eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 21/42

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2018
2142 Dronsch Strecker Vogel

Ist die Johannesoffenbarung eine Kampfschrift gegen Rom?

2018
Kristina Dronsch
Zeitschrift für Neues Testament Heft 42 21. Jahrgang (2018) Kontroverse Ist die Johannesoffenbarung eine Kampfschrift gegen Rom? Einleitung zur Kontroverse Kristina Dronsch Die politisch-gesellschaftliche Dimension neutestamentlicher Texte ist keine Frage� Dass das frühe Christentum nicht in einem luftleeren Raum gesellschaftlicher Beziehungslosigkeit agierte, ist selbstverständlich, doch die Frage „Wie“ die neutestamentlichen Schriften Bezüge zur gesellschaftlichen und politischen Realität herstellen, scheint im höchsten Maße diskussionswürdig� Und genau um die Klärung dieses „Wie“ kreist die Kontroverse� Es ist eine Kontroverse nicht nur mit Worten ausgetragen, der sich Manuel Vogel und Stefan Alkier stellen, es ist vor allem eine Kontroverse um die interpretationsleitenden Fundamente innerhalb der Bibelwissenschaften, die unterschiedlicher nicht sein können� Ganz en passant gerät die Kontroverse daher zu einem Lehrstück hermeneutischer Differenz und der daraus folgenden Konsequenz für die Interpretation biblischer Texte� Bei aller Differenz teilen beide Kontroverspartner jedoch die grundlegende Überzeugung, dass nur das von der Geschichte bestehen bleibt, was wir mit einem Sinn versehen� Das Ringen um den Sinn des Geschichtlichen macht den Charme dieser Kontroverse aus� Während für Manuel Vogel der Schlüssel zum Verständnis Roms in der Offenbarung in einem historisch-religionsgeschichtlichen Paradigma liegt, nähert sich Stefan Alkier der Schrift der Offenbarung mit einer zeichentheoretischen Fundierung� 74 Kristina Dronsch Bei dem Beitrag von Manuel Vogel ist es das historisch und religionsgeschichtlich geschulte Auge, dass keinen anderen Schluss zulässt, als der Offenbarung im Angesicht ihrer reichsrömischen Entstehungsbedingungen eine „gegenkulturelle Wucht“ zuzugestehen� Für Manuel Vogel ist die Offenbarung eine Schrift, die mit sich selbst ringt, insofern als sie mit dem Konkretum reichsrömischer Präsenz ringt und dieses zu versprachlichen versucht: „Rom ist Babylon in Potenz, Rom ist Tyrus in unerträglichem Ausmaß� … was überall und immer schon die Menschen gequält hat, das quält die Menschen unter reichsrömischen Bedingungen in einer Maßlosigkeit“, die die Ränder des Aussagbaren berührt� Stefan Alkier versucht jenseits des historischen Paradigmas die Bedeutung Roms innerhalb des konkreten Textgewebes der Schrift der Offenbarung zu bestimmen� Der kategorialen Semiotik im Gefolge von Charles Sanders Peirce verpflichtet, geht es ihm darum, die Offenbarung als Textzeichen abduktiv zu erschließen und auf dieser Basis dann induktiv historische Zusammenhänge hypothetisch zu rekonstruieren� Mit dieser methodischen Entscheidung verabschiedet er sich von jeder Art von vorgeordnetem Geschichtsverständnis und lässt den Text der Johannesoffenbarung als das real vorgeordnete Konkretum wirken, mit dem erhellenden Ergebnis, dass sich der Kampfgeist dieser Schrift gegen die antike Großmacht Rom nicht so sehr im Konkretum des Textes zeigt als vielmehr auf den ideologischen Radaren derer, die diese Texte interpretieren� So kommt der Beitrag von Stefan Alkier zu dem Ergebnis, dass es eine grobe Verkürzung des Interpretationsreichtums der Johannesapokalypse bedeutet, wenn sie nur als „Kampfschrift gegen Rom“ verstanden wird und somit ihre „theologisch und kosmologisch differenzierende Machtkritik“ völlig aus dem Blick gerät� Erhellender und differenter kann eine Kontroverse kaum sein� Die Autoren bieten uns ein gutes Stück gelebte wissenschaftliche Disputation�