eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 21/41

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2018
2141 Dronsch Strecker Vogel

Judas: eine biblische Randfigur?

2018
Manuel  Vogel
80 Manuel Vogel Namentlich auf kultureller Ebene wird die lebendige und intensive Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte der Judasfigur bis in Milieus gegenwärtiger Popkultur und Fantasy-Literatur deutlich� Die von ihm gewählten Beispiele zeigen ganz nebenbei, dass die Auseinandersetzung mit Judas in Hard-Rock, Heavy-Metal und Fantasy-Comic keineswegs oberflächlich oder undifferenziert ausfällt, sondern die Judasgeschichte tiefgründig und anspielungsreich weitererzählt� Für Kristina Dronsch ist Judas nun aber bereits historisch ein „Fliegengewicht“, über das die Evangelien nur spärlich Informationen geben� Ebenso gebe es „kein tragendes Judas-Narrativ, von dem die Erzählungen des Neuen Testaments irgendwie zehren“� Die Judasfigur dürfe keinesfalls überhöht werden, dergestalt, dass ihr ein Verdienst als Wegbereiter der Passion, gar auch noch der Auferstehung, zugeschrieben wird� Alles, was passiert ist, hätte auch ohne Judas passieren können� Dass Judas damit seine Stellung als Hauptfigur einbüßt, bedeutet freilich nicht, dass er damit an Bedeutung verlöre, im Gegenteil: Erst wenn man Judas nicht größer macht, als ihn die Evangelien darstellen, wird man seiner ansichtig, nämlich als „einen der Zwölf “, als einen, der an Jesu Tisch mitisst, als Teil einer Gemeinschaft, die durch seine Tat im Innersten affiziert wird� Kristina Dronsch führt Judas vor als kleine Figur in einer großen Geschichte, als kleinen Teil eines großen Ganzen� Paul Metzger zeigt dagegen, wie sich dieses große Ganze in der Judasfigur bündelt wie in einem Brennglas, optisch gesprochen: in einem Vergrößerungsglas� Judas ist dann der „Antagonist“, ohne den keine Erzählung auskommt, und der ihr allererst zu ihrer Dramatik verhilft, bei Kristina Drosch dagegen lediglich der „Parasit“, dessen Rolle die Dramatik der Erzählung freilich eher noch steigert� In beiden Perspektiven, die in dieser Kontroverse dankenswert klar und unterscheidbar vertreten werden, tritt uns mithin auf je eigene Weise die Judasfigur entgegen und verwickelt uns in ein altes Gespräch, das zu keinem Ende zu kommen scheint� Zeitschrift für Neues Testament Heft 41 21. Jahrgang (2018) Judas Iskarioth-- Eine zentrale Figur des Neuen Testaments Paul Metzger Judas Iskarioth ist eine zentrale Figur des Neuen Testaments� Historisch handelt er im Kontext der letzten Tage Jesu auf Erden� Theologisch bereitet er damit den entscheidenden Wendepunkt der Heilsgeschichte vor und personifiziert die Frage nach dem Bösen und der Prädestination Gottes� Literarisch bekommt er deshalb in den Evangelien eine zentrale Stellung als Handlungsträger� Kulturell entfaltet er dann eine Wirkung, die kaum ein anderer Apostel aufweisen kann� Es kann demnach auf mindestens vier Ebenen gezeigt werden, dass Judas keine Randfigur des Neuen Testaments, sondern geradezu eine der ganz wesentlichen Figuren der Geschichte Jesu darstellt� 1. Historisches Argument Die Überlieferung der Evangelien hat kein gesteigertes Interesse daran, historisch exakt nachzuzeichnen, wer dieser Apostel Judas Iskarioth wirklich war und was ihn bewegte� Für die Evangelien steht fest, dass er ein Verräter ist, der Jesus ausliefern will (Mk 14,42)� Diese Tat ist dabei eindeutig negativ bewertet� Während im Markusevangelium Judas nur zweimal erwähnt wird und auch seine Tat eher unaufgeregt erzählt wird, steigert sich die negative Bewertung des Judas in den anderen kanonischen Evangelien (Mt 26,15; Joh 12,6). Historisch ist hier allerdings wenig zu gewinnen� Glaubwürdig ist lediglich die Erinnerung, dass Judas eine Rolle in den letzten Tagen Jesu gespielt hat� Da durchaus anzunehmen ist, dass Jesus seinen Tod am Kreuz - im Gegensatz zur Darstellung im Johannesevangelium ( Joh 19,30) - nicht als krönenden Ab-