eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 18/35

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2015
1835 Dronsch Strecker Vogel

Einleitung zur Kontroverse: Setzt die Brotrede Joh 6 das Abendmahl voraus?

2015
Kristina Dronsch
Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 22.04.2015 - Seite 53 - 2. Korrektur ZNT 35 (18. Jg. 2015) 53 Einleitung zur Kontroverse: Setzt die Brotrede Joh 6 das Abendmahl voraus? Die Kontroverse zum Thema »Setzt die Brotrede Joh 6 das Abendmahl voraus« ist nicht ein Streit um Worte. Nein: Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage. Was in dem berühmten Monolog von Hamlet eine existenzielle Frage nach Leben und Tod war, wird in der folgenden Auseinandersetzung der Disputpartner zu einer essenziellen Frage nach dem Leben des biblischen Textes, in der es im Kern um das angemessene und richtige Verstehen biblischer Texte geht. Dabei gehen sowohl Udo Schnelle als auch Jan Heilmann übereinstimmend davon aus, dass Joh 6 ein Text ist, der mit der Domäne des Symbolischen und Metaphorischen zu assoziieren ist. Innerhalb dieser Logik eines symbolisch/ metaphorisch konstituierten Weltverhältnisses sind beide Autoren überzeugt, dass der Text als eine Oberfläche gilt, dessen Tiefenstruktur es jeweils zu entbergen gilt. Sie unterscheiden sich jedoch fundamental in der Art und Weise, was es wie zu entbergen gilt bei Joh 6. Udo Schnelles Grundüberzeugung ist, dass Joh 6 das Abendmahl voraussetzt, weil theologische Sinnbildung in Joh 6 gerade am Kreuzpunkt von Ritual und Symbol geschieht. Salopp formuliert ist für Udo Schnelle das Abendmahl, oder, um es etwas genauer zu sagen, die Eucharistie, ein Teil der DNA der frühen johanneischen Gemeinde, an die sich das Johannesevangelium adressiert, und an der sich gerade zeigt, dass die Symbolik im Text einen Wirklichkeitsbezug im Leben der Adressat_innen hat-- eben die Eucharistiefeier. Dieses Verhältnis von biblischem Text und außertextueller Referenz wird von Jan Heilmann bestritten. Heilmanns exegetischer Blick ist dabei auf die Rezeptionskontexte der johanneischen Schrift gerichtet und von dem Gesichtspunkt der Rezeption aus macht er darauf aufmerksam, dass es keineswegs der Kenntnis der Eucharistiefeier bedarf, um Joh 6 mit einem Sinn zu versehen. Unter Einbeziehung der konzeptuellen Metapherntheorie Lakoffs zeigt Heilmann auf, dass das in Joh 6 verwendete Metaphernnetz weit mehr als eine rhetorische Figur und sprachliche Spielerei ist, sondern die Metaphern an der Schnittstelle zwischen Wahrnehmen und Handeln auf der einen und Denken auf der anderen Seite stehen-- und von daher gelangt Heilmann zu dem Ergebnis, dass der Text Joh 6 durchaus als ritualprägend angesehen werden muss, aber eben unter der Voraussetzung seiner Rezeption. Das argumentative Armdrücken zwischen Schnelle und Heilmann stellt in der folgenden Kontroverse energisch die Frage, wie wir biblische Texte verstehen sollen und zeigt in dieser verbalen Konfrontation zu Joh 6, dass die Frage, wie wir biblische Texte verstehen können, immer unausweichlich ist. Kristina Dronsch Kontroverse