eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 19/38

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2016
1938 Dronsch Strecker Vogel

Christsein nach dem 2. Korintherbrief

2016
Thomas Schmeller
Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 55 - 3. Korrektur ZNT 38 (19. Jg. 2016) 55 Kann man Christ sein nach dem 2. Korintherbrief? Natürlich konnte man das im strengen Sinn zur Zeit seiner Entstehung noch nicht, denn das Christentum als eigenständige Religion gab es nicht. Aber kann man es heute? Enthält dieser Brief Aussagen, die heutige Christinnen und Christen mit Recht auf sich beziehen können? So allgemein gefragt, ist die Antwort sicher: Ja. Wenn Paulus etwa den Vater Jesu Christi als den »Gott allen Trostes« (1,3) beschreibt, wenn er dazu aufruft: »Lasst euch versöhnen mit Gott! « (5,20) oder wenn er ermahnt: »Jeder (soll geben), wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat, nicht unter Schmerz und Zwang. Denn Gott liebt einen fröhlichen Geber« (9,7), dann sind damit Grundmuster der christlichen Botschaft angesprochen, die sich auch in vielen anderen neutestamentlichen Texten finden und die die Kirche zu Recht immer auf sich bezogen hat. Aber wie weit geht diese selbstverständliche Kontinuität und wie weit darf sie gehen? Gibt es nicht auch Texte, die einen exklusiven Sinn haben, die Paulus deutlich auf sich und nur auf sich bezieht? Ein Beispiel: Kaum ein anderer Paulustext ist so bekannt wie 2Kor 12,7b-10. » 7b Deshalb, damit ich mich nicht überhöhe, wurde mir ein Stachel ins Fleisch gegeben, ein Engel Satans, damit er mich schlägt, damit ich mich nicht überhöhe. 8 Was diesen betrifft, habe ich dreimal den Herrn gebeten, dass er von mir ablässt. 9 Er hat zu mir gesagt: Es genügt dir meine Gnade, denn die Kraft wird in Schwachheit vollendet. Sehr gern also will ich mich vielmehr in meinen Schwachheiten rühmen, damit in mir die Kraft Christi wohnt. 10 Deshalb willige ich gern ein in Schwachheiten, in Misshandlungen, in Notlagen, in Verfolgungen und Ängste, wegen Christus. Denn wenn ich schwach bin, bin ich stark.« Gerade die beiden Sätze »Die Kraft wird in Schwachheit vollendet« und »Wenn ich schwach bin, bin ich stark« gehören seit Jahrhunderten zum Kernbestand christlichen Trostes, 1 obwohl Paulus eindeutig von sich und nicht von den Briefadressaten spricht. Viele Generationen haben in den verschiedensten Notlagen darauf zurückgegriffen, wobei der »Stachel«, von dem hier die Rede ist, mit Versuchungen zur Sünde, mit Glaubenszweifeln, vor allem aber mit vielfältigen körperlichen Gebrechen identifiziert wurde. 2 Diese Art der Textrezeption, bei der sich der oder die Lesende unbefangen im Text wiederfindet und ihn direkt auf sich bezieht, ist nicht auf Sätze beschränkt, die (wie 2Kor 12,9 f.) wenigstens durch ihre sentenzartige Formulierung Allgemeingültigkeit auszudrücken scheinen. Sie geht darüber weit hinaus. Wenn Paulus mit »Ihr« die Korinther adressiert, wird daraus in der Wirkungsgeschichte meistens eine Adressierung aller Christen; wenn er in der 1. Person Plural, also mit »Wir«, formuliert, wird das in der Regel, d. h. wenn es vom Kontext nicht eindeutig ausgeschlossen ist, als eine Aussage über die Gemeinschaft aller Glaubenden verstanden. Die beschriebene inklusive Rezeption ist für große Teile der Wirkungsgeschichte und für populäre Lektüren in der Gegenwart, nicht aber für die kritische Exegese typisch. Diese differenziert deutlicher zwischen Aussagen, die nur für Paulus (als Person, als Apostel, als Missionar) gelten, und solchen, die verallgemeinerbar sind. Auch sie zieht allerdings aus der sentenzartigen, scheinbar allgemeingültigen Formulierung der oben zitierten Sätze weitreichende Konsequenzen: Diese Sätze werden meist als Ausdruck einer prinzipiellen Umwertung verstanden. Paulus formuliert-- so eine beliebte Deutung-- ein echtes Paradox. Aus Schwachheit wird Kraft und aus Kraft Schwachheit. Die übliche Füllung der beiden Begriffe wird vertauscht. Eigentlich müsste man übersetzen: »Nur dann, wenn ich schwach bin, bin ich stark.« 3 Nicht nur 2Kor 12,7b-10 enthält in dieser verbreiteten Sichtweise eine solche Umwertung. Der ganze 2Kor ist hier Ausdruck einer völligen Neubewertung des Leidens. Paulus bringt seine Schwachheit und seine Kraft mit dem Kreuz und dem Auferstehungsleben Christi in Verbindung (vgl. 13,4). Erst dann, wenn seine menschlichen Möglichkeiten restlos erschöpft sind und er dem Leid und dem Tod nichts mehr entgegenzusetzen hat, erfährt er die Offenbarung Gottes, der ihm Kraft und neues Leben schenkt. Diese Erfahrung ist empirisch nicht wahrnehmbar, drückt sich also nicht etwa in Vitalität, Durchsetzungsfähigkeit und Erfolgen aus. Sie wird den Korinthern aber in der Verkündigung des Paulus zugänglich und vermittelt auf diesem Weg auch ihnen Leben (vgl. 4,7-12). Im folgenden Beitrag werde ich die beiden genannten Aspekte zunächst je für sich behandeln. Es soll ers- Thomas Schmeller Christsein nach dem 2. Korintherbrief Hermeneutik und Vermittlung Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 56 - 3. Korrektur 56 ZNT 38 (19. Jg. 2016) Hermeneutik und Vermittlung ist, wird heute kaum noch bezweifelt. Er versteht diese Entrückung zwar als einen echten Ruhmestitel, will aber nicht aufgrund von Offenbarungen beurteilt werden, die von ihm selbst erzählt werden und die für andere nicht überprüfbar sind (V. 6-7a). Hier schließt nun die Erzählung vom Erhalt des »Stachels im Fleisch« an. Sie ist doppelt mit dem voranstehenden Kontext verknüpft. Zum einen enthält sie eine weitere Offenbarung in einem Herrenwort (V. 9), setzt also die Behandlung der »Visionen und Offenbarungen des Herrn« fort. Zum anderen enthält sie den (oder: einen) Grund dafür, warum Paulus sich beim Selbstruhm mit Offenbarungen zurückhält (V. 6-7a). Der Stachel- - am ehesten ist darunter eine schmerzhafte körperliche Krankheit zu verstehen-- wurde ihm genau zu dem Zweck gegeben, solchen Selbstruhm zu verhindern. Die Einbindung in den Kontext zeigt, dass Paulus in V. 7b-10 von sich selbst spricht. Er ist es, der durch den Stachel, aber auch in anderen Erfahrungen von Schwachheit (V. 10a) die Kraft Gottes erfährt. Dass sich viele Lesende eingeschlossen fühlen, hängt mit der Allgemeinheit der Formulierung zusammen. Sowohl V. 9a (»Die Kraft wird in Schwachheit vollendet«, also nicht etwa: »Meine Kraft wird in deiner Schwachheit vollendet«) als auch V. 10b (»Wenn ich schwach bin, bin ich stark«, also nicht etwa: »Auch wenn ich schwach bin, bleibe ich stark durch Gottes Kraft«) haben sentenzartigen Charakter. Das heißt aber nicht unbedingt, dass sie Wahrheiten ausdrücken, die immer, überall und für alle gültig sind. In V. 9a dürfte die unpersönliche Formulierung damit zusammenhängen, dass es sich um die göttliche Antwort auf eine menschliche Bitte handelt. Die situative Nähe zu Orakeln hat sich in der Gestaltung der Antwort niedergeschlagen, die mit vielen Orakelbescheiden eine gewisse Rätselhaftigkeit teilt. Bei V. 10b ist die Schlussstellung zu beachten: Sentenzen, die längere Argumentationen abschließen (Epiphoneme), haben eine stark affektische Funktion. 5 Paulus formuliert zu diesem Zweck hier eine paradoxe Aussage, die durch ihre Zuspitzung, nicht durch ihre Plausibilität wirkt. Der ursprüngliche Sinn der beiden Verse ist also klar auf die paulinische Existenz beschränkt. Paulus versucht in einer Situation der Anfeindung den Korinthern nahezubringen, dass seine Autorität durch die Schwachheit, die sie offenbar bei seinen Besuchen selbst erlebt hatten, nicht in Frage gestellt, sondern im Gegenteil bestätigt wird. Eine Generalisierung dieser Aussagen ist ein sekundärer Akt. Er wird vom Text sicher nicht gefordert. Ob er vom Text zugelassen wird, ist noch zu klären. tens gefragt werden, wie weit sich Paulus tatsächlich mit der adressierten Gemeinde zusammenschließt, ob also Aussagen, die sich auf ihn selbst beziehen, für diese transparent werden. Konnte die korinthische Gemeinde aus den Selbstaussagen des Paulus etwas für ihre eigene Existenz lernen? Es soll zweitens untersucht werden, wie weit die Krafterfahrung des Paulus tatsächlich paradoxen Charakter hatte, ob oder wie weit sie also tatsächlich auf seine Erfahrungen der Ohnmacht und des Scheiterns begrenzt war. Wenn die korinthische Gemeinde tatsächlich etwas von ihm lernen konnte, was konnte sie lernen? In beiden Teilen beginnen wir mit 2Kor 12,7b- 10 und wenden uns dann weiteren Texten aus dem 2Kor zu. In einer Auswertung stellen wir schließlich die Frage: Was bedeuten die Ergebnisse für heutige Christen? 1. Die Reichweite der Textaussagen 1.1 2Kor 12,7b-10 4 Die oben zitierten Sätze aus 2Kor 12 sind erkennbar aus dem Kontext gerissen. »Deshalb, damit ich mich nicht überhöhe […]« (V. 7b) bezieht sich auf das Vorangehende. In 12,1 schlägt Paulus im Rahmen seines (notwendigen, aber nicht hilfreichen) Selbstruhms, der seit 11,16 in der sogenannten Narrenrede das Thema war, ein neues Kapitel auf. Es geht jetzt um »Visionen und Offenbarungen des Herrn«, die für den, der sie empfängt, ruhmvoll sind. Ein besonders eindrucksvolles Erlebnis erzählt er in V. 2-5: Dass der »Mensch in Christus« (V. 2), der in den dritten Himmel und ins Paradies entrückt wurde und dort Worte hörte, die er nicht wiedergeben kann und darf, mit Paulus selbst identisch Thomas Schmeller (*1956), 1993 bis 2004 Professor für Biblische Theologie an der Technischen Universität Dresden, seit 2004 Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments an der Goethe-Universität Frankfurt/ Main. - Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Zeitgeschichte des Neuen Testaments; Rhetorik; Paulus. Prof. Dr. Thomas Schmeller Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 57 - 3. Korrektur ZNT 38 (19. Jg. 2016) 57 Thomas Schmeller Christsein nach dem 2. Korintherbrief 1.2 Paulus und die korinthische Gemeinde Wir fragen nun allgemeiner nach der Reichweite der Textaussagen im 2Kor. Relativ unproblematisch ist die Frage nach den Adressaten an Stellen, wo Paulus eine unbestimmte Mehrzahl von Personen mit »Ihr« anspricht (z. B. 1,15-17; 2,3 f.; 11,5-11; 12,11-13). Hier ist die gesamte korinthische Gemeinde adressiert. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich bestimmte Kapitel oder Verse nur an bestimmte Gruppen in der Gemeinde richten würden. 6 Sowohl positive, lobende (wie z. B. 7,16) als auch negative, tadelnde Anreden (wie z. B. 6,11 f.) beziehen sich auf alle Gemeindemitglieder. Ein fiktives Element ist damit nicht ausgeschlossen. Es ist doch auffällig, in welcher Nähe zueinander solche gegensätzlichen Bezugnahmen stehen. Der Wechsel von Lob zu Tadel oder umgekehrt kann sehr abrupt sein (wie z. B. in 2,1-3; 7,2-4). Überraschend ist auch, dass eine zunächst allgemein gehaltene Adresse manchmal im Anschluss spezifiziert wird (12,20 f.) 7 . Beide Beobachtungen sprechen dafür, Lob und Tadel nicht einfach nur mit verschiedenen Aspekten derselben Personengruppe in Verbindung zu bringen. Paulus arbeitet vielmehr mit Pauschalisierungen. Äußerungen der Nähe und Zuversicht bzw. der Distanz und Ablehnung sind in der Gegenwart des Briefs eigentlich nur für einen Teil der Gemeinde angemessen, stellen aber der Gesamtgemeinde ein Bild vor Augen, an das sie sich in der Zukunft angleichen kann und soll oder eben gerade nicht angleichen darf. 8 Obwohl oder gerade weil die Anrede der gesamten Gemeinde in Teilen fiktiv ist, ist sie ernst zu nehmen. Es gehört zur paulinischen Briefstrategie, die Einheit der Gemeinde vorauszusetzen und dadurch zu fördern. Ebenfalls unproblematisch ist ein »Wir«, das in seinem Umfang definiert ist. Das ist allerdings nur einmal, in 1,18 f., deutlich der Fall: » 18 Treu ist Gott, dass unser Wort an euch nicht (zugleich) Ja und Nein ist. 19 Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der bei euch von uns verkündet wurde, von mir und Silvanus und Timotheus, war nicht Ja und Nein, sondern das Ja ist in ihm geworden.« 9 Nicht viel häufiger sind definierte Aussagen in der 1. Person Plural, die Paulus erkennbar mit der Gemeinde, mit allen Glaubenden oder mit allen Menschen zusammenschließen. Das »Wir« in 3,12 (»Mit einer solchen Hoffnung also legen wir große Offenheit an den Tag«) ist vom Kontext her nicht direkt mit den Adressaten zu verbinden; in 3,18 (»Wir alle aber schauen mit enthülltem Gesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel und werden in dasselbe Bild umgewandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie vom Herrn, dem Geist«) werden sie aber explizit miteinbezogen. In 5,1 (»Denn wir wissen: Wenn unsere irdische Zeltbehausung abgebrochen wird, haben wir einen Bau, der von Gott [stammt], ein nicht mit Händen gemachtes, ewiges Haus in den Himmeln«) kann man noch zweifeln, um wessen »Zeltbehausung« es eigentlich geht (die des Paulus? auch seiner Mitarbeiter? aller Apostel? ); in 5,10 (»Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi erscheinen, damit jeder entsprechend dem erhält, was er im Leib getan hat, Gutes oder Schlechtes«) kann man höchstens noch zweifeln, ob es um alle Christen oder um alle Menschen geht. 10 In aller Regel wird der Bezug der 1. Person Plural nicht näher bestimmt. Häufig schließt sie an ein »Ich« an bzw. wird von einem »Ich« weitergeführt. Diese nicht näher definierten Wir-Formen, besonders in unregelmäßigem Wechsel mit Ich-Formen, stellen das eigentliche Problem dar. 11 Der Wechsel zwischen der 1. Person Singular und der 1. Person Plural ist zwar nicht auf den 2Kor beschränkt, tritt aber in diesem Paulusbrief mit deutlichem Abstand am häufigsten auf. 12 An vielen Stellen fällt es schwer, ihn als Mittel der Kommunikation zu deuten, d. h. ihm eine rhetorische oder literarische Funktion zuzuweisen. Solche Fälle sind etwa: die Abfolge von »wir haben uns gefreut-- ich habe gerühmt-- ich wurde nicht beschämt- - wir haben geredet« in 7,13 f.; die Aussagen über den drohenden Kriegszug und die Vollmacht des Paulus in 10,1-11; die Verbindung von »wir verteidigen uns-- wir reden-- ich fürchte« in 12,19 f. (vgl. auch 11,21a; 13,1-4.5-10). Besonders schwer fällt es, dem Wechsel vom Singular zum Plural bei der Wiederaufnahme von »ich zog weiter (exēlthon) nach Makedonien« (2,13) durch »als wir nach Makedonien kamen (elthontōn hēmōn)« (7,5) eine kommunikative Funktion zuzuweisen. An solchen Stellen handelt es sich offenbar um ein schriftstellerisches »Wir«, das mit einem »Ich« zwar nicht einfach identisch ist, das aber nicht viel mehr als Ausdruck der Bescheidenheit sein dürfte, wenn es nicht einfach dem Bemühen um Variation entspringt. »Der Wechsel zwischen der 1. Person Singular und der 1. Person Plural ist zwar nicht auf den 2Kor beschränkt, tritt aber in diesem Paulusbrief mit deutlichem Abstand am häufigsten auf.« »Es gehört zur paulinischen Briefstrategie, die Einheit der Gemeinde vorauszusetzen und dadurch zu fördern.« Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 58 - 3. Korrektur 58 ZNT 38 (19. Jg. 2016) Hermeneutik und Vermittlung »Auch ohne ein explizites Signal ist eine Ausweitung auf die Gemeinde manchmal wahrscheinlich.« »Durch Pauschalisierungen und Verallgemeinerungen wird ein positives oder negatives Bild der Gemeinde entworfen, dem sie tatsächlich nur teilweise entspricht, an das sie sich aber angleichen soll oder gerade nicht angleichen darf.« An anderen Stellen könnte der Wechsel zwischen Plural und Singular andeuten, dass Paulus sich zu einer bestimmten Form der Mission und einer bestimmten Gruppe von Mitarbeitern rechnet. Das ist dann deutlich, wenn die Gegner ins Spiel kommen. 1,23 f. ist ein schönes Beispiel: » 23 Ich rufe als Zeugen Gott an bei meinem Leben, dass ich (deshalb) nicht mehr nach Korinth kam, um euch zu schonen. 24 Nicht dass wir herrschen über euren Glauben, sondern wir sind Mitarbeiter eurer Freude.« Der Plural in V. 24 könnte die paulinische Mission der völlig anders ausgerichteten Mission seiner Gegner gegenüberstellen, die nach 11,20 die Gemeinde »versklaven«.-- In 11,4 begründet Paulus seine Bitte um Annahme durch die Gemeinde (»Wenn ihr von mir doch nur ein wenig Narrheit ertragen würdet! Ja, ertragt mich doch! « [11,1]) so: »Denn wenn der, der (zu euch) kommt, einen anderen Jesus verkündet, den wir nicht verkündet haben, oder ihr einen anderen Geist empfangt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, ertragt ihr das gut.« Hier werden zwei Ausprägungen christlicher Mission miteinander konfrontiert. Dass nur die paulinische, nicht die gegnerische im Plural steht, hängt wohl mit dem Kontext zusammen: »Der Kommende (ho erchomenos)« (V. 4) ist an »die Schlange (ho ophis [Maskulinum! ])« aus V. 3 angeglichen und parallelisiert das Wirken der Gegner polemisch mit dem der Schlange im Paradies.-- Auf ein Kennzeichen seiner Mission, den Unterhaltsverzicht, kommt Paulus in 11,12 zu sprechen: »Was ich aber tue, werde ich auch (weiterhin) tun, damit ich denen, die eine Gelegenheit (zum Selbstruhm) suchen, die Gelegenheit dazu nehme; sie sollen daran erkannt werden, worin sie sich rühmen, genauso wie auch wir.« Wird der Vers so übersetzt, 13 konfrontiert er zwei Formen der Mission, die jeweils durch den Inhalt ihres Rühmens charakterisiert werden. Die Gegner rühmen sich ihrer Stellung, die ihnen Anspruch auf Unterhalt verschafft (11,18-20). Paulus rühmt sich seines Unterhaltsverzichts (11,10). An keiner dieser Stellen (zu nennen wäre noch 8,16- 9,5) expliziert Paulus, dass er seine Mitarbeiter einbezieht. Eine solche Deutung kann aber den Wechsel vom Singular zum Plural m. E. am besten erklären. Analog dazu könnten solche Wechsel an anderen Stellen als Einbeziehung der adressierten Gemeinde verstanden werden. Wir haben oben bereits Texte in den Blick genommen, an denen durch die Erweiterung des »Wir« zu »Wir alle« eine Einbeziehung mindestens der Adressaten, wahrscheinlich aber aller Christen (3,18), vielleicht sogar aller Menschen (5,10) ausgedrückt wird. Auch ohne ein explizites Signal ist eine Ausweitung auf die Gemeinde manchmal wahrscheinlich. Das gilt jedenfalls von der Warnung vor Satan in 2,10f. » 10 Wem ihr aber etwas verzeiht, dem (verzeihe) auch ich. Denn auch für mich (gilt): Was ich verziehen habe-- wenn ich etwas verziehen habe-- , das habe ich wegen euch im Angesicht Christi (verziehen), 11 damit wir nicht vom Satan überlistet werden. Denn wir kennen seine Absichten ganz genau.« Das »Wir« in V. 11 kann im Kontext nicht einfach nur Paulus bezeichnen. Es dient dazu, die bereits erzielte und noch zu erzielende Übereinkunft zu unterstreichen. Die Gemeinde hat sich von demjenigen, der Paulus »Schmerzen bereitet hat« (2,5), distanziert und auf die Seite des Paulus gestellt. Dieselbe Übereinstimmung soll es nun in einem Akt des Verzeihens geben. Anderenfalls könnte Satan daraus Nutzen ziehen, weil es ihm mit Hilfe seiner Diener, der fremden Missionare (vgl. 11,1-4.14 f.), gelänge, zwischen Paulus und seine Gemeinde einen Keil zu treiben. Bei der Besprechung der Anreden an die Gemeinde ist bereits aufgefallen, dass es dort ein fiktives Element gibt: Durch Pauschalisierungen und Verallgemeinerungen wird ein positives oder negatives Bild der Gemeinde entworfen, dem sie tatsächlich nur teilweise entspricht, an das sie sich aber angleichen soll oder gerade nicht angleichen darf. Die Äußerungen von ungeteilter Zuversicht oder von grenzenloser Empörung sind keine realistischen Situationsbeschreibungen, sondern dienen der Einflussnahme auf die Gemeinde. Eine ähnliche Textpragmatik lässt sich auch bei manchen Aussagen in der 1. Person Plural erkennen, besonders dort, wo das Bemühen spürbar ist, das Gegenüber (»Ihr«) zu einem Miteinander (»Wir«) werden zu lassen. In 1,13 f. (und 5,11-13) wird diese Veränderung als ein Gegenstand der Hoffnung bezeichnet: » 13b Ich hoffe aber, dass ihr vollständig erkennen werdet, 14 wie ihr uns auch teilweise erkannt habt, (nämlich) dass wir euer Ruhm sind, wie auch ihr unserer, am Tag [unseres] Herrn Jesus.« Es ist klar, dass es noch nicht soweit ist. In 3,18 hat Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 59 - 3. Korrektur ZNT 38 (19. Jg. 2016) 59 Thomas Schmeller Christsein nach dem 2. Korintherbrief die gemeinsame Verwandlung bereits begonnen und schreitet graduell voran (apo doxēs eis doxan). In 5,10 ist der zukünftige Gerichtstag im Blick, an dem die Aussage über Paulus (5,1) auch für alle anderen Christen (oder Menschen? ) gelten wird. Vielleicht kann man hier auch auf 7,2-4 verweisen. Das Ziel einer Gemeinschaft der Herzen (6,11-13) scheint nach 7,4 so gut wie erreicht: »Groß ist mein Freimut euch gegenüber, groß ist mein Rühmen über euch. Ich bin voll Trost, ich habe überreiche Freude in all unserer Trübsal.« Nur die Schlussbemerkung »in all unserer Trübsal« enthält einen gewissen Vorbehalt, denn zu den Ursachen dieser »Trübsal« dürfte auch der noch nicht beigelegte Konflikt mit der Gemeinde gehören. In anderen Texten ist eine Ambivalenz im Gebrauch des »Wir« zu beobachten, die keine klare Entscheidung erlaubt, ob es sich um eine Aussage nur über Paulus oder über Paulus und die Gemeinde handelt. Auch dazu ein Beispiel. In 4,16-18 zeigt Paulus eine ungewöhnlich weitgehende Übereinstimmung mit populärem philosophischem Gedankengut: » 16 Deshalb werden wir nicht mutlos, sondern wenn auch unser äußerer Mensch vernichtet wird, so wird doch unser innerer (Mensch) Tag um Tag erneuert. 17 Denn unsere momentane geringfügige Bedrängnis bewirkt für uns in überwältigendem Übermaß ewige Fülle von Herrlichkeit, 18 da wir nicht auf das achten, was man sieht, sondern auf das, was man nicht sieht. Denn das Sichtbare ist vorübergehend, das Unsichtbare aber ewig.« Mit der Gegenüberstellung von Außen und Innen und der Höherbewertung des Inneren steht Paulus in einer vielfältigen philosophischen Tradition. Diese Übereinstimmung und die sehr allgemein gehaltene Formulierung könnte dazu veranlassen, das »Wir« auf jeden Christen oder jeden Menschen zu beziehen. Das wäre sicher falsch, denn seit 4,1 spricht Paulus eindeutig von seinem eigenen apostolischen Dienst. Noch in 4,14 f. ist die Abgrenzung von der Gemeinde klar erkennbar. Dennoch gibt es Anzeichen dafür, dass das »Wir« nicht nur exklusiv ist: Die Verse 17 f. enthalten Reflexionen, die mit dem apostolischen Dienst, insbesondere mit den Christusleiden des Apostels (V. 10 f.) nichts mehr zu tun haben; eine Ausweitung des Gedankengangs begegnet auch in 3,18 und 5,10; gerade mit 3,18 hat 4,16-18 Gemeinsamkeiten, weil hier wie dort von einem Prozess die Rede ist, der zu vollendeter Herrlichkeit führt. Daraus ergibt sich: Das »Wir« in 4,16-18 ist ambivalent. Es ist zwar zunächst auf Paulus bezogen, lässt aber eine Selbstidentifikation der Adressaten mit den Aussagen dieser Verse (bes. V. 17 f.) zu. Dieses Beispiel legt nahe, dass es im 2Kor ein »Wir« gibt, das der Leserlenkung dient. Es ist ein fiktives »Wir«, das Paulus (ggf. auch seine Mitarbeiter) mit der Gemeinde zusammenschließt, obwohl die ausgedrückte Gemeinsamkeit eigentlich nicht, noch nicht oder nicht vollständig besteht. Es soll also die Gemeinschaft herstellen oder vertiefen, die es als gegeben aussagt. 14 Wenn wir auf die in der Einleitung formulierte Frage zurückkommen, muss die Antwort lauten: Es gibt Selbstaussagen des Paulus, die für die adressierte Gemeinde transparent werden. Diese betreffen auch seine Leidensexistenz (vgl. 1,1-7) und sind nicht auf den 2Kor beschränkt. Das heißt nicht, dass alle Selbstaussagen übertragbar wären. Gerade im Blick auf das Leiden besteht darin ein gewisses Ungleichgewicht, »daß Paulus zwar von seinem eigenen Leiden sprechen kann, ohne im unmittelbaren Kontext auch die Leidensexistenz der Gemeinde in den Blick zu nehmen (vgl. 1Kor 2,2-3; 4,9-13; 2Kor 4,7-12; 6,4-5; 11,23-33; 12,5-10; 13,4; Gal 5,11; 6,17; Phil 1,13), er umgekehrt aber an keiner einzigen der oben genannten Stellen (sc. 2Kor 1,6f.; Phil 1,27.29f.; 1Thess 1,6; 2,14, Th.Sch.) vom Leiden der Gemeinde spricht, ohne auch auf seine eigene apostolische Leidenserfahrung zu verweisen«. 15 Auf die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten für diesen Sachverhalt kann ich hier nicht eingehen. 16 Die plausibelste Erklärung scheint mir zu sein, dass Paulus für sich eine unmittelbare Leidensgemeinschaft mit Christus beansprucht, der Gemeinde dagegen nur eine mittelbare, durch ihn selbst vermittelte Leidensgemeinschaft zuspricht. 17 Die Gemeinsamkeit zwischen Apostel und Gemeinde hebt die Vorordnung des Apostels keineswegs auf. Für das Verständnis von 12,9 f. bedeutet das bisher Gesagte: Im Kontext des ganzen 2Kor gelesen liegt es nahe, dass die Gemeinde sich in der Aussage über den Stachel und über die in der Schwachheit erfahrbare Kraft Christi wiederfinden kann, sofern sie dazu bereit ist, auch in der Schwachheit des Paulus diese göttliche Kraft am Werk zu sehen und seine Leidensexistenz als »Christi Wohlgeruch« (2,15), als »Es gibt Selbstaussagen des Paulus, die für die adressierte Gemeinde transparent werden.« »Die Gemeinsamkeit zwischen Apostel und Gemeinde hebt die Vorordnung des Apostels keineswegs auf.« Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 60 - 3. Korrektur 60 ZNT 38 (19. Jg. 2016) Hermeneutik und Vermittlung heilbringenden »Geruch aus Leben zum Leben« (2,16) wahrzunehmen (vgl. dazu u. 2.2.1). 2. Kraft und Schwachheit des Paulus Wenn, wie sich gezeigt hat, die Selbstaussagen des Paulus unter bestimmten Umständen und bis zu einem gewissen Maß auf die Gemeinde übertragbar sind, stellen sich neue Fragen: Was kann die Gemeinde von Paulus lernen? Wie sind diese Aussagen zu verstehen? Soll sie mit ihm-- so eine verbreitete Deutung-- eine prinzipielle Umwertung vornehmen und paradoxerweise die Schwachheit als den einzigen Ort der Krafterfahrung verstehen? Wir beginnen die Klärung dieser Fragen wieder mit 2Kor 12,7b-10, dem Text, der am deutlichsten eine solche Sichtweise nahezulegen scheint. 2.1 2Kor 12,7b-10 im Rahmen der Narrenrede 18 Der Text bildet-- nach den Deuteversen 6-7a-- den Abschluss der Erzählung von der Himmelsreise des Paulus (12,1-5), also des zweiten Teils der sog. Narrenrede 11,16- 12,13. Er ist aber offensichtlich auch auf deren ersten Teil (11,21b-33) ausgerichtet. Der Plural »in meinen Schwachheiten« (12,9) und die Veranschaulichung durch den kleinen Peristasenkatalog in 12,10 machen deutlich, dass auch die Peristasen in 11,23-33 einbezogen sind. Die Entrückung ins Paradies ist ein besonders eindrucksvoller Beleg für die Erfahrung von »Visionen und Offenbarungen« (12,1), die hier das Thema sind. Wie Elija und Baruch wird auch Paulus von Gott dazu auserwählt, Zeuge der himmlischen Wirklichkeit zu werden, ohne dafür sterben zu müssen. Dass ihm ein »Stachel« gegeben wurde, hat mit dieser Erwählung zu tun. Der »Stachel« ist, wie gesagt, am ehesten als eine schmerzhafte Krankheit des Paulus zu verstehen, die ihm die Missionsarbeit erschwerte, aber nicht unmöglich machte. Er hat nach V. 6 f. einen doppelten Zweck: Er soll verhindern, dass Paulus von anderen überschätzt wird, aber auch, dass er sich selbst überschätzt. Offenbar war Paulus der pädagogische Zweck des Stachels nicht von Anfang an bewusst. Er bat den Herrn, hier eindeutig Christus, um ein Ende dieses Leidens, wahrscheinlich nicht nur wegen der Schmerzerfahrung, sondern auch, weil es ihm als Gottesferne erschien und seine Mission behinderte. Im größeren Kontext gelesen, gibt Paulus hier der Einschätzung seines Wirkens durch die korinthische Gemeinde Raum. Auch sie nahm Anstoß an dieser Krankheit, die sie vermutlich beim letzten Besuch, dem sogenannten Zwischenbesuch, erneut an ihm wahrgenommen und negativ bewertet hatte. Die Belehrung durch ein Herrenwort ist also nicht nur eine Belehrung des Paulus, sondern auch der Gemeinde. Was ist aber der Inhalt dieser Belehrung? Anders, als der Text oft gelesen wird, stellt das Herrenwort die vorangehende Bewertung der Schwachheit durch Paulus und die Gemeinde nicht einfach auf den Kopf. Die Erhöhung durch die Himmelsreise und die Erniedrigung durch den Stachel sind natürlich Gegensätze, weisen aber auch Züge der Kontinuität auf. Bei der Schilderung der Entrückung ist auffällig, dass sie die Lesererwartungen nur teilweise befriedigt. Sie ist-- gerade im Vergleich mit anderen frühjüdischen Erzählungen von Himmelsreisen-- außerordentlich arm an Details und auf wenige zentrale Aussagen konzentriert. Nicht nur, was Paulus sieht, sondern auch, was er hört, bleibt verborgen. Die Worte, deren Zeuge er wird, kann oder darf er nicht wiedergeben (V. 4). Zu dieser Zurückhaltung passt die wiederholt (V. 2 f.) geäußerte Unkenntnis über den eigenen Zustand (im Leib? ohne Leib? ) bei der Himmelsreise. Der ebenfalls wiederholte Hinweis auf das alleinige Wissen Gottes zeigt Paulus als passiven Empfänger der erwählenden und erhebenden Kraft Gottes, der er ausgeliefert ist. Ein ungebrochener Selbstruhm ist ihm deshalb nicht möglich. Nicht erst die Erzählung vom Stachel, sondern schon die Darstellung der Himmelsreise führt zu deren Relativierung. Ein weiterer Zug der Kontinuität liegt in der Deutung des Stachels durch ein Herrenwort. Paulus erfährt hier eine Audition, die zu V. 4 parallel steht und wie die Himmelsworte eine besondere Auszeichnung darstellt. Der Stachel wird in V. 10 auf andere Schwachheiten ausgeweitet. Damit dürften vor allem die in 11,21b-33 aufgezählten Erfahrungen gemeint sein. Dort ist eine ganz ähnliche Abfolge wie in 12,1-9a zu erkennen. Die folgende Tabelle 19 zeigt die Entsprechungen: Einleitung Selbstruhm A Deuteverse mit Bekräftigung Selbstruhm B 11,21b: Bereitschaft zur Konkurrenz in Narrheit 11,22-29: Herkunft und Peristasen 11,30 f.: Selbstruhm in Schwachheit, keine Lüge 11,32 f.: Demütigende Erfahrung in Damaskus 12,1: Bereitschaft zum Selbstruhm trotz Nutzlosigkeit 12,2-4: Himmelsreise 12,5-7a: Selbstruhm in Schwachheit, Wahrheit 12,7b-9a: Stachel als Warnung vor Hochmut Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 61 - 3. Korrektur ZNT 38 (19. Jg. 2016) 61 Thomas Schmeller Christsein nach dem 2. Korintherbrief Auch in 11,21b-33 folgen zwei Akte des Selbstruhms aufeinander. Der erste (11,22-29) verweist auf die Abstammung des Paulus und auf seine großen, mit ungeheurem Einsatz und Durchhaltevermögen erzielten Verdienste um das Evangelium. Schon hier handelt es sich nicht um ungebrochenen Selbstruhm, denn es werden keine Erfolge (etwa die Zahl von Gemeindegründungen oder Bekehrten), sondern lediglich Situationen berichtet, in denen Paulus passiv und ausgeliefert als Leidender erscheint. Der zweite Akt des Selbstruhms (11,32 f.) steigert diese Brechung. Auch hier geht es um eine Verfolgungssituation, in die Paulus für das Evangelium gerät, aber hier hält er ihr nicht Stand, sondern entzieht sich ihr durch eine demütigende Flucht in einem Korb. In keinem der beiden Texte (11,21b-33; 12,1-10) bietet Paulus Kreuzestheologie, jedenfalls nicht im eigentlichen Sinn. Anders als in 4,10 f. werden seine Leiderfahrungen nicht als Anteil am Sterben Jesu gedeutet. Die peinliche Damaskusepisode (11,32 f.) ist kein vollständiger Gegensatz zu den tapfer und verdienstvoll ertragenen Peristasen (11,23b-29). Ebensowenig ist der Stachel im Fleisch ein vollständiger Gegensatz zur Himmelsreise. Alle vier Teiltexte schildern Erfahrungen derselben göttlichen Kraft, wobei diese Erfahrung jeweils in der zweiten Schilderung gesteigert wird. Schon bei der katalogartigen Demonstration des Durchhaltevermögens des Paulus und bei der Erzählung von seiner Himmelsreise wird neben der Krafterfahrung auch die menschliche Begrenztheit erkennbar. Deutlicher wird das aber im Damaskuserlebnis und vor allem beim Erhalt des Stachels. Hier ist seine menschliche Schwäche so vollständig, sein Unvermögen so offensichtlich, seine eigene Kraft so am Ende, dass es ganz eindeutig allein der Kraft Gottes zuzuschreiben ist, dass sein Leben und seine Mission dennoch weitergehen und Frucht bringen. In diesem Sinne gilt: »Die Kraft wird in Schwachheit vollendet« (12,9) und »Wenn ich schwach bin, bin ich stark« (12,10). Die Umwertung, die Paulus vornimmt, ist also begrenzt. Er will keineswegs seine Verdienste als Missionar und seine Würde als Offenbarungsempfänger negieren oder auch nur minimieren. In der Konkurrenz mit den Gegnern sind sie für ihn wertvolle Pluspunkte und werden sie auch so eingesetzt. Was er der Gemeinde zeigen will, ist: Die Schwachheit, die sie an ihm (zuletzt beim Zwischenbesuch) erfahren hat, stellt seine Autorität nicht in Frage. Ganz im Gegenteil: Die Kraft Gottes, die in dem wirksam ist, was die Korinther als Vorzüge eines Missionars verstehen (Einsatz für das Evangelium, außergewöhnliche Gottesnähe), wird durch das, was sie als Defizite sehen (Schwäche, Ohnmacht), nicht aufgehoben, sondern vollendet, d. h. bestätigt und überboten. Deshalb will Paulus sich besonders solcher Erfahrungen rühmen-- ohne damit die anderen für wertlos zu erklären. 2.2 Überprüfung des Befunds In aller Kürze soll an zwei weiteren Texten aus dem 2Kor gezeigt werden, dass Paulus das Verhältnis von Schwachheit und Kraft mit unterschiedlichen Schwerpunkten darstellen kann, dass diese das bisher erzielte Ergebnis aber nicht in Frage stellen. 2.2.1 2,14-17 20 Die Einleitungsverse zu einem neuen Hauptteil (2,14- 7,4), der den Dienst des Paulus zum Thema hat, verwenden eine überraschende Metaphorik. Der wichtigste Bildspender für die Verse 14-16 scheint mir, auch wenn das umstritten und nicht die einzige Möglichkeit ist, 21 der römische Triumphzug zu sein. Das verwendete Verbum thriambeuō ist am ehesten als »mitführen im Triumphzug« zu übersetzen. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Der Triumphator führt einerseits Personen mit, die zur siegreichen Seite gehören und seinen Sieg feiern (also Generäle, Soldaten, weihrauchtragende Sklaven), andererseits (und diese Bedeutung von thriambeuō ist wesentlich besser bezeugt 22 ) aber auch Personen, die zur besiegten Seite gehören und im Verlauf des Triumphzugs in der Regel hingerichtet werden (also Anführer der Feinde). Diesem Bildfeld entstammen wohl auch die Metaphern in V. 15 f.: Paulus sieht sich nicht nur als Teil des Festpersonals, das den Triumphator mit dem Duft von Weihrauch feiert, sondern wird selbst zu diesem Duft, d. h. zur Repräsentanz des Evangeliums. Für die Teilnehmer am Triumphzug hat dieser Duft gegensätzliche Bedeutung. Für die einen, die mit dem Feldherrn feiern, ist er Zeichen des Sieges, für die anderen, die als besiegte Feinde vorgeführt werden, ist er Ankündigung des nahe bevorstehenden Todes. Entsprechend entfaltet das paulinische Evangelium eine gegensätzliche Wirkung. Es kann zu Rettung und Leben oder zu Untergang und Tod führen. Von den folgenden Versen her spricht viel dafür, dass Paulus sich in V. 14 auf der Seite des Triumphators, d. h. Gottes, sieht. Seine Missionsreisen sind ein Triumphzug Gottes im großen Stil; Paulus feiert damit den göttlichen Sieg. Andererseits ist es von den sonstigen Belegen für die Verwendung von thriambeuō her viel wahrscheinlicher, dass die Erstleser/ innen das Verbum mit dem beklagenswerten Schicksal besiegter Feinde in Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 62 - 3. Korrektur 62 ZNT 38 (19. Jg. 2016) Hermeneutik und Vermittlung Verbindung brachten. Ist das denkbar? Was wäre damit über Paulus gesagt und wie sollte man mit der Spannung zum Kontext umgehen? Diese Fragen sind m. E. nur dann befriedigend zu beantworten, wenn man mit einer bewussten Ambivalenz rechnet. Die Größe des paulinischen Dienstes-- auf die am Ende von V. 16 wohl deshalb in Frageform hingewiesen wird, weil sie in Korinth umstritten war-- zeigt sich nicht ungebrochen in der Feier des Sieges Gottes unter den Völkern. Seine Mission ist nach den üblichen Maßstäben alles andere als ein Fest. Seine unendlichen Mühen und Leiden, die ihn in die Nähe des Todes bringen (1,8 f.), stellen ihn viel eher auf die Seite der Besiegten, für die es keine Hoffnung mehr gibt. Die Metapher vom Triumphzug enthält also nicht einfach die Zumutung, die jede Metapher auszeichnet, sondern eine weitergehende Zumutung. Können die Leser/ innen eine so gewagte Verbindung nachvollziehen? Können sie die Mission des Paulus als einen Triumphzug ganz besonderer Art sehen, bei dem der Sieger wie ein Besiegter erscheinen kann? Oder verweigern sie sich dieser Zumutung und lösen die Spannung auf: entweder, indem sie Kraft und Schwachheit trennen, in Paulus also nur den Besiegten sehen; oder, indem sie beides in eins setzen und die Kraft nur noch in der Schwachheit sehen. Beide Möglichkeiten sind verständliche Versuche, die spannungsvolle Metapher zu entschärfen. Aber sie werden ihr nicht gerecht. Der Dienst des Paulus ist durch beides geprägt, durch Vollmacht und durch Ohnmacht. 2.2.2 4,7-12 23 Auch bei der Besprechung des nächsten und letzten Texts, 4,7-12, kann ich nur auf wenige Fragen eingehen. Nachdem Paulus in 3,1-4,6 die große Bedeutung des ihm anvertrauten Dienstes beschrieben hat, mit dem er sogar Mose bei weitem übertrifft, wendet er sich jetzt der leidvollen Seite seiner Existenz als Apostel zu. Mit »dieser Schatz« ist wohl alles gemeint, was im voranstehenden Kontext zu seinem großartigen Dienst ausgeführt wurde, auch, aber nicht nur die »Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes auf dem Angesicht Jesu Christi« (4,6) und das von ihm verkündete Evangelium. Paulus ist dieser Schatz anvertraut, aber »in tönernen Gefäßen«, d. h., wie der Fortgang zeigt, in einer schwachen, jederzeit dem Untergang nahen Existenz. Die eigene Hilflosigkeit soll explizit die Kraft Gottes demonstrieren. Wie diese Verbindung allerdings genau gedacht ist, bleibt unklar. In V. 8 f. wird V. 7 in vier gleichgebauten Antithesen konkretisiert. Das Verhältnis der vorderen zu den hinteren Gliedern der Konstruktion ist umstritten. Wird das Leiden, das jeweils im Vorderglied benannt wird, im Hinterglied eingeschränkt oder wird es aufgehoben? Geht es also darum, dass Paulus leidet, aber daran nicht zerbricht, sondern durch die Kraft Gottes unerwarteterweise überlebt, 24 oder geht es darum, dass er zwar leidet, in Wirklichkeit aber, d. h. aus der Perspektive des Glaubens, doch nicht leidet 25 ? Verhindert Gott, dass das Leiden zur vollen Wirkung kommt und unerträglich wird, oder gibt er ihm eine neue Qualität, indem er ihm seinen bedrohlichen Charakter nimmt? Die Antwort hängt davon ab, ob man die Verse 8 f. von vorne oder von hinten her liest. Im Anschluss an V. 7 liegt die erste Deutung nahe: Nur die Kraft Gottes verhindert das Zerbrechen der tönernen Gefäße. Von V. 10-12 her, wo eine Antithese zwischen dem Sterben und dem Leben Jesu entfaltet wird, wird man aber die vorderen Glieder in V. 8 f. mit dem Sterben, die hinteren mit dem Leben verbinden. Dann kann nicht gemeint sein, dass Paulus vor dem Schlimmsten bewahrt wird, sondern er erfährt in den Peristasen den Tod, der auch Jesus nicht erspart blieb. Es ist also nicht sinnvoll, sich für eine der beiden Deutungen zu entscheiden. Der paulinische Gedankengang ist nicht ausgeglichen, sondern zeigt auch hier eine spannungsvolle Verbindung zweier Deutungen des Leidens im Glauben: Einerseits schreibt Paulus das Überleben der rettenden Kraft Gottes zu, andererseits sieht er im Durchleben des Leidens eine Teilhabe an Sterben und Auferstehen Jesu. Die erste Sichtweise ist für andere leichter nachzuvollziehen als die zweite: Sie können immerhin wahrnehmen, dass Paulus im letzten Moment aus Situationen gerettet wird, die nach menschlichem Ermessen zum Tode führen müssten. Dagegen ist der zweite Zugang, dass er nämlich das Leiden bis zum bitteren Ende auskosten muss, 26 dass es für ihn aber umschlägt in eine Erfahrung der Kraft Gottes, für andere nur dann plausibel, wenn sie sich seiner Deutung anschließen. Ein vermittelndes Element enthält vielleicht der Schluss von V. 11: »Das Leben Jesu wird offenbar (phanerōthē) an unserem sterblichen Fleisch« könnte bedeuten, dass das Leben des Auferstandenen an Paulus wahrnehmbar wird. Er würde dann das Auferstehungsleben in der Gegenwart antizipieren. Überraschend ist eine neue Wendung des Gedankengangs in V. 12. Hier sind nicht mehr wie in V. 7-11 »Einerseits schreibt Paulus das Überleben der rettenden Kraft Gottes zu, andererseits sieht er im Durchleben des Leidens eine Teilhabe an Sterben und Auferstehen Jesu.« Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 63 - 3. Korrektur ZNT 38 (19. Jg. 2016) 63 Thomas Schmeller Christsein nach dem 2. Korintherbrief sowohl der Tod als auch das Leben Kennzeichen der paulinischen Existenz, sondern der Tod wird nun mit Paulus, das Leben mit der Gemeinde verbunden. Es können hier nicht gegensätzliche Existenzweisen gemeint sein. Das würde dem Kontext widersprechen und ist auch von 1,6 her ausgeschlossen (vgl.-o.). Gemeint ist vielmehr die Hinordnung der paulinischen Leidensexistenz auf die Gemeinde. Nur weil Paulus diese Existenz führt, erhält die Gemeinde am Leben des Auferstandenen Anteil. Es kann also nicht davon die Rede sein, dass in 4,7-12 die Erfahrung von Kraft an die Erfahrung von Schwachheit gebunden würde, so als sei diese die Voraussetzung für jene. 27 Vielmehr wird den Korinthern eine positive Interpretation der paulinischen Leidensexistenz nahegelegt. Sie spricht nicht gegen seine Autorität, sondern gerade für diese, weil sie deutlich macht, dass wirklich Gott die Quelle seiner Kraft ist. Zudem wirkt sie sich für die Gemeinde heilbringend aus. Es ist zwar hier nur vom Leiden des Apostels, nicht der Gemeinde die Rede, aber im Kontext des 2Kor und anderer Paulusbriefe gelesen, ist damit eine Leidens- und Lebensgemeinschaft auch der Gemeinde mit Christus nicht aus-, sondern eingeschlossen. V. 12 ist eine durch das situative Anliegen bedingte Kurzfassung der Überzeugung des Paulus, dass nicht nur er selbst, sondern-- vermittelt durch ihn-- auch die Gemeinde an Tod und Auferstehung Christi Anteil hat. 3. Auswertung In meinem Beitrag habe ich mich auf Aussagen des 2. Korintherbriefs zu Schwachheit und Leiden konzentriert. Andere Aspekte der Frage, ob bzw. wie man nach diesem Schreiben Christ sein kann, wurden nur gestreift. Das hat mit der vorgegebenen Länge meines Beitrags zu tun, aber auch mit der Eigenart des Briefs. Die Einschätzung und der Umgang mit dem Leiden ist ein wichtiger inhaltlicher Schwerpunkt des 2Kor (immerhin stehen von den sieben Peristasenkatalogen, die im Corpus Paulinum begegnen, vier im 2Kor). Die Ergebnisse fasse ich in drei Punkten zusammen: im Hinblick auf Paulus, auf die korinthische Gemeinde und auf heutige Christen. Paulus selbst bemüht sich, seine Erfahrungen der Ohnmacht, die auch den Korinthern nicht verborgen geblieben war, mit seiner Vollmacht zu verbinden. Er tut das nicht auf dem Weg einer paradoxen Umwertung, die aus Schwachheit Kraft macht. Er reklamiert für sich durchaus auch Kraft im üblichen Sinn, also entschiedenes, wirkungsvolles Engagement und unbeirrbare Durchsetzungsfähigkeit. Auch auf diesem Feld kann er mit seinen Gegnern konkurrieren. Aber seine menschliche Kraft kommt ihm nur durch die Kraft Gottes zu, und dieselbe göttliche Kraft ist auch in seiner menschlichen Schwachheit zu erkennen. Kraft und Schwachheit sind deshalb weder zu trennen noch in eins zu setzen. Sie prägen ungetrennt und unvermischt die Existenz des Paulus und zeichnen ihn mit besonderer Gottesnähe und Autorität aus. Mit den Problemen, die die korinthische Gemeinde mit der Leidensexistenz ihres Apostels hatte, geht Paulus auf verschiedene Weisen um. Relevant ist hier nur: Er greift zu Mitteln der Fiktionalität. Er zeichnet ein Bild der Gemeinde, in dem entweder völlige Versöhnung oder völlige Entfremdung dominiert. Weder die Äußerungen uneingeschränkter Zuversicht noch diejenigen tiefer Empörung sind als realistische Beschreibungen der Situation zu werten, sondern sie sollen die beschworene Versöhnung herbeiführen bzw. Entfremdung vermeiden helfen. Dazu dienen auch Aussagen in der 1. Person Plural, die als Mittel der Leserlenkung ein echtes »Wir« herbeiführen sollen. Die korinthische Gemeinde soll in Gemeinschaft mit Paulus seine Schwachheit nicht als Gottesferne, sondern als Gottesnähe verstehen lernen und daraus auch eine neue Sicht ihrer eigenen Existenz gewinnen. Für heutige Christen bedeutet dieser Befund: Aussagen wie 2Kor 12,7b-10 auf sich selbst zu übertragen, setzt im Sinne des Paulus voraus, seine Autorität zu akzeptieren. Die Differenzen gegenüber der Situation der Erstleser/ innen sind natürlich gravierend. Paulus ist nicht direkt der Begründer heutigen Glaubens und der Gründer heutiger Gemeinden; er ist überhaupt nicht mehr persönlich, sondern nur noch im Text seiner Briefe präsent. Dennoch kann ein redlicher Umgang mit Texten wie 2Kor 12 diese nur dann als Trost für heute verstehen, wenn zugleich Paulus zu einem heutigen Apostel, zu dem Apostel der Lesenden wird. Es geht also um eine Rezeption, die dem Text Autorität und Verbindlichkeit zuschreibt. Wer die Frage stellt, ob er oder sie solche paulinischen Textaussagen auf sich beziehen darf, zeigt bereits die notwendige Akzeptanz. Vielleicht kann daraus die Bereitschaft werden, sich von Paulus nicht nur durch den 2. Korintherbrief und im Blick auf »[Paulus] greift zu Mitteln der Fiktionalität. Er zeichnet ein Bild der Gemeinde, in dem entweder völlige Versöhnung oder völlige Entfremdung dominiert.« Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 64 - 3. Korrektur 64 ZNT 38 (19. Jg. 2016) Hermeneutik und Vermittlung das Leiden, sondern auch durch andere Briefe und im Blick auf andere Themen prägen zu lassen. Anmerkungen 1 Vgl. dazu U. Heckel, Schwachheit und Gnade. Trost im Leiden bei Paulus und in der Seelsorgepraxis heute, Stuttgart 1997. 2 Beispiele aus der Wirkungsgeschichte biete ich in: Th. Schmeller, Der zweite Brief an die Korinther. Teilbd. 2: 2Kor 7,5-13,13 (EKK VIII/ 2), Neukirchen-Vluyn 2015, 313-320. 3 In diese Richtung gehen z. B. die Auslegungen von D.A. Black, Paul, Apostle of Weakness: Astheneia and Its Cognates in the Pauline Literature (AmUStTR 3), New York 1984, 151; E. Gräßer, Der zweite Brief an die Korinther II (ÖTK 8/ 2), Gütersloh 2005, 204; C.J. Roetzel, The Language of War (2 Cor. 10: 1-6) and the Language of Weakness (2 Cor. 11: 21b-13: 10), Biblical Interpretation 17 (2009), 77-99, hier: 91-99; H. Windisch, Der zweite Korintherbrief, hg. v. G. Strecker (KEK 6), Göttingen 1970 (= 9 1924), 393. 4 Zu Einzelfragen der Auslegung dieses Textes vgl. vor allem L. Aejmelaeus, Schwachheit als Waffe. Die Argumentation des Paulus im Tränenbrief (2. Kor. 10-13) (SESJ 78), Göttingen 2000, 261-321; Black, Paul (s. Anm. 3) 146-159; Y.S. Choi, »Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark«. Die paulinischen Peristasenkataloge und ihre Apostolatstheologie (Neutestamentliche Entwürfe zur Theologie 10), Tübingen 2010, 231-246; M. Ebner, Leidenslisten und Apostelbrief. Untersuchungen zu Form, Motivik und Funktion der Peristasenkataloge bei Paulus (fzb 66), Würzburg 1991, 173-195; U. Heckel, Kraft in Schwachheit. Untersuchungen zu 2. Kor 10-13 (WUNT 2/ 56), Tübingen 1993, 272-288 296-331; G. Hotze, Paradoxien bei Paulus. Untersuchungen zu einer elementaren Denkform in seiner Theologie (NTA NF 33), Münster 1997, 202-227; J. Krug, Die Kraft des Schwachen. Ein Beitrag zur paulinischen Apostolatstheologie (TANZ 37), Tübingen 2001, 258-291; Schmeller, 2Kor II (s. Anm. 2) 304-327; M. Theobald, Die überströmende Gnade. Studien zu einem paulinischen Motivfeld (fzb 22), Würzburg 1982, 244-253; J. Zmijewski, Der Stil der paulinischen »Narrenrede«. Analyse der Sprachgestaltung in 2 Kor 11,1-12,10 als Beitrag zur Methodik von Stiluntersuchungen neutestamentlicher Texte (BBB 52), Köln 1978, 324-411. 5 Vgl.-H. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft. Bd. I, München 2 1973, § 879. 6 So hat z. B. die Vermutung, die Kap. 1-9 würden sich an den umkehrbereiten Teil der Gemeinde, Kap. 10-13 an den umkehrunwilligen Teil oder an die Gegner richten (so etwa B. Bosenius, Die Abwesenheit des Apostels als theologisches Programm. Der zweite Korintherbrief als Beispiel für die Brieflichkeit der paulinischen Theologie [TANZ 11], Tübingen 1994, 98-105), wenig Anhalt am Text. 7 Zur Begründung vgl. Schmeller, 2Kor II (s. Anm. 2) 360 f. 8 Zu dieser textpragmatischen Strategie vgl. Th. Schmeller, No Bridge over Troubled Water? The Gap between 2 Corinthians 1-9 and 10-13 Revisited, JSNT 36 (2013), 73-84, hier: 78-81. 9 In die Nähe kommt noch 12,18: »Ich habe Titus zugeredet und habe den Bruder mitgeschickt. Hat euch etwa Titus übervorteilt? Haben wir unseren Lebenswandel nicht in demselben Geist geführt? Nicht in denselben Fußspuren? « 10 Hinweisen kann man auch auf ein ähnliches Phänomen in 1,3-11, wo das »Wir« zunächst die Adressaten einschließt (V. 3), spätestens ab V. 6 aber nicht mehr so verstanden werden kann. 11 Die Forschungsgeschichte zu diesem Problem kann ich hier nicht behandeln. Erwähnen möchte ich nur eine im vergangenen Jahr erschienene Arbeit von Loïc P.M. Berge, Faiblesse et force, présidence et collégialité chez Paul de Tarse. Recherche littéraire et théologique sur 2 Cor 10-13 dans le contexte du genre épistolaire antique (NT.S 161), Leiden 2015. Berge vertritt die These: Die betr. Wir-Formen sind als Plural ernst zu nehmen und beziehen sich auf den Mitarbeiterkreis des Paulus. Ich stimme Berge zu, dass es möglich ist, manche paulinische Wir-Aussagen als Repräsentation seines Mitarbeiterkreises zu lesen. Ich stimme Berge aber nicht zu, wenn er daraus die einzige Möglichkeit macht. Wir haben gesehen, dass es explizite Inklusionen gibt, die sich auf bestimmte Mitarbeiter (1,19), auf alle (mit dem 2Kor adressierten? ) Christen (3,18) und vielleicht auf alle Menschen beziehen (5,10). Wo die Inklusionen implizit sind, können sie sich ebenfalls auf den Mitarbeiterkreis (4,13 f.; 9,11; 12,19), auf die Adressaten (4,17 f.; 5,19; 7,1) oder auch auf alle Christen oder Menschen beziehen (1,2 f.; 5,21). Darüber kann jeweils nur der Kontext entscheiden. Oft ist aber eine sichere Zuordnung nicht möglich. 12 Vgl. die Statistik bei Berge, Faiblesse (s. Anm. 11), 2 (Anm. 2). 13 Zur Begründung vgl. Schmeller, 2Kor II (s. Anm. 2), 225 f. 14 Vgl. dazu auch den Exkurs »Das ›Wir‹ im 2Kor«, in: Th. Schmeller, Der zweite Brief an die Korinther. Teilbd. 1: 2Kor 1,1-7,4 (EKK VIII/ 1), Neukirchen-Vluyn 2010, 59- 62. 15 M. Wolter, Der Apostel und seine Gemeinden als Teilhaber am Leidensgeschick Jesu Christi. Beobachtungen zur paulinischen Leidenstheologie, NTS 35 (1990), 535-557, hier 541. 16 Vgl. dazu Schmeller, 2Kor I (s. Anm. 14), 64. 17 Ich folge hier Wolter, Apostel (s. Anm. 15), 549; 551. 18 Für relevante Literatur zu diesem Text vgl.-o. Anm. 4. 19 Übernommen aus Schmeller, 2Kor II (s. Anm. 2), 326. 20 Zu Einzelfragen der Auslegung dieses Textes vgl. vor allem C. Breytenbach, Paul’s Proclamation and God’s »Thriambos« (Notes on 2 Corinthians 2: 14-16b), Neotest. 24 (1990), 257-271; P.B. Duff, Metaphor, Motif, and Meaning: The Rhetorical Strategy Behind the Image »Led in Triumph« in 2 Corinthians 2: 14, CBQ 53 (1991), 79-92; G.H. Guthrie, Paul’s Triumphal Pro- Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 65 - 3. Korrektur ZNT 38 (19. Jg. 2016) 65 Thomas Schmeller Christsein nach dem 2. Korintherbrief cession Imagery (2 Cor 2.14-16a): Neglected Points of Background, NTS 61 (2015), 79-91; S.J. Hafemann, Suffering and Ministry in the Spirit. Paul’s Defense of His Ministry in II Corinthians 2: 14-3: 3, Grand Rapids 1990, 7-179; B. Kuschnerus, Die Gemeinde als Brief Christi. Die kommunikative Funktion der Metapher bei Paulus am Beispiel von 2 Kor 2-5 (FRLANT 197), Göttingen 2002, 101-150; P. Müller, Wer ist geeignet und würdig? 2Kor 2,14-17 und der römische Triumph, in: D. Sänger (Hg.), Der zweite Korintherbrief. Literarische Gestalt-- historische Situation-- theologische Argumentation. FS D.-A. Koch (FRLANT 250), Göttingen 2012, 224-239; T. Novick, Peddling Scents: Merchandise and Meaning in 2 Corinthians 2: 14-17, JBL 130 (2011), 543-549; Schmeller, 2Kor I (s. Anm. 14), 151-168; J. Schröter, Der versöhnte Versöhner. Paulus als unentbehrlicher Mittler im Heilsvorgang zwischen Gott und Gemeinde nach 2 Kor 2,14-7,4 (TANZ 10), Tübingen 1993, 9-48; A. Wypadlo, Paulus im Triumphzug Christi (2 Kor 2,14). Überlegungen zum Selbstverständnis des Apostels Paulus vor dem Hintergrund antiker Triumphzugspraxis, SNTU 38 (2013), 147-187. 21 Vereinzelt werden auch Deutungen von thriambeuō vertreten, die vom Triumphzug unabhängig sind: »öffentlich der Schande aussetzen«, »in einer Epiphanieprozession mitführen«, »bekannt machen«. 22 Vgl. die Belege bei Breytenbach, Proclamation (s. Anm. 20), 259-265. Die von Guthrie, Procession (s. Anm. 20), 81-83, an diesem Befund geäußerten Zweifel sind nicht überzeugend, weil er sich nur auf die Verwendung von thriambeuō ohne persönliches Objekt stützt. 23 Zu Einzelfragen der Auslegung dieses Textes vgl. vor allem Bosenius, Abwesenheit (s. Anm. 6), 45-57; P.B. Duff, Apostolic Suffering and the Language of Processions in 2 Cor 4: 7-10, BTB 21 (1991), 158-164; Ebner, Leidenslisten (s. Anm. 4), 196-242; E. Gräßer, Der Schatz in irdenen Gefäßen (2Kor 4,7). Existentiale Interpretation im 2. Korintherbrief? , ZThK 97 (2000), 300-316; Heckel, Kraft (s. Anm. 4), 246-261; Hotze, Paradoxien (s. Anm. 4), 253-287; Krug, Die Kraft des Schwachen (s. Anm. 4), 197-225; Kuschnerus, Gemeinde (s. Anm. 20), 235-267; T.B. Savage, Power Through Weakness. Paul’s Unterstanding of the Christian Ministry in 2 Corinthians (MSSNTS 86), Cambridge 1996, 164-182; Schmeller, 2Kor I (s. Anm. 14), 250-269; Schröter, Versöhner (s. Anm. 20), 169-216; Theobald, Gnade (s. Anm. 4), 212- 225; J.R. Unwin, »Thrown Down but not Destroyed«: Paul’s Use of a Spectacle Metaphor in 2 Corinthians 4: 7- 15, NT 57 (2015), 379-412. 24 So etwa Savage, Power (s. Anm. 23), 171 f.; Windisch, 2Kor (s. Anm. 3), 143. 25 So etwa R. Bultmann, Der zweite Brief an die Korinther, hg. v. E. Dinkler (KEK Sonderbd.), Göttingen 1976, 116 f.; E. Gräßer, Der zweite Brief an die Korinther I (ÖTK 8/ 1), Gütersloh 2002, 164 f.; Schröter, Versöhner (s. Anm. 20), 174-177. 26 Die Partizipien der Vorder- und Hinterglieder müssen nicht, können aber als mehr oder weniger synonym verstanden werden. 27 So etwa Theobald, Gnade (s. Anm. 4), 213. Vorschau - Sonderheft 39/ 40 zum Thema »sola scriptura« Mit Beiträgen von: Stefan Alkier, Eve-Marie Becker, Claire Clivaz, Kristina Dronsch, Jan Dochhorn, Ute Eisen, Matthias Klinghardt, Matthias Konradt, Annette M erz, Karl-Wilhelm Niebuhr, Petr Pokorný, Eckart Reinmuth, Günter Röhser, Gerd Theißen, Peter Wick und Oda Wischmeyer