eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 18/36

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2015
1836 Dronsch Strecker Vogel

Die Ethik der »besseren Gerechtigkeit« im Matthäusevangelium

2015
Manuel Vogel
Zeitschrift für Neues Testament_36 typoscript [AK] - 13.11.2015 - Seite 57 - 4. Korrektur ZNT 36 (18. Jg. 2015) 57 Jesu »Tod und seine Auferstehung und die damit verbundene Sündenvergebung sind das eigentliche Geschehen ›für uns‹«. Wird dieses bestritten oder relativiert zugunsten des Eigengewichts einer Ethik, die an Jesu Toraauslegung orientiert ist, »fragt [man] sich, wozu der Kreuzestod dann nötig war«. Die zitierten Formulierungen meines geschätzten Kollegen und Kontroverspartners Roland Deines scheinen mir das theologische Schwergewicht der vorliegenden Kontroverse klar auf den Punkt zu bringen. Wenn ich Deines richtig verstehe, ist der matthäischen Theologie und-- in enger Beziehung zu derselben- - auch der matthäischen Ethik nach seiner Auffassung erst dann Genüge getan, wenn man die mannigfaltigen sachlichen und terminologischen Sinnlinien freilegt, die das vielgestaltige Ganze der Theologie des ersten Evangeliums auf diese Mitte hin zentrieren und es von dorther zu verstehen erlauben. Wenn dies zutrifft, ist meinem eigenen Beitrag in der Tat eine gravierende Einseitigkeit anzulasten, die das Gesamtgefüge matthäischer Theologie zugunsten eines Teilaspekts ignoriert, der vom Ganzen nur um den Preis einer erheblichen theologischen Schieflage isoliert werden kann. Ich stehe aber unangefochten und ohne jede Verlegenheit im exegetischen Detail auch nach der Lektüre von Deines’ gehaltvollem Beitrag, der auf Schritt und Tritt die Handschrift eines Matthäus- Spezialisten von Rang verrät, zu meiner eigenen Sicht. Tatsächlich lese ich das Matthäusevangelium so, dass »Gerechtigkeit« ein in den Grenzen ethischer Reflexion suffizient zu behandelndes Thema ist, das christologische, soteriologische und heilsgeschichtliche Eintragungen nicht leidet. Der folgende Text ist bis auf Ergänzungen in den Anmerkungen unverändert, d. h. ohne Kenntnis des Beitrags von Roland Deines verfasst. 1 1. Ein Schülerkreis aus allen Völkern Wie wird man ein mathētēs Jesu und was ist überhaupt ein mathētēs? Die Antwort des Matthäusevangeliums lautet: Durch Taufe und Lehre wird man ein solcher. In Mt 28,19 f. ergeht an die nach dem Ausscheiden des Judas verbliebenen elf mathētai der Auftrag zu einer »alle Völker« umspannenden Mission: Sie sollen »hingehen« und alle Völker »zu Jüngern/ Schülern machen« (mathēteuein) und sie außerdem auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes taufen. Das griechische Verb mathēteuein ist bis Anfang des 2. Jh. selten. Der Grammatiker (Ps)Herodian (1.H. 3. Jh.) erklärt es für ungebräuchlich bzw. unzulässig. Man könne mathētēs sagen, notiert er, aber nicht mehr mathēteuein 2 (Die Väter und spätere pagane Autoren haben sich nicht daran gehalten). Die wenigen frühen Stellen bietet Plutarch (derer vier in Mor 832c-f ), hier jedoch nicht in transitiver Bedeutung wie in Mt 28, sondern im Sinne von »Schüler sein«. Eines jedenfalls lehrt der Blick ins Lexikon: mathētai sind »Schüler«. Das gilt auch für Mt 28: Die Schüler, die von Jesus beauftragt werden, sollen dadurch neue Schüler gewinnen, dass sie sie »lehren« (didaskein), das von Jesus Gelehrte zu »bewahren« bzw. »einzuhalten«, »sich daran zu halten« (tērein). Dass der Lehrer Jesus nicht mehr auf Erden weilt, ist kein Makel und kein Hindernis. Von Philosophen weiß man, dass ihre Schülerkreise über ihren Tod hinaus wuchsen. Für die Weitergabe der Lehre Jesu ist formal wie inhaltlich gesorgt: Die von Jesus Beauftragten werden mit der Weitergabe der Lehre des Meisters betraut, deren Inhalt über dasjenige Schriftwerk zugänglich ist, an dessen Ende diese Beauftragung vermerkt ist, d. h. über das Matthäusevangelium. 3 Dort kann man nachlesen, »was ich euch (zu bewahren) aufgetragen habe« (hosa eneteilamēn hymin). Freilich ist Jesus mehr als ein Lehrer. Kein Lehrer sagt von sich: »Mir ist gegeben alle Vollmacht im Himmel und auf der Erde« (28,18). Jesus ist »Sohn Davids« (1,1) und als solcher »der neugeborene König der Juden« (2,2). Als er in Jerusalem einzieht, erfüllt sich das Prophetenwort »Siehe, dein König kommt zu dir« (Mt 21,5 mit Sach 9,9). Der Kreuzestitulus beurkundet das schrecklich: »König der Juden« ist Ursache des Todesurteils (27,37). Die ihn hinrichten, treiben mit dem Königstitel ihren Spott (27,29.42). Aber als Menschensohn und Weltenrichter wird der schuldlos Getötete wiederkehren, als ein »König« (25,34.40), der Manuel Vogel Die Ethik der »besseren Gerechtigkeit« im Matthäusevangelium Kontroverse »[M]athētai sind ›Schüler‹.« Zeitschrift für Neues Testament_36 typoscript [AK] - 13.11.2015 - Seite 58 - 4. Korrektur 58 ZNT 36 (18. Jg. 2015) Kontroverse im Einklang mit »Gesetz und Propheten« zu stehen. Von Jesus als »Schüler« zu »lernen« heißt dann, seiner Gesetzesauslegung, die er als davidischer König für verbindlich erklärt, zu folgen. Dass Könige neue Gesetze erlassen, ist in der griechisch-römischen Antike geläufig. Der Nachruhm eines Königs konnte in den Gesetzen bestehen, die man ihm zuschrieb. Bekanntestes Beispiel ist Lykurg aus Sparta. Nach der von Plutarch 6 verarbeiteten mythischen Biographie war Lykurg Sohn eines Königs, der für das von inneren Krisen geschwächte Sparta ein neues Gesetzeswerk schuf. Im Blick auf den davidischen König Jesus ist bemerkenswert, dass Lykurg nie selber real-politisch die Königswürde inne hatte. Eine Wirkung hatte er ausschließlich als Gesetzgeber. Kann man analog sagen: Die Himmel und Erde umspannende Vollmacht des Davididen Jesus äußert sich (vorläufig) darin, dass seine Lehre unter allen Völkern Anhänger findet? Es bleibt als überschießendes Element die Taufe. Aber auch hier gibt es Querverbindungen: Sofern die Taufe als Teil des missionarischen Programms des Matthäusevangeliums Taufe »auf den Namen […] des Sohnes« ist, ist sie Übereignung an ihn. Im Taufritual wird der Täufling Jesus übereignet, ihm unterstellt. Die naheliegende Annahme, dass dies auch Jesu Lehre umfasst, erfährt durch 1Kor 1,13 eine indirekte Bestätigung, ebenso durch 1Kor 10,2. An der erstgenannten Stelle geht es um einen im Einzelnen nicht völlig durchsichtigen Zusammenhang von »Taufe« und einer Art »Schulbildung«. Wenn Paulus die rhetorische Frage stellt »Oder seid ihr etwa auf den Namen des Paulus getauft«, und anschließend über seine Tauftätigkeit in Korinth ausführlich Rechenschaft gibt (1,14-16), dann will er seine nur sporadische Aktivität als Taufender als Argument gegen die Parteibildungen in der korinthischen Gemeinde aufbieten: Er jedenfalls taugt, so wahr er in Korinth nur Wenige getauft hat, und dann beileibe nicht »auf seinen eigenen Namen«, nicht als »Schulhaupt« im Parteienstreit. Dieses Argument ist aber nur dann stichhaltig, wenn in der korinthischen Gemeinde ein Zusammenhang von Tauftätigkeit und Lehrautorität bestand: Die Taufenden sammelten ihre Täuflinge wie einen Schülerkreis um sich. In 1Kor 10,2 sagt Paulus von den Israeliten der Exodusgeneration: »Alle waren auf Mose getauft in der Wolke und im Meer.« Die Berührung mit der (wasserhaltigen) Wolkensäule und dem Meer deutet Paulus als »Taufe auf Mose«. Auch hier meint Taufe die Verpflichtung auf eine Lehre bzw. ein Gesetz, in diesem Fall die Mosetora: Auf den Gesetzgeber Mose getauft zu sein, heißt, sich auf seinem Thron sitzt und Gericht hält. Aber inwiefern kann man Schüler eines Königs sein? Antwort: Indem man die Gesetze, die dieser König erlassen hat, lernt und befolgt. Der syrische Stoiker Mara bar Sarapion hat aus römischer Haft an seinen Sohn einen Brief geschrieben, in dem er Jesus, ohne seinen Namen zu nennen, als »König« bezeichnet. Mara bar Sarapion war kein Christusanhänger, hatte aber allem Anschein nach Kenntnisse von Gruppen von Christusanhängern im syrischen Raum. In seinem Brief erwähnt er (mit einigen historischen Unschärfen) Sokrates, Pythagoras und »den weisen König« der Juden als exempla für das gewaltsame Ende der Weisen, deren Weisheit sie jedoch überdauert, und deren Geschick ihren Feinden vergolten wird: »Was hatten […] die Juden [für einen Nutzen] von der Hinrichtung ihres weisen Königs, da ihnen von jener Zeit an das Reich genommen war? «, fragt er, und fügt hinzu, dass dieser König nicht tot sei »wegen der neuen Gesetze, die er gegeben hat«. 4 Diese Außensicht des Mara bar Sarapion, die mit der Deutung des jüdischen Krieges 66-70 n. Chr. (alternativ: des Bar-Kochba-Aufstandes 132-135 n. Chr.) als Strafe für die Hinrichtung Jesu ein christliches Interpretament verarbeitet, steht auch mit der Auffassung von Jesus als König und Gesetzgeber frühchristlichem Denken nahe, u. zw. namentlich dem matthäischen: Jesus erhebt als davidischer König den Anspruch, mit seinem autoritativen »Ich nun sage euch« (Mt 5,22. 28. 32.39.44 5 ) Prof. Dr. Manuel Vogel, geb. 1964 in Frankfurt am Main, Studium der Evangelischen Theologie in Erlangen, Heidelberg und Frankfurt, 1994-1996 Vikariat in Bayern, 1995 Promotion in Heidelberg, 1996-2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institutum Judaicum Delitzschianum in Münster, 2003 Habilitation in Münster, 2003 -2006 Pfarramt in Hessen-Nassau, 2006 -2008 Pfarrer im Hochschuldienst an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, seit 2009 Professor für Neues Testament an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Veröffentlichungen u.a. zu Paulus, Josephus und zum Hellenistischen Judentum. Prof. Dr. Manuel Vogel »[I]nwiefern kann man Schüler eines Königs sein? Antwort: Indem man die Gesetze, die dieser König erlassen hat, lernt und befolgt.« Zeitschrift für Neues Testament_36 typoscript [AK] - 13.11.2015 - Seite 59 - 4. Korrektur ZNT 36 (18. Jg. 2015) 59 Manuel Vogel Die Ethik der »besseren Gerechtigkeit« im Matthäusevangelium der Autorität seiner Lehre zu unterstellen. Fazit: Es gibt eine Affinität zwischen der »Taufe auf den Namen des Sohnes« und der Übereignung an Jesus als Lehrer. 7 Die bisher angestellten Überlegungen sollen begründen, dass und warum es statthaft erscheint, den berühmten Missionsbefehl am Ende des Matthäusevangeliums vorrangig als eine Art weltweiten »Lehrauftrag« aufzufassen und das Matthäusevangelium als Handbuch für die zentralen Lehrinhalte. Für die Christologie des ersten Evangeliums bedeutet das: Es geht nicht vorrangig darum »an Jesus zu glauben«-- davon ist im Matthäusevangelium ausdrücklich überhaupt nur in 18,6 die Rede! -- , sondern seiner Lehre zu folgen. Der vorliegende Beitrag dient dem Zweck, diesen innerhalb des Neuen Testaments singulären Akzent gegen seine möglichen christologischen und soteriologischen Überformungen zu verteidigen, und zwar im Interesse einer möglichst großen Vielstimmigkeit des neutestamentlichen Christus-Zeugnisses. Vielstimmigkeit heißt aber vor allem: Unterscheidbarkeit. Das Konzept »Tun, was Jesus zu tun aufgetragen hat«, ist dann ungeachtet seiner je nach theologischem Standpunkt mehr oder weniger stark empfundenen christologischen und soteriologischen Unterbestimmtheit eine legitime Variante, sich als Christusanhänger zu verstehen. 2. Jesus: Toralehrer oder Tempelersatz? Die hier zur Diskussion stehenden Auslegungsalternativen können anhand von Mt 12,1-8 veranschaulicht werden. Über den Markusstoff hinausgehend bietet Mt in der Perikope vom Ährenraufen am Sabbat in 12,5-7 folgenden Text: »Habt ihr nicht im Gesetz gelesen, dass die Priester im Tempel am Sabbat den Sabbat entweihen, ohne sich schuldig zu machen? Ich sage euch aber: Hier ist Größeres als der Tempel! Hättet ihr begriffen, was es heißt: Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer, so hättet ihr die Unschuldigen nicht verurteilt.« In der Frage, was »größer als der Tempel« ist, kann man klar zwischen einer christologischen und einer ethischen Auslegung unterscheiden. Einige Handschriften ändern das neutrische meizon (»Größeres«) in die maskuline Form meizōn (»ein Größerer«) und signalisieren damit, dass das Größere recht verstanden Jesus selbst ist. Die ethische Auslegung, die beispielsweise von U. Luz vertreten wird, setzt demgegenüber einen ganz anderen Akzent: Größer als der Tempel ist »hier«, d. h. in der besonderen Personenkonstellation von hungernden Schülern Jesu und urteilenden Pharisäern die von Jesus in V. 7 mit Hosea 6,6 namhaft gemachte Barmherzigkeit. 8 Das komparative »Größeres« erklärt zugleich das »nicht… sondern« im Hoseazitat im Sinne einer »dialektischen Negation« (U. Luz), die als »mehr… als« aufzulösen ist: Die Forderung nach Barmherzigkeit ist noch dringlicher als das in seiner Gültigkeit nicht infrage gestellte Erfordernis des Tempelopfers. Jesus zieht einen Schluss vom Kleineren auf das Größere, der jenes Kleinere (den Tempel) nicht infrage stellt. Das Tempelopfer ist ja, ganz im Gegenteil, so wichtig, dass es den Sabbat aussticht. Der angestellte Vergleich dient dazu, den Pharisäern klar zu machen, wie gravierend ihr Fehlurteil ist: Der hypothetische (und durch die Tora verhinderte) Missgriff, wegen des Sabbats das Tempelopfer auszusetzen, wäre eine Kleinigkeit gegen ihre harte Haltung, um des Sabbats willen Menschen hungern zu lassen. Es stellt keine Verkürzung dar, hier von einem ethischen Anliegen Jesu zu sprechen. Es geht ihm um »Barmherzigkeit« als dasjenige, worauf man stößt, wenn man »im Gesetz liest« (12,5). Ebenfalls an die Adresse der Pharisäer gerichtet ist der Vorwurf in Mt 23,23, sie hätten zugunsten halachischer Detailfragen »die gewichtigeren Dinge des Gesetzes« (ta barytera tou nomou) aus den Augen verloren, nämlich »Recht, Barmherzigkeit und Treue« (krisis, eleos, pistis). Wichtig ist, dass Jesus sich in 12,6 in keiner Weise selbst thematisiert, etwa als Mittler göttlicher Barmherzigkeit oder dergleichen. Es geht strikt um die ethische Sache einer (wie wir heute sagen würden) »humanen« Handhabung der Mosetora. Wer dagegen Mt 12,6 auf die Person Jesu deutet, kommt nicht umhin, den Tempel für obsolet zu erklären, denn es gibt entsprechend dieser Lesart ja nun Jesus als neuen Heilsmittler, der den Tempel samt seinen Opfern überflüssig macht. In dieser Weise formuliert unter den älteren Auslegern eingängig H.J. Holtzmann: Als »der Heilige Gottes« (ho hagios tou theou, Mk 1,24) sei Jesus mehr als »das Heiligtum« (to hagion). 9 Die Streitfrage lautet mithin: Ist Jesus in Mt 12,6 Tempelersatz oder Toralehrer? Gilt Letzteres, bleibt der Tempel als positive Vergleichsgröße erhalten, und zwar auch noch rückblickend nach dem Verlust desselben im jüdischen Krieg. »Es geht nicht vorrangig darum ›an Jesus zu glauben‹ - davon ist im Matthäusevangelium ausdrücklich überhaupt nur in 18,6 die Rede! -, sondern seiner Lehre zu folgen.« »Die Streitfrage lautet mithin: Ist Jesus in Mt 12,6 Tempelersatz oder Toralehrer? « Zeitschrift für Neues Testament_36 typoscript [AK] - 13.11.2015 - Seite 60 - 4. Korrektur 60 ZNT 36 (18. Jg. 2015) Kontroverse 3. »Gerechtigkeit«: Eine Sachdiskussion mit den Pharisäern Deutlich ist in Mt 12,1-8 und Mt 23,23, dass Jesus mit Blick auf die Pharisäer (und Schriftgelehrten) argumentiert bzw. diese Gruppen scharf kritisiert. Was an beiden Stellen für das Gesetz gilt, gilt auch für die matthäische Auffassung von Gerechtigkeit. Auch hier geht es um eine auf weite Strecken kontroverse Sachdiskussion vorrangig mit den Pharisäern. Von Gerechtigkeit (dikaiosynē) ist bei Matthäus mit sieben Belegen nicht übermäßig häufig die Rede. Der Begriff ist aber stets von Gewicht für das theologische Ganze des ersten Evangeliums. Wir beginnen mit der programmatischen Forderung einer »besseren Gerechtigkeit« in Mt 5,20. Da der Satz begründend oder erläuternd, jedenfalls weiterführend an 5,19 anschließt, ist dieser Vers mit hinzuzunehmen. M. E. spricht nichts dagegen, die dort genannten »kleinsten Gebote« im Sinne der rabbinischen Unterscheidung von »leichten« und »gewichtigen« Torageboten zu verstehen. 10 Mt 23,23b (»Diese Dinge aber sollte man tun und jene nicht unterlassen«) ist hierzu eine genaue Entsprechung: Die Verzehntung von Minze, Anis und Kümmel wird durch eine an Recht, Gerechtigkeit und Treue orientierte Tora-Auslegung nicht gegenstandslos. Wie verhält sich aber das Votum für strikte Toraobservanz in 5,19 zum Auftrag in 28,20, Schüler aus allen Völkern in all dem zu unterrichten, was Jesus zu halten aufgetragen hat? M. E. lässt sich der gordische Knoten aus strikter Toraobservanz und Heidenmission nur so durchschlagen, dass man sagt: Für den Evangelisten stand völlig fraglos fest, dass Toraobservanz nur von jüdischen Christusanhängern gefordert war, nicht aber von Christusanhängern aus den Völkern. Für die Christusverehrer aus den Völkern galt, dass die ihnen ohnehin geläufige Goldene Regel, die im Matthäusevangelium kühn mit »Gesetz und Propheten« identifiziert wird (7,12), für ein torakonformes Verhalten hinreichend war, d. h. ihnen sozusagen als ein »Tun der Tora« gutgeschrieben wurde. Für jüdische und nichtjüdische Christusanhänger gab es unter dieser Voraussetzung ein überaus breites Mittelfeld dessen, was für beide von elementarer Wichtigkeit war, etwa, wie man beten (6,9-13), oder, dass man einander vergeben soll (6,14f ). 11 Mt 5,20 schließt dann folgendermaßen an: Von den mathētai Jesu wird unter Androhung des Ausschlusses von der Gottesherrschaft eine Gerechtigkeit gefordert, die zunächst insofern »besser« ist als die der Pharisäer, als sie an der Geltung der Mosetora für Lebensweise und Gottesverehrung von Juden (und das heißt auch: von jüdischen Christusverehrern) fraglos festhält. Die »bessere Gerechtigkeit« der mathētai soll, was die Anerkennung der Tora als Grundlage jüdischen Lebens betrifft, über jeden Zweifel erhaben sein. Nur zu diesen Bedingungen kann der überbietende Vergleich mit der Gerechtigkeit der Pharisäer überhaupt angestellt werden. Mir scheint dabei übrigens ganz ausgeschlossen, dass in der Situation des Matthäus-Evangelisten die Pharisäer eine nur theoretische Vergleichsgröße darstellen. Vielmehr spiegelt die Auseinandersetzung mit dieser Gruppe die reale Situation des Trägerkreises des Matthäusevangeliums. Dann ist aber fast gleichgültig, ob und in welcher Weise dieser Kreis eigenständig organisiert war. Deutlich ist, dass das Matthäusevangelium den Pharisäern im Antagonismus aufs Engste verbunden ist und an ihnen Maß nimmt. Das erste Evangelium spiegelt ein pharisäisch geprägtes jüdisches Milieu, in welchem es sich behaupten will. Die entscheidende Frage, inwiefern die Gerechtigkeit der mathētai Jesu diejenige der Pharisäer übertreffen soll, ist nach allem bisherigen nicht schwer zu beantworten: Sie soll genau das leisten, was die Pharisäer in ihrem Verhalten und in ihrer Tora-Auslegung schuldig bleiben. In Mt 6,1 erteilt Jesus den Rat: »Gebt aber acht, eure Gerechtigkeit nicht vor den Menschen zu üben, um von ihnen beachtet zu werden.« Nachfolgend geht es konkret um Almosen und Gebet als elementare Vollzüge in der Beziehung zu anderen Menschen und zu Gott. Beides soll nicht der eigenen Statusoptimierung »vor den Menschen« dienen. Der praktische Rat Jesu lautet, beides im Verborgenen zu praktizieren. Mit 5,20 gesprochen ist eine »im Verborgenen« geübte religiöse und soziale Praxis »bessere Gerechtigkeit«. Nach Mt 23,6 f. sind die Schriftgelehrten und Pharisäer vorrangig an ihrer vorteilhaften sozialen Außenwirkung interessiert, erzeugen damit aber nur einen äußerlichen Schein, der über ihre niederen Motive hinweg täuscht. Sie müssen sich sagen lassen: »Ihr erscheint von außen den Menschen gerecht, innen aber seid ihr voller Heuchelei und Gesetzlosigkeit.« Eine »Für den Evangelisten stand völlig fraglos fest, dass Toraobservanz nur von jüdischen Christusanhängern gefordert war, nicht aber von Christusanhängern aus den Völkern.« »Das erste Evangelium spiegelt ein pharisäisch geprägtes jüdisches Milieu, in welchem es sich behaupten will.« Zeitschrift für Neues Testament_36 typoscript [AK] - 13.11.2015 - Seite 61 - 4. Korrektur ZNT 36 (18. Jg. 2015) 61 Manuel Vogel Die Ethik der »besseren Gerechtigkeit« im Matthäusevangelium Gerechtigkeit, die sich in der beschriebenen Weise von der der Pharisäer und Schriftgelehrten unterscheidet, ist nun aber in ihrem »besseren« Teil (hier: Verzicht auf religiös-soziale Selbstdarstellung) für jüdische wie für nichtjüdische Adressaten gleichermaßen praktizierbar. 4. Das »Reich der Himmel« und die Lehre Jesu für die Völker Mt 6,33 handelt vom »Reich und seiner Gerechtigkeit«. Bekanntlich spricht das Matthäusevangelium fast durchgängig vom »Reich der Himmel«, und zwar nicht, um gegenüber dem geläufigeren »Reich Gottes« das Wort »Gott« zu vermeiden, das es sonst ja verwendet (51 Belege! ), sondern um die universale Ausdehnung der Gottesherrschaft zum Ausdruck zu bringen. Zu ihrer Verwirklichung trägt die weltweite Mission der Gewinnung von mathētai bei, die der Lehre des davidischen Königs Jesus folgen: Das »Königreich der Himmel« verbreitet sich in dem Maße, wie unter den Völkern Menschen der Lehre Jesu folgen. Wichtig ist, dass »Gerechtigkeit« nach der matthäischen Konzeption für nach der Mosetora lebende Juden wie auch für Christusverehrer aus den Völkern, deren Lebenspraxis nicht der Mosetora verpflichtet ist, gleichermaßen relevant und praktizierbar ist. Daran, wie der Judäerkönig Jesus die Gesetze seiner eigenen Tradition ausgelegt hat, kann man lernen, wie man mit Gesetzen überhaupt umgeht. Das Wort Jesu, der Sabbat sei für den Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat, ist nicht erst heute per Analogieschluss vielfältig anwendbar. Die Rede vom »Reich und seiner Gerechtigkeit« lenkt unseren Blick auf Mt 23,13. Von den Pharisäern und Schriftgelehrten, die sich nach Mt 23,2 auf den »Stuhl des Mose« gesetzt haben, heißt es: »Ihr verschließt das Reich der Himmel vor den Menschen! Ihr selbst kommt nämlich nicht hinein, und die, die hineinwollen, lasst ihr nicht hinein kommen«. Diese Stelle macht deutlich, dass Matthäus (a) auch den Begriff des Reiches Gottes in die kontroverse Sachdiskussion mit Pharisäern und Schriftgelehrten einbezieht, und (b) dass »Reich der Himmel« nach Matthäus elementar etwas mit Tora-Lehre zu tun hat. Man kann mit Mt 23,23 ergänzen: Mit einer Tora- Lehre, die an »Recht, Barmherzigkeit und Treue« ausgerichtet ist. Dabei handelt es sich um Auslegungs- und Handlungsgrundsätze, die universal gültig und somit auch für Jesu Schülerkreis aus den Völkern maßgeblich sind. Als Tora-Lehrer ist Jesus zugleich Vorbild für seine Schüler. Insofern kommt, wenn von Jesu Lehre die Rede ist, zugleich auch Jesu Person ins Spiel, und insofern auch, wenn man so sagen will, Christologie. Dass Lehre und Person nicht voneinander zu trennen sind, zeigt Mt 11,29 f.: »Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin sanft und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.« Das »leichte Joch« Jesu steht für seine menschenfreundliche Tora-Auslegung im Unterschied zu derjenigen der Pharisäer, die den Menschen »schwere und unerträgliche Lasten« aufbürden, die sie aber selber gar nicht zu tragen bereit sind. Von Jesus kann man »lernen«, weil er seine Lehre glaubwürdig verkörpert. Will man das »christologisch« nennen, dann im Sinne einer Vorbild- Christologie. 5. Die Taufe Jesu und das »Erfüllen aller Gerechtigkeit« Von hier aus werfen wir noch einen Blick auf den kurzen Dialog zwischen Jesus und dem Täufer in Mt 3,13- 15. Üblicherweise sieht man in diesem Wortwechsel einen Versuch, die als anstößig empfundene Tatsache der Taufe Jesu durch Johannes theologisch zu bewältigen. Aber bei Matthäus ist die Johannestaufe nicht sündenvergebend, sondern es wird nur von den vielen Menschen, die sich von Johannes taufen ließen, vermerkt, dass sie »ihre Sünden bekannten«. Dass der Taufakt selber sündenvergebend ist, sagt Matthäus nicht. Jesus kommt seinerseits, »um sich taufen zu lassen«. Von einem Sündenbekenntnis Jesu verlautet nichts. Mir scheint überhaupt die Auffassung, es gehe an dieser Stelle um eine Art theologischer Altlastenbewältigung aus dem Leben des historischen Jesus, eine falsche Fährte zu legen. Es geht Matthäus nicht um die angesichts seiner Taufe durch »Wichtig ist, dass ›Gerechtigkeit‹ nach der matthäischen Konzeption für nach der Mosetora lebende Juden wie auch für Christusverehrer aus den Völkern, deren Lebenspraxis nicht der Mosetora verpflichtet ist, gleichermaßen relevant und praktizierbar ist.« »Als Tora-Lehrer ist Jesus zugleich Vorbild für seine Schüler. Insofern kommt, wenn von Jesu Lehre die Rede ist, zugleich auch Jesu Person ins Spiel, und insofern auch, wenn man so sagen will, Christologie.« Zeitschrift für Neues Testament_36 typoscript [AK] - 13.11.2015 - Seite 62 - 4. Korrektur 62 ZNT 36 (18. Jg. 2015) Kontroverse Johannes in Beweisnöte geratende Behauptung der Sündlosigkeit des Gottessohnes, sondern um eine von Matthäus eigens inszenierte Szene, in der der Statusunterschied zwischen Jesus und Johannes sichtbar werden soll. Dass Jesus einen weitaus höheren Status inne hat als Johannes, wird nach allem, was die matthäische Vorgeschichte hierüber bereits verrät, in 3,11 nochmals kräftig akzentuiert. Die überraschende Wendung der Erzählung besteht nun darin, dass der Ranghöhere sich vor seinem Gegenüber erniedrigt, bis dahin, dass er ihn noch für diese Selbsterniedrigung um Erlaubnis bittet (»Lass es jetzt geschehen«) und das »Erfüllen aller Gerechtigkeit« damit zu beider gemeinsamer Sache macht. Dafür, dass Jesus »sanft und demütig« ist (Mt 11,29), erbringt die Jesuserzählung des ersten Evangeliums somit gleich zu Beginn des öffentlichen Auftretens Jesu den Tatbeweis. Es geht also nicht um die Solidarität Jesu mit menschlicher Fehlbarkeit, sondern um einen eindrucksvollen Aufweis seiner Demut in seiner Unterordnung unter Johannes. 12 Wiederum bilden die Pharisäer und Schriftgelehrten, die »den obersten Platz bei den Mahlzeiten und den Vorsitz in den Synagogen lieben« (23,6), das Kontrastbild. In der Taufszene in Mt 3 wird vorgreifend deutlich, dass die Diastase zwischen Reden und Handeln, die Jesus den Pharisäern und Schriftgelehrten vorhält, auf ihn selbst nicht zutrifft. Derjenige, der im Vollzug der Unterordnung unter Johannes »alle Gerechtigkeit erfüllt«, fordert von seinen Schülern eben diese Gerechtigkeit, die er den Pharisäern abspricht. 6. Rückblick: Drei Fehlanzeigen »Gerechtigkeit« ist ein Grundbegriff matthäischer Ethik. Sie gehört zum Kernbestand dessen, was die Schüler Jesu unter allen Völkern als seine Lehre weitergeben sollen. Es geht am Beispiel der Mosetora um eine humane Handhabung von Gesetzen und um persönliche Integrität, die sich im Verzicht auf Statusvorteile äußert. Jesus ist ein glaubwürdiger Vertreter dieser Lehre, weil er sie selbst befolgt hat. Bei der hier vorgetragenen Interpretation spielen drei Kernthemen neutestamentlicher Theologie überhaupt keine Rolle, nämlich Christologie, Soteriologie und Heilsgeschichte. Diese drei Themen finden sich auch im Matthäusevangelium. Sie sind aber nach meiner Auffassung von dem, was im ersten Evangelium »Gerechtigkeit« heißt, zwar nicht scharf zu trennen, jedoch, und darum ging es mir, klar zu unterscheiden. Anmerkungen 1 Allerdings in Kenntnis seiner Tübinger Habilitationsschrift (Die Gerechtigkeit der Tora im Reich des Messias. Mt 5, 13-20 als Schlüsseltext der matthäischen Theologie, WUNT I/ 177, Tübingen 2005), die uns allererst auf die Idee der Kontroverse für unser Matthäus-Heft gebracht hat. 2 Quelle: ThLG-Recherche zu mathēteu-. Der im ThLG gebotene Text lautet: mathētēs, mathēteuein de ouketi, kaitoi apo tou phoitētēs phoitān legousin., »mathētēs, mathēteuein jedoch nicht mehr, wenngleich man, abgeleitet von phoitētēs [einer, der regelmäßig (den Lehrer) besucht], phoitān sagt«. 3 Vgl. hierzu: M. Klinghardt, Erlesenes Verstehen. Leserlenkung und implizites Lesen in den Evangelien, ZNT 21 (2008), 27-37, hier: 27-30. 4 Übersetzung aus G. Theißen/ A. Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen 3 2001, 84. Zu Mara bar Sarapion vgl. auch A. Merz/ T.L. Tieleman (Hg.), The Letter of Mara bar Sarapion in Context. Proceedings of the Symposium Held at Utrecht University, 10-12 December 2009, Leiden 2012. 5 Dass das de in egō de legō hymin, das hier mit »nun« wiedergegeben wird, nicht adversativ zu verstehen ist, hat K. Wengst in seinem in diesem Heft erschienenen Beitrag ausführlich begründet. 6 Die Lykurg-Biographie Plutarchs ist in der von Hanns Floerke bearbeiteten Übersetzung Johann Friedrich Kaltwassers zugänglich in: Plutarch, Lebensbeschreibungen, Bd. 1, München 1964, 104-140. 7 Näheres hierzu bei K. Berger, Theologiegeschichte des Urchristentums, Tübingen 2 1995, 119. 8 U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus (EKK I/ 2), Zürich/ Neukirchen-Vluyn 1990, 231 f. 9 H.J. Holtzmann, Hand-Commentar zum Neuen Testament, Erster Band: Die Synoptiker.-- Die Apostelgeschichte, Freiburg 2 1892, 93. 10 So etwa P. Fiedler, Das Evangelium nach Matthäus (ThKNT 1), Stuttgart 2006, 126. 11 Eine ganz andere Frage ist, ob und wie tora-observante jüdische Christusanhänger zusammen mit nichtjüdischen Geschwistern nach dem matthäischen Konzept gemeinsame Gruppen bildeten. Ich finde im Matthäusevangelium keinen belastbaren Beleg hierfür. Muss man von getrennt organisierten Gruppen ausgehen? Aber vertrug der gemeinsame Glaube separate Gruppen? Deshalb ist als Alternative zu dem von mir skizzierten Szenario auch denkbar, dass der Matthäus-Evangelist selbstverständlich von einer Vollkonversion nichtjüdischer Christusverehrer zu einem Leben nach der Tora ausging. Diese Sicht wird vertreten von D.C. Sim, The Gospel of Matthew and Christian Judaism. The History and Social Setting of the Matthean Community, Edinburgh 1998. Zeitschrift für Neues Testament_36 typoscript [AK] - 13.11.2015 - Seite 63 - 4. Korrektur ZNT 36 (18. Jg. 2015) 63 Manuel Vogel Die Ethik der »besseren Gerechtigkeit« im Matthäusevangelium 12 Vergleichbar ist die Begegnung zwischen Maria und Elisabeth in Lk 1,43: Die als Mutter Jesu ranghöhere Maria ordnet sich Elisabeth unter, indem sie es ist, die sich zu ihr auf den Weg macht (zu ihr »kommt«), und nicht etwa umgekehrt. Elisabeth erhebt hiergegen (wie Johannes gegenüber dem »Kommen« Jesu) Einspruch und macht damit deutlich, dass sie sich ihrerseits Maria unterordnet. Zu der in Mt 3,13-15 zu beobachtenden eigentümlichen Gegenläufigkeit im Verhältnis zwischen Jesus und Johannes in den Evangelien und der Apostelgeschichte vgl. M. Vogel, Jesusgemeinden und Täufergruppen zwischen Abgrenzung und Wertschätzung-- eine Skizze, in: N. Förster/ C. deVos (Hg.), Juden und Christen unter römischer Herrschaft. Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung in den ersten beiden Jahrhunderten n. Chr. (Schriften des Institutum Judaicum Delitzschianum, Bd. 10), Göttingen 2015, 74-84. Zeitschrift für Neues Testament_36 typoscript [AK] - 09.11.2015 - Seite 63 - 4. Korrektur Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 14 - 2. Korrektur Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen • Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • Jörg Michael Bohnet Die Himmelfahrten Jesu im lukanischen Doppelwerk Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter, Band 46 2016, ca. 450 Seiten, €[D] 78,00 ISBN 978-3-7720-8216-0 Seit über vier Jahrzehnten wurden die lukanischen Himmelfahrtserzählungen monographisch nicht mehr in der deutschsprachigen Exegese untersucht. In dieser Zeitspanne sind nur wenige exegetische Monographien zum Thema erschienen. Die vorliegende Studie untersucht die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Erzählungen auf dem Hintergrund von jüdischen und paganen Texten. Dabei zeigt sich, dass Lukas von zwei getrennten Himmelfahrtsereignissen zu berichten weiß. Dementsprechend ist die Erhöhung Jesu im lukanischen Doppelwerk nicht mit den Himmelfahrten, sondern mit der Auferstehung verbunden. Die Missionsworte stehen im Zusammenhang mit dem jüdischen Universalismus und dem römischen Universalismus der Kaiserzeit. Die Apotheose des römischen Kaisers wird durch die Himmelfahrten des in der Auferstehung erhöhten Messias und Kyrios überboten. Das Geschichtsverständnis des Lukas ist endzeitlich orientiert und verfolgt kein Epochenmodell, das die Parusie verzögert. info@francke.de • www.francke.de -