eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 19/38

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2016
1938 Dronsch Strecker Vogel

Dokumentarische Papyri und 2. Korintherbrief

2016
Peter Arzt-Grabner
Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 3 - 3. Korrektur ZNT 38 (19. Jg. 2016) 3 Die Papyrologie ist eine relativ junge Disziplin. Abgesehen von den Papyri aus Herculaneum, die ab 1752 gefunden wurden und aufgrund der äußerst diffizilen Entrollung und Konservierung der verkohlten und zu Klumpen »gebackenen« Rollen und aufgrund deren Inhalts (fast ausschließlich philosophische Texte) nach wie vor einen Spezialbereich des Faches darstellen, beginnt die Papyrusforschung mit dem dänischen Klassizisten Niels I. Schow, der 1788 eine dreieinhalb Meter lange Rolle mit Abrechnungen über Deicharbeiten aus dem Jahre 193 v. Chr. edierte (P.Schow = SB I 5124; auch bekannt als Charta Borgiana). Der wirklich entscheidende Beginn der Papyrologie wird mit dem sog. »Ersten Fayumer Fund« 1877 angesetzt, als Fellachen auf der Suche nach Dünger in el-Faris, einem Teil der antiken Fayum-Hauptstadt Arsinoe, einen antiken Müllhaufen umgruben und dabei beschriebene Papyri fanden. Diese landeten auf dem Antiquitätenmarkt von Kairo, wurden dort vom österreichischen Händler Theodor Graf gekauft und nach Wien gebracht, wo sie schließlich den Kernbestand der »Papyrussammlung Erzherzog Rainer« bildeten, die heute mit etwa 180 000 Objekten die zweitgrößte Papyrussammlung der Welt darstellt. Die weltgrößte Papyrussammlung ist jene der Oxyrhynchos- Papyri in Oxford mit einer halben Million Papyrusfragmenten, die von Bernard P. Grenfell und Arthur S. Hunt ergraben wurden. In der Altertumsforschung wurde lange Zeit von einem »Sonderfall Ägypten« gesprochen, da vieles, was die Papyri über Ägypten aussagen, nicht in Inschriften aus anderen Provinzen auftaucht. Gerade durch die Papyrologie wurde dieses Sonderfall-Konzept aber in den letzten Jahrzehnten widerlegt, denn einerseits wurde deutlich, dass Unterschiede zum Teil durch die unterschiedlichen Textsorten und Genres begründet sind, die entweder dauerhaft in Stein gemeißelt oder anders auf die vergänglichen Beschreibstoffe Papyrus, Ton und Holz oder Wachs geschrieben wurden, andererseits haben vereinzelte Funde von Papyri, Ostraka oder Täfelchen aus Israel, Libyen, Jordanien, Syrien, Indien, Afghanistan, Griechenland, Italien, Rumänien, Großbritannien und der Schweiz nach ihrem Vergleich mit den Dokumenten aus Ägypten gezeigt, dass die groben Züge der antiken griechisch-römischen Geschäftswelt, der rechtlichen Prozesse und Verwaltung sowie des Privatlebens im ganzen Imperium dieselben waren. Dass sich demgegenüber auch regionale und lokale Eigenheiten aufgrund des stetig anwachsenden Vergleichsmaterials immer deutlicher beschreiben lassen, ist dazu kein Widerspruch. 1. Papyrusbriefe und Paulusbriefe Das bisher Gesagte gilt auch für mehrere tausend Briefe, die auf Papyrus und verwandtem Material erhalten geblieben sind. Der bisher älteste sicher datierbare, aber nur fragmentarisch erhaltene griechische Papyrusbrief wurde am 27. Mai 268 v. Chr. von einem gewissen Lykomedes an einen Hippodamos geschrieben (P.Sorb. I 9), die jüngsten Beispiele stammen aus dem 8. Jahrhundert, also der früharabischen Zeit Ägyptens (z. B. CPR XXII 7 [751-752], das amtliche Schreiben eines gewissen ’Abd al-Malik ben Yazîd, eines Untergebenen des Pagarchen). Zu den Papyrus- und Ostrakabriefen aus Ägypten sind inzwischen lateinische und griechische Papyrusbriefe aus Israel-Palästina hinzugekommen, 1 ferner Briefe aus Syrien, 2 lateinische Ostrakabriefe aus Libyen 3 und lateinische Briefe auf mit Tinte beschriebenen Holztäfelchen aus Vindolanda am Hadrianswall 4 sowie auf Wachstäfelchen aus Vindonissa in der Schweiz. 5 In der neutestamentlichen Exegese wurde lange Zeit (und wird vereinzelt heute noch) die Meinung vertreten, die Paulusbriefe seien doch etwas ganz anderes als die privaten Papyrusbriefe, von denen sie sich durch ihre Länge, ihren gehobenen Stil und ihre komplexen (und theologischen) Inhalte deutlich unterscheiden würden. Aus mehreren Gründen ist diese Ansicht so nicht mehr haltbar. Zunächst ist zu den Briefen berühmter Persönlichkeiten der Antike festzuhalten, dass diese nicht per se als literarische Briefe (oder Episteln) zu bezeichnen und von Briefen persönlichen Charakters zu unterscheiden sind, denn zur Literatur wurde ein Brief »nicht durch seinen Inhalt, sondern durch seine Publikation, die des Inhalts oder des Verf[assers] wegen erfolgen konnte«. 6 Auch die meisten in Sammlungen überlieferten Briefe antiker Schriftsteller oder Philosophen wurden zunächst als Privatbriefe verfasst und enthalten-- auch noch nach der redaktionell überarbeiteten Publikation-- manche Teile, die aufgrund ihres Bezugs auf eine antike Privat- Peter Arzt-Grabner Dokumentarische Papyri und 2. Korintherbrief Neues Testament aktuell Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 4 - 3. Korrektur 4 ZNT 38 (19. Jg. 2016) Neues Testament aktuell um in einem einzigen Original erhaltene Papyrusbriefe handelt: die vielen Unklarheiten, die sie für uns heute enthalten. Diese gehören aber ganz einfach zur Textsorte dazu. Sie sind kennzeichnend für den Kommunikationsprozess, von dem nur die eine Seite erhalten geblieben ist oder nur ein Text, der auf andere, nicht mehr erhaltene Briefe Bezug nimmt. Wie für überaus zahlreiche Papyrusbriefe gilt dies auch für die Paulusbriefe. Der 2Kor ist hier bekanntlich ein besonders gutes Beispiel. Was die Länge antiker Briefe betrifft, so handelt es sich bei der großen Mehrheit um kurze Exemplare, die auf einem mehr oder weniger kleinen Papyrusblatt (herausgeschnitten aus einer im Papyrusladen erworbenen Rolle) 8 Platz fanden. Dies gilt für die meisten Papyrusbriefe ebenso wie z. B. für viele Cicerobriefe. Längere Briefe wurden auf eine Papyrusrolle in Kolumnen geschrieben, wie z. B. P.Ammon I 3 mit BL XII 4 (26. Mai-- 24. Juni 348? n. Chr.), der bisher längste Privatbrief aus griechisch-römischer Zeit, dessen Länge immerhin ziemlich genau jener des Gal entspricht; die Textmenge des kanonischen 2Kor ist etwa doppelt so umfangreich. 9 Auch was Stil, Sprach- und Bildungsniveau antiker Briefe betrifft, ist P.Ammon I 3 ein interessantes Beispiel. Soweit wir wissen, hatte der Absender, der Anwalt Aurelius Ammon, eine höhere Bildung genossen, und mehrere Mitglieder seiner Familie waren als Priester innerhalb der traditionellen ägyptischen Religion tätig. Obwohl es sich bei P.Ammon I 3 um einen reinen Privatbrief handelt, der an Ammons Mutter Senpetechensis alias Nike, die zweite Frau seines Vaters, gerichtet ist, fällt im Vergleich mit anderen Privatbriefen auf, dass der Absender die sonst kurzen Nachrichten oder Anfragen mit philosophischen Gedanken beleuchtet. So begründet er z. B. die offensichtlich unglücklichen Umstände, denen die Familie gerade ausgesetzt ist, mit der Macht des Schicksals (tychē), das alles beherrsche und für alle Menschen alles bestimme; es teile zu, wenn es wolle, und nehme eben auch wieder weg. Oder beobachtet man, wie oft und ausführlich Ammon mit unterschiedlichen Worten seiner Mutter gegenüber versichert, wie sehr er sich danach sehnt, sie wieder zu sehen, so lässt sich dies durchaus mit der Ausführlichkeit vergleichen, mit der Paulus gegenüber der christlichen Gemeinde in Korinth beteuert, sie noch einmal besuchen zu wollen (vgl. 2Kor 12,14-13,2 und auch 1,15-23). Dass sich ein Paulus von Tarsus aufgrund der gehobenen Sprache und der Länge der meisten seiner Briefe vom Gros der situation für uns Heutige unverständlich sind (so z. B. viele Briefe Ciceros oder Senecas), während andererseits auch private Papyrusbriefe manchmal zeitloses und allgemein verständliches Gedankengut bieten. Die Grenze zwischen sogenannten literarischen Briefen und persönlichen (Papyrus-)Briefen ist also nicht klar zu ziehen. Ähnliches gilt für die Unterscheidung von Briefen privaten Charakters und Geschäftsbriefen, Empfehlungsbriefen, Verwaltungsbriefen usw., da z. B. auch Briefe unter Familienmitgliedern und Freunden oft geschäftlichen Inhalts sind oder Beamte aufgrund jahrelanger Zusammenarbeit in ihrer Korrespondenz manchmal ein kollegiales oder sogar freundschaftliches Verhältnis zum Ausdruck bringen. 7 In der Praxis wird kaum ein Brief einem einzigen Genre allein angehören, sondern Formelemente mehrerer Typen aufweisen, wofür die Papyrusbriefe mehrere tausend Beispiele liefern. Ein bestimmter Kondolenzbrief z. B. kann gleichzeitig ein Freundschaftsbrief sein und Ermutigungen, Lebensanweisungen (oder -weisheiten) und Ermahungen enthalten, ohne dass dies für alle Kondolenzbriefe gilt. Eine Eigenheit ist fast allen antiken Briefen gemein, gleichgültig ob es sich dabei um publizierte Briefe oder Prof. Dr. Peter Arzt-Grabner, Jahrgang 1959, Studien der Theologie und Klassischen Philologie in Salzburg und Rom, 1991 Promotion zum Dr. theol., 2006 Habilitation für Papyrologie, seit 2007 Professor für Papyrologie am Fachbereich Bibelwissenschaft und Kirchengeschichte der Universität Salzburg, seit 2009 Leiter der Forschungsabteilung Papyrologie. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören: Edition und Auswertung dokumentarischer Papyri, Kultur des hellenistischen Alltags, Hellenistisches Griechisch (Koine), Neutestamentliche Textkritik. Seit 2003 ist er Mitherausgeber der von ihm initiierten Reihe »Papyrologische Kommentare zum Neuen Testament« (Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen). Prof. Dr. Peter Arzt-Grabner »Die Grenze zwischen sogenannten literarischen Briefen und persönlichen (Papyrus-)Briefen ist […] nicht klar zu ziehen.« Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 5 - 3. Korrektur ZNT 38 (19. Jg. 2016) 5 Peter Arzt-Grabner Dokumentarische Papyri und 2. Korintherbrief privaten Briefschreiberinnen und Briefschreiber abhebt, ist unbestritten. Wie P.Ammon I 3 und weitere Beispiele aber zeigen, ist dies im Vergleich mit Papyrusbriefen nicht als etwas absolut Einzigartiges zu sehen. Neben P.Ammon I 3 gilt dies z. B. auch für die Briefe eines gewissen Heliodoros, der jeden seiner Briefe (alle 90- 133 n. Chr.) schon zu Beginn, gleich anschließend an den Eingangsgruß, kunstvoll ausschmückt. So schreibt er an seinen Vater Sarapion-- P.Sarap. 85,3-7: »Kaum einmal, dass ich deinen Brief erhielt, freute ich mich, dass du wohlauf bist gemäß unseren Gebeten. Und ich freue mich immer, wenn ich Leute finde, die stromaufwärts segeln, durch die ich dich grüßen lasse, auch wenn es nichts Neues gibt, um es dir zu berichten.« Seinem Bruder Phibas gegenüber betont er in P.Sarap. 89,3-12: »Mehr als ihr, wenn ihr die Briefe, die ich sende, empfangt, freue ich mich darüber, sie zu schreiben und euch dabei zu grüßen. Deshalb bin ich auf diejenigen bedacht, die flussaufwärts segeln,10 und belästige jeden damit, euch eine Garantie dafür zu übermitteln, dass ich nicht vergesse, was sich gehört.« Ähnliches gilt auch für den Schreiber von BGU IV 1141 (wahrscheinlich 14-13 v. Chr.), für einen gewissen Ammonios, den Absender von P.Oxy. XLII 3057 (1./ 2. Jh. n. Chr.) 11 , ferner z. B. für P.Oxy. LXXIII 4959 (2. Jh. n. Chr.) und P.Pintaudi 55 (spätes 3./ 1. Hälfte 4. Jh. n. Chr.). 12 Die Grenzen der Vergleichbarkeit von Paulusbriefen mit Papyrusbriefen sind also viel weniger grundsätzlich hinsichtlich Genre, Stil und Niveau zu ziehen als hinsichtlich der zeitlichen Rahmenbedingungen. Für die Papyrologischen Kommentare zum Neuen Testament haben wir diese aus guten Gründen mit dem 3. Jh. v. Chr. und dem 3. Jh. n. Chr. gezogen. 13 2. 2Kor und dokumentarische Papyri Wie schon in den vorhergehenden Bänden der PKNT konnte auch im 4. Band zum 2Kor gezeigt werden, in welch vielfältiger Weise und in welchem Ausmaß das papyrologische Vergleichsmaterial neue Erkenntnisse zum Briefformular (z. B. dass eine Danksagung am Beginn des Briefcorpus nicht zu vermissen ist, sondern aufgrund des gestörten Verhältnisses zwischen Paulus und der Gemeinde tatsächlich fehl am Platze wäre), zur Ausgangssituation (z. B. zum aufgeschobenen Besuch, zur Verwendung von Sekretären und zu den Briefboten), zu einzelnen Abschnitten und Themen (z. B. zum Genre der Empfehlungsbriefe oder zur Kollekte) sowie zu Wendungen und Begriffen zeitigte. 3. Ein unerwartet ergiebiges Beispiel: Papyrusbriefe und Kompilationshypothesen Unerwartet umfangreich sind die Ergebnisse, die sich aufgrund des Vergleichs mit Papyrusbriefen zu Teilungs- und Einheitlichkeitshypothesen des 2Kor ergeben haben. Dabei wird-- ähnlich wie beim Vergleich mit Cicerobriefen durch Hans-Josef Klauck 14 und Thomas Schmeller 15 -- versucht, die Argumente (und zwar sowohl die pro als auch die contra Teilung) über den rein innerpaulinischen Vergleich hinauszuheben und angesichts des griechisch-römischen Briefverkehrs zu beurteilen. Da die Papyrus- und Ostrakabriefe in authentischer, also ursprünglicher Form erhalten sind und keinem sekundären Redaktionsprozess unterzogen wurden, erlaubt der papyrologische Vergleich einen relativ genauen Einblick in die damaligen Gegebenheiten des Schreibens und Empfangens/ Lesens von Briefen, ganz unabhängig von modernen Überlegungen, wie es gewesen sein könnte. Auch wenn das Bild, das selbst die originalen Papyrusbriefe bieten, aufgrund der lückenhaften Überlieferung immer unvollständig bleiben wird, so zeigt es zumindest einen relativ umfangreichen Teil dessen, was es tatsächlich »Dass sich ein Paulus von Tarsus aufgrund der gehobenen Sprache und der Länge der meisten seiner Briefe vom Gros der privaten Briefschreiberinnen und Briefschreiber abhebt, ist unbestritten.« »Da die Papyrus- und Ostrakabriefe in authentischer, also ursprünglicher Form erhalten sind und keinem sekundären Redaktionsprozess unterzogen wurden, erlaubt der papyrologische Vergleich einen relativ genauen Einblick in die damaligen Gegebenheiten des Schreibens und Empfangens/ Lesens von Briefen, ganz unabhängig von modernen Überlegungen, wie es gewesen sein könnte.« Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 6 - 3. Korrektur 6 ZNT 38 (19. Jg. 2016) Neues Testament aktuell »[E]s [ist] wichtig zu sehen, dass der papyrologische Vergleich nichts über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der verschiedenen Hypothesen auszusagen vermag, vielmehr geht es um Einschätzungen des Grades an Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit gegenwärtiger und zukünftiger Erklärungsmodelle.« gegeben hat. Diesbezüglich ist es wichtig zu sehen, dass der papyrologische Vergleich nichts über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der verschiedenen Hypothesen auszusagen vermag, vielmehr geht es um Einschätzungen des Grades an Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit gegenwärtiger und zukünftiger Erklärungsmodelle. Während-- wie eben erwähnt-- Papyrus- und Ostrakabriefe in ursprünglicher Form erhalten sind, liegen uns von den unter dem Namen des Paulus überlieferten Briefen nur Kopien innerhalb einer Sammlung vor. Alle Briefe des Corpus Paulinum haben einen Redaktionsprozess unterlaufen, auch wenn wir über die genauen Details dieses Prozesses nur relativ wenig erheben können. Doch schon allein aufgrund dieser Tatsache erscheint es als grundsätzlich begründet, nicht von der Einheitlichkeit dieser Schriften als gegebenes Faktum auszugehen. Die Korinthische Korrespondenz des Paulus und insbesondere 2Kor gelten nach wie vor als Musterbeispiel für Teilungshypothesen. 16 Immerhin ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass es ursprünglich mehr als zwei Briefe des Paulus an die Korinther gegeben hat, und zwar mindestens vier (beachte die in 1Kor 5,9 sowie 2Kor 7,8.12 erwähnten). Dass sich in der handschriftlichen Überlieferung keine Indizien für eine Kompilation finden lassen (im Gegensatz z. B. zu Mk 16,9-20 oder Joh 7,53-8,11), 17 bedeutet, dass eine eventuelle Komposition aus mehreren Briefen in einem sehr frühen Stadium des Sammelns und Publizierens der Paulusbriefe stattgefunden haben müsste, womöglich an dessen Beginn. Im Verlauf literarkritischer Forschungen am 2Kor meinte man, in der kanonischen Fassung bis zu sieben separate Paulusbriefe 18 identifizieren zu können. Im Folgenden werde ich aus papyrologischer Sicht auf den markantesten Anknüpfungspunkt für Teilungshypothesen näher eingehen, auf den Wechsel im Ton sowie inhaltliche und sprachliche Unterschiede zwischen Kap. 1-9 und 10-13, die auf unterschiedliche Briefsituationen bezogen werden. 19 3.1. Emotionaler und inhaltlicher Bruch zwischen 2Kor 1-9 und 10-13 Im Unterschied zum versöhnlichen Ton, den Paulus in 2Kor 1-9 anschlägt, sieht man die Kap. 10-13 von einem kritischen, z.T. vorwurfsvollen Ton geprägt. Diesen Wechsel zu erklären, bemühen sich sowohl unterschiedliche Teilungshypothesen als auch unterschiedliche Einheitlichkeitshypothesen. Die Annahme, bei Kap. 10-13 handle es sich im Wesentlichen um die Reste des in 2Kor 7,8.12 erwähnten Briefes, geht zurück auf A. Hausrath und wird deshalb auch als Hausrath-Hypothese bezeichnet. 20 Andere sehen hinter den beiden Abschnitten zwei separate Briefe, die Paulus kurz nacheinander geschrieben habe, bevor er von Makedonien zum dritten Besuch nach Korinth aufbrach, und zwar zuerst einen »Versöhnungsbrief« (2Kor 1-9) und kurze Zeit später den sog. »Vierkapitelbrief« (2Kor 10-13). 21 Demgegenüber nimmt C.S. Keener an, Paulus habe 2Kor 1-9 und 10-13 als separate Briefe verfasst und versiegelt und sodann durch Titus auf derselben Misson der Gemeinde in Korinth überbringen lassen, wo sie als Einheit gelesen worden wären. 22 2Kor sei nur deshalb nicht schon als einheitlicher Brief geschrieben worden, weil der erste Brief (nämlich 2Kor 1-9) bereits versiegelt gewesen und das Siegel-- so Keener-- wie üblich nicht mehr geöffnet worden wäre. Dagegen ist einzuwenden, dass wir keinen einzigen Hinweis darauf haben, dass der 2Kor oder Teile davon versiegelt waren. Papyrologisch belegt ist sogar der Fall, dass zwei Briefe, die am selben Tag geschrieben und abgeschickt wurden, im offenen Zustand einfach übereinandergelegt wurden (P.Cair.Zen. I 59 061 und P.Lond. VII 1941; der Eingang beider Briefe beim Empfänger wurde am 5. Mai 257 v. Chr. vermerkt). Ferner ist anzumerken, dass die Briefsender weitere Briefe eines Tages rein formal nicht einfach als eine Art Zusatz zu einem ersten Brief verfasst, sondern jeden Brief für sich als separates und in sich abgeschlossenes Schreiben gestaltet haben. Vom Briefempfänger wurden derartige Briefe auch insofern separat wahrgenommen, als er sie einzeln mit Eingangsvermerken versah. 23 Somit muss auch Keeners Hypothese als Teilungshypothese gesehen werden, die aber aus den genannten Gründen als unplausibel ausgeschieden werden kann. Schon lange vor Keener wurde als Reaktion auf Teilungshypothesen versucht, den 2Kor als in Teilen verfassten, aber einheitlich versandten Brief zu interpretieren. Für das Verfassen der beiden Teile wird dabei mit einem zeitlichen Abstand gerechnet, der groß genug gewesen sein soll, um darin die Gründe für einen Stimmungswechsel oder eine veränderte Beschreibung ein und derselben Briefsituation unterbringen zu können. Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 7 - 3. Korrektur ZNT 38 (19. Jg. 2016) 7 Peter Arzt-Grabner Dokumentarische Papyri und 2. Korintherbrief Aus papyrologischer Sicht ist die Annahme der Abfassung eines Briefes in mehreren Teilen mit zeitlichem Abstand dazwischen zunächst durchaus erwägenswert und durch Beispiele belegbar. Bei diesen Beispielen ist aber auffällig, dass die Briefsender relativ deutliche Hinweise geben, wenn während der Abfassung des Briefes etwas vorgefallen ist, das zu einer Unterbrechung oder zu einem späteren Nachtrag geführt hat (siehe z. B. P.Mich. VIII 476,20-21; 477,32-39; 490 [alle 2. Jh. n. Chr.]). 24 In 2Kor fehlt aber jeglicher Hinweis dieser Art. Auch gibt Paulus nirgends ausdrücklich an, dass die Titusgruppe zurückgekehrt sei, 25 wohingegen er das Zusammentreffen mit Titus in Makedonien zuvor ausdrücklich erwähnt hat (vgl. 7,6-7). 26 Gegen die These, Paulus habe die Dreiergruppe ohne Brief vorausgeschickt und wollte den 2Kor mit den Empfehlungen erst nachsenden, spricht aber vor allem das Wesen antiker Empfehlungsbriefe selbst, das ja gerade darin besteht, diese Briefe den Personen, die empfohlen werden, tatsächlich mitzugeben. Dass Paulus ausgerechnet zu einer schwierigen Mission seine Mitarbeiter einfach losgeschickt hätte, den sie autorisierenden und empfehlenden Brief aber nachschicken wollte, ist deshalb unwahrscheinlich. Wie bereits erwähnt, wird nach wie vor versucht, eine bereits ursprüngliche Einheitlichkeit des 2Kor so zu erklären, dass das gesamte Schreiben auf eine einheitliche Situation Bezug nehme, diese aber sehr unterschiedlich-- sowohl inhaltlich als auch emotional-- beschreibe. Vertreterinnen und Vertreter dieser Hypothese weisen z. B. darauf hin, dass bereits in 2Kor 5,20; 6,1; 6,12-13; 7,2 ein schärferer Ton und Hinweise auf gravierende Probleme zu erkennen sind. Doch auch wenn man die Unterschiede im Tonfall zu verharmlosen und Anzeichen dafür auch im jeweils anderen Teil von 2Kor auszumachen versucht, in ihrer Grundsätzlichkeit bleiben diese Unterschiede dennoch bestehen. Von papyrologischer Seite kann hier zunächst gefragt werden, inwieweit es vor dem Hintergrund originaler Papyrusbriefe wahrscheinlich ist, dass sich derart emotional unterschiedliche Beschreibungen wie in 2Kor 1-9 gegenüber 10-13 einer gemeinsamen Briefsituation zuordnen lassen. Das aufschlussreichste Beispiel in dieser Hinsicht ist der relativ lange Privatbrief P.Oxy. VII 1070 (3. Jh. n. Chr.), dessen gehobener Stil von Beginn an auffällt. Ein gewisser Aurelius Demareus schreibt hier an seine Schwester und Ehefrau und beginnt mit einem ungewöhnlich langen und nahezu vornehm formulierten Gebetsbericht-- Z. 2-12: »Das von mir bei allen Göttern aufsteigende Gebet für dein Wohlergehen und das unseres Kindes und deines Bruders und deines Vaters und deiner Mutter und all der Unseren fleht nun auch noch viel mehr im großen Serapeum; den großen Gott Serapis bitte ich sowohl um euer Leben als auch das all der Unseren und um die nützlichen Hoffnungen, die unter den Menschen gehegt werden.« Ein anschließender erster Teil des Briefcorpus vermittelt das Bild einer intakten, liebevoll miteinander verbundenen Großfamilie, die bei rechtlichen Angriffen von außen fest zusammenhält und der es wirtschaftlich offenbar an nichts fehlt. Demareus ermuntert seine Gattin-- Z. 22-26: »Und auf die Pflege und Sorge für dich selbst sei vor allem bedacht […], ohne an dem, was wir haben, zu sparen.« Sodann erwähnt er nicht nur sechs Kotylen Seiretischen Öls (ca. 1,64 Liter), sondern auch einen Korb voll Süßigkeiten, den er mit dem Brief mitschickt. Anschließend beschreibt er den aktuellen Stand und die nächsten Schritte ihrer Rechtsangelegenheiten, bevor er mit einem Gruß und der Bitte, auch »all den Unsrigen namentlich Grüße auszurichten« schließt. Doch der Text fährt in der Zeile fort und wechselt abrupt zu einem zynischen, aggressiven Ton-- Z. 47-52: »Und ich danke euch sehr, dass ihr, während ich euch oft geschrieben habe, überhaupt nicht geschrieben und nicht meiner gedacht habt, was die Sicherheit unseres Hauses betrifft, wie ich auch oft durch schriftliche Nachrichten und Briefe und persönlich anwesend aufgetragen habe. Sei diesbezüglich nicht nachlässig, es sei denn, du hast vor, das Hüten des gesamten Hauses mit dir gemeinsam an Heraïs zu übertragen, die ja unnütz ist, und-- was nicht sein möge-- am Ende geht alles drunter und drüber.« Bis zum endgültigen Schluss des Briefes bleibt dieser Ton unversöhnlich. Der mitten in Z. 47 beginnende Teil vermittelt den Eindruck eines Haushalts, in dem so ziemlich alles im Argen liegt: der Briefsender beklagt plötzlich die einseitig laufende Korrespondenz und fühlt sich vernachlässigt. Die wirtschaftliche Situation des Hauses wird jetzt auf einmal als ernst beschrieben: »Aus papyrologischer Sicht ist die Annahme der Abfassung eines Briefes in mehreren Teilen mit zeitlichem Abstand dazwischen […] durchaus erwägenswert und durch Beispiele belegbar.« Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 8 - 3. Korrektur 8 ZNT 38 (19. Jg. 2016) Neues Testament aktuell wenn nicht gleich etwas geschehe, würde wegen der Unfähigkeit der Ehefrau und einer ohnehin unnützen Haussklavin bald alles auseinanderbrechen. Aufgrund der erwiesenen Einheitlichkeit des Briefes (es liegen auch kein Schreiberwechsel vor und keinerlei Anzeichen in Schrift und Tinte, die als Hinweis auf eine Unterbrechung des Schreibflusses an der relevanten Stelle gewertet werden könnten) ist davon auszugehen, dass (auch) dieser Teil dem Anliegen dient, das sich als gemeinsamer Nenner aller Briefteile erweist: die Aufrechterhaltung bzw. Intensivierung des persönlichen Kontaktes und die andauernde wirtschaftliche Prosperität des Familienunternehmens. Von dieser Art von Papyrusbriefen her 27 ist für 2Kor zu fragen, ob auch die dortigen Spannungen in einer vergleichbaren Bandbreite liegen, die es noch erlaubte, das Schreiben als ursprünglich einheitliches zu erklären. 28 3.2. Eindeutig unterscheidbare Briefsituationen Um eindeutig unterscheidbare Briefsituationen aus Papyrusbriefen zu erheben, wurden Briefsammlungen daraufhin abgeklopft, ob im Original erhaltene separate Briefe zwischen identischen Briefpartnerinnen oder -partnern im Falle einer probeweise durchgeführten Kompilation noch eindeutig voneinander zu unterscheiden wären. In Betracht kamen somit sog. Papyrusarchive, also Korrespondenzen, die mehrere Schriftstücke umfassen und eindeutig einander zuzuordnen sind. 29 Dabei konnten Paare separater Papyrusbriefe mit kaum unterscheidbaren Briefsituationen im Falle einer Kompilation von solchen unterschieden werden, die nur teilweise problemlos kompiliert werden könnten, weil sie auch Elemente enthielten, die eindeutig für unterschiedliche Briefsituationen sprechen. Von den Briefen blieben jeweils nur Eingangs- und Schlussteile unberücksichtigt, die Briefcorpora hingegen wurden in unveränderter Form übernommen. Eine Kompilation der zweiten Gruppe wäre somit leicht erkennbar 30 oder nur durch gravierende redaktionelle Änderungen zu verschleiern. Das sog. Archiv des Athenodoros (publiziert in BGU XVI) stammt aus der Zeit des Augustus und ist deshalb auch zeitlich besonders aussagekräftig für einen Vergleich mit Paulusbriefen. Den Brief BGU XVI 2611 (17. Dezember 10 v. Chr.) hat ein gewisser Herakleides an seinen »Bruder« Athenodoros geschrieben. Es geht um Weizenlieferungen sowie deren Umfänge und Preise. Damit im Zusammenhang steht auch die Ankündigung des Herakleides, er werde morgen nach Tilothis reisen, um den Großhändlern Briefe zu bringen und sie nicht aufzuhalten. Der Großteil dieses Briefes könnte mehr oder weniger bruchlos in einen anderen Brief desselben Briefsenders an Athenodoros eingefügt werden. Allein die erwähnte Notiz, er werde am nächsten Tag nach Tilothis reisen, macht es unmöglich, ihn mit BGU XVI 2608 (10-1 v. Chr.) redaktionell zu verbinden, da Herakleides dort in Z. 10 schreibt, dass er bereits nach Tilothis gekommen ist. Dass es sich dabei um jenen Aufenthalt handelt, den er in 2611 angekündigt hat, ist unwahrscheinlich, da die genannten Gründe für den dort angekündigten und den hier stattfindenden Aufenthalt unterschiedliche sind. Hier ist keine Rede von den Großkaufleuten, die nicht aufgehalten werden sollen, sondern von Bierbrauern, die noch keine Gerste gemahlen haben. Der Stil des Briefsenders ist deutlich individualisiert, was bereits beim relativ ausführlichen Eingangsgruß auffällt, der in beiden Briefen (und außerdem noch in BGU XVI 2610) identisch ist, ferner beim ausgeprägten Gesundheitswunsch, der regelmäßig einem einfachen errōso als Schlussgruß vorausgeht. Für eine-- in diesem Fall rein fiktive-- Kompositionstheorie bleibt festzuhalten, dass das, was Herakleides mit den beiden Berichten seinem Adressaten mitzuteilen hat, durchaus in einem einzigen Brief vorkommen könnte. Einzig und allein die Tatsache, dass es sich um denselben Ort handelt, an den der Briefsender das eine Mal zu reisen beabsichtigt, an dem er sich im anderen Fall aber bereits aufhält, schließt dies eindeutig aus. Von einem gewissen Eurylochos sind fünf Briefe erhalten, die er an Athenodoros geschrieben hat (BGU XVI 2626-2630). Die Briefsituationen von zwei fast vollständig erhaltenen Briefen sind vor allem hinsichtlich der unterschiedlichen Reiseabsichten des Briefsenders deutlich voneinander zu unterscheiden: In BGU XVI 2629 (6. Juni 4 v. Chr.) berichtet Eurylochos von einem Brief über irgendwelche Messer, der noch nicht abgeschickt werden konnte, weil nicht näher genannte Personen die endgültige Abfassung des Briefes bisher verhindert haben; ferner informiert er Athenodoros über korrupte Schafhirten und deren betrügerischen Schreiber. Überhaupt ist Eurylochos mit diversen Aufgaben voll beschäftigt. Am nächsten Tag müsse er-- wie er an Athenodoros in Z. 18-19 schreibt-- zu einem gewissen Soterichos reisen. Auch in BGU XVI 2627 (25. Juli-- 21. August 2 v. Chr.) ist von Reiseabsichten des Eurylochos die Rede, diesmal aber schreibt er, dass er Athenodoros selbst besuchen werde, sobald er mit dem Ableiten von Wasser fertig sei. Die unterschiedlichen und sich für dieselbe Zeit ausschließenden Reiseabsichten sind es, die die beiden Briefe von der Ausgangssituation her klar unterscheidbar machen. Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 9 - 3. Korrektur ZNT 38 (19. Jg. 2016) 9 Peter Arzt-Grabner Dokumentarische Papyri und 2. Korintherbrief Noch andere Beispiele belegen, dass-- wenn die Originalexemplare einer Korrespondenz nicht mehr erhalten sind und eine Komposition aus mehreren Briefen somit grundsätzlich diskutierbar ist-- am ehesten die brieflich genannten äußeren Umstände, Absichten und Ereignisse jene Widersprüche liefern, die Briefe eindeutig unterscheidbar machen. Divergierende Reisepläne etwa sind nur in zeitlicher Abfolge, nicht aber gleichzeitig für die unmittelbare Zukunft zu koordinieren. Um unterschiedliche Etappen derselben Reise geht es z. B. in zwei Briefen des Soldaten Apollinarios an seine Mutter- - P.Mich. VIII 490 und 491 (beide 2. Jh. n. Chr.). Die Zusammengehörigkeit beider Briefe ist durch die Fundumstände erwiesen; die Papyri wurden in einem großen Haus in Karanis, also wohl im Haus der Adressatin gefunden. Im ersten Brief erwähnt Apollinarios, dass er aus Ostia schreibe, weil er noch nicht in Rom angekommen sei (P.Mich. VIII 490,9-10). In einem Postskriptum fügt er noch eigenhändig hinzu-- Z. 22-23: »Du sollst wissen, dass ich nach Misenum abkommandiert wurde, später erfuhr ich es nämlich«. Seinen zweiten Brief beginnt er mit der Nachricht, dass er am 25. des Monats Pachon wohlbehalten nach Rom gekommen ist und nun nach Misenum zugeteilt wurde; er habe aber noch nicht seine Centurie kennengelernt, denn »ich bin noch nicht nach Misenum gekommen, während ich dir diesen Brief schreibe« (P.Mich. VIII 491,4-6). Als Apollinarios also den ersten Brief abschickt, ist er noch in Ostia, hat aber soeben erfahren, dass er einer Einheit in Misenum zugeteilt wird. Zur Zeit der Abfassung des zweiten Briefes ist er in Rom, die Ankunft bei seiner Einheit in Misenum steht aber noch bevor. Von den äußeren Umständen her sind beide Briefe also klar zu unterscheiden. In zwei Briefen des Terentianus an seinen Vater Tiberianus aus dem frühen 2. Jh. n. Chr. sind es die unterschiedlichen Gesundheitszustände, die diese klar unterscheidbar machen. Während der Sohn in P.Mich. VIII 477,36 seinem Vater mitteilt, dass er krank und seine momentane Ermattung gar nicht zum Lachen sei, fügt er am Beginn von P.Mich. VIII 478 an den Gesundheitswunsch an den Vater die Nachricht hinzu, dass auch er selbst gesund ist und nimmt ausdrücklich auf seine überstandene Krankheit Bezug. Ebenfalls nicht kompilierbar sind Briefe mit landwirtschaftlichen Angaben, die zeitlich unvereinbar sind. So bittet ein gewisser Ammonios in einem Brief vom 22. Juli 40 n. Chr. (P.Ryl. II S. 381) seinen besten Freund Aphrodisios, nach Bubastos zur Traubenpresse zu kommen (Z. 7-8.11). In einem anderen Brief (P.Ryl. II 231) ersucht er Aphrodisios zu veranlassen, dass die Oliven eingelegt werden. Dies wäre-- aufgrund des späteren Zeitpunktes der Olivenernte-- im Juli noch nicht möglich gewesen, und tatsächlich stammt dieser Brief vom 18. Oktober desselben Jahres. Auch divergierende Angaben zur Lieferung bestimmter Waren können für klar unterscheidbare Briefsituationen sprechen. So ist die Bestellung einer bestimmten Ware nicht kombinierbar mit der Bestätigung, vom Adressaten bereits die Nachricht erhalten zu haben, dass sie abgeholt werden könne. Ersteres ist der Fall beim eben erwähnten Brief P.Ryl. II 231 (18. Oktober 40 n. Chr.), wo Ammonios gleich zu Beginn schreibt-- Z. 3-4: »Sei so gut und ordne an, dass die Brote hergestellt werden«, während ein Brief vom 2. November desselben Jahres mit der Bestätigung beginnt-- P.Ryl. II 230,3-4: »Ich habe am 5. einen Brief erhalten, dass ich die Brote holen lassen soll«. Die erhaltenen Datierungen weisen einen zeitlichen Abstand zwischen den beiden Briefen von zwei Wochen nach, so dass es sich nicht einmal um dieselbe Bestellung gehandelt haben wird. Eindeutige innertextliche Hinweise für klar unterscheidbare Briefsituationen lassen sich also aus unvereinbaren Angaben zu äußeren Umständen oder Ereignissen erheben. Nur echte Widersprüche, die sich aus unvereinbaren Angaben zu äußeren Umständen oder Ereignissen ergeben, und zwar durch Paulus selbst, legen die Zuordnung der widersprüchlichen Abschnitte zu ursprünglich separaten Briefen zwingend nahe. Derartig eindeutige Widersprüche lassen sich innerhalb von 2Kor aber nicht feststellen. Die Reisepläne des Paulus sprechen einhellig von einem bevorstehenden dritten Besuch (vgl. 2Kor 12,14 und 13,1-2 sowie 1,15 als Hintergrund dazu), und auch was den Gesundheitszustand des Paulus, seinen aktuellen Aufenthaltsort oder eine bestimmte Jahreszeit betrifft, sind keine objektiven oder eindeutigen Widersprüche festzustellen. Wenn Paulus z. B. in 2Kor 9,3-4 schreibt: »Ich schicke die Brüder aber, damit nicht unser Ruhm in Bezug auf euch leer gemacht wird in diesem Teil, damit, wie ich sagte, ihr vorbereitet seid, dass nicht etwa, wenn Makedonier mit mir kommen und euch unvorbereitet finden, wir beschämt werden, »Nur echte Widersprüche, die sich aus unvereinbaren Angaben zu äußeren Umständen oder Ereignissen ergeben, und zwar durch Paulus selbst, legen die Zuordnung der widersprüchlichen Abschnitte zu ursprünglich separaten Briefen zwingend nahe.« Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 10 - 3. Korrektur 10 ZNT 38 (19. Jg. 2016) Neues Testament aktuell damit ich nicht sage ihr, in dieser Zuversicht«, in 12,20- 21 aber einen Besuch mit den Worten ankündigt: »Ich fürchte nämlich, dass ich euch womöglich, wenn ich komme, nicht als solche finde, wie ich will, und ich bei euch als solcher befunden werde, wie ihr nicht wollt; … dass mich, wenn ich wieder komme, mein Gott euch gegenüber erniedrigt«, so ist beides durchaus unter einen gemeinsamen Rahmen zu bringen, nämlich die Sorge, bei einem bevorstehenden Besuch die Gemeinde nicht so vorzufinden, wie er möchte. Eindeutige Widersprüche enthalten diese Reiseankündigungen jedenfalls nicht. Gravierender sind da sicherlich Beschreibungen über die Gemeinde, die zunächst auf klar unterscheidbare Situationen hindeuten könnten. Wenn Paulus z. B. in 2Kor 7,9 schreibt: »Jetzt freue ich mich, nicht weil ihr bekümmert wurdet, sondern weil ihr zur Umkehr bekümmert wurdet; denn ihr wurdet Gott gemäß bekümmert, damit ihr in nichts bestraft werdet von uns her«, gemäß 12,21 (in Fortsetzung des vorhin zitierten Textes) aber befürchtet, dass »ich über viele von denen, die vorher gesündigt haben und nicht umgekehrt sind bei der Unreinheit und Unzucht und Zügellosigkeit, die sie begangen haben, trauere«, dann kann man dahinter durchaus zwei verschiedene Briefsituationen sehen, eine, in der es Paulus mit einer (gänzlich) bekehrten Gemeinde zu tun hat, und eine, in der er sich mit vielen Unbekehrten konfrontiert sieht. Eine (im Vergleich zu den genannten Hinweisen, die aus den Papyrusbriefen erhoben wurden) eindeutige Unterscheidbarkeit liegt aber damit nicht vor. Denn es liegt letztlich im Auge der/ des Betrachtenden, ob man die von Paulus angesichts von Freude festgestellte Umkehr mit derselben Gemeinde zeitgleich in Verbindung bringen kann, über die er im Hinblick auf einen bevorstehenden Besuch fürchtet, dass einige noch nicht umgekehrt sind. Aus den Papyrusbriefen lässt sich immerhin die deutliche Tendenz ablesen, dass mit zunehmender Brieflänge auch die stilistische und inhaltliche Komplexität zunimmt, mit der bisweilen auch Unterschiede und Spannungen zwischen einzelnen Abschnitten Hand in Hand gehen. Vielleicht werden wir gerade deshalb nicht zu eindeutigen Ergebnissen in der Frage der Einheitlichkeit bzw. Kompilation des 2Kor kommen, da uns einfach keine Originale der Paulusbriefe vorliegen (und sich auch in der Textüberlieferung keine Spuren einer eventuellen Kompilation erhalten haben). Vielleicht muss letzten Endes offenbleiben, ob eventuelle sachliche Ungereimtheiten dennoch ein und derselben Briefsituation zuzuordnen sind oder nicht. Auch aus papyrologischer Sicht können nur die Möglichkeiten für eine Kompilation bzw. für eine bereits ursprüngliche Einheitlichkeit aufgezeigt und diskutiert werden. Auswahl wichtiger Fachliteratur Ausführliche Literaturangaben zur Papyruskunde bietet H.-A. Rupprecht, Kleine Einführung in die Papyruskunde (Die Altertumswissenschaft), Darmstadt 1994; eine Übersicht über das gesamte Fachgebiet bietet R.S. Bagnall (Hg.), The Oxford Handbook of Papyrology, Oxford 2009. Das maßgebliche Verzeichnis für Editionen von Papyri, Ostraka und Täfelchen ist die »Checklist of Editions of Greek, Latin, Demotic, and Coptic Papyri, Ostraca, and Tablets«, die von J.F. Oates und W.H. Willis begründet und nunmehr online von J. Sosin u. a. herausgegen wird: <http: / / papyri.info/ docs/ checklist> (25. Juni 2016). Als Auswahl der unmittelbar relevanten papyrologischen Literatur zum Vergleich mit Paulusbriefen sind zu nennen (siehe auch die in den Anmerkungen angegebene Bibliographie): P. Arzt, Ägyptische Papyri und das Neue Testament. Zur Frage der Vergleichbarkeit von Texten, Protokolle zur Bibel 6 (1997), 21-29. P. Arzt-Grabner, 2. Korinther, unter Mitarbeit von Ruth E. Kritzer (PKNT 4), Göttingen 2014. Ders., Paul’s Letter Thanksgiving, in: St. E. Porter/ S.A. Adams (Hg.), Pauline Studies, Bd. 6: Paul and the Ancient Letter Form, Leiden/ Boston 2010, 129-158. Ders., Philemon (PKNT 1), Göttingen 2003. Ders., The »Epistolary Introductory Thanksgiving« in the Papyri and in Paul, NT 36 (1994), 29-46. Ders., »Brothers« and »Sisters« in Documentary Papyri and in Early Christianity, RivBib 50 (2002), 185-204. Ders./ R. Kritzer/ A. Papathomas/ F. Winter (Hg.), 1. Korinther (PKNT 2), Göttingen (erscheint 2005). G.A. Deißmann, Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistischrömischen Welt, Tübingen 4 1923. Ders., Bibelstudien. Beiträge zumeist aus den Papyri und Inschriften, zur Geschichte der Sprache, des Schrifttums und der Religion des hellenistischen Judentums und des Urchristentums, Marburg 1895 (Nachdr. Hildesheim/ New York 1977). Ch. M. Kreinecker, 2. Thessaloniker (PKNT 3), Göttingen 2010. O. Montevecchi, Phoebe prostatis (Rom. 16.2), in: Miscelània papirològica Ramon Roca-Puig, Barcelona Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 11 - 3. Korrektur ZNT 38 (19. Jg. 2016) 11 Peter Arzt-Grabner Dokumentarische Papyri und 2. Korintherbrief 1987, 205-216 (Nachdr. in: Dies, Bibbia e papiri, 173- 189). J.H. Moulton/ G. Milligan (Hg.), The Vocabulary of the Greek Testament Illustrated from the Papyri and Other Non-Literary Sources, London 1929. New Documents Illustrating Early Christianity, Bd. 1-6 hg. v. G. H.R. Horsley, Sydney 1981, 1982, 1983, 1987, 1989, 1992; Bd. 7-9 hg. v. St. R. Llewelyn, Sydney 1994, 1998, 2002; Bd. 10 hg. v. St. R. Llewelyn/ J.R. Harrison, Grand Rapids, MI/ Cambridge, UK 2012. A. Papathomas, Das agonistische Motiv 1Kor 9,24ff im Spiegel zeitgenössischer dokumentarischer Quellen, NTS 43 (1997), 223-241. Ders., Juristische Begriffe im ersten Korintherbrief des Paulus. Eine semantisch-lexikalische Untersuchung auf der Basis der zeitgenössischen griechischen Papyri (Tyche. Supplementband 7), Wien 2009. J.L. White, New Testament Epistolary Literature in the Framework of Ancient Epistolography, ANRW II.25.2, Berlin/ New York 1984, 1730-1756. Anmerkungen 1 Aus Masada stammen SB XXIV 15 988 (67-74 n. Chr.), P.Masada 724 (73 n. Chr.), 726, 728, 728a, 749? (alle Anfang 73 oder 74 n. Chr.), 745 und 746 (beide vor Februar- März 74 n. Chr.), aus der Zeit des Bar-Kochba-Aufstandes die zwei griechischen Briefe P.Yadin II 52 und 59. 2 Griechische und lateinische Briefe aus Dura Europos (P.Dura 45-46; 55-81 [2.-3. Jahrhundert n. Chr.]) sowie zwei griechische Briefe aus Syria Coele (P.Euphrates 16 und 17, [Mitte 3. Jh. n. Chr.]). 3 O.Bu Njem 74-117 (3. Jh. n. Chr.). 4 T.Vindol. (spätes 1./ frühes 2. Jh. n. Chr.). 5 T.Vindon. 5-65 (1. Häfte 1. Jh. n. Chr.). Diese und weitere lateinische Briefe sind großteils nachgedruckt in C.Epist.Lat. (siehe den Index fontium in C.Epist.Lat. III S. 39-47). 6 M. Zelzer, Art. Epistel. G. Literarische Briefe, in: DNP 3, 1997, 1164-1165, hier: 1164. 7 Vgl. P. Arzt-Grabner, »Brothers« and »Sisters« in Documentary Papyri and in Early Christianity, RivBib 50 (2002), 185-204, hier: 189-192; siehe z. B. auch die Briefauswahl von J. Muir, Life and Letters in the Ancient Greek World, London/ New York 2009 (paperback 2012). St. K. Stowers, Letter Writing in Greco-Roman Antiquity (Library of Early Christianity 5), Philadelphia 1986, 58-173, hat vor dem Hintergrund der antiken Epistolographie verschiedene Typen unterschieden, die alle mehr oder weniger dem privaten oder persönlichen Briefgenre angehören: Letters of Friendship, Family Letters, Letters of Praise and Blame, Letters of Exhortation and Advice, Paraenetic Letters (Exhortation and Dissuasion), Letters of Advice, Protreptic Letters (Exhortation to a Way of Life), Letters of Admonition, Letters of Rebuke, Letters of Reproach, Letters of Consolation, Letters of Mediation; Accusing, Apologetic, and Accounting Letters. Die ersten beiden Typen (Freundschaftsbriefe und Familienbriefe) könnte man als übergeordnete Gruppen ansehen, deren praktische Beispiele sodann ein (oder mehrere) Element(e) der anderen Brieftypen enthalten. 8 Für eine Standardrolle wurden 20 Blätter aneinandergeklebt, was eine Gesamtlänge von mindestens 2,20 m ergab. Auch der Absender von P.Oxy. LXXV 5063,19-20 (spätes 3. Jh. n. Chr.) fordert »Papyrusrollen von zwanzig Blatt« an. 9 Zur Länge der einzelnen Paulusbriefe siehe die Tabelle bei J.C. O’Neill, Paul Wrote Some of All, but not All of Any, in: St. E. Porter (Hg.), Pauline Studies, Bd. 1: The Pauline Canon, Leiden/ Boston 2004, 169-188, hier: 171 (Gal umfasst demnach 11 080 Zeichen, der 2Kor genau 22 257). P.Ammon I 3 misst 24,5 cm in der Höhe und 75 cm in der Breite, wobei die erste von insgesamt mindestens sechs Kolumnen fast zur Gänze fehlt. Ein Brief in der Länge des kanonischen 2Kor hätte also auf einer etwa 1,5 m langen Papyrusrolle Platz gefunden. 10 Also offensichtlich dorthin, wo Phibas wohnt. 11 Der vollständige Brief ist u. a. wiedergegeben bei P. Arzt- Grabner, Philemon (PKNT 1), Göttingen 2003, 61-63; dort auch (in Anm. 18) Literatur zur umfangreichen Diskussion, ob es sich hierbei um den ältesten christlichen Brief handelt; siehe dazu ferner L.H. Blumell, Is P.Oxy. XLII 3057 the Earliest Christian Letter? , in: Th. J. Kraus/ T. Nicklas (Hg.), Early Christian Manuscripts. Examples of Applied Method and Approach (Texts and Editions for New Testament Study 5), Leiden/ Boston 2010, 97-113; M. Minehart, P.Oxy. XLII 3057: Letter of Ammonius. The [Mis]identification of an Oxyrhynchus Papyrus [as the Earliest Christian Letter], in: P. Schubert (Hg.), Actes du 26e Congrès international de papyrologie, Genève, 16-21 août 2010 (Recherches et rencontres 30), Genf 2012, 543-548. 12 Die genannten Beispiele füllen auch ein Desiderat, das Th. J. Bauer, Paulus und die kaiserzeitliche Epistolographie. Kontextualisierung und Analyse der Briefe an Philemon und an die Galater (WUNT 276), Tübingen 2011, 99 erhoben hat: »Um Aussagen über den ›gewöhnlichen‹ Briefstil von Mitgliedern der gebildeten höheren Schichten treffen zu können, bedarf es einer breiteren Basis; dazu wäre es nötig, die erhaltenen Papyrusbriefe dahingehend zu untersuchen, ob sich unter ihnen mit einiger Sicherheit solche Briefe identifizieren lassen, die von gebildeten Verfassern stammen«. 13 Siehe bes. Arzt-Grabner, Philemon, 44-56. 14 H.-J. Klauck, Compilation of Letters in Cicero’s Correspondence, in: J.T. Fitzgerald/ Th. H. Olbricht/ L.M. White (Hg.), Early Christianity and Classical Culture. Comparative Studies in Honor of Abraham J. Malherbe (NT.S 110), Leiden/ Boston 2003, 131-155. 15 Th. Schmeller, Die Cicerobriefe und die Frage nach der Einheitlichkeit des 2. Korintherbriefes, ZNW 95 (2004), 181-208. Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 12 - 3. Korrektur 12 ZNT 38 (19. Jg. 2016) Neues Testament aktuell 16 Vgl. Th. Schmeller, Der zweite Brief an die Korinther, Teilband 1: 2Kor 1,1-7,4 (EKK 8/ 1), Neukirchen-Vluyn 2010, 20: »Während die Exegese des vorigen Jahrhunderts literarkritisch sehr produktiv war und eine unglaubliche Fülle raffinierter Teilungstheorien hervorgebracht hat, wird heute bei den meisten Paulusbriefen eher mit Einheitlichkeit gerechnet. Eine Ausnahme ist der 2Kor. Hier tendiert der exegetische Mainstream nach wie vor zur Annahme einer Briefkompilation.« Für eine Übersicht siehe ebd. 21-38; R. Bieringer, Teilungshypothesen zum 2. Korintherbrief. Ein Forschungsüberblick, in: R. Bieringer/ J. Lambrecht (Hg.), Studies on 2 Corinthians (BEThL 112), Leuven 1994, 67-105. 17 Auch im Falle der Cicero-Briefe sind z.T. Unterschiede in der handschriftlichen Überlieferung feststellbar, obwohl diese im Vergleich zu den Paulusbriefen nicht allzu umfangreich ist; vgl. Schmeller, Cicerobriefe (s. Anm. 58), 197: »Es gibt jedenfalls, bes. in den Atticusbriefen, eine Reihe von Fällen, in denen eine Gruppe von Handschriften denselben Text als einen Brief hat, den eine andere Gruppe als zwei oder drei Briefe bietet. An manchen Stellen scheinen Handschriften frühere Kompilationen rückgängig gemacht zu haben (so z. B. Ad Att. 9,11; 10,9; 10,17)«. 18 So W. Schmithals, Die Briefe des Paulus in ihrer ursprünglichen Form (Zürcher Werkkommentare zur Bibel), Zürich 1984, 19-85; in beiden kanonischen Korintherbriefen sind nach Schmithals die Reste von insgesamt 13 separaten Briefen enthalten. 19 Zu weiteren Teilungshypothesen, die 2Kor 2,14-7,4 bzw. 6,14-7,1 sowie Kap. 8 und 9 separaten Briefen zuordnen, siehe aus papyrologischer Sicht Arzt-Grabner, 2. Korinther, 116-138. 20 Vgl. A. Hausrath, Der Vier-Capitel-Brief des Paulus an die Korinther, Heidelberg 1870; zu weiteren Vertreterinnen und Vertretern siehe Bieringer, Teilungshypothesen, 73- 80; 97. 21 Diese Hypothese ist auch als sog. Semler-Hypothese bekannt geworden, da sie erstmals von J.S. Semler, Paraphrasis II. epistolae ad Corinthios. Accessit Latina Vetus translatio et lectionum varietas, Halle/ Magdeburg 1776, vertreten wurde, der allerdings Kap. 9 als unabhängig von Kap. 1-8 betrachtet hat; zu weiteren Vertreterinnen und Vertretern siehe Bieringer, Teilungshypothesen, 80-85; 97. 22 Vgl. C. S. Keener, 1-2 Corinthians (New Cambridge Bible Commentary), Cambridge 2005, 150. 23 Siehe dazu ausführlich Arzt-Grabner, 2. Korinther, 100- 105. 24 Im längsten bisher (allerdings nicht vollständig) erhaltenen Privatbrief P.Ammon I 3 mit BL XII 4 (26. Mai-- 24. Juni 348? n. Chr.) sind andererseits keinerlei Anzeichen für eine Unterbrechung des Schreibvorgangs zu erkennen. 25 So u. a. U. Schnelle, Paulus. Leben und Denken (de Gruyter Studium), Berlin/ New York 2 2014, 261-262. 26 Darüber hinaus wird m. E. übersehen, dass sich 2Kor 12,17-18 tatsächlich auf die Überbringung des in 2Kor 7,8.12 erwähnten Briefes beziehen kann. Auch die unterschiedliche Größe der Gruppe (drei Personen in 2Kor 8,16-23 gegenüber zwei Personen in 12,17-18) spricht für zwei verschiedene Unternehmungen. Beachte auch 1Thess 3,6, wo Paulus ausdrücklich erwähnt, dass Timotheos soeben bei ihm eingetroffen ist. 27 Weitere Belege dieser Art sind etwa BGU XVI 2618 (10. Mai 7 v. Chr.); O.Berenike II 129 (mit Arzt-Grabner, 2. Korinther, 85-86; ca. 50-75 n. Chr.); P.Oxy. LIX 3993 (2. Jh. n. Chr.). 28 Dass 2Kor 1-9 gegenüber 10-13 diesbezüglich innerhalb der Paulusbriefe keine echte Ausnahme bildet, zeigen Spannungen in anderen Briefen (vgl. Röm 8,31-39 gegenüber 9,1-2; 16,17-20 zwischen 16,16 und 16,21; 1Kor 1,4-9 gegenüber 1,10-13; Phil 3,1 gegenüber 3,2). 29 Eine aktuelle Übersicht bietet die Datenbank »Papyrus Archives in Graeco-Roman Egypt« von W. Clarysse und K. Vandorpe (Universität Leuven): <http: / / www.trismegistos.org/ arch/ index.php> (25. Juni 2016). 30 Zu entsprechend deutlichen Beispielen von Kompilationen in den Cicerobriefen siehe Klauck, Compilation, 146-147; Schmeller, Cicerobriefe, 191.