eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 18/36

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2015
1836 Dronsch Strecker Vogel

Editiorial

2015
Stefan  Alkier
Eckart Reinmuth
Manuel  Vogel
Zeitschrift für Neues Testament_36 typoscript [AK] - 09.11.2015 - Seite 1 - 4. Korrektur ZNT 36 (18. Jg. 2015) 1 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, die neutestamentliche Schrift, der dieses Heft der ZNT gewidmet ist, heißt im aktiven Wortschatz der Bibelwissenschaft bisweilen auch heute noch »das erste Evangelium«. Diesen Platz hat es zwar eingebüßt, als sich in der neutestamentlichen Wissenschaft die Markuspriorität durchsetzte, aber seinen kanonischen Rang als erstes der Vier seinesgleichen hat das Matthäusevangelium doch behalten. Ungeachtet aller kanonischer und wissenschaftlicher Rangfolgen und Platzvergaben ist aber das theologische Eigengewicht seiner Theologie unbestritten und seine unverwechselbare Stimme nicht zu überhören. Ein möglicher Weg der Annäherung besteht darin, sich genauer mit denjenigen Stoffen zu befassen, die im synoptischen Vergleich nur bei Matthäus vorkommen. Diesen Weg beschreitet Uta Poplutz unter der Rubrik »NT aktuell«. Sie gibt einen informativen und instruktiven forschungsgeschichtlichen Einblick in die Arbeit am sogenannten matthäischen »Sondergut«. Ihr Beitrag macht deutlich, in welchem Maße Auffassungen von der Stellung des Matthäusevangeliums in der Theologiegeschichte des 1. Jh. mit quellenkritischen Hypothesen zur synoptischen Frage zusammenhängen. Aktuell ist dieser Beitrag nicht zuletzt deshalb, weil er den neuerdings wieder intensiv und grundsätzlich geführten Debatten um die Zweiquellentheorie und alternative Benutzungstheorien Rechnung trägt. Klaus Wengst eröffnet die Rubrik »Zum Thema« mit einem Beitrag zum matthäischen Verständnis der Tora. Wengst plädiert entschieden dafür, das Matthäusevangelium in seinem originären jüdischen Denk- und Lebenszusammenhang zu belassen und unterlegt seine Position mit Vergleichstexten des rabbinischen Judentums, die nicht nur sachlich, sondern auch philologisch einschlägig sind. Michael Schneider nimmt das Matthäusevangelium literaturtheoretisch in den Blick: Er wendet die von Michail Bachtin geprägten Begriffe der Dialogizität und der Polyphonie auf die Frage an, wie die vielfältigen »Gegner« textfunktional in der Jesus-Erzählung des ersten Evangeliums zu positionieren sind. Bachtins Ansatz erweist sich als geeignet, Textstrukturen offenzulegen, die einer starren und eindeutigen Konstruktion von Identität und Alterität zuwider laufen. Stefan Alkier bietet im ersten Teil seines Beitrages einen wertvollen Überblick zu den wichtigsten Ausprägungen und Begriffen biblischer Intertextualitätsforschung. Wichtige Stichworte hieraus sind: Die »Dezentralisierung von Sinn« und die Rede vom Kanon als »Spielfeld« unbegrenzter Kombinationsmöglichkeiten eines begrenzten Zeichenbestandes. In einer intertextuellen Skizze zum gesamten Matthäusevangelium wird deutlich, dass die matthäische Jesusgeschichte auf Schritt und Tritt eng (aber nicht beengend) mit den Schriften Israels verwoben ist. Die »Kontroverse« dieses Heftes, die von Roland Deines und Manuel Vogel bestritten wird, ist mit der Frage befasst, wie Ethik und Christologie innerhalb des Matthäusevangeliums zueinander ins Verhältnis zu setzen sind. Die beiden Positionen bringen sich in aller wünschenswerten Klarheit gegeneinander in Stellung: Auf der einen Seite steht die Auffassung von Christus als Lehrer, zu dessen Schüler wird, wer seine Lehre befolgt, und auf der anderen eine Christologie, in der es zuerst und vor allem um die Christusbindung im Glauben geht, unbenommen ethischer Konsequenzen. Unter der Rubrik »Hermeneutik und Vermittlung« nimmt Elaine M. Wainwright die Leserinnen und Leser mit auf eine Reise durch ihre eigene akademische Biographie als Matthäusforscherin. Sie beschreibt ihren Weg, auf dem zur feministischen und zur sozialgeschichtlichen Exegese ein ökologischer Ansatz hinzugekommen ist, und sie erprobt jede dieser Methoden am selben Matthäustext, der Schritt für Schritt an Bedeutung gewinnt. Die beiden Rezensionen unter der Rubrik »Buchreport« beschließen das Heft mit der Besprechung zweier Neuerscheinungen, die aus ganz unterschiedlichen Wissenschaftstraditionen stammen und auf ihre Weise die Vielseitigkeit heutiger Interpretationen des ersten Evangeliums unter Beweis stellen. Wir hoffen, dass dieses Heft dazu beträgt, dass das Matthäusevangelium sich von seinen vielen besten Seiten zeigen kann, und wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern eine anregende Lektüre. Stefan Alkier Eckart Reinmuth Manuel Vogel