eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 21/42

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2018
2142 Dronsch Strecker Vogel

Apollon, Babylon und die Insel der Seligen

2018
Thomas Paulsen
Zeitschrift für Neues Testament Heft 42 21. Jahrgang (2018) Zum Thema Apollon, Babylon und die Insel der Seligen Intertextuelle Beziehungen zwischen Werken nichtchristlicher griechischer Autoren und der Johannesapokalypse Thomas Paulsen 1. Einleitung Es ist in der Erforschung dieser berühmtesten aller Apokalypsen eine altbekannte Tatsache, dass Johannes 1 wie kein anderer Autor des Neuen Testaments auf Texte des Alten Testaments anspielt, ohne sie in der Regel wörtlich zu zitieren� Die Bücher Exodus, Ezechiel, Joel und Daniel seien hier als wohl wichtigste Referenztexte genannt� Erst in neuerer Zeit wurde jedoch begonnen, auch intertextuellen Bezügen zu nichtchristlichen und nichtjüdischen Texten systematisch nachzuspüren� Exemplarisch seien hier die Arbeiten von Martin Karrer genannt, der eine große Zahl solcher Bezüge plausibel machen konnte� 2 Im Hintergrund steht hier die zunehmende Erkenntnis, dass es sich bei Johannes um einen Autor 1 Die Debatte, ob es sich hierbei um den realen Namen des Autors handelt, soll hier nicht aufgegriffen werden� Aus meiner Sicht gibt es keine Veranlassung, die Selbstvorstellung in Offb 1,9 nicht im wörtlichen Sinne ernst zu nehmen� 2 Vor allem sind hierzu zu nennen: M� Karrer, Apoll und die apokalyptischen Reiter, in: M� Labahn / M� Karrer (Hg�): Die Johannesoffenbarung� Ihr Text und ihre Auslegung, Leipzig 2012, 223-251; ders., Hellenistische und frühkaiserzeitliche Motive in der Johannesapokalypse, in: Th� Schmeller / M� Ebner / R� Hoppe (Hg�), Die Offenbarung des Johannes� Kommunikation im Konflikt, Freiburg 2013, 32-73; ders., Johannesoffenbarung. Offb. 1,1-5,14 (EKK XXIV / 1)� Ostfildern / Göttingen 2017, passim� Daneben sind insbesondere die Kommentare von D. E. Aune, Revelation, 3 Bde., Waco / Dallas 1997-1998, passim und 24 Thomas Paulsen handelt, der sowohl selbst die griechische Sprache virtuos zu handhaben verstand 3 als auch über eine umfassende Kenntnis griechischer Literatur verfügte� Diese These soll im Folgenden anhand von zwei unterschiedlich gearteten Beispielen demonstriert werden, an welche ein dritter Sonderfall angeschlossen werden soll, bei dem die Apokalypse einen paganen griechischen Autor inspiriert haben könnte� Bevor in diese Diskussion eingestiegen werden kann, ist es jedoch methodisch erforderlich, das Intertextualitätskonzept, von dem ich im Folgenden ausgehe, kurz vorzustellen� 4 2. Das verwendete Intertextualitätskonzept Ausgehend von der Theorie von Susanne Holthuis 5 lassen sich Intertextualitätsphänomene in drei Bereiche unterteilen: Produktionsorientierte Intertextualität fragt nach referentiellen Text-Text-Beziehungen, die von philologisch nachweisbaren ‚intertextuellen Dispositionen‘ 6 wie Zitaten und Anspielungen geprägt sind� Hierfür dürfen nur Texte herangezogen werden, die dem Verfasser des zu untersuchenden Textes nachweislich bekannt waren oder mit hoher Wahrscheinlichkeit bekannt gewesen sein konnten� Rezeptionsorientierte Intertextualität untersucht hingegen Text-Text-Beziehungen, die von konkreten Leserinnen und Lesern tatsächlich hergestellt wurden oder von hypothetischen Rezipienten hätten hergestellt werden können� Generative Intertextualität schließlich fragt G� K� Beale, The Book of Revelation, Grand Rapids 1999, passim einschlägig für dieses Thema� 3 Auf der Grundlage dieser Erkenntnis ist auch davon auszugehen, dass die singulär große Zahl von Verstößen gegen die Regeln griechischer Grammatik, die sich Johannes erlaubt, nicht auf mangelnden sprachlichen Fähigkeiten, sondern einem bewussten Gestaltungswillen beruht; vgl� hierzu besonders: T� Holtz, Sprache als Metapher� Erwägungen zur Sprache der Johannesapokalypse, in: F� W� Horn / M� Wolter (Hg�), Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung� (FS O. Böcher), Neukirchen-Vluyn 2005, 10-19; L. F. Moţ, Morphological and Syntactical Irregularities in the Book of Revelation, Leiden / Boston 2015; Th� Paulsen, Zu Sprache und Stil der Johannes-Apokalypse, in: S� Alkier / Th� Hieke / T� Nicklas (Hg�), Poetik und Intertextualität der Johannesapokalypse, Tübingen 2015, 3-25; S. Alkier / Th. Paulsen, Der kommende Gott. Philologische, literaturwissenschaftliche und theologische Beobachtungen zur Komposition der Johannesapokalypse, ThLZ 142 / 2017, 453-472. 4 Für eine ausführlichere Darstellung vgl� S� Alkier / Th� Paulsen, Der kommende Gott und die Götter der Anderen, in: dies� (Hg�), Apollon, Artemis, Asteria und die Apokalypse des Johannes� Eine Spurensuche zur Intertextualität und Intermedialität im Rahmen griechisch-römischer Kultur - Früchte eines interdisziplinären Seminars, Frankfurt 2018, 69-94, vor allem 71-73. 5 S� Holthuis, Intertextualität� Aspekte einer rezeptionsorientierten Konzeption, Tübingen 1993� 6 Begriff nach Holthuis, Intertextualität, 33� Apollon, Babylon und die Insel der Seligen 25 auch unabhängig von intertextuellen Dispositionen danach, welche Sinneffekte sich jenseits produktions- oder rezeptionsorientierter Intertextualität und ihrer analytischen und rekonstruktiven Arbeitsweise begründen lassen, indem zwei oder mehrere Texte und Textwelten experimentell assoziativ zusammengestellt werden� 7 Drei einfache Beispiele sollen diese drei Formen von Intertextualität, zwischen denen die Grenzen freilich nicht immer eindeutig bestimmt werden können, verdeutlichen: Wenn im 8� Buch von Vergils Aeneis der vom Schmiedegott Vulcan für Aeneas verfertigte Schild eingehend beschrieben wird, so steht hier evident die Ekphrasis des Schildes, den Vulcans griechisches Pendant Hephaistos im 18� Gesang von Homers Ilias schmiedet, dem römischen Autor vor Augen� Es handelt sich also um einen Fall produktionsorientierter Intertextualität� Als rezeptionsorientiert ist hingegen das Verhältnis zwischen zwei ähnlichen Episoden in Apuleius‘ Roman Metamorphosen und dem Cinderella- Märchen anzusehen, wo im einen Fall die Königstochter Psyche von der Göttin Venus, im anderen Fall Cinderella von ihrer bösartigen Stiefmutter gezwungen wird, ein ungeordnetes Sammelsurium verschiedenster Körner auszulesen, und dabei unverhoffte tierische Unterstützung erhält� Ein Fall von generativer Intertextualität liegt dagegen vor, wenn ich bei der Lektüre von Heinrich Manns Roman Professor Unrat , dessen Titelfigur einen Großteil seiner Freizeit der Untersuchung von Partikeln in den homerischen Epen widmet, an den englischen Gelehrten John Dewar Denniston denke, der als Ergebnis mehr als dreißigjähriger Forschung eine Monographie The Greek Particles verfasste� Während die generative Intertextualität ihrem Wesen nach im Rahmen eines Aufsatzes nur schwer zu erfassen ist und daher hier nicht näher in den Blick genommen werden soll, will ich im Folgenden zunächst an je einem Beispiel produktions- und rezeptionsorientierte Intertextualität im Verhältnis der Apokalypse zu älteren Texten vorführen und abschließend einen Fall von pro- 7 Vgl� hierzu S� D� Moore, The Bible in Theory, Atlanta 2010� Prof. Dr. Thomas Paulsen, Jahrgang 1959, studierte Klassische Philologie (Griechisch und Latein) in Konstanz und wurde 1992 in Bochum promoviert� Seit 1993 war er dortselbst bis zu seiner Habilitation 1998 als Hochschulassistent tätig� Von 1999 bis 2004 lehrte er als Hochschuldozent in Bochum, seit 2005 ist er Ordinarius für Klassische Philologie mit Schwerpunkt Gräzistik an der Goethe-Universität Frankfurt� Aktuelle Forschungsschwerpunkte sind die Johannesapokalypse, der antike Roman und die attische Tragödie� 26 Thomas Paulsen duktionsorientierter Intertextualität vorstellen, in dem ein späterer Autor auf Johannes Bezug nahm� 3. Apollon in der Johannesapokalypse 8 Nach der ausführlichen Schilderung des monströsen Heuschreckenheeres, das aus dem Brunnen des Abgrunds heraufsteigt (Offb 9,3), wird zum Schluss deren dämonischer Anführer präsentiert (9,11): ἔχουσιν ἐπʼ αὐτῶν βασιλέα τὸν ἄγγελον τῆς ἀβύσσου, ὄνομα αὐτῷ Ἑβραιστὶ Ἀβαδδὼν καὶ ἐν τῇ ᾿Ελληνικῇ ὄνομα ἔχει Ἀπολλύων. „Sie haben über sich als König den Engel des Abgrunds, sein Name auf Hebräisch Abaddon und in der griechischen Sprache hat er den Namen Apollyon (= Vernichter)�“ 9 Johannes legt also erkennbar großen Wert darauf, den Namen des unheimlichen Engels - des einzigen Engels neben Michael in 12,7, der in der Apokalypse namentlich genannt wird - mitzuteilen, und das gleich in zwei Sprachen� Die griechische Übersetzung des Namens informiert zunächst das Zielpublikum in Kleinasien - bei dem Johannes nicht mit Hebräisch-Kenntnissen rechnen konnte - darüber, dass die unheilvolle Wirkung des Königs der Heuschrecken bereits in seinem sprechenden Namen angelegt ist� Durch die auffallende Stellung als letztes Wort der Heuschreckenperikope, das zudem grammatisch unkorrekt im Nominativ statt im Akkusativ erscheint, wird der griechische Name Apollyon besonders betont� Es handelt sich hierbei um das substantivierte Partizip Präsens von ἀπολλύω, einer gängigen Nebenform von ἀπόλλυμι, dem üblichen Verb für „vernichten“� Die lautliche Ähnlichkeit zum Namen des Gottes Apollon fällt unmittelbar auf, 10 aber ist sie auch produktionsästhetisch intendiert oder zumindest rezeptionsästhetisch gefragt: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein antiker Leser Apollon mit Apollyon assoziierte? Der Gott Apollon gehört in der Vielzahl von Funktionen, die er ausübt, zu den vielschichtigsten Gestalten des griechischen Mythos� 11 Die Assoziationen, die er heute weckt, dürften überwiegend positiv sein� Schon sein äußeres Erscheinungsbild als attraktiver Jüngling mit wallender Lockenpracht, idealtypisch 8 Die folgenden Ausführungen sind weitgehend deckungsgleich mit der Darstellung in Alkier / Paulsen, Der kommende Gott, 96-107 und 116-124. 9 Alle Übersetzungen aus der Apokalypse, mit denen wir uns gezielt um eine möglichst wörtliche Wiedergabe bemühen, stammen von S� Alkier und Th� Paulsen, diejenigen aus anderen griechischen Texten, sofern nicht anders vermerkt, von Th� Paulsen� 10 Das wird auch in den Kommentaren vermerkt, s� z� B� Aune, Revelation, 535 und Beale, Revelation, 503 f. Vgl. weiterhin Karrer, Apoll, 228-230 und ders., Motive, 63. 11 Zu seinen verschiedenen Funktionen vgl� W� Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart 2 2011, 223-230.397. Apollon, Babylon und die Insel der Seligen 27 dargestellt etwa im Apollon von Belvedere, 12 trägt zu dieser Wirkung bei, die von den wohl bekanntesten Funktionen, die er ausübt, unterstützt wird� Man kennt ihn in erster Linie als Orakelgottheit sowie als Gott der Schönen Künste, der in dieser Funktion häufig als Anführer der Musen erscheint� Seit dem 3� Jh� v� Chr� tritt er zunehmend in Konkurrenz zum Sonnengott Helios; darüber hinaus ist er der ursprüngliche Gott der Heilkunst, dessen Funktionen dann zum Teil von seinem Sohn Asklepios übernommen werden� Apollon hat aber auch eine düstere Kehrseite: Er ist der Gott der Krankheiten, der die Menschen mit Seuchen heimsucht, und in dieser Funktion tritt er schon bei seinem ersten Erscheinen in der europäischen Literatur gleich zu Beginn der Ilias (A 43-53) auf, als er mit seinen Pfeilen die Pest in das Heerlager der Griechen vor Troja sendet� So ist es nicht verwunderlich, dass Wortspiele mit seinem, etymologisch bis heute nicht sicher geklärten, Namen und dem griechischen Verb für „vernichten“, nicht selten sind� Den ältesten Beleg bietet bereits Archilochos um die Mitte des 7� Jh�s v� Chr� in einer Anrufung an Apollon (Fragment 26�5 f� West): 13 ὦναξ Ἄπολλον, καὶ σὺ τοὺς μὲν αἰτίους / πήμαινε καί σφεας ὄλλυʼ, ὅσπερ ὀλλύεις. „Herr Apollon, füge auch du den Schuldigen / Leid zu und vernichte sie, der du ja vernichtest! “ Der Sprecher leitet hier (was sich in der deutschen Übersetzung nicht nachahmen lässt) den Namen Apollon von ὀλλύω, das wie das Kompositum ἀπολλύω „vernichten“ bedeutet, ab, um zum Ausdruck zu verbringen, dass Apollon ein geeigneter Gott zur Vernichtung der genannten Übeltäter ist, da er ja das Vernichten schon im Namen trägt� Dieselbe Namensherleitung findet sich bei Aischylos (525-456) in seiner 458 v. Chr. aufgeführten Tragödie Agamemnon , in welcher die Priesterin Kassandra Apollon als ihren Vernichter charakterisiert (V. 1080-1082): 14 12 Es handelt sich hier um eine der berühmtesten antiken Skulpturen� Das aus Bronze bestehende Original wird allgemein dem Bildhauer Leochares zugeschrieben und in die Zeit nach 350 v� Chr� datiert� Erhalten ist aber nur eine Marmorkopie, die Ende des 15� Jh�s in den Ruinen von Neros Villa in Antium gefunden wurde� Sie gehört heute zu den bekanntesten Ausstellungsstücken der Vatikanischen Museen� 13 Vgl� Karrer, Motive, 63, bei dem sich auch bereits die Verweise auf die folgenden Stellen finden� Die Stelle wird noch im 5� Jh� n� Chr� von Macrobius in seinen Saturnalien (1�17�9) im Rahmen seiner Behandlung möglicher Etymologien des Namens Apollon zitiert, kann also auch zur Zeit des Johannes als bekannt angenommen werden� 14 In ihrem Fall trifft das allerdings nur mittelbar zu: Zur Strafe dafür, dass Kassandra sich seinen erotischen Avancen widersetzte, verhängte Apollon über sie den Fluch, dass ihre Weissagungen zwar immer zutreffend seien, ihr aber niemals jemand Glauben schenken werde� So verhallen ihre Warnungen vor der Hinterlist der Griechen ungehört, deren Beachtung den Fall Trojas und damit ihr eigenes Unglück hätte verhindern können� - Auf diese Aischylos-Stelle verweisen auch die meisten Apokalypse-Kommentare zu 9,11� 28 Thomas Paulsen Ἄπολλον, Ἄπολλον, / ἀγυιᾶτʼ, ἀπόλλων ἐμός˙ / ἀπώλεσας γὰρ οὐ μόλις τὸ δεύτερον. „Apollon, Apollon, / Schützer der Wege, mein Vernichter: / vernichtet nämlich hast du mich ganz und gar zum zweiten Mal�“ Die früheste bekannte Stelle, an der Apollon mit dem Sonnengott identifiziert wird, einem Fragment aus der nur fragmentarisch erhaltenen Tragödie Phaethon des Euripides (484-406), bietet einen noch markanteren Beleg: Klymene, die Mutter des bei seiner Fahrt mit dem Sonnenwagen tödlich verunglückten Phaethon, klagt dessen Vater Helios als Verantwortlichen für das Unglück an (Fragment 781,11-13): ὦ καλλιφεγγὲς Ἥλιʼ, ὥς μʼ ἀπώλεσας / καὶ τόνδʼ. Ἀπόλλων δʼ ἐν βροτοῖς ὀρθῶς καλῇ, / ὅστις τὰ σιγῶντʼ ὀνόματʼ οἶδε δαιμόνων. „O schön leuchtender Helios, wie hast du mich vernichtet / und ihn hier� Apollon / Vernichter aber wirst du unter Sterblichen mit Recht genannt, / wer immer die verborgenen Namen der Gottheiten kennt�“ Interessant ist hier vor allem, dass der Eigenname Apollon nicht als wirklicher Name des Gottes, der, wie im Mythos bis zu dieser Zeit üblich, Helios heißt, betrachtet wird, sondern als charakterisierendes Epitheton, in welchem sich seine zerstörerische Gewalt manifestiert� Dass solche Assoziationen verbreitet gewesen sein müssen, zeigt eine Stelle aus Platons (427-347) Dialog Kratylos , an der die Etymologie des Namens als Herleitung aus ἀπόλλυμι / ἀπολλύω nicht einmal explizit genannt wird, so dass Platon offenkundig davon ausging, dass seine Rezipienten die Anspielung verstanden (404d8-e2): Περὶ τὸν Ἀπόλλω (…) πολλοὶ πεφόβηνται περὶ τὸ ὄνομα τοῦ θεοῦ, ὥς τε δεινὸν μηνύοντος. „Was Apollon betrifft, (…) haben viele Angst mit Blick auf den Namen des Gottes, als zeige er etwas Furchtbares an�“ Auch zu Lebzeiten des Johannes, unabhängig davon, welchen chronologischen Ansatz man verfolgt, war die vermutete unheimliche Etymologie des Namens gegenwärtig� So lautet ein witziges Epigramm des Dichters Ammianos, 15 das mit der Funktion von Apollon als Gott der Dichter und Sänger und der Ableitung seines Namens von ἀπόλλυμι/ ἀπολλύω spielt: 15 Anthologia Graeca XI 188; vgl� A� Kerkeslager, Apollo, Greco-Roman Prophecy, and the Rider on the White Horse in Rev 6: 2, in: JBL 112, 1993, 116-121, hier: 119, Anm. 20. Üblicherweise wird Ammianos in die Zeit Hadrians datiert, mit überzeugenden Argumenten plädiert jedoch Hendrich Schulte in seiner kommentierten Edition (Die Epigramme des Ammianos, Trier 2004, 12) dafür, dass Ammianos ein Zeitgenosse Martials (ca. 40-104) war� Außer den schon genannten führt Schulte a� O� als weitere Belege für unsere Etymologie noch Cornutus 32 (Mitte 1� Jh�) und Macrobius, Saturnalien I 17�9 (frühes 5� Jh�) an� Apollon, Babylon und die Insel der Seligen 29 Νικήτης ᾄδων τῶν ᾠδῶν ἐστιν Ἀπόλλων, / ἂν δʼ ἰατρεύῃ, τῶν θεραπευομένων. „Wenn Niketes singt, ist er der Apoll der Lieder: / Wenn er aber doktert, ist er der seiner Patienten�“ 16 Wenn der besagte Niketes also singt, wird er zum Vernichter der Lieder und als Arzt ist er eine ebensolche Katastrophe, da seine Behandlung zum Verderben seiner Patienten führt� Diese Belege lassen es also als grundsätzlich plausibel erscheinen, dass sowohl Johannes selbst mit der Nennung des Namens Apollyon die Assoziation mit Apollon hervorrufen wollte als auch seine Rezipienten den Bezug herstellen konnten� 17 Die Heranziehung eines Mediums aus der Bildenden Kunst unterstützt diesen Ansatz: Pausanias, der um die Mitte des 2� Jh�s n� Chr� eine Art Reiseführer verfasste, berichtet von einer besonderen Apollon-Statue, die man auf der Akropolis in Athen besichtigen konnte (1�24�8): 18 Τοῦ ναοῦ δέ ἐστι πέραν Ἀπόλλων χαλκοῦς καὶ τὸ ἄγαλμα λέγουσι Φειδίαν ποιῆσαι˙ Παρνόπιον δὲ καλοῦσιν, ὅτι σφίσι παρνόπων βλαπτόντων τὴν γῆν ἀποτρέπειν ὁ θεὸς εἶπεν ἐκ τῆς χώρας. Καὶ ὅτι μὲν ἀπέτρεπεν, ἴσασι, τρόπῳ δὲ οὐ λέγουσι ποίῳ. „Dem Tempel 19 gegenüber steht ein Apollon aus Bronze und die Statue soll Phidias gefertigt haben� Man nennt ihn den Parnopios, 20 da der Gott ihnen (= den Athenern) sagte, er werde ihnen die Heuschrecken, die ihrem Boden schadeten, aus dem Land vertreiben� Und dass er sie vertrieb, weiß man, auf welche Weise, sagt man aber nicht�“ Eine Kopie der Statue, auf die sich Pausanias bezieht, ist sogar möglicherweise in der Kasseler Antikensammlung in Schloss Wilhelmshöhe erhalten� Leider fehlt die Heuschrecke in Apollons Hand, doch gilt deren Ergänzung als plausibel� 21 Der Gott erscheint hier in einer Funktion, auf die erstmals bereits im 1� Gesang der Ilias angespielt wird (A 39), als Schutzgott gegen alles mögliche unangenehme Getier, in diesem Fall als Smintheus, als Vertilger der Feldmäuse� Und gerade in dieser Funktion wird er speziell im kleinasiatischen Raum, in dem Johannes‘ primäres Zielpublikum lebte und aus dem Apollon ursprünglich stammt, besonders verehrt. So nennt der Geograph Strabon (63 v.-23 n. Chr.) ein Heiligtum des Apollon Smintheus in Killa 22 (13�1�63 f�)� Im selben Kontext 16 Übersetzung von Schulte, Ammianos, 38� 17 Die Zurückhaltung, die ich mir in dieser Frage in Paulsen, Sprache und Stil, 9, Anm� 18 noch auferlegt habe, ist im Laufe der Beschäftigung mit der Thematik gewichen� 18 Vgl� Karrer, Apoll, 229 mit Abbildung sowie ders�, Motive, 63� 19 Gemeint ist der Parthenon� 20 Abgeleitet von πάρνοψ, einem Wort für Heuschrecke. 21 Nach mündlicher Auskunft des Klassischen Archäologen Axel Filges� 22 Dieser Ort erscheint schon in der Ilias (A 38) als eine der bevorzugten Kultstätten Apollons� Er ist nicht mehr genau zu lokalisieren, lag aber jedenfalls südlich des Ida-Gebirges 30 Thomas Paulsen (13� 1� 64) erscheint er auch wieder als Schutzgott gegen Heuschrecken, dem bei den kleinasiatischen Äoliern, die in der Gegend um Smyrna, einem der in den sieben Sendschreiben adressierten Orte, siedelten, sogar ein Monat, der Pornopion, 23 gewidmet ist, in welchem ein Opferfest zu seinen Ehren stattfand� Apollon als Herr der Heuschrecken, der auch in Kleinasien in dieser Funktion verehrt wurde und dessen Name sich nach verbreiteter Auffassung von ἀπόλλυμι oder ἀπολλύω ableiten ließ: die Kombination dieser beiden Aspekte macht es unter dem produktionsorientierten intertextuellen Ansatz sehr wahrscheinlich, dass die Rezipienten der Apokalypse bei Abaddon an Apollon denken sollten� Welche Schlussfolgerungen lassen sich nun aus dieser Beobachtung ziehen, da nicht anzunehmen ist, dass dieses intertextuelle Spiel Selbstzweck ist? Wie kommt Johannes dazu, die zwei so unvereinbar scheinenden Welten des jüdisch-christlichen Gottes mit seinem Sohn Christus und der Götter des griechischen Mythos miteinander in Beziehung zu setzen? Hier ist zunächst zu konstatieren, dass für die Menschen der ersten christlichen Jahrhunderte die Existenz des einen Gottes nicht so automatisch die Möglichkeit der Existenz anderer göttlicher Wesen ausschloss, wie wir das aus heutiger Perspektive für selbstverständlich halten mögen� So glaubten etwa Paulus und Augustin ganz unbefangen an die Realität der alten mythischen Götter, nur dass sie für sie selbstverständlich keine Götter, sondern böse Dämonen waren� 24 Natürlich konnten sie weder für Paulus noch für Augustin noch für Johannes richtige Götter sein - das schloss die Konzeption Gottes, wie sie normativ wirksam in den heiligen Schriften Israels dargestellt wird, aus� Als dienstbare Geister des einen Gottes konnten sie aber durchaus in Frage kommen, auch wenn sie eigentlich als widergöttliche Mächte anzusehen waren� Wen dabei befremden mag, dass etwa Apollon zu einem Engel mutiert, 25 mag sich nur die Tatsache vor Augen halten, dass wir möglicherweise nur deshalb das Weihnachtsfest am 25� Dezember feiern, weil dies der Feiertag des römischen Sonnengottes, des Sol invictus, war, mit dem Christus dank der typisch antiken Neigung zum religiösen Synkretismus vielfach identifiziert oder zumindest in Beziehung gesetzt wurde� 26 Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht mehr als so verwunderlich, wenn Apollon als Abaddon in die Heerscharen der Engel integriert wird, freilich in der Nähe von Troja� 23 Bei πόρνοψ handelt es sich um eine dialektale Variante von πάρνοψ. 24 S� v� a� Röm 8,38 f�; 14; 1 Kor 8,4 ff�; Augustin, De civitate Dei 7�33, 9�1� 25 Vgl� Karrer, Motive, 64: „Mehr als ein katachthonischer Engel bleibt von Apoll nicht übrig“� 26 Die Pro- und Contra-Argumente werden diskutiert in S� E� Hijmans, Sol Invictus, the Winter Solstice, and the Origins of Christmas, in: Museion 47 (3), 2003, 377-398 und C� P� E� Nothaft, The Origins of the Christmas Date� Some Recent Trends in Historical Research, in: Church History 81, 2012, 903-911. Apollon, Babylon und die Insel der Seligen 31 als unheilvoller Engel, der Leiden über die Menschen bringt� Vielleicht ist es nicht abwegig, wenn man sich Apollons erwähnte Funktion als Pestgott vor Augen führt, an den Engel zu denken, der im 2� Buch Samuel im Auftrag Gottes die Pest über das Volk Israel bringt (2 Sam 24,16) - mit dieser Assoziation hätten wir es mit einem Fall von generativer Intertextualität zu tun� Zusammenfassend lässt sich also konstatieren, dass Johannes auf verschiedenen Abstraktionsebenen Gottheiten der griechischen Mythologie in die Apokalypse integriert und sie dort gewissermaßen zu dienstbaren Geistern des einen Gottes macht, die in seinem Auftrag Unheil über die Menschen bringen� Oder um es mit den Worten von Martin Karrer zu sagen: „Den Göttern der Völker bleibt (…) der Abgrund� Sie sinken ab in den Raum des Todes, weil sie das Leben in der Welt zum Tod regieren� (…) All die Macht, die die Götter zu besitzen scheinen, trügt�“ 27 Damit ist das Geflecht intertextueller Dispositionen um Apollon herum aber noch nicht erschöpft, sondern kann noch um eine weitere Facette bereichert werden: Karrer erwägt in Anlehnung an Allen Kerkeslager, ob „der Apollonmythos (…) die berühmteste Visionenreihe der Offb, die der apokalyptischen Reiter (Offb 6,1-8) beeinflusst.“ 28 Während der zweite und dritte Reiter allgemein anerkannt als Personifikationen von Krieg und Hunger verstanden werden und die Mehrheitsmeinung im vierten Reiter eine Personifikation der Pest sieht, ist die Deutung des ersten Reiters seit Irenäus von Lyon höchst umstritten� 29 Die von Johannes durch wörtliche Übereinstimmungen in Offb 6,1-8 betonte Einheitlichkeit des Auftretens der vier Reiter lässt es als sicher erscheinen, dass auch der erste Reiter eine für die Menschen negative Wirkmacht haben muss� Ich folge hier weitgehend der ingeniösen Interpretation von Kerkeslager (a� a� O�), 27 Karrer, Motive 66 f� 28 Karrer, Motive, 65 und Kerkeslager, Apollo; vgl. auch Karrer, Apoll, 230-232, 236-240 und 242-248, der letztlich offen lässt, ob der erste Reiter mit Apollon zu identifizieren ist. 29 Es kann in diesem Rahmen nicht auf die unüberschaubare Literatur zu diesem Thema eingegangen werden� Gute Überblicke über die diskutierten Thesen, die den ersten Reiter betreffen, bieten Aune, Revelation, 393 f. und Beale, Revelation, 375-377. Während im 19� und 20� Jh� seine Deutung als Repräsentant einer negativen Macht überwog, mehren sich neuerdings wieder die Stimmen, die ihn positiv interpretieren; s� hierzu vor allem M� Bachmann, Wo bleibt das Positive? Zu Offb 6,1 f� und 17,5 in Rezeptionsgeschichte und Exegese, in: Labahn / Karrer, Johannesoffenbarung, 197-221, hier: 206-213 mit weiterer Literatur� Meines Erachtens ist die von Johannes gezielt auskomponierte Parallelstellung der vier Reiter nach wie vor ein unwiderlegbares Argument für eine negative Ausdeutung; mit den Worten von Traugott Holtz, Die Offenbarung des Johannes, hg� von K�-W� Niebuhr, Göttingen 2008, 64: „Daß die erste Vierergruppe [sc� die vier Reiter, TP] eng zusammengehört, ergibt sich aus der fundamentalen Gleichartigkeit des Geschauten (…)� Deshalb verbietet sich eine grundsätzliche Einzelstellung des ersten Reiters, trotz durchaus vorhandener Unterschiede zu den folgenden, durch die freilich er nur von den anderen abgehoben, nicht fundamental geschieden wird�“ 32 Thomas Paulsen für den Dreh- und Angelpunkt seiner Ausführungen die Deutung des Bogens ist, den der erste Reiter trägt (6,2): καὶ εἶδον, καὶ ἰδοὺ ἵππος λευκός, καὶ ὁ καθήμενος ἐπʼ αὐτὸν ἔχων τόξον καὶ ἐδόθη αὐτῷ στέφανος καὶ ἐξῆλθεν νικῶν καὶ ἵνα νικήσῃ. „Und ich sah, und siehe: ein Pferd, ein weißes, und der auf ihm Sitzende haltend einen Bogen; und gegeben wurde ihm ein Kranz und er ging hinaus als Sieger und um zu siegen�“ Die bisher mehrfach vorgetragene Deutung des Bogens als Anspielung auf die im Osten drohenden mit Bogen bewaffneten Partherheere 30 vermag nicht zu überzeugen, da damit die symbolische Deutungsebene, die sonst bei den vier Reitern konsequent durchgehalten ist, durch einen konkret lebensweltlichen Bezug gestört würde und der Unterschied zwischen ersten und zweitem Reiter, der den Krieg symbolisiert, nicht mehr deutlich zu fassen wäre� Plausibel ist hingegen Kerkeslagers Deutung, hierin einen Bezug auf Apollon, dessen Waffe ja der Bogen ist, zu sehen� 31 Diese Interpretation fügt sich ausgezeichnet in die bisherigen Beobachtungen ein, da Apollon in derselben Weise wie in Offb 9,11, obwohl es sich bei ihm um eine widergöttliche Macht handelt, von Gott instrumentalisiert wird� Damit ergeben sich zwei Wege, den ersten Reiter zu deuten, die mir durchaus miteinander vereinbar erscheinen� Folgt man Kerkeslagers Interpretation weiter, so steht dieser Reiter für falsche Propheten, die Irrlehren verkünden� Dies passt ausgezeichnet zu einer der prominentesten Funktionen Apollons, welcher der griechische Orakelgott schlechthin ist - und darüber hinaus in Didyma, etwa 60 km südlich von Ephesos und bei gutem Wetter in Sichtweite der Insel Patmos, auf der Johannes zum Zeitpunkt der Abfassung der Apokalypse lebte, nächst Delphi und Delos seine prominenteste Orakelstätte hatte� Mithin war er den Adressaten des Sehers in seiner Funktion als Orakelgott unmittelbar präsent� Soweit ist diese Interpretation, die vom Bogen des ersten Reiters als zentralem Interpretationssignal ausgeht, vollkommen schlüssig, aber genügt sie, um ihn als Sieger zu charakterisieren, der über dieselbe katastrophale Macht verfügt wie Krieg, Hunger und Pest? Ein zweiter Interpretationsweg, 30 Z� B� W� Bousset, Die Offenbarung Johannis, Göttingen 6 1906, 266 und R� H� Charles, A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St� John, 2 Bde�, Edinburgh 1920, I, 163� 31 Kerkeslager, Apollo, 118� In diesem Zusammenhang mag von Bedeutung sein, dass ihm in Offb 6,2 ein Kranz verliehen wird, während er den Bogen als traditionelles Attribut bereits hat� Karrer, Apoll, 238 f� (mit Abbildung) verweist zusätzlich darauf, dass Apollon in Kleinasien auf Münzen auch gelegentlich als Reiter dargestellt wird (was im griechischen Mutterland nicht üblich ist)� Apollon, Babylon und die Insel der Seligen 33 der eine Idee von keinem geringeren als Martin Luther aufgreift, 32 trägt dieser Macht eher Rechnung, ohne dass sie der Plausibilität von Kerkeslagers Ausführungen Abbruch täte: Der erste Reiter könnte demnach ein Symbol für die Tyrannis sein, die sich als durch ihn personifiziertes Abstraktum nahtlos in die Reihe der anderen Reiter einfügen würde� Wie passt das mit Apollon zusammen? Im römischen Imperium spielte Apollon seit der besonderen Förderung seines Kultes durch Augustus (63 v.-14 n. Chr.) eine zentrale Rolle, sowohl in seiner traditionellen Funktion als auch in der bereits angesprochenen Identifikation mit dem Sonnengott, die seit dem Hellenismus gang und gäbe war� 33 Zwar ließ keiner der römischen Kaiser, die in der Zeit vor der Entstehung der Johannesapokalypse regierten, sich explizit als Apollo oder Sol verehren, 34 doch war die Darstellung der Principes mit Strahlenkranz, durch welchen eine Gleichsetzung mit dem Sonnengott insinuiert wurde, weit verbreitet� Es sei hier nur auf zwei besonders markante Beispiele verwiesen: 35 Auf einer um 30 v� Chr� entstandenen Karneol-Gemme ist Octavian, der spätere Augustus, auf einer steil emporsteigenden Quadriga mit Köcher, Bogen und einer Fackel dargestellt� 36 Hier sind mithin in besonders sinnfälliger Weise in der Gestalt des Princeps Attribute von Apollo und Sol vereinigt� Ihren monumentalsten Ausdruck fand die Vereinigung von Kaiser und Sonnengott jedoch in der etwa 35 m hohen Kolossalstatue, die Nero um 65 im Atrium seines gigantomanischen Palastes, der domus aurea , aufstellen ließ: Sie stellte den Sonnengott mit Neros Gesichtszügen dar� 37 Wenn der oberste Repräsentant des Imperiums, das die gesamte 32 Martin Luther in seiner Vorrede zur Offenbarung in seinem Neuen Testament von 1530: WA�DB 7,410� 33 Manifestestes Zeugnis für die besondere Rolle des Gottes ist der Apollo-Tempel, den Augustus auf dem Palatin direkt neben seinem Palast errichten ließ� Dieser trug auf seinem Giebel die Quadriga des Sonnengottes Sol (Properz, 2� 31� 11)� Zur Gleichsetzung Apollon und Helios s� ein Sibyllinisches Orakel zur römischen Säkularfeier, zitiert bei Zosimos, Historia Nea 2� 6� 16 bzw� zu derjenigen von Apollo und Sol s� Cicero, De natura deorum 2�68 und 3�51 sowie Varro, De lingua Latina 5�68� Eine Zusammenstellung der literarischen Belege für diese Synkrisis bietet A� S� Pease, M� Tulli Ciceronis de natura deorum libri III, Darmstadt 1968, 727� Vgl� hierzu auch M� Bergmann, Die Strahlen der Herrscher� Theomorphes Herrscherbild und politische Symbolik im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit, Mainz 1998, 123 f�, deren Monographie ich das Material für die folgenden Ausführungen verdanke� 34 Augustus soll immerhin, wenn man Sueton Glauben schenken darf ( Augustus 70�1), bei einem „Gastmahl der zwölf Götter“, bei dem die Anwesenden in der Tracht der Olympier getafelt haben sollen, die Rolle des Apollo gespielt haben� 35 Weiteres reiches Material bietet Bergmann, Strahlen der Herrscher, 99-242, insbesondere zu Nero (ebd. 133-230). 36 S� Bergmann, Strahlen der Herrscher, 104 mit Abb� Tafel 20�6� 37 Vgl� Sueton, Nero 31�1, der auch, in Einklang mit Plinius maior, Naturalis historia 34�45, die Höhenangabe bietet. S. hierzu wiederum Bergmann, Strahlen der Herrscher, 190-193 mit 34 Thomas Paulsen Mittelmeerwelt beherrschte, also vielfach mit den Attributen Apollons, sei es in seiner ursprünglichen Funktion, sei es als Sonnengott, dargestellt wurde, ist gerade dieser Gott problemlos als Chiffre für eine weltbeherrschende, tyrannische Macht zu verstehen und kann darüber hinaus in demselben umfassenden Sinn wie die anderen Reiter für allgemeine abstrakte Phänomene stehen, somit als generelles Symbol für Tyrannenherrschaft gesehen werden� Da Orakel, Vogelschau und Vorzeichendeutung bestimmende Elemente im öffentlichen Leben Roms waren, kann dieser Aspekt des Gottes durchaus mit seinem Wesen als tyrannischer Repräsentant des römischen Riesenreiches vereinbart werden� Sein weißes Pferd kann in dieser Deutung als Anspielung auf die römischen Triumphwagen verstanden werden, die von weißen Pferden gezogen wurden� So wird er in doppelter Weise in der Johannesapokalypse instrumentalisiert, zum einen als „kriegerisch-mörderischer Hochgott Roms und der Griechen“, 38 zum anderen als nicht weniger mörderischer Engel des Abgrunds� 4. Babylon bei Herodot und in der Johannesapokalypse Babylon spielt eine große Rolle in der Apokalypse: Es ist als „die große Hure“ (Offb 17,1) eine Stadt, die Tyrannei, Verderbtheit und Luxus repräsentiert und deren Untergang in den Kapiteln 17 und 18 nach dem Ausgießen der siebten Zornesschale (16,17-21) breiter Raum im Rahmen des Vollzuges des Jüngsten Gerichts gewidmet ist� Zu der nach wie vor lebhaft geführten Diskussion, ob Babylon in erster Linie eine Chiffre für Rom sein soll oder in abstrakterem Sinne die Verkörperung einer Stadt des Bösen (oder beides) kann in diesem Rahmen kein Beitrag geleistet werden� Unbestreitbar ist, dass Johannes allein durch die Namenswahl einen Bezug zum historischen Babylon herstellt, das zum einen aufgrund der vor allem in Jeremia 50�51 widergespiegelten babylonischen Gefangenschaft von Teilen des Volkes Israel als Symbol einer tyrannischen Herrschaft bestens geeignet war, zum anderen aber auch durch seine legendäre Prachtentfaltung, als es unter der Herrschaft von Nebukadnezar II � (reg. 605-562 v. Chr.) eine der größten und reichsten Städte der Oikumene geworden war� Unsere wichtigste literarische Quelle für diese Prachtentfaltung stellt die Beschreibung dar, die Herodot (ca. 485-ca. 425 v. Chr.) im 1. Buch seines Geschichtswerkes bietet (1.178-200), in der zunächst die Anlage der Stadt geschildert wird (1.178-181), bevor der Autor auf Geschichte und Sitten der Babylonier eingeht� 39 Herodot war in der ganzen Antike einer der meistgelesenen Rekonstruktionszeichnung der Kolossalstatue� 38 Karrer, Motive 65� 39 Die wohl wichtigste nicht-literarische Quelle für die Pracht Babylons lässt sich glücklicherweise in Augenschein nehmen, ohne dass man die gefährliche Reise in den Irak Apollon, Babylon und die Insel der Seligen 35 griechischen Autoren, so dass unter rezeptionsorientierten Gesichtspunkten die Frage naheliegend ist, ob das Publikum der Johannesapokalypse bei der Schilderung Babylons Herodots Darstellung als Referenztext aufrufen konnte� Hier fällt ein Detail ganz besonders ins Auge: In Offb 16,12 heißt es über den sechsten Schalenengel: καὶ ὁ ἕκτος ἐξέχεεν τὴν φιάλην αὐτοῦ ἐπὶ τὸν ποταμὸν τὸν μέγαν τὸν Εὐφράτην καὶ ἐξηράνθη τὸ ὕδωρ αὐτοῦ, ἵνα ἑτοιμασθῇ ἡ ὁδὸς τῶν βασιλέων τῶν ἀπὸ ἀνατολῆς ἡλίου. „Und der sechste goss aus seine Schale auf den Fluss, den großen, den Euphrat, und es trocknete sein Wasser aus, damit bereitet wird der Weg der Könige vom Aufgang der Sonne�“ Hierin spiegelt sich ein historisches Geschehen wieder, das Herodot im 1� Buch seines Geschichtswerkes (1�191) beschreibt: 40 Nachdem der persische Großkönig Kyros im Jahre 539 v� Chr� mit seiner Belagerung Babylons nicht vorangekommen sei, habe er erkannt, dass es zwei Schwachpunkte im Befestigungsring der Stadt gab, nämlich die beiden Stellen, an denen der Euphrat in die Stadt hinein- und wieder hinausströmte� Daraufhin habe er den Fluss durch einen Kanal in einen nahegelegenen See abgeleitet, so dass sein Bett im Bereich der Tore Babylons gangbar geworden sei� Die Babylonier hätten die List zu spät bemerkt und die Perser hätten so in die Stadt eindringen können� 41 An dieser Stelle dürfte deutlich werden, worin der Unterschied einer produktions- und rezeptionsorientierten intertextuellen Sichtweise besteht: Es ist nicht nachweisbar und auch nicht notwendig anzunehmen, dass Johannes gerade Herodots Schilderung von der Eroberung Babylons durch die Perser kannte, dass er sich aber mit dem auffälligen Detail, dass im Rahmen des apokalyptischen Geschehens ein so gewaltiger Strom wie der Euphrat ausgetrocknet wird, damit ein König aus dem Osten problemlos eindringen kann, auf das historische Geschehen der Einnahme Babylons bezieht, dürfte unzweifelhaft sein� Rezipienten, welche die Herodot- Schilderung kannten, konnten sich diese ohne Weiteres ins Gedächtnis rufen� Es bedürfte näherer Untersuchungen, inwieweit die Pracht und Größe Babylons, wie sie bei Johannes aufscheinen, über das Allgemeine hinausgehende antreten muss: das Ischtar-Tor im Pergamon-Museum in Berlin� 40 Vgl� Beale, Revelation, 827� 41 Herodot ordnet dieses Ereignis falsch zu: Während Kyros Babylon nach einer siegreichen Schlacht mehr oder weniger kampflos einnehmen kann, wendet sein Nachnachfolger Dareios im Jahre 522 v� Chr� die genannte List an, als er das abtrünnig gewordene Babylon belagert. Diese Belagerung schildert Herodot in 3.150-159. Für eine Auswertung der Passage unter rezeptionsorientiert-intertextuellen Gesichtspunkten ist dieser Irrtum allerdings irrelevant� 36 Thomas Paulsen Bezüge zu Herodot aufweisen könnten, noch interessanter erscheint jedoch die Verfolgung einer anderen Spur: Es ist, soweit ich sehe, in der Forschung unstrittig, dass die Stadt Babylon, wie Johannes sie in all ihrer bösen Pracht entwirft, ein Gegenbild zum Neuen Jerusalem darstellt, der Stadt Gottes in ihrer himmlischen Herrlichkeit, die in Offb 21 nach Vollzug des Gerichts vom Himmel herabsteigt� Dieses Gegenbild weist nun aber, wie schon gesehen wurde, 42 Parallelen zu Herodots Schilderung der Anlage Babylons auf, welche die Frage aufwerfen, ob hier außer dem ohne Frage greifenden rezeptionsorientierten auch der produktionsorientierte intertextuelle Ansatz in Frage kommt� Johannes schildet die städtebauliche Anlage des Neuen Jerusalem so (Offb 21,16 f�): (16) καὶ ἡ πόλις τετράγωνος κεῖται καὶ τὸ μῆκος αὐτῆς ὅσον καὶ τὸ πλάτος. καὶ ἐμέτρησεν τὴν πόλιν τῷ καλάμῳ ἐπὶ σταδίων δώδεκα χιλιάδων, τὸ μῆκος καὶ τὸ πλάτος καὶ τὸ ὕψος αὐτῆς ἴσα ἐστίν. (17) καὶ ἐμέτρησεν τὸ τεῖχος αὐτῆς ἑκατὸν τεσσεράκοντα τεσσάρων πηχῶν (…). „Und die Stadt liegt viereckig da und ihre Länge <ist> wie auch die Breite� Und er (= der zuvor genannte Engel) maß die Stadt mit dem Rohr auf 12 000 Stadien; die Länge und die Breite und ihre Höhe sind gleich� Und er maß ihre Mauer auf 144 Ellen (…)�“ Bei Herodot heißt es dagegen von Babylon (1�178�2 f�): (2) κέεται ἐν πεδίῳ μεγάλῳ μέγαθος ἐοῦσα μέτωπον ἕκαστον εἴκοσι καὶ ἑκατὸν σταδίων ἐούσης τετραγώνου (…). (3) (…) τεῖχος πεντήκοντα μὲν πηχέων βασιληίων ἐὸν τὸ εὖρος, ὕψος δὲ διηκοσίων πήχεων. „(Die Stadt) liegt in einer großen Ebene, an Größe ist sie an jeder Stirnseite 120 Stadien lang, wobei sie viereckig ist (…)� (Es gibt) eine Mauer, die 50 königliche Ellen an Breite, an Höhe aber 200 Ellen misst�“ Die beiden Schilderungen sind analog angeordnet: Unter Verweis auf die quadratische Anlage 43 wird die Ausdehnung angegeben, die bei Herodot stark übertrieben ist, da wir damit auf einen Stadtumfang von knapp 90 km kommen - ca� 18 km ergibt der Befund der Ausgrabungen� 44 Das Neue Jerusalem übertrifft Herodots Babylon dann noch einmal um den Faktor 100� Vergleichsweise bescheiden nimmt sich dagegen die Mauer Jerusalems aus, die nur für eine von 42 S� v� a� H� Kraft, Die Offenbarung des Johannes, Tübingen 1974, 270 f� und Beale, Revelation, 1074 f� 43 Dies trifft auf Babylon allenfalls annäherungsweise zu; vgl� den Plan in: H� Cancik / H� Schneider (Hg�), Der Neue Pauly� Enzyklopädie der Antike, Bd� 2, Stuttgart 2003=Darmstadt 2016, s� v� Babylon, Sp� 385 f� 44 Auch dies ist ein für antike Verhältnisse gewaltiger Wert: Die um 270 angelegte, noch heute zu etwa zwei Dritteln erhaltene Aurelianische Stadtmauer Roms ist mit knapp 21 km nur unwesentlich länger� Apollon, Babylon und die Insel der Seligen 37 Menschen gebaute Stadt immer noch riesig wäre� 45 Unter rezeptionsorientierten Gesichtspunkten leuchtet ein intertextueller Bezug unmittelbar ein, zumal wenn man noch hinzunimmt, dass beide Städte von einem Fluss durchströmt werden und Herodot über Babylon sagt, die Stadt sei geschmückt gewesen wie keine andere auf der Welt (1�178�2), ein produktionsorientierter Bezug ließe sich - aber das geht nicht über eine plausible Spekulation hinaus - eventuell darin sehen, dass die Seitenlänge von Johannes’ Neuem Jerusalem das Hundertfache von Herodots Babylon beträgt, womit der Unterschied zwischen Menschenmöglichem und Gottes Werk auf eindrucksvolle Weise zum Ausdruck gebracht wäre� 46 Angesichts der zentralen Bedeutung der Zahl 12 in der Apokalypse mag dieses Zusammentreffen allerdings auch zufällig sein� Sollte es beabsichtigt sein, so wäre die Intention des Apokalyptikers zu verstehen, wie Beale sie gedeutet hat: „If the similarity is intentional, then the purpose would be to contrast the true, everlasting city with the false, impermanent city of Babylon�“ 47 5. Das Neue Jerusalem und die Insel der Seligen In paganen griechischen Texten ist erstmals schon in Homers Odyssee (δ 561-569) von Gefilden der Seligen, dem Elysion, die Rede, auf welchen (sehr wenige) auserwählte Sterbliche nach dem Tod ein glückseliges Leben genießen dürfen� Zu den Elysischen Gefilden, die in diesem Text als Insel vorgestellt sind, gelangen in dem satirischen Roman Wahre Geschichten des Lukian (ca. 120-nach 180) der Ich-Erzähler und seine Gefährten nach einer langen abenteuerlichen Reise (2�5)� Auf dieser Insel gibt es eine Stadt, welche der Erzähler eingehend beschreibt (2.11-13). Hierbei lassen einige Details besonders aufmerken. 48 Bei Lukian heißt es: 45 Eine königliche Elle misst etwa 52 cm, die Mauer Babylons ist also nach Herodot etwa 104 m hoch, die des Neuen Jerusalem unter Annahme des gleichen Maßes „nur“ 75 m� 46 Vgl� Kraft, Offenbarung, 271� 47 Beale, Revelation 1075� Er verweist zusätzlich darauf, dass, wenn man sich das Neue Jerusalem in Pyramidenform (statt würfelförmig, wie es der Text nahelegt) vorstellt, hier ein Reflex auf den aus Gen 11,4 bekannten Turm von Babel vorliegen könnte: „The latter (= Babylon) tries to ascend to heaven by its own ungodly, human effort (…), while the other will be established because it descends from heaven, from God�“ 48 Die folgenden Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Originalität, sondern rekurrieren im Wesentlichen auf die vorzüglichen Analysen von P� v� Möllendorff, Auf der Suche nach der verlogenen Wahrheit� Lukians Wahre Geschichten , Tübingen 2000, 318-321 und ders�, Christliche Apokalypsen und ihr mimetisches Potential in der paganen Bildungskultur� Ein Beitrag zu Lukians Wahren Geschichten, in: S� Alkier / R� B� Hays (Hg�), Die Bibel im Dialog der Schriften� Konzepte intertextueller Bibellektüre, Tübingen / Basel 2005, 179-194, v. a. 184 f. Ich greife dabei nur die mir evident erscheinenden Ergebnisse 38 Thomas Paulsen αὕτη μὲν οὖν ἡ πόλις πᾶσα χρυσῆ, τὸ δὲ τεῖχος περίκειται σμαράγδινον· πύλαι δέ εἰσιν ἑπτά, πᾶσαι μονόξυλοι κινναμώμινοι. (…) περὶ δὲ τὴν πόλιν ῥεῖ ποταμὸς μύρου τοῦ καλλίστου (…). οὑ μὴν οὐδὲ νὺξ παρʼ αὐτοῖς γίνεται οὐδὲ ἡμέρα πάνυ λαμπρά· καθάπερ δὲ τὸ λυκαυγὲς ἤδη πρὸς ἕω (…) τοιοῦτο φῶς ἐπέχει τὴν γῆν. (…) αἱ μὲν γὰρ ἄμπελοι δωδεκάφοροί εἰσιν καὶ κατὰ μῆνα ἕκαστον καρποφοροῦσιν. „(11) Die Stadt ist ganz aus Gold, und die sie umgebende Mauer besteht aus Smaragden� Sieben Tore gibt es, die alle aus einem einzigen Stück Zimtholz verfertigt sind� (…) Rings um die Stadt fließt ein Strom aus schönstem Balsam (…)� (12) Auch wird es bei ihnen niemals Nacht und niemals ganz heller Tag, sondern ein Licht wie die Dämmerung am Morgen (…) scheint über das Land� (…) (13) Die Reben tragen zwölfmal Frucht, einmal in jedem Monat�“ 49 Die entsprechenden Passagen bei Johannes lauten (Offb 21,18-22,2): καὶ ἡ ἐνδώμησις τοῦ τείχους αὐτῆς ἴασπις καὶ ἡ πόλις χρυσίον καθαρὸν ὅμοιον ὑάλῳ καθαρῷ. (…) καὶ οἱ δώδεκα πυλῶνες δώδεκα μαργαρῖται, ἀνὰ εἷς ἕκαστος τῶν πυλώνων ἦν ἐξ ἑνὸς μαργαρίτου. (…) καὶ ἡ πόλις οὐ χρείαν ἔχει τοῦ ἡλίου οὐδὲ τῆς σελήνης, ἵνα φαίνωσιν αὐτῇ, ἡ γὰρ δόξα τοῦ Θεοῦ ἐφώτισεν αὐτήν (…). καὶ ἔδειξέν μοι ποταμὸν ὕδατος ζωῆς λαμπρὸν ὡς κρύσταλλον (…). (…) ἐνθεῦθεν καὶ ἐκεῖθεν ξύλον ζωῆς ποιοῦν καρποὺς δώδεκα κατὰ μῆνα ἕκαστον ἀποδιδοῦν τὸν καρπὸν αὐτοῦ (…). „(21,18) Und ihr Mauerwerk: Jaspis und die Stadt: reines Gold, gleich reinem Glas� (…) (21) Und die zwölf Tore zwölf Perlen, ein jedes einzelne der Tore war aus einer einzigen Perle� (…) (23) Und die Stadt hat nicht Bedarf an der Sonne und nicht am Mond, damit sie ihr scheinen, denn die Herrlichkeit Gottes hat sie erleuchtet (…)� (22,1) Und er (= der Engel) zeigte mir einen Fluss vom Wasser des Lebens glänzend wie Kristall (…)� (2) (…) von hier und von dort Holz des Lebens, tragend zwölf Früchte, in jedem Monat spendend seine Frucht (…)�“ Folgt man einem rezeptionsorientierten Ansatz, ist die Ähnlichkeit der beiden Texte, von denen der Lukian-Text nicht exakt datierbar, aber jedenfalls mehrere Jahrzehnte nach der Apokalypse entstanden ist, unmittelbar evident� Im Sinne einer produktionsorientierten Intertextualität ist nun zu fragen, ob Lukian sich nachweislich auf Johannes bezieht� Mit v� Möllendorff möchte ich diese Frage bejahen, in anderer Anordnung als er von den schwächeren Belegen zu den stärkeren voranschreitend: a) Die Zahl der Tore stimmt zwar nicht überein auf und übergehe weitere Beobachtungen v� Möllendorffs, die mir eher spekulativ erscheinen� 49 Die Übersetzung ist entnommen aus M� Baumbach, Lukian von Samosata� Wahre Geschichten� Aus dem Griechischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen, Zürich o� J�, 46 f� Ich habe lediglich Baumbachs „Zimt“ durch „Zimtholz“ wiedergegeben, da sonst im Deutschen die Gefahr einer falschen Assoziation entsteht� Apollon, Babylon und die Insel der Seligen 39 (zwölf vs� sieben), doch spielt die Siebenzahl in der Apokalypse eine so dominante Rolle, dass Lukian auch auf diesem Wege eine Anspielung platziert haben könnte� - b) Die Tore bestehen zwar bei Johannes und Lukian aus verschiedenen Materialien, aber jeweils aus einem einzigen (Perle bzw� Zimtholz)� - c) Es gibt jeweils einen Fluss, der nicht gewöhnliches Wasser, sondern einen besonders kostbaren Inhalt führt (Wasser des Lebens bzw� Balsam)� - d) Es gibt nicht die herkömmlichen Lichtquellen, sondern ein besonderes Licht (Herrlichkeit Gottes bei Johannes, bei Lukian nicht genau definiert)� - e) Das Mauerwerk besteht aus Edelsteinen ( Jaspis bzw� Smaragd) - f) Die Stadt selbst besteht aus purem Gold� - g) Die Bäume des Lebens bzw� die Reben tragen zwölfmal im Jahr, einmal pro Monat, Früchte� Motiv g erscheint als absolut signifikant, da es inhaltlich ungewöhnlich ist und laut v� Möllendorff jenseits dieser beiden Stellen in der antiken Literatur nicht mehr vorkommt� 50 Motiv f ist nicht ganz so ungewöhnlich, besticht aber durch seine Identität an beiden Stellen� Die Motive b-e unterscheiden sich jeweils im Detail, bieten aber dasselbe Substrat� Motiv a ist weniger evident, aber zumindest im Bereich einer plausiblen Spekulation anzusiedeln� Die Plausibilität dieser Analyse wird dadurch unterstützt, dass Lukian, der aus Syrien stammte und sein Leben im östlichen Mittelmeerraum zwischen den Polen Griechenland und Ägypten verbrachte, mithin rein geographisch über die Möglichkeit verfügte, mit Texten wie der Apokalypse in Kontakt zu kommen, in zweien seiner Werke auf Christen zu sprechen kommt� 51 Darüber hinaus sind die Wahren Geschichten als Ganzes ein einziges großes intertextuelles Spiel mit einer Vielzahl von Referenztexten, welches mitzuspielen Lukian seine Leser im Prooemium (1�2) ausdrücklich einlädt, 52 so dass die Annahme eines produktionsorientierten intertextuellen Verhältnisses zur Johannesapokalypse zusätzliche Plausibilität gewinnt� Damit muss jedoch nicht, wie Beale annimmt, 53 auch wenn es sich um einen Text mit zahlreichen satirischen Elementen handelt, automatisch eine parodistische Absicht Lukians einhergehen, da die behandelte Textpassage keine entsprechenden Signale aufweist� Dass ein apokalyptischer Text generell einen passenden Referenzrahmen für die Wahren Geschichten bot, liegt daran, dass auch die Reisenden in diesem Roman beständig mit anderweltlichen und 50 v� Möllendorff, Suche, 321� 51 Alexander oder der Lügenprophet 25 und 38, hier mit positiver Konnotation, da die Christen von der negativ charakterisierten Titelfigur als Feinde betrachtet werden, und Über den Tod des Peregrinos 11-13, hier negativ als leichtgläubig konnotiert, da sie auf den offenkundigen Schwindler Peregrinos hereinfallen� Beide Passagen zeigen, dass in der Mitte des 2� Jh�s das Christentum in Kleinasien schon eine gewisse Verbreitung gefunden haben muss� - Vgl� v� Möllendorff, Suche, 318� 52 Vgl� v� Möllendorff, Apokalypsen, 184� 53 Beale, Revelation, 1117� 40 Thomas Paulsen supranaturalen Räumen konfrontiert werden� 54 Ein parodistisches Element außerhalb des intertextuellen Verhältnisses dürfte allerdings darin bestehen, dass, wie v� Möllendorff ausführt, Johannes gerade auf die absolute Wahrheit des von ihm Gesagten abhebt (Offb 22,6�8), während Lukian betont, dass sein folgender Bericht von vorne bis hinten erlogen ist (1�4)� Die drei hier präsentierten Beispiele können nicht mehr sein als repräsentative erste Schlaglichter aus einem riesigen Forschungsfeld, das bislang erst zu einem kleinen Teil erschlossen ist� Es steht zu erwarten, dass noch mehrere Generationen von Theologen und Philologen (am besten und effektivsten in gedeihlicher Zusammenarbeit) damit beschäftigt sein werden, die Geheimnisse der ungemein tiefgründigen Apokalypse des Johannes zu lüften� 54 v� Möllendorff, Apokalypsen, 188�