eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 18/35

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2015
1835 Dronsch Strecker Vogel

Jared C. Calaway The Sabbath and the Sanctuary Access to God in the Letter to the Hebrews and its Priestly Context (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 2. Reihe 349) Mohr Siebeck ISBN 978-3-16-152365-6 Preis: 74,00 €

2015
Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 18.05.2015 - Seite 75 - 2. Korrektur ZNT 35 (18. Jg. 2015) 75 Buchreport Jared C. Calaway The Sabbath and the Sanctuary Access to God in the Letter to the Hebrews and its Priestly Context (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 2. Reihe 349) Mohr Siebeck ISBN 978-3-16-152365-6 Preis: 74,00 € Das Thema Kulttheologie spielt für den Hebräerbrief eine große Rolle. Dies ist vor allem an dem einzigartigen neutestamentlichen Motiv, Jesus als einen ewigen Priester nach der Ordnung Melchisedeks darzustellen, erkennbar. Aufgrund seines einmaligen himmlischen Selbstopfers waltet er als Heilsmittler im himmlischen Heiligtum, denn dort herrscht nach der Auffassung des unbekannten Verfassers der einzig wahre Kult, der den Zugang zur Gegenwart Gottes und die Teilnahme am himmlischen Gottesdienst ermöglicht. Jared C. Calaway widmet sich der komplexen Kulttheologie des Hebräerbriefes in seiner überarbeiteten Dissertation, die er 2010 an der Columbia Universität eingereicht hat. Der Titel »The Sabbath and the Sanctuary. Access to God in the Letter to the Hebrews and its Priestly Context« gibt den Leserinnen und Lesern bereits einen Einblick in das, was sie erwartet: Calaway beschäftigt sich mit den Ausführungen des Hebräerbriefs zum Thema Sabbat und Heiligtum, die ohne Zweifel in einen kultischen Kontext gehören. Daneben geht es um den Zugang zu Gott und um den priesterlichen Kontext, der im Hintergrund der Überlegungen steht. Der Untertitel formuliert ein existenzielles religiöses Anliegen, den Zugang zur Gegenwart Gottes. Die Ausgangsfragen des Einleitungskapitels bringen es auf den Punkt: »Who can approach the sacred and enter the divine presence? How is the sacred, and the divine presence within it, created, maintained, and accessed? « (1). Der Beantwortung dieser Fragen stellt Calaway anschließend eine Prämisse voraus: Für jüdische und frühchristliche Gemeinden gab es einige traditionelle Institutionen, die den Akt der Annäherung an Gott als ein Schauspiel mit einer dynamischen Verflechtung von heiligem Raum und heiliger Zeit illustriert haben und zwar innerhalb der priesterlichen Handlungen am Sabbat und im Heiligtum. Dieser kultische Rahmen ist dem Auctor ad Hebraeos von der hebräischen Bibel bis in die Spätzeit des Zweiten Tempels vorgegeben. In einer neuen Situation, die durch die aufstrebende Bewegung der frühen Christusverehrer entsteht, entbrennt eine Diskussion mit der jüdischen Priesterschaft über die Frage »who could mediate the access to the sacred« (1). Unabhängig davon, ob der Hebräerbrief nun früh (60-75 n. Chr.) oder spät (75-115 n. Chr.) zu datieren ist-- Calaway lässt diese Frage bis zum Schluss offen (184-202), obwohl eine Tendenz zur Spätdatierung spürbar ist (14-15)-- verliert die Priesterschaft durch den jüdischen Krieg und die Tempelzerstörung nicht nur ihre Mittlerfunktion, sondern auch den Ort ihrer Wirksamkeit. Die Lösung der Debatte gewinnt damit an Dringlichkeit. Den priesterlichen Rahmen, um den sich die Darlegung dreht, macht Calaway in der hebräischen Bibel, konkret im Pentateuch, bei Ezechiel und bei Tritojesaja aus (18,21-25). Dieser wird im Hebräerbrief christozentrisch verarbeitet. Daneben richtet der Autor die Beziehung zwischen Sabbat und Heiligtum neu aus und stellt die bisherigen Traditionen auf den Kopf, insbesondere dadurch, dass sich alle entscheidenden Kulthandlungen im Himmel abspielen. War der Sabbat vorher ein Zeitpunkt, an dem der Zugang zur göttlichen Gegenwart geöffnet wurde, bekommt er jetzt eine räumliche Funktion zugewiesen, nämlich als göttliche Sabbatruhe und himmlische Heimat (1). Die himmlische Stiftshütte wird hingegen als Zugangsort zeitlich konnotiert, indem diese als etwas, das dem zukünftigen Zeitalter angehört, dargestellt wird. Als Mittler fungiert der einzig wahre Hohepriester, Jesus. Durch seine Treue und seinen Gehorsam ist er der Einzige, der seine Anhänger reinigen, heiligen und vollenden kann, damit ihnen der Zugang zur göttlichen Gegenwart (2) und Sabbatruhe (31) gewährt wird. Bisher konnte in Wahrheit niemand die himmlische Realität Gottes betreten (2; Hebr 11,4), denn dies wurde erst durch das Selbstopfer Jesu möglich (31). Nun spielen die Themen »Sabbat« und »Heiligtum« eine herausragende Rolle in den Sabbatliedern von Qumran. Diese zieht Calaway als Quelle heran, denn sie »open up new vistas for understanding the complex priestly frameworks within the social networks with which the author and audience of Hebrews interacted« (7). Sie bieten als einzige jüdische Texte aus der Zeit des Zweiten Tempels ein Beispiel dafür, dass und wie der Sabbat und die Stiftshütte als himmlische Realität miteinander in Beziehung gesetzt werden (25) und sie beinhalten eine äußerst seltene Erwähnung eines blutigen Opfers, das sich im Himmel abspielt (28). Damit sind sie neben dem Hebräerbrief die einzige bekannte Quelle für solch eine Vorstellung. Die Konstruktion der Stiftshütte nach dem Bilde Gottes, die am Sinai an Mose ergeht (Ex 25-31; 35-40), ist ein weiteres Motiv, das den Hebräerbrief und die Sabbatlieder nach Calaway verbindet (27). Worauf er hinaus will, wird anhand seiner Kritik an einer Tendenz der bisherigen Forschung deutlich, nämlich der verbreiteten Trennung der Bereiche »Sabbat« und »Heiligtum«. Diese Trennung will Calaway überwinden, ebenso die Separation von Raum und Zeit, denn »the relationship between sacred Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 18.05.2015 - Seite 76 - 2. Korrektur 76 ZNT 35 (18. Jg. 2015) Buchreport space and sacred time provides a helpful way to discuss the historically shifting interrelationships between how people experience the world physically, ritually, and mythically« (20). An dieser Stelle wird offensichtlich, dass Calaway einen ritualtheoretischen Ansatz verfolgt. Sabbat und Heiligtum gehören nämlich nicht nur in einen kultischen Kontext und stehen in einer Wechselbeziehung, sondern »through the processes of myth-making and ritualization« wird gezeigt, »how the sacred is accessed« (21). Schließlich wird die Heiligkeit Gottes gerade räumlich durch das Heiligtum und zeitlich durch den Sabbat für die Menschen erfahrbar (21). Konkret behandelt Calaway dieses Thema im fünften Kapitel (139-177), wenn es um Rituale des Zugangs geht. Schließlich räumt er ein, dass es nicht möglich ist, alle Fragen, die der Hebräerbrief aufwirft, mit einem einzigen Schlüssel zu öffnen, misst seinem Ansatz jedoch eine hohe Erklärungsleistung für ein breites Spektrum an Forschungsfragen zu (11). Die Darstellung ist in sechs Kapitel gegliedert: Introduction (1-31); The Priestly Inheritance of Hebrews (32- 58); Entering God’s Sabbath Rest and the Heavenly Homeland in the Letter to the Hebrews (59-97); Restituating Moses’ ›Pattern‹ of the Tabernacle (98-138); Rituals of Access (139-177); Conclusions (178-206). Wie sieht der priesterliche Rahmen, der das Fundament der Argumentation bildet, aus? Darum geht es im zweiten Kapitel. Es handelt von der Beziehung zwischen Sabbat und Heiligtum in der hebräischen Bibel. Gleich zu Beginn bezieht er sich auf M. Weinfelds Untersuchung 1 , die besagt, dass die Anweisungen zum Bau der Stiftshütte in Ex 25-31 ihren Höhepunkt im Sabbat erreichen (Ex 31,12-17). Literarisch wird die sabbatzentrierte Schöpfungsgeschichte aus Gen 1,1-2,3 reflektiert. Folglich kommt es darauf an, dass Sabbat und Heiligtum in H 2 qualitativ äquivalent behandelt werden (34), was zu einer wichtigen konzeptuellen Veränderung führt: »H substituted the Sabbath for the ›resting-place‹, turning the place of rest into a time of rest and creating a new spatiotemporal dynamic between the sanctuary and the Sabbath« (37). Das Ganze gipfelt in der Ernennung des Sabbats zum heiligen Zeichen der diathēkē (»covenant« 39), die Gott mit seinem Volk am Sinai schließt (Ex 31,12-17). Nichteinhaltung wird mit Tod und Verbannung bestraft. Die neue Raum-Zeit-Dynamik bewirkt schließlich, dass der Sabbat innerhalb der Konstruktion der Stiftshütte literarisch in den Mittelpunkt des Heiligtums rückt. Die Gegenwart Gottes offenbart sich zeitlich und räumlich in Sabbat und Heiligtum, während beide die Schöpfung Gottes imitieren (45). Nachdem die »Holiness School« zur Befolgung des Sabbats aufgerufen hat, warnt Ezechiel vor der Entweihung desselben. Die Entweihung des Sabbats setzt er mit der des Heiligtums gleich (Ez 23,38-39). Ähnliches findet sich in Lev 19 (47). Die Besonderheit dieses Konzepts besteht darin, dass die Heiligkeit des Heiligtums durch den Sabbat in einem tempellosen Kontext erfahrbar wird (51). In Tritojesaja (Jes 56,1-8) prophezeit das Orakel die volle kultische Partizipation am Heiligtum als Belohnung für das Einhalten des Sabbats (54). Sogar Eunuchen und Fremdlinge sind zu dieser kultischen Feier eingeladen, was den Angaben des Deuteronomiums widerspricht (55). Als Fazit hält Calaway fest, dass Ezechiel, H und Tritojesaja theologisch die Ereignisse ihrer Zeit reflektieren und mögliche Gründe für das Exil benennen. Der Hauptgrund liegt vor allem in der Entweihung des Heiligtums und des Sabbats. Fernab des eigenen Landes gewinnt das transportable Zeltheiligtum folglich an großer Bedeutung, denn durch dieses kann die Gegenwart Gottes überall präsent sein. Die Rolle des Sabbats erfährt in diesem Kontext eine Bedeutungssteigerung: Er wird nicht nur zum zeitlichen Zugangspunkt der Heiligkeit des Heiligtums, sondern »the Sabbath is the access to the sanctuary« (58). In welcher Weise formt der Auctor ad Hebraeos diesen vorgegebenen Rahmen in Hebr 3,7-4,11 um? Calaway nennt mehrere Grundvoraussetzungen: Erstens findet im Hebräerbrief eine Transformation der »spatial land-as-rest traditions into a temporal Sabbath rest of God« statt (60). Zweitens ist Hebr 3,7-4,11 mit Hebr 11,1-12,2 in Beziehung zu setzen. Das versprochene Land wird damit zur himmlischen Heimat und Stadt (11,13-16.39-40) und greift auf das himmlische Jerusalem voraus (12,22-24; 13,10-15). Drittens ist das Eingehen in die Sabbatruhe Gottes vor allem vom inthronisierten Sohn und dem Eingehen in das Heiligtum (10,19) abhängig (61). Viertens geht es im Hebräerbrief darum, die Gemeinde zu ermahnen und sie vor einem Glaubensabfall anhand des Beispiels der Wüstengenration zu warnen. Sie sollen dazu animiert werden, Jesu Vorbild nachzueifern, damit sie die Verheißung erlangen (61). Um seiner Ermahnung Nachdruck zu verleihen wird fünftens die Verheißung der Ruhe mit Ps 95 (94LXX) verbunden und umgeformt. »Hebrews empties rest of its expected spatial dimensions and reinterprets it temporally, transforming the sacred space of the land into the sacred time of the Sabbath« (62). Sechstens kann die Exegese des Hebräerbriefs damit in einen weiten priesterlichen Kontext eingeordnet werden. Zum einen geschieht dies durch häufige Assoziationen zum Begriff katapausis in der Septuaginta (heilige Bundeslade, Ruheort im Heiligtum, Ruhe im Land und Gottes Sabbatruhe) (62). Zum anderen finden sich darin Bezugspunkte zum vorgegebenen priesterlichen Rahmen, z. B. in H, denn H erlaubt es, das Land mit den Charakteristika des Heiligtums und eines eigenen Sabbats, der alle sieben Jahre gefeiert wird, zu versehen. Dabei ist zu differenzieren zwischen »the Sabbath day itself and the Day of Atonement« (63). Siebtens ähneln die Vorstellungen des Hebräerbriefs den Traditionen des zeitgenössischen Judentums in der Spätzeit des Zweiten Tempels (Jubiläenbuch, Sabbatlieder). Dort wird der Sabbat nämlich zeitlich in Beziehung mit Himmel und Erde, Engeln und Menschen gesetzt und als Eingang in die himmlische Realität bezeichnet. Achtens ist die Sabbatruhe im Hebräerbrief mit Gottes Sabbat gleichzusetzten, sie ist ein göttlicher Seinsstatus, der nur in der himmlischen Wirklichkeit real erfahrbar ist. Im Hebräerbrief »it is only accessible in the authors’s present, ›today‹ through obedience and faithfulness and through the perfected perfecter of faith, Jesus« (63). Der Sabbat ist folglich Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 18.05.2015 - Seite 77 - 2. Korrektur ZNT 35 (18. Jg. 2015) 77 keine wöchentliche Ruhepause mehr, die es erlaubt der göttlichen Gegenwart nahe zu kommen, sondern ein anhaltender himmlischer Zustand, den man bestrebt ist zu betreten. Soweit die wichtigsten Punkte zum Transformationsprozess in Hebr 3,7- 4,11 (59-63). Ein paar Elemente, die den Prozess explizit fördern, wollen zusätzlich veranschaulicht werden: Der Transformationsprozess wird zum einen durch das Septuagintazitat von Ps 95 (94LXX) begünstigt. Während der masoretische Text die Ortsnamen Meriba und Massa anführt (Ps 95,8), steht in der LXX parapikrasmos (»Auflehnung«) und peirasmos (»Versuchung«). Damit verändert sich der Sinn des Zitats, der räumliche Sinn wird durch einen Handlungsbezug ersetzt (64). Zum anderen wird der ungehorsamen Wüstengeneration eine Ansammlung an gehorsamen Glaubenszeugen in Hebr 11,1-12,2 gegenübergestellt. Auch sie konnten die Verheißung nicht erlangen, obwohl sie den Befehlen Gottes gefolgt sind. Kanaan war in Wahrheit nämlich nicht das versprochene Land, sondern der Himmel (68). Die verheißene Ruhe ist demnach nicht bloß Land oder himmlische Heimat, sondern »holy time, the Sabbath, God’s seventh-day rest of creation« (75). Indem der Verfasser des Hebräerbriefs das Motiv der katapausis mit katepausen (»er ruhte«) in Gen 2,2 verbindet, setzt er den Begriff der Ruhe mit dem der Sabbatruhe gleich. Zusätzlich benutzt der Autor in Hebr 4,16 das Hapaxlegomenon sabbatismos (79). Dieser Ausdruck unterstreicht womöglich den neuen dauerhaften Seinsstatus des Sabbats. Wegen der vorgegebenen priesterlichen Tradition ist es für Calaway nicht überraschend, dass der Hebräerbrief »relates entering Sabbath rest to approaching the throne and entering the sanctuary in the exhortation« (80). Dabei imitieren die Anhänger im kultischen Akt des Betretens der Sabbatruhe und des Heiligtums Gott und Jesus (eiserchomai: »eintreten«; proserchomai: »hinzutreten«; engizomai: »sich nähern«). Speziell die Priester gehören zum Personenkreis derer, die sich Gott nähern dürfen (Hebr 10,1). Die Sprache ist »high priestly« und während die Glaubenden »imitate God […] [and] Jesus« werden sie zu »heavenly high priests themselves. But it all begins with Sabbath rest, a day, in fact the day, today, a new Day of Atonement« (80). Wie verhält es sich schließlich mit den »rituals of access« im Hebräerbrief? Als Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die »ritualization of Jesus’ crucifixion« zu nennen, denn diese führte zu seiner Inthronisierung und gestattet es seinen Anhängern, das himmlische Heiligtum und die Sabbatruhe zu betreten (139). Ritualisierung versteht Calaway in Anlehnung an Bell 3 als einen Prozess »by which certain objects, events, times, and places are set apart from their mundane counterparts« (139, FN 1). Dieser Vorgang führt einerseits zur Manipulierung des ursprünglichen Kontexts einer Aussage (142). Andererseits zeigt sich, dass viele Aussagen auf einem Vorgängermodell einer bestimmten Erzählung beruhen, die wiederum als Modell für die nächste Erzählung dient. Dabei wird ersichtlich, dass »the textualization that accompanies ritualization« (143) das einzige Fenster ist, das wir besitzen. In einer ritualisierten Umgebung können Texte in einer Vielzahl an Möglichkeiten Anwendung finden. Gerade für das Verständnis von antiken Riten ist diese Zugangsweise entscheidend, um »the representation of ritualization« zu interpretieren, gerade wenn es darum geht »how rituals align sacred space and time« (144). Mit dieser Strategie will Calaway beweisen, dass der Auctor ad Hebraeos bestimmte Traditionen aus der hebräischen Bibel aufnimmt und diese innerhalb von neuen sozio-historischen Bedingungen verarbeitet und aktualisiert. Den Fokus legt er dabei auf das einmalige Selbstopfer Jesu und die Frage, wie dieses im Hebräerbrief zu einem neuen und unwiederholbaren Versöhnungstag wird, der in seinem ursprünglichen Kontext eigentlich ein Sabbat ist (144): »This ritual event relies upon previous iterations of the Day of Atonement, which in H shares the characteristics of the Sabbath« (140). Letztendlich ist dieses Ereignis die »story of Hebrews« (140), die die himmlische Raum-Zeit miteinander verknüpft. Fasst man die bisherigen Erkenntnisse zusammen, so bildet der priesterliche Rahmen m. E. den Kontrapunkt der Untersuchung von Calaway. Die Aussagen des Hebräerbriefs sind die alternierende Stimme. Die Melodie erklingt hauptsächlich in dem Transformationsprozess des (himmlischen) Sabbats und (himmlischen) Heiligtums. Doch ergeben sich in meinen Augen an einigen Stellen Dissonanzen in der Komposition. Calaways Deutung des Begriffs proserchomai als kultischen Terminus (80) erscheint mir problematisch. Dieser ist, wie Riggenbach 4 und Gräßer 5 gezeigt haben, kein terminus technicus für das Nahen des Priesters zu Gott, weder im Hebräerbrief (vgl. 10,1; 7,25), noch im Alten Testament (vgl. Ex 16,9; Lev 9,5). Der Begriff wird höchstens in einem Kontext gebraucht, in dem der Priester durch das Herantreten die Absicht verfolgt, einen heiligen Dienst zu verrichten (vgl. Lev 9,7f; 21,17f; Num 16,40). Auch möchte ich der Behauptung, dass die Glaubensgemeinde »as heavenly high priests themselves« im himmlischen Heiligtum agiert und Jesus nachahmt (80, 176-177), widersprechen. Für den Auctor ad Hebraeos gibt es nur einen einzigen wahren Hohenpriester, nämlich Jesus, der im Himmel in seiner Mittlerfunktion waltet und seinen Anhängern den Zugang in das Allerheiligste öffnet. Ihre Nachahmung besteht darin, seinem Vorbild in Gehorsam und Glaubenstreue nachzueifern, damit sie der anstehenden Vollendung teilhaftig werden können. Nicht eindeutig beantwortet bleibt die Frage, ob der Hebräerbrief platonische oder nicht-platonische Begriffe benutzt. In der Einleitung behauptet Calaway »Hebrews does often use Platonic-sounding language« (10) und später »Hebrews consistently uses Platonic terms in un-Platonic ways« (108). Das Verhältnis von Raum und Zeit erscheint mir etwas eingeengt, da sich dieses bei Calaway im Grunde nur zwischen Sabbat und Heiligtum bewegt. Dies ist selbstverständlich dem Thema geschuldet. Die Verschränkung der perfektischen, präsentischen und futurischen Aussagen sowie ihr spannungsgeladenes Verhältnis zueinander lassen sich allerdings nicht dadurch auflösen, dass der Sabbat räumliche und die Stiftshütte zeitliche Charakteristika zugesprochen bekommen (29). Eine Verschränkung von Raum und Zeit im Ritual als Lösungsansatz scheint mir an dieser Stelle ein produktiver Irrtum zu Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 18.05.2015 - Seite 78 - 2. Korrektur 78 ZNT 35 (18. Jg. 2015) Buchreport sein. Hier wäre es sinnvoller, den Fokus auf den gesamten Hebräerbrief zu legen, da anders die komplexe Zeitstruktur nicht angemessen erfasst werden kann. Insgesamt ist Calaways Darstellung gut komponiert. Seine Thesen und Argumente sind klar formuliert und ausführlich begründet. Die Sabbatlieder als eine Quelle zu benutzen, erscheint mir zum gegenwärtigen Stand der Hebräerbriefforschung förderlich zu sein. Calaway fertigt sogar eine eigene Übersetzung der relevanten Stellen an. Beide Schriften unter den Oberbegriffen »Sabbat« und »Opfer/ Heiligtum« in Beziehung zu setzen, ist als Gewinn anzusehen. In diesem Kontext erweist sich ein ritualtheoretischer Ansatz als fruchtbar. Die »broad similarities and rare traits« zwischen den Sabbatliturgien und dem Hebräerbrief müssen allerdings explizit differenziert werden (182). Diese sind m. E. auf das Alte Testament insgesamt zurückzuführen. Ob der unbekannte Verfasser die Vision eines urbildlichen Tabernakels tatsächlich genauso verarbeitet wie die Sabbatlieder (184), ist fraglich. Genauso ist in Bezug auf das himmlische Opfer zu unterscheiden. Dieses ist in der Sabbatliturgie das Ziel des himmlischen Kultgeschehens, während das Opfer Jesu im Hebräerbrief einem bestimmten Zweck dient. Es scheint mir, dass die Sabbatlieder dabei helfen können strukturell-thematische Vergleiche anzustellen, jedoch wenig dazu beitragen, wenn es um traditionsgeschichtliche oder ganz konkrete Fragen zum Hebräerbrief geht. Dieser Sachverhalt bedarf demnach einer weiterführenden Diskussion. Positiv finde ich den Ausblick auf künftige Forschungsideen zu diesem Thema (202-206). Beachtenswert ist auch die Auswahl der Literatur: Es finden sich viele wichtige deutsche Titel, was im anglo-amerikanischen Raum keine Selbstverständlichkeit darstellt. In Anlehnung an Backhaus kann ich abschließend sagen, dass der Hebräerbrief »ein harter Knoten« 6 ist, der sich durch das Herausziehen einzelner Fäden nicht lösen lässt. Calaway nimmt diese Herausforderung dennoch an und leistet einen Beitrag zu einer Annäherung an ein kompliziertes Thema. (rez. von Elena Belenkaja) Anmerkungen 1 M. Weinfeld, Sabbath, Temple and the Enthronment of the Lord-- the Problem of the Sitz im Leben of Genesis 1: 1-2: 3, in: A. Caquot/ M. Delcor (Hg.), Mélanges bibliques et orientaux en l’honneur de M. Henri Cazelles (AOAT 212), Neukirchen- Vluyn 1981, 501-512. 2 Calaway benutzt dieses Kürzel für die »Holiness School« und nicht für den Heiligkeitstext, vgl. Calaway, The Sabbath and the Sanctuary, 32, FN 1. 3 Vgl. C. Bell, Ritual Theory, Ritual Practice, Oxford 1992. 4 E. Riggenbach, Der Brief an die Hebräer (KNT 14), Leipzig/ Erlangen 2/ 3 1922 (Nachdruck: Wuppertal 1987), hier: 121 f. 5 E. Gräßer, An die Hebräer (EKK XVII/ 1),Zürich/ Neukirchen-Vluyn 1990, hier: 259. 6 Der Begriff geht zurück auf Luther; vgl. dazu K. Backhaus, Zwei harte Knoten: Todes- und Gerichtsangst im Hebräerbrief, in: NTS 55 (2009), 198-217, hier: 199. Bruno Kern Theologie der Befreiung UTB S, 2013, 144 Seiten, €[D] 12,99 ISBN 978-3-8252-4027-1 Die Theologie der Befreiung ist einer der wirkmächtigsten Ansätze systematischer Theologie aus jüngerer Zeit. Die Kenntnis von Geschichte, Methode und Hauptinhalten ist im Theologiestudium beider großer Konfessionen Grundvoraussetzung. Innerhalb des theologischen Diskurses wurden zentrale Gedanken der Theologie der Befreiung von vielen anderen Ansätzen systematischer Theologie rezipiert, etwa von der „Politischen Theologie“ (J. Moltmann, J.B. Metz), der Feministischen Theologie u.ä. Der Band fasst die Grundinformationen zu dieser wichtigen theologischen Strömung zusammen und erläutert sowohl die theologischen Grundlagen als auch die Auswirkungen in der Kultur und Kirche der Gegenwart. Die „Hinwendung zu den Armen“ im Christentum wird so greifbar und verständlich. Glossar und Chronologie vervollständigen den Überblicksband.