die ‚Generation Kate‘ naturgemäß - wie soll es als Digital Native auch anders sein? - öffentlich in sozialen Netzwerken. Gerade in den sozialen Netzwerken liegt der Fokus der crossmedialen Darstellung insbesondere auf der Bildästhetik, wie Regisseurin Nandzik im Interview erläutert: Da wir zugleich in Frankreich und Deutschland ausstrahlen und die Serie im Netz weltweit sichtbar ist, war es uns [...] wichtig, durch Fotos, Bilder und Videos Sprachbarrieren zu überwinden. Der Look von About: Kate ist sehr collagenhaft, die Erzählstruktur sehr assoziativ. Das bildet sich auch auf den Social-Media-Kanälen ab (Tobesocial 2013). Die bi-nationale Ausrichtung des deutsch-französischen Senders ARTE beeinflusst dabei die Erzählstrategie außerhalb der Kerndiegese in hohem Maße und wirft die 222 Dossier Frage auf, ob sich französische Rezipienten ebenso wie die deutschen Zuschauer mit der Serie, den Themen und den Figuren identifizieren können. Hierzu ist zu erwähnen, dass die allermeisten Pop-Zitate einen internationalen und in der Regel englischsprachigen Bezug aufweisen, und sich demnach nicht auf Deutschland beschränken. Die Ausrichtung ist klar: Die Serie soll die relevante Zielgruppe in beiden Ländern ansprechen - so die grundsätzliche Haltung von ARTE - und hinterlässt somit verschwommene Ländergrenzen. Hierneben beobachtet Fargahi auch in Bezug auf die Figurenkonzeption der Protagonistin Kate sich überlappende Grenzziehungen und serielle Gratwanderungen: „Es erscheint ganz natürlich, dass sich die fiktive Person Kate plötzlich in der Realität bewegt“ (Fargahi 2013). Diese sozialkonstruktivistische Annahme ist plausibel, denn die Produzenten von About: Kate haben die parasoziale Interaktion nahezu perfektioniert: Hinter den Masken der sozialen Netzwerke nehmen Mitarbeiter der Produktionsfirma Kates Persönlichkeit an, wodurch im Meta-Text aufgezeigt wird, dass dies prinzipiell jeder reellen Person droht: Mithilfe der crossmedialen Erzählstrategien führt die Serie dem Rezipienten vor Augen, dass die Figur Kate „zum gläsernen Menschen [wird] - wie jeder von uns im Netz dazu werden kann“ (Nandzik in ARTE 2013). Der Rezipient wird durch die eigene Beteiligung am Erzählkonzept selbst Teil des medienkritischen Experiments, wenn er die verschiedenen Kanäle der Serie mit Beiträgen bedient, als Individuum in den sozialen Netzwerken auftritt oder gar User Generated Content zur Serienhandlung beiträgt, der schließlich in die Kerndiegese integriert wird. Schlussbetrachtung Die Verwischung der Grenzen von Realität und Fiktion rückt die Thematik der individuellen Identitätsfindung im postmodernen Zeitalter in den Fokus. Die unangemessene Vielzahl an zu treffenden Entscheidungen und Handlungsoptionen sowohl in analogen als auch digitalen Welten führen bei der Protagonistin zu Überforderung, Depression und Paranoia. Die von Kate vorgenommene Selbsteinweisung ist letztlich eine Flucht aus einem Regelsystem (die digitalisierte Gesellschaft) in ein anderes, davon abweichendes System (Psychiatrie) mit dem Wunsch nach Selbstfindung: In About: Kate wird nach Markus Schleich thematisiert, „[...] inwiefern Gefängnisse bzw. Psychiatrien als Heterotopien tatsächlich nach Regeln funktionieren können, die zwar in der Gesellschaft verortet sind, aber gleichzeitig aus ihr herausfallen und somit denjenigen Raum bieten, in denen [sic] das Individuum zu sich selbst finden kann“ (Schleich 2015: 58). Interessanterweise ist die Flucht in die Selbstfindung in Wahrheit gar keine wirkliche Flucht, da Kate den Regelkatalog der digitalisierten Gesellschaft mit ihren mobilen Kommunikationsgeräten in das andere Regelsystem der Psychiatrie überträgt und hierdurch einer doppelten Zwanghaftigkeit unterworfen bleibt. Der Moment von Kates emotionaler Öffnung gegenüber ihrer Therapeutin und der damit zusammenhängenden Selbsterkenntnis hängt jedoch unmittelbar mit der 223 Dossier Beschlagnahmung ihres Laptops und ihres Smartphones durch die Klinikleitung zusammen. In diesem Moment wird der Rezipient durch About: Kate betrogen - oder er betrügt sich gewissermaßen selbst: Der Zuschauer kann durch das crossmediale Angebot der Serie verkennen, dass der heilende Moment der Selbsterkenntnis in der Fokussierung liegt - und nicht im gleichzeitigen Konsum verschiedener medialer Angebote. Durch die Aufforderung zur crossmedialen Interaktion wird der Zuschauer bewusst überfordert und gleichsam zu Kates ‚Mitpatienten‘ transformiert. Das Audience Engagement wirkt sogleich als Therapie und hilft dem Rezipienten damit, eine Antwort auf die ‚Psychologisierung‘ unserer Gesellschaften in der eigenen Selbstreflexion zu finden. Gleichzeitig wird deutlich: Der reine Konsum von Unterhaltungsmedien reicht in einer komplexen, hochtechnisierten Welt nicht mehr aus, um den Rezipienten zu unterhalten oder zur Reflexion zu bewegen, was z. B. auch die Second-Screen-Angebote in erfolgreichen Formaten wie dem Tatort oder politischen Talkshows unterstreichen. Der Gebrauch der App als Second Screen, die Interaktion mit Kates fiktivem Facebook-Account und die Möglichkeit der Verfolgung von Kates digitalen Spuren auf der Website sind allesamt Teil der Interdiegese. Besonders innovativ daran ist die synchrone, interdiegetische Teilhabe in Echtzeit. Die Verarbeitung des User Generated Content transformiert den Rezipienten darüber hinaus zum anonymen Co-Autor. Dabei nutzt About: Kate die crossmedialen Erzählmodi auf einer medienkritischen Meta-Ebene. Im Zuge dieser meta-reflexiven Ausrichtung der narrativen Techniken erwächst die serielle Erzählweise von About: Kate selbst zum Abbild der digitalisierten Gesellschaft als Referenz auf die mediale Überforderung der Generation Y: Die Überindividualisierung und die schier unendliche Anzahl an Wahlmöglichkeiten in Bezug auf die Berufswahl, soziale Beziehungen und damit die eigene Identität ziehen tagtäglich komplexe Entscheidungen mit sich. About: Kate geht hinsichtlich der Zuschauerbeteiligung und den Instrumenten des Audience Engagement als Medienexperiment demnach deutlich weiter als jedes andere bisher bekannte TV -Serienformat in Frankreich und Deutschland. Doch trotz der Aufforderung zur aktiven Zuschauerbeteiligung und der damit zusammenhängenden, sehr schwachen Grenzziehung zwischen Realität und serieller Diegese bleibt die Serie eine fiktionale Produktion. Kurzum: About: Kate ist eben keine serielle Autobiographie und erst recht keine Dokumentation. 11 Die Regisseurin und Drehbuchautorin Nandzik möchte mit der Verwischung dieser Grenzen und der Implikation surrealer Elemente zwar auf das komplexe Problem der oftmals schwierigen Unterscheidung von realen und digitalen Welten in unseren Gesellschaften hinweisen. Doch diese Zielsetzung zieht eine - beabsichtigte oder unbeabsichtigte - narratologische Debatte mit sich: Innovative Erzählformate wie About: Kate werfen die Frage auf, ob das Konzept des Fiktionsvertrages nicht grundlegend modifiziert werden müsste. Denn durch die Verstärkung des Effekts der parasozialen Interaktion wird die von Samuel Taylor Coleridge postulierte „willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit“ (Coleridge 1907) in About: Kate - ebenso wie in den digitalen Welten unserer Gesellschaften - obsolet. 224 Dossier Zusammenfassung Die Komplexität des Fernsehens hat seit den 1990er Jahren sprunghaft zugenommen. Das einst wenig geschätzte Genre Fernsehen reagiert seither v. a. in Form von seriellen TV -Produktionen auf soziale Debatten und gesellschaftliche Tendenzen. So auch die ARTE -Serie About: Kate, die aufgrund ihrer crossmedialen Erzählstruktur in der Kritik als narratives Medienexperiment beschrieben wurde: Durch verschiedene Zusatzangebote, der seriellen Handlung im Internet, auf Facebook oder auf dem Smartphone parallel zur Ausstrahlung im Fernsehen zu folgen, wird der Rezipient gezielt überfordert. Der vorliegende Beitrag zeigt auf, wie diese mediale Überforderung in der Serie als Erzählprinzip fungiert und rezente gesellschaftliche Herausforderungen zu repräsentieren versucht. Dabei steht die Protagonistin Kate im Zentrum der Analyse, die mitsamt ihren Identitätskrisen, einer Onlinesucht und einer ausgeprägten Paranoia die überindividualisierte und digitalisierte Generation Y als pars pro toto repräsentiert. American Psychiatric Association, „Internet Gaming - Addictive Potential? “, 16.05.2017, www. psychiatry.org/ news-room/ apa-blogs/ apa-blog/ 2017/ 05/ internet-gaming-addictive-potential (letzter Aufruf am 29.01.2018). ARTE, „Wer ist eigentlich Kate? “, 01.04.2013, www.arte.tv/ sites/ de/ das-arte-magazin/ 2013/ 04/ 01/ wer-ist-eigentlich-kate (letzter Aufruf am 29.01.2018). Askwith, Ivan D., Television 2.0. Reconceptualizing TV as an Engagement Medium, Massachusetts Institute of Technology (MIT), 2007. 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Young, Kimberly et al., „Cyber-Disorders: The Mental Health Concern for the New Millenium“, in: CyberPsychology & Behavior 2, 5, 2000, 475-479. 1 Cf. hierzu weiterführend Poltrum/ Rieken 2017. 2 Cf. zu den nachfolgenden Ausführungen zum Audience Engagement insbesondere Bobineau 2014. 3 Als ‚transmedial“ wird die Übertragung eines Narrativs von einem Medium in ein anderes Medium verstanden, während ‚crossmedial“ die Übertragung eines Narrativs von einem Medium in mehrere verschiedene Medien impliziert. 4 Die folgende Aufzählung basiert vorwiegend auf den Ausführungen von Askwith (2007: 51- 99). Askwith identifiziert allerdings lediglich sieben Touchpoints und integriert den User Generated Content, der in der Folge als letzter Punkt aufgeführt wird, nicht in seine Übersicht. 5 Als eindrucksvolles Beispiel gelten die Branded Products aus der Comedy-Serie How I Met Your Mother. Hier kann der Rezipient Artefakte der Serie wie den Bro Code, das Playbook oder Barney Stinsons Entenkrawatte käuflich erwerben. Cf. hierzu weiterführend Bobineau 2015. 226 Dossier 6 Einschlägige Beispiel für User Generated Content sind Wikis wie etwa Wikipedia, Rezensionen auf Plattformen wie Amazon oder Qype sowie das deutsche Filmprojekt #myescape (Westdeutscher Rundfunk, 2016), das als Dokumentarfilm vorwiegend aus Handyvideos von Geflüchteten über deren Flucht zusammengesetzt ist. 7 On-Demand-Angebote im Internet bieten - ebenso wie DVD-Boxen - TV-Serien mit gleich mehreren Episoden und Staffeln an, die der Nutzer hintereinander rezipieren kann, ohne dass er dem seriellen Fernsehprinzip einer wöchentlichen Ausstrahlung unterworfen ist. Diese Form der Rezeption nennt man Binge viewing oder Serienmarathon. 8 Der Begriff Second Screen bezeichnet die Nutzung eines zweiten Bildschirms (z. B. Tablet, Handy oder Laptop), während der Rezipient auf dem ersten Bildschirm einer Fernsehsendung folgt. Über den Second Screen, der thematisch an das jeweilige TV-Format angepasst ist, kann der Rezipient bspw. ergänzende Zusatzinformationen erhalten. 9 An dieser Stelle wäre einzuwenden, dass sich vereinzelte Serien des sogenannten Quality- TV von der ständigen Verfügbarkeit im On-Demand-Segment abheben, da die jeweils neuen Episoden von House of Cards (seit 2013) und Babylon Berlin (seit 2017) oder Designated Survivor (seit 2016) und Fargo (seit 2013) wöchentlich erst ab einem bestimmten Zeitpunkt verfügbar waren. Nichtsdestotrotz sind sie zugänglich, d. h. der Rezipient ist nicht an genau festgelegte Zeitfenster wie bei About: Kate gebunden und muss diese auch nicht linear rezipieren. Dass die eben genannten Serien in der jüngeren Vergangenheit produziert wurden, lässt darauf schließen, dass diese Ausstrahlungspraxis entgegen der Entwicklungen der ständigen Verfügbarkeit und des Binge viewings konzipiert ist, auch wenn der Rezipient natürlich abwarten kann, bis alle Episoden online sind. 10 Als Startpunkt der psychotherapeutischen Auseinandersetzung mit inneren kindlichen Erlebniswelten wird die Publikation Homecoming: Reclaiming and Championing Your Inner Child (1990) von John Bradshaw betrachtet. In Deutschland rückte der breit rezipierte Ratgeber Das innere Kind in dir muss Heimat finden. Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme (2015) von Stefanie Stahl das Thema verstärkt in den Fokus therapeutischer Debatten. 11 Diese Beobachtungen lassen sich auch auf Mockumentaries übertragen, die fiktive Dokumentationen inszenieren und neben klassischen Erzählsträngen auch dokumentarische Elemente wie Interviews oder Hintergründe einfließen lassen. Bekannte Beispiele für solche Formate sind The Office (2001-2003) bzw. Stromberg (2004-2012) oder Modern Family (seit 2009).