eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 19/37

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2016
1937 Dronsch Strecker Vogel

Einleitung zur Kontroverse: »Parting(s) of the ways?«

2016
Manuel Vogel
48 ZNT 37 (19. Jg. 2016) Mit großem Vergnügen habe ich Tobias’ Deichmann Lectures zum Thema »Juden und Christen? ›Christliche‹ Perspektiven im zweiten Jahrhundert auf das ›Parting of the Ways‹« gelesen, die er im Jahr 2013 an der Ben- Gourion-Universität in Beersheva gehalten hat, und ich wäre dort gern zugegen gewesen, um mit Tobias zu diskutieren, zumal im Rahmen der für die jüdisch-christlichen Beziehungen und für das gegenseitige Verstehen so wichtigen Deichmann- Lectures. Nicht zuletzt hat sein Buch schöne Erinnerungen geweckt an meine eigenen Deichmann-Lectures vier Jahre zuvor. Die Einleitung bietet mit dem Einstieg bei Ignatius einen überaus passenden Zugang zum Thema. Bereits im frühen 2. Jh. trifft Ignatius eine klare Unterscheidung zwischen »Judentum« und »Christentum«. Hier finden wir den ersten Beleg für »Christentum« als Bezeichnung für die auch zu dieser Zeit noch junge Bewegung in Unterscheidung von der altbekannten Religion der Juden, und dies in der Zeit nach dem desaströsen (ersten) jüdischen Aufstand und der Zerstörung des Jerusalemer Tempels, ein Ereignis, das wesentlich zur Faszination des Themas »Juden und Christen« beiträgt. Der Einstieg bei Ignatius wirft unweigerlich die Frage auf, wann sich »die Wege trennten«, und ob dies unausweichlich war. Weitere Fragen sind damit verknüpft, nicht zuletzt, ob wir das von Ignatius präsentierte »Christentum« in seiner Beziehung zum »Judentum« überhaupt als repräsentativ ansehen können. Somit weckt die Einleitung Neugier und Appetit auf das Folgende. Das erste Kapitel Images of the Chosen People: ›The Jews‹ in Second Century ›Christian‹ Writings gibt gleich zu Beginn eine Probe auf das Schwergewicht der gesetzten Anführungszeichen, wenn es um das Petrusevangelium geht (18-24), ein faszinierendes Dokument in seiner paradoxen Darstellung »der Juden« (22). Freilich stellt sich die Frage, wie repräsentativ auch das Petrusevangelium für die christliche Seite des Parting of the ways ist. Zu den besten Stücken dieses Kapitels gehören die Ausführungen zu Melito von Sardes, der üblicherweise als rundheraus antijüdisch gilt, der aber, so Nicklas mit Recht, das Verweilen lohnt (24-34), sowie zum Martyrium Polykarps (52-61). Zu diesem notiert er, dass »es sich klar gezeigt hat, dass die Aussagen über die Juden weit überwiegend als rein literarische Bildungen angesehen werden müssen, widersprechen sie doch nahezu allem, was wir über jüdische Glaubens- und Lebensweisen wissen« (56). Zutreffend resümiert er: »Das Martyrium Polykarps ist der Niederschlag eines Konflikts von Christusanhängern, die um ihre Identität im Gegenüber zur Synagoge kämpften« (60). Eine gewisse Enttäuschung bereitet dagegen der voranstehende Passus zu den Pseudo-Klementinen (47-52), die doch zu den wichtigsten Zeugen eines durchweg jüdisch grundierten Jesusglaubens gehören. Zwar scheinen die Pseudo-Klementinen als Selbstdarstellung jüdischer Christusanhänger des 2. Jh. eine isolierte Stellung einzunehmen, doch hätten sie in einer Vorlesung über »Juden und Christen« im 2. Jh. weitaus mehr Aufmerksamkeit verdient, erinnern sie uns doch daran, dass »in bestimmten ›christlichen‹ Kreisen die Opposition gegen das paulinische Christentum noch lange fortdauerte« (49). Tobias stellt zwar einige kurze Überlegungen zu Spuren »›christlicher‹ antipaulinischer Tendenzen« an, wie sie bei mehreren christlichen Autoren zu finden sind. Eine eingehendere Betrachtung hätte aber das Problem verdient, das die Aufnahme des Heidenapostels in den Kanon dargestellt haben muss, da doch die intensiven »antipaulinischen Tendenzen« als gewichtiger Faktor in Rechnung gestellt werden müssen, wenn es darum geht, die Geschichte des Auseinandergehens der Wege nachzuzeichnen und ihre Gründe zu verstehen. Das zweite Kapitel ist interessanterweise überschrieben mit »Das erwählte Volk, sein Gott und der Bund«. Man hätte erwartet, hier auf Ignatius zu stoßen, aber dieser diente ja bereits dazu, die ganze Diskussion zu eröffnen (1-8), und er wird erst wieder im dritten Kapitel eine Rolle spielen. Unter der Überschrift »Der zurückgewiesene Bund« geht es, wie kaum anders zu erwarten, um den Barnabasbrief (67-74), mit dem so nachvollziehbaren wie verstörenden Resümee, dass »das ›Christentum‹ des Barnabasbriefes alle Beziehungen zu ›gelebtem‹ Judentum abbricht« (74). Man kann freilich den Barnabasbrief in dem Maße immer noch jüdisch nennen, wie man ihn christlich nennt. In anderen christlichen James D. G. Dunn Juden und Christen Ein Dialog mitTobias Nicklas Kontroverse