eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 18/35

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2015
1835 Dronsch Strecker Vogel

Was bei Tisch passiert: Ein ritualtheoretischer Blick auf die eucharistischen »Einsetzungsworte«

2015
Hal Taussig
Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 15 - 2. Korrektur ZNT 35 (18. Jg. 2015) 15 In diesem Beitrag soll es unter anderem um wichtige Entwicklungen auf zwei Forschungsfeldern während der letzten drei Jahrzehnte gehen, genauer gesagt um die Überschneidungen zwischen beiden Feldern. Es handelt sich erstens um die Ritualwissenschaft und zweitens um die Geschichte der Festmähler der Jesus-Christus- Bewegungen [Jesus/ Christ(ian) movements] während der ersten beiden Jahrhunderte 1 . Die auf beiden Feldern erzielten Fortschritte haben in ihrem Zusammenspiel unser Verständnis des kultischen und gottesdienstlichen Lebens der Jesus-Christus-Bewegungen des 1. und 2. Jh. wesentlich befördert. Der Ertrag dieser Forschungen besteht namentlich in einer historischen und literarischen Neubewertung der eucharistischen »Einsetzungsworte«. Deren ritualwissenschaftliche Analyse muss im Rahmen eines Aufsatzes notwendigerweise holzschnittartig bleiben. Ihr wesentlicher Ertrag für die Einsetzungsworte im Kontext der Abendmahlstexte ist aber auch auf begrenztem Raum darstellbar. Während der genannten drei Jahrzehnte wurden in Europa, Nordamerika und Australien auf dem Schnittfeld von Ritualwissenschaft und der Erforschung frühchristlicher Mähler wesentliche Fortschritte erzielt. Gemeinsames Forum waren während der letzten fünfzehn Jahre wesentlich die Seminare der Society of Biblical Literature (SBL) zum Thema Meals in the Greco-Roman World (2002-2015). Wichtige internationale Forschungsinitiativen verdanken sich außerdem den Sitzungen der SBL International meetings, 2 dem Forschungsschwerpunkt zu frühchristlichen Mählern an der Technischen Universität Dresden 3 , sowie den Seminaren zum selben Themenfeld an der Universität Basel 4 . Diese miteinander vernetzten Projekte haben vier Sammelbände 5 und mindestens fünf Monographien 6 hervorgebracht, in denen ritual studies und Forschungen zu frühchristlichen Mählern einander vielfältig bereichern und ergänzen und unser Verständnis der sozialen und kultischen Dimensionen der Jesus- Christus-Bewegungen und des (sonstigen) Judentums im 1. und 2. Jh. befördern. Auf zwei wichtige Studien noch aus der Zeit vor den miteinander vernetzten Forschungsinitiativen auf der SBL, in Dresden und Basel, die diesen Projekten den Weg gewiesen haben, sei eigens hingewiesen. Sie sind unabhängig voneinander auf zwei verschiedenen Kontinenten entstanden, sind aber zu ganz ähnlichen neuen Fragestellungen und Einsichten vorgedrungen. Matthias Klinghardts Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft: Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern und Dennis Smiths From Symposium to Eucharist: The Banquet in the Early Christian World sind unter Anwendung neuer Begriffe und Typologien zu einer neuen Sicht auf die Entstehung und Entwicklung frühchristlicher Mähler gelangt. Beide Werke unterzogen die traditionellen Theorien über die Herkunft der frühchristlichen Mahlfeiern einer profunden Kritik 7 und setzten an die Stelle unterschiedlicher Mahltypen eine einzige archäologisch und literarisch breit bezeugte Grundform griechisch-römischer Festmähler, die im gesamten Mittelmeerraum verbreitet war. Dennis Smith beschreibt diese Mahlform wie folgt: »Förmliche Mahlzeiten in der Kultur des hellenistischrömischen Mittelmeerraumes in frühchristlicher Zeit folgten überall dem gleichen Muster. Ungeachtet vieler unterschiedlicher regionaler und gruppenspezifischer Ausprägungen einzelner Mahlsitten legen die Quellen eine einheitliche Mahlform mit einem überall in der antiken Welt geläufigen Verstehensrahmen nahe.« 8 Matthias Klinghardt unterstreicht diese Auffassung 9 und betont, dass diese neue Sicht etablierte Unterscheidungen der älteren Forschung (jüdisch/ hellenistisch, privat/ vereinsförmig) aufhebt: Es bestehe »grundsätzlich kein Unterschied zwischen hellenistisch-paganen und jüdischen Gemeinschaftsmählern […]« und es sei »nicht ratsam Privat- und Vereinsmahlzeiten getrennt zu behandeln« 10 . Ich selbst habe die von Klinghardt und Smith erarbeiteten Merkmale des griechisch-römischen Mahles wie folgt zusammengefasst: • Das »zu Tisch liegen« mehr oder weniger aller Mahlteilnehmer beim gemeinsamen Essen und Trinken in den Abendstunden, • die Mahlordnung »Abendessen« (deipnon) zur Sättigung, gefolgt von einer längeren Zeitspanne gemeinsamen Trinkens, verbunden mit Gesprächen und/ oder Darbietungen, • der gestaltete Übergang vom deipnon zum symposion mit einer zeremoniellen Libation, in den allermeisten Fällen mit Wein, • die Mahlleitung durch einen »Präsidenten« (Symposiarch), mit wechselnder Besetzung, die bisweilen Anlass zu Diskussionen gab, HalTaussig Was bei Tisch passiert: Ein ritualtheoretischer Blick auf die eucharistischen »Einsetzungsworte« Zum Thema Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 16 - 2. Korrektur 16 ZNT 35 (18. Jg. 2015) Zum Thema hundertfünfzig bis zweihundert Jahre 16 weitestgehend auf der Partizipation der Jesus-Christus-Bewegungen an der beschriebenen griechisch-römischen Mahlpraxis fußte. Überzeugend formuliert Andrew McGowan: »[D]ie Eucharistie gleicht nicht einem Festmahl. Sie ist ein Festmahl« 17 . Ein stärker formalisiertes Ritual, das sich auf die symbolische Teilhabe an Brot und Wein beschränkte, hat es mindestens während der ersten hundertfünfundzwanzig Jahre nicht gegeben. Stattdessen ist von einer noch viel länger andauernden frühchristlichen Praxis auszugehen, die sich an der Form ausgedehnter Festmähler orientierte. Der vorliegende Beitrag wird sich mit den Konsequenzen dieses Befundes für die sogenannten »Einsetzungsworte« und die spätere eucharistische Praxis der christlichen Messe befassen. 1. Ritualtheorie nach Eliade, Jung und L vi-St auss Das 20. Jh. erlebte allerorten eine Abwendung von den sozialen Perspektiven auf das Ritual, die für Emil Durkheim, Max Weber und Karl Marx maßgeblich waren, hin zu universalisierenden Ansätzen. Mircea Eliade, Carl G. Jung und Claude L vi-Strauss waren je auf ihre Weise an der kulturübergreifenden Bedeutung von Ritualen interessiert. Diese Suche nach universalen Strukturen des Rituals bestimmte die ersten acht Jahrzehnte des 20. Jh. Obwohl die Bibelwissenschaft weder von diesem noch von jenem Ansatz nennenswert Notiz genommen hat, ist doch zu vermuten, dass sie mit der universalisierenden Perspektive von Eliade, Jung und L vi-Strauss besser zurecht kam und unterschwellig davon beeinflusst war. Seit den 1980er Jahren hat man nach Struktur und Sinn von Ritualen wieder verstärkt im Kontext partikularer kultureller und sozialer Formationen gefragt. Die Bedeutung der ritual studies liegt in dieser Fokussierung auf konkrete lokale Kontexte. Sie haben damit auch zu einem neuen Verständnis früher jüdischer und christlicher Rituale beigetragen, vor allem der Mahl-Rituale. Soham A-Suadi charakterisiert die neue Forschungssituation wie folgt: • eine Vielzahl möglicher Randfiguren, darunter Diener, ungebetene Gäste, »Unterhalter«, Hunde 11 . Die von Smith und Klinghardt unabhängig voneinander beschriebene Grundform fand in den 1990er Jahren weithin Beachtung 12 und wurde 2005 vom SBL- Seminar den Forschungen und Veröffentlichungen der folgenden zehn Jahre zu Grunde gelegt 13 . Damit war die Vielzahl von Mahltypen, die seit einem Jahrhundert gegeneinander in Anschlag gebracht worden waren, überwunden 14 . Es folgten zahlreiche Studien, die das Smith-Klinghardt’sche Mahl-Paradigma auf ein großes Spektrum neutestamentlicher und anderer frühchristlicher Texte anwendeten. Aus den frühen 1990er Jahren stammt das von Smith und mir verfasste Werk Many Tables: The Eucharist in the New Testament and Liturgy Today, in welchem erstmals Ritualtheorien auf diese griechisch-römische Mahl-Typologie angewendet wurden. Es wurde rasch ergänzt durch den Band von Klinghardt und den von ihm durchgeführten Ritual-Analysen 15 . Die Bedeutung dieser und der anderen bereits genannten Publikationen besteht in der gemeinsamen Annahme, dass das frühchristliche kultische bzw. gottesdienstliche Leben während der ersten Prof. Dr. Hal Taussig (Methodist Theological School in Ohio, M.Div., 1973; Union Institute, Ph. D., 1975) ist seit 2001 Visiting Professor of New Testament am Union Theological Seminary in New York und seit 2006 Professor of Early Christianity am Reconstructionist Rabbinical College in Wyncote, Pennsylvania. Taussig gilt als Experte auf dem Forschungsgebiet frühchristlicher Mähler und Mahlfeiern im griechisch-römischen Kulturraum. Er ist Autor des renommierten Werkes »In the Beginning Was the Meal: Social Experimentation and Early Christian Identity, Minneapolis 2009«. Prof. Dr. Hal Taussig »Seit den 1980er Jahren hat man nach Struktur und Sinn von Ritualen wieder verstärkt im Kontext partikularer kultureller und sozialer Formationen gefragt. Die Bedeutung der ritual studies liegt in dieser Fokussierung auf konkrete lokale Kontexte. Sie haben damit auch zu einem neuen Verständnis früher jüdischer und christlicher Rituale beigetragen, vor allem der Mahl-Rituale.« r é é é Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 17 - 2. Korrektur ZNT 35 (18. Jg. 2015) 17 Hal Taussig Was bei Tisch passiert: Ein ritualtheoretischer Blick auf die eucharistischen »Einsetzungsworte« »Die Relationalität, in der Objekte und Handlungen verstanden werden sollen, fordert die Ritualtheoretiker dazu auf, den rituellen Kontakt genauer anzuschauen. Dort, wo Anthropologen begonnen haben, Mahlgemeinschaften zu analysieren, werden sie aufgefordert, unter anderen Bedingungen wieder anzufangen-- bei den situativen Kontexten. Dieses Mal tun sie es nicht mit dem Anspruch, eine allgemeine rituelle Gültigkeit zu ermitteln, sondern die rituelle Verschiedenheit zu würdigen« 18 . An diese Einschätzung schließt Al-Suadi ein Zitat von Johanthan Z. Smith an, einem der wichtigsten Ritualforscher an der Wende zum 21. Jh.: »[I]n der Kultur gibt es keinen Text. Alles ist Kommentar […]. Es gibt keinen Uranfang. Alles ist Geschichte.« 19 J. Z. Smiths Arbeiten 20 stehen zusammen mit denen von Catherine Bell am klarsten und umfassendsten für den ritualtheoretischen Perspektivwechsel während der letzten dreißig Jahre. Obwohl die Arbeiten von Victor Turner 21 , Mary Douglass 22 und Pierre Bourdieu 23 Wesentliches zur Ritualtheorie beigetragen haben, stützt sich die vorliegende forschungsgeschichtliche Skizze hauptsächlich auf Bell und J. Z. Smith 24 . In meinem Buch In the Beginning Was the Meal: Social Experimentation and Early Christian Identity von 2009 bin ich einer älteren Interpretation der Ritualtheorie von J. Z. Smith gefolgt 25 , die von drei »einander überlagernden Wirkungen auf die involvierten Gruppen« ausgeht. Dies habe ich wie folgt ausgearbeitet: 1. Ein Aufmerksamwerden oder Wahrnehmen einer Begebenheit, einer Struktur oder einer dynamischen Kraft innerhalb einer Situation: Nach J. Z. Smith machen Rituale generell auf ein problematisches Ereignis oder Muster im Lebenszusammenhang einer distinkten Gruppe aufmerksam. Rituale verweisen pointiert, wenn auch zumeist symbolisch und indirekt, auf diese problematischen Größen. Die rituellen Markierungen solcher Aspekte im Lebenszusammenhang der Ritualteilnehmer »lösen nicht das Problem, überwinden nicht das Missverhältnis, lösen nicht die Spannung auf. Vielmehr zeitigen sie den Gedanken. Sie stellen die Eignung und Verwendbarkeit traditioneller Muster und Kategorien für neue Situationen und Gegebenheiten auf die Probe, in der Hoffnung, zu einer Lösung zu gelangen« 26 . Insofern sind Rituale eine »Fokussierlinse« 27 , die problematische Phänomene sichtbar macht. 2. Eine Vervollkommnung oder Rationalisierung solcher beobachteter Phänomene: Catherine Bell versteht J. Z. Smiths Auffassung wie folgt: »Das Ritual veranschaulicht für Smith einfach die ideale Weise, auf welche die Dinge in dieser Welt organisiert werden sollten« 28 . In der konstruierten Umgebung des Rituals werden die problematischen Phänomene wegerklärt oder beschönigt. In seinem Aufsatz The Bare Facts of Ritual 29 befasst sich J. Z. Smith kritisch mit einer Reihe älterer Interpretationen eines sibirischen Rituals, in dem ein Bärenjunges gefangen, innerhalb eines Dorfes großgezogen und dann zeremoniell geschlachtet wird. Smith sieht in diesem Geschehen nicht ein archetypisches Opferritual, sondern eine rituelle Vervollkommnung der lebensnotwendigen Bärenjagd, die für die Menschen in Sibirien oft auf tragische Weise misslingt. Aus seiner Sicht »erlaubt das Ritual darzustellen, dass wir wissen, was hätte getan werden und was hätte stattfinden müssen. Aber weil es um eine rituelle und nicht um eine alltägliche Handlung geht, wird demonstriert, dass wir wissen, ›was der Fall ist‹. Das Ritual eröffnet einen Raum für die Reflexion und Rationalisierung der Tatsache, dass das, was hätte getan werden müssen, nicht getan wurde, und dass dasjenige, das hätte passieren müssen, nicht passiert ist« 30 . 3. Eine Konstatierung einer Differenz innerhalb des sozialen Körpers. In bestimmten Fällen handelt es sich bei dem problematischen Phänomen um eine Differenz innerhalb der betreffenden Gesellschaft oder Gemeinschaft. Dann stehen üblicherweise unterschiedliche symbolische Handlungen innerhalb des Rituals beieinander, die die Differenzen innerhalb der Gruppe markieren. Für J. Z. Smith ist wichtig, dass das rituelle Sichtbarmachen von Unterschieden zwischen Angehörigen einer Gruppe schwerlich eine Überwindung dieser Unterschiede evoziert. Vielmehr gehe es darum, sich mit den Unterschieden in einer Weise zu arrangieren, die sämtliche involvierte Parteien anerkennt. Diese spezifische Ritualdynamik lässt sich anhand seiner ausgedehnten Studien zu nahöstlichen Tempelritualen veranschaulichen 31 . Die soziale Differenz, mit der Ethnien im Nahen Osten sich regelmäßig auseinanderzusetzen hatten, waren, so Smith, die einander widerstreitenden Machtansprüche von Königen und Priestern, und, davon abgeleitet, von priesterlichen und monarchischen Klassen. J. Z. Smith zeigt, wie choreographierte Bewegungen und Sitzordnungen von König und Priester in Tempeln ihre jeweiligen Ansprüche innerhalb der Gesellschaft markieren. Diese ritualisierten Bewegungen und Sitzordnungen sind nicht dazu da, den Machtkampf zu entscheiden, sondern ihm eine sichtbare Gestalt zu geben und ihn damit als gegeben anzuerkennen. An anderer Stelle habe ich den von J. Z. Smith erzielten Durchbruch im Verständnis des Rituals als eines kreativen Umgangs mit sozialen Differenzen wie folgt beschrieben: Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 18 - 2. Korrektur 18 ZNT 35 (18. Jg. 2015) Zum Thema »Rituelle Symbole erlauben die Wahrnehmung und Anerkennung sozialer Differenzen, ohne dass dies notwendigerweise mit dem Versuch verbunden wäre, diese zu beseitigen. Damit wird das Leben der Gruppe, in der soziale Unterschiede bestehen, auf ganz eigene Weise organisiert: Anstelle einer gemeinsamen und endgültigen Lösung des Problems sozialer Unterschiede erlauben die vieldeutigen rituellen Symbole die indirekte Anerkennung dieser Unterschiede und damit auch jeder einzelnen Untergruppe als Grundlage für eine andauernde, vorläufige und einem ständigen Revisionsprozess unterliegende Bildung von Kompromisslösungen. Endgültige Auflösungen von Differenzen ziehen fast immer die Eliminierung bewährter differenter Perspektiven nach sich. Dagegen stärkt die andauernde rituelle Gestaltung und Anerkennung von Differenzen die jeweiligen Untergruppen.« 32 J. Z. Smiths Ritualtheorie ist für die Analyse der sozialen Funktionen hellenistischer Mähler besonders erhellend, weil sie erlaubt, diese Funktionen in verschiedener Hinsicht in den weiteren Kontext ihrer Zeit zu stellen. Wir sind mithilfe seiner Sicht des Rituals als einer Fokussierlinse im Stande, anhand von Mahlritualen vielfach zu einer differenzierteren Sicht der hellenistischen Ära zu gelangen. Das Augenmerk dieser Theorie auf die »vorläufige Vervollkommnung« in Bezug auf rituell symbolisierte Probleme ist namentlich für den bereits beobachteten experimentellen Charakter hellenistischer Mähler erhellend. Beispielsweise wurde die Armut als gesellschaftlich weit verbreitetes Phänomen in mehrerer Hinsicht »perfekt« gehandhabt. Einige Gruppen wählten den Weg, für jeden Mahlteilnehmer gleich große Portionen sicherzustellen. Oder man verteilte, was übrig blieb, an Bedürftige 33 . Vor allem aber schärft J. Z. Smiths Auffassung des Rituals als Markierung innergruppaler Unterschiede den Blick dafür, wie hellenistische Mähler die manifeste ethnische Vielfalt und Disparatheit des hellenistisch-römischen Mittelmeerraumes aufnahmen und verarbeiteten. So wird viel klarer, inwiefern diese Mähler selbst zu sozialen Experimenten werden konnten. 34 Wichtig ist der Hinweis, dass J. Z. Smith das Ritual nicht auf einer kosmischen Ebene interpretiert. Für ihn ist das Ritual eine gemeinsame menschliche Arbeit an Dimensionen des Lebens, die als problematisch erfahren werden. Das Ritual bemerkt, bedenkt und imaginiert Weisen der Veränderung oder Verbesserung dieser Dimensionen. Das Ritual transformiert nicht das Leben, öffnet es nicht einer göttlichen Ebene oder Wesenheit, regiert es auch nicht. Das heißt nicht, dass das Ritual nicht auch solche verändernden oder stabilisierenden Effekte haben kann. Vielmehr spielen diese Momente in den sozialen Strukturen und im menschlichen Bewusstsein von den besonderen problematischen Dimensionen des Lebens eine wichtige Rolle. Es ist in dem Maße hilfreich, wie es dazu anleitet, diese Dimensionen zu reflektieren oder sich bewusst zu machen. Außerdem deckt J. Z. Smiths Ritualbegriff auch solche Handlungen ab, die nicht notwendigerweise hochgradig formalisiert oder institutionalisiert sind. Auch bestimmte Muster alltäglichen Verhaltens, die dazu verhelfen, mit andauernd ungelösten Rätseln, Komplikationen oder Störungen des Lebens in seiner ganzen Breite zurecht zu kommen. Obwohl ich J. Z. Smiths Ritualtheorie hilfreich finde, menschliches Verhalten insgesamt besser zu verstehen, scheint mir diese doch von besonderem Wert zu sein, wenn es darum geht, die Mähler der Jesus- Christus-Bewegungen der ersten beiden Jahrhunderte inmitten ungehobelter, ungleich organisierter und teils ekstatischer, teils chaotischer Verhaltensweisen besser zu verstehen. 35 Seine Theorie verhilft dazu, das »kultische« bzw. »rituelle« Leben der frühen Jesus-Christus- Bewegung im größeren sozialen Zusammenhang der vielfältigen gesellschaftlichen Herausforderungen zu verstehen, denen diese Gruppen ausgesetzt waren. Die Erforschung frühchristlicher Mähler gibt dann Aufschluss über Erfahrungen imperialer Gewalt, gender-Auseinandersetzungen innerhalb der Gemeinden, Armut, Mobilität und Handel, kulturübergreifende Kontakte und gegenkulturellen Widerstand. 36 Die Auffassung von Catherine Bell stimmt wie gesagt mit der von J. Z. Smith im Wesentlichen überein. Bells analytischer Zugang unterscheidet sich jedoch von demjenigen J. Z. Smiths, ebenso die von ihr verwendeten Begriffe. Al-Suadi notiert dazu: »Bell nimmt […] die alte Fragestellung von Körperlichkeit, Macht, praktischer Methodik, Beziehung zwischen Ritual und Gesellschaft und Performanz neu auf. Doch anders als ihre Vorgänger untersucht Bell die Abhängigkeit dieser Begriffe zueinander und verneint damit, dass das Ritual eine innere, universal gültige Kategorie oder Eigenschaft menschlichen Verhaltens ist. Um nicht in kulturelle oder historische Konstruktionen des Rituals zu verfallen, benutzt Bell nicht den Begriff ›Ritual‹, sondern ›Ritualisierung‹. »Die Erforschung frühchristlicher Mähler gibt […] Aufschluss über Erfahrungen imperialer Gewalt, gender- Auseinandersetzungen innerhalb der Gemeinden, Armut, Mobilität und Handel, kulturübergreifende Kontakte und gegenkulturellen Widerstand.« Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 19 - 2. Korrektur ZNT 35 (18. Jg. 2015) 19 Hal Taussig Was bei Tisch passiert: Ein ritualtheoretischer Blick auf die eucharistischen »Einsetzungsworte« […] [E]ntscheidend für den Begriff der Ritualisierung ist der innere Zusammenhang im Zusammenspiel mit und im Kontrast zu anderen Praktiken. Insofern wäre jeder Versuch, eine kulturübergreifende bzw. universale Bedeutung des Rituals zu erheben, wenig sinnvoll. Dies bedeutet auch, dass die Bedeutung rituellen Verhaltens nicht darin liegt, dass es einen völlig separaten Modus des Handelns darstellte, sondern darin, wie sich solche Handlungen als von anderen unterschieden und im Kontrast zu diesen konstituieren […]. Rituelles Handeln ist zuerst und vor allem eine Sache nuancierter Kontraste und der Herausbildung strategischer wertbehafteter Unterscheidungen (Bell, 1992, 90). Sie versteht das Ritual folglich nicht als bestimmte Handlungen, sondern als Handlungsweise (»way of acting«). Mit diesem Umgang bezieht sich die Ritualisierung nicht nur auf eine Nichtübereinstimmung zwischen Ideal und Realität, sondern auf einen Widerspruch zwischen der kulturellen Ordnung und der Bedingung des historischen Moments. Besonders in Situationen, in denen Widersprüche etabliert werden, eignet sich der Begriff der Ritualisierung.« 37 Für Bell meint »Ritualisierung« die »Fähigkeit, elementare Muster auf eine Weise anzuwenden und mit diesen zu spielen, sie zu manipulieren, die Erfahrungen wirksam zuordnet und konditioniert« 38 . Es handelt sich um einen sozialen Aushandlungsprozess von Angelegenheiten, die im Lebenszusammengang einer bestimmten Gruppe strittig sind. Die Worte und Handlungen eines Rituals erscheinen so gesehen als »die Quelle der Muster und ihrer Werte« 39 , aber die Handlungen und Worte unterliegen im Fortgang des Aushandlungsprozesses strittiger Angelegenheiten subtilen, oft unterschwelligen Veränderungen. Hierzu nochmals Al-Suadi: »Ritualisierung ist also nicht nur das Produkt seiner eigenen Differenzierung, sondern auch im hohen Maße von der sozialen Praxis abhängig, die wiederum auf spezifische Gegebenheiten strategisch reagiert. ›Ritualisierung‹ wird somit zu einer Fähigkeit ausgeweitet, die Kennzeichen des Rituals zu verändern und grundlegende Schemata in ihren Konstitutionen zu manipulieren. Damit wird die ›Ritualisierung‹ nicht in universalistischen Kategorien verortet, sondern in sozialen Netzwerken und Beziehungen.« 40 Bells Analyse und Terminologie kommt für die griechisch-römischen Mähler einschließlich ihrer Varianten der frühen Jesus-Christus-Bewegungen eine hohe Erklärungsleistung zu. Anhand ihrer Theorie lässt sich zeigen, wie augenscheinlich alltägliche Handlungen der griechisch-römischen Mähler zu Medien elementarer sozialer Aushandlungsprozesse im weiten soziokulturellen Umfeld der mediterranen Antike werden. In der griechisch-römischen Antike war gemeinsames Essen, betrachtet durch die Linse der ritual studies, ein »komplexer Rhythmus sozialer Gesten, relationaler Muster und subtiler Gegensätze zu dem, was gewöhnliches Essen an und für sich selbst wäre« 41 , ein codierter und unterschwelliger Modus, Antagonismen des sozialen Lebens wirksam zu verhandeln. Insgesamt haben also während der zwei letzten Generationen Turner, Douglas, Bourdieu, J. Z. Smith und Bell in ihren Arbeiten eine Auffassung des Rituals entwickelt, die den metaphysischen, psychologischen oder auch sozial-funktionalen Aspekt tendenziell zurückstellt und im Ritual statt dessen eine Weise des Umgangs von Gruppen mit spezifischen Problemlagen in ihren mehr oder weniger lokalen Lebenszusammenhängen sieht. An anderer Stelle habe ich dies folgendermaßen formuliert: »Das Ritual ist, so gesehen, eine Erscheinungsweise sozialer Intelligenz, oftmals vorbehalten für Problemlagen, die sich als zu komplex für das individuelle Urteilsvermögen erwiesen haben, zu beängstigend, um direkt angegangen zu werden, bezogen auf dauerhaft konfligierende soziale Loyalitäten […]. Die Ausführung eines Rituals erweist sich als ein Weg, verschiedene Problemlagen neu zueinander ins Verhältnis zu setzen […]. Diese Ausführungen werden selten als realistische Lösungen hartnäckiger Probleme aufgefasst. Sie eröffnen aber den Ritualteilnehmern […] eine Perspektive auf diese Probleme und einen Freiraum zur Reflexion. Allem Anschein nach lokalisiert und transformiert das Ritual einfach das problematische Thema in einer sicheren konstruierten Umgebung […]. All dies geschieht auf eine eigentümlich implizite, halbbewusste Weise. Der problematische Sachverhalt ist fast immer zu brisant, um explizit eingestanden zu werden […]. Der hellenistische Mittelmeerraum steckte tief in solchen unauflösbaren Widersprüchen. Die Werte des klassischen Griechenland waren noch immer Grundlage einer ganzen Kultur, und ironischerweise hat das Imperium Romanum die helleni(sti)sche Kultur mit großer Kraft bis in entfernte Orte getragen. Der gesamte Mittelmeerraum genoss einen militärisch durchgesetzten Frieden, der nicht nur inhärent ironisch war, sondern auch völlig kopflos die Vermischung ehedem getrennter Kulturen forciert hat […]. Familien- und Stammeskulturen büßten ihren originären sozialen Ort ein, den sie in ihrer ursprünglichen Kultur innehatten. Mit dem Verlust regionaler kultureller Kohärenz und der Einführung neuer Strukturen gerieten gender-Identitäten in Fluss. Ökonomische Enteignungen durch die »In der griechisch-römischen Antike war gemeinsames Essen, betrachtet durch die Linse der ritual studies [...], ein codierter und unterschwelliger Modus, Antagonismen des sozialen Lebens wirksam zu verhandeln.« Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 20 - 2. Korrektur 20 ZNT 35 (18. Jg. 2015) Zum Thema römischen Oberherren produzierten für weite Teile der Bevölkerungen verheerende Armut. Massive Versklavung Armer wie Reicher dislozierte und relozierte ganze Bereiche regionaler Gesellschaften. Unterschiedliche kulturelle Codes von Ehre und Schande überlagerten einander mit verwirrenden und widersprüchlichen Ergebnissen. Patron-client-Beziehungen wurden zum Bestandteil von kulturübergreifenden […] staatlichen Handlungszusammenhängen, die neue Machtdynamiken in nahezu jeder Region auslösten. Es war diese umfassende transkulturelle Situation, die im gesamten Mittelmeerraum zur Entwicklung einer gemeinsamen, Interesse und Zugehörigkeit steuernden Mahlpraxis führte […]. [D]ie Form war nicht völlig neu, aber ihr soziales Gewicht und der Aspekt der Identitätsbildung wurde erheblich verstärkt. Der ritualtheoretische Blick auf Weisen der Ritualisierung als Abbildung der komplexen Handlungs- und Lebenszusammensetzung der Ritualteilnehmer versetzt in die Lage wahrzunehmen, wie gemeinsame Mähler soziale Identität organisierten.« 42 2. Ritualtheorie, das Entstehen einer Mahltypologie und die »eucharistischen Einsetzungsworte« Der Brückenschlag zwischen Ritualtheorie und griechisch-römischer Mahltypologie hat auf die Wahrnehmung der frühen Jesus-Christus-Bewegungen, ihrer sozialen Interaktion mit der griechischrömischen Welt, des kultischen Lebens dieser Gruppen und nicht zuletzt vieler neutestamentlicher Texte einen erheblichen Einfluss. Ich habe während der vergangenen fünfzehn Jahre zahlreiche Aspekte dieses Themas untersucht 43 , und ich bin noch immer damit befasst, den Ertrag dieser Arbeit für soziale, kultische und textbezogene Forschungsfragen auszuloten. Beispielhaft wende ich mich nun den sogenannten »Einsetzungsworten« der christlich-eucharistischen Tradition zu (d. h. der textuellen Überlieferung der Phrase »dies ist mein Leib/ dies ist mein Blut«) 44 . Aus Sicht des in diesem Beitrag vorgestellten ritualtheoretischen Ansatzes gibt es zwei neuere und wichtige Untersuchungen dieses Themas, auf die ich zunächst kurz eingehen möchte. Obwohl ich anschließend über beide Untersuchungen hinausgehe und auch von ihnen abweiche, möchte ich doch nicht versäumen, meinen Dank für und meine vielfältige Abhängigkeit von Soham Al-Suadis Monographie Essen als Christusgläubige: Ritualtheoretische Exegese paulinischer Texte 45 zum Ausdruck zu bringen. Dies gilt auch für die beiden Essays »Einführung: Mahl und religiöse Identität im frühen Christentum« und »Bund und Sündenvergebung: Ritual und literarischer Kontext in Mt 26« in Mahl und religiöse Identität im frühen Christentum von Matthias Klinghardt 46 . Ich möchte nun in der Hauptsache zwei neue ritualtheoretische Perspektiven auf die »Einsetzungsworte« vorschlagen. Diese betreffen (1) die rituelle Funktion des Teilens von Brot und der Libation, und (2) das Spektrum anderer ritualbezogener Worte zu Brot und Wein innerhalb der Jesus-Christus-Bewegungen. 2.1 Die rituelle Funktion des Teilens von Brot und der Libation im Kontext griechischrömischer Mähler Versteht man die kohärente Ritualisierung von Handlungen und Erfahrungen in griechisch-römischen Mählern, erschließen sich die Worte »dies ist mein Leib/ dies ist mein Blut« in allen Bestandteilen und Versionen in ihrem je besonderen historischen, rituellen und textuellen Zusammenhang. Die angenommene rituelle Kohärenz der auch für die Jesus- Christus-Gemeinden maßgeblichen Mahlform erweitert das Spektrum der Bedeutungen der einzelnen Leib/ Blut-Worte erheblich. Dieses Spektrum erschließt sich gerade dann, wenn man die Leib/ Blut-Worte in die diese Bedeutung generierenden, weithin etablierten rituellen Mahlstrukturen einordnet. Eine Interpretation, die von diesem Zusammenhang absieht, verliert dann erheblich an Plausibilität. Der theologische Sinngehalt der Leib/ Blut-Worte wird durch den griechisch-römischen Vergleichskontext einerseits reduziert, andererseits aber auch aufgewertet. Die theologischen Bezüge werden insofern abgeschwächt, als diese von dem dichten Sinngefüge des griechisch-römischen Mahltypus und den damit verbundenen vielfältigen sozialen, politischen und kulturellen Faktoren überlagert werden. Es ist dann nicht »Versteht man die kohärente Ritualisierung von Handlungen und Erfahrungen in griechisch-römischen Mählern, erschließen sich die Worte ›dies ist mein Leib/ dies ist mein Blut‹ in allen Bestandteilen und Versionen in ihrem je besonderen historischen, rituellen und textuellen Zusammenhang.« »Der theologische Sinngehalt der Leib/ Blut-Worte wird durch den griechisch-römischen Vergleichskontext einerseits reduziert, andererseits aber auch aufgewertet.« Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 21 - 2. Korrektur ZNT 35 (18. Jg. 2015) 21 Hal Taussig Was bei Tisch passiert: Ein ritualtheoretischer Blick auf die eucharistischen »Einsetzungsworte« mehr möglich, den Sinngehalt des Mahles allein von den Leib/ Blut-Worten her zu verstehen. Zugleich werden diese und andere Bezüge aber auch verstärkt, weil sie durch die den Mahlhandlungen inhärenten Sinngehalte selbst angereichert werden. Beispielsweise wirkt sich der enge Zusammenhang von Mahl und sozialer Gemeinschaft auf das Verständnis der Leib-/ Blut- Terminologie aus. Der im Zuge imperialer Gewalt fragmentierte und entfremdete Charakter so vieler ehedem kohärenter sozialer Zugehörigkeiten zu Stamm und Nation und die neuen Möglichkeiten mahlförmiger Zugehörigkeit in Vereinen, Gilden und Klubs indizieren vielfältige soziale Formationen von hoher Sinndichte. 47 Vor dem Hintergrund des Verlusts tribaler, ethnischer und nationaler Zugehörigkeiten und des sprunghaften Ansteigens antiker Vereine mit ihrer jeweiligen Mahlpraxis in griechisch-römischer Zeit wird die Signifikanz von untereinander geteiltem Leib und Blut hinreichend klar. 48 Die Mähler selbst, die unter Mitgliedern verhältnismäßig junger Vereine abgehalten wurden, stehen für neu konstituierte soziale Körper. Das fiktive Verwandtschaftsverhältnis vereinsförmiger Zugehörigkeit ruft die Vorstellung einer Blutsverwandtschaft auf, die die Blutsverwandtschaft realer Familien und Clans zu ersetzen imstande war. Die bedrohliche Realität imperialer Gewalt gegen alle Arten des Vereinswesens, einschließlich der Christus- Vereine, verdoppeln die Blut-/ Körper-Bezüge, sofern die Versammelten sich dem Risiko ausgesetzt sahen, miteinander blutig geschlagen und/ oder als sozialer Körper zerbrochen zu werden. 49 Versteht man, wie solche Mähler in vereinsförmigen und anderen Kontexten inmitten sozialer Entfremdung neue Zugehörigkeiten ermöglichten, dann vervielfacht die Dynamik ritueller Improvisation die möglichen Sinnbezüge von miteinander geteiltem Brot und Wein als Teil einer lebendig gestalteten Mahlpraxis. Möglicherweise wirkten sogar Brot und Wein innerhalb der intensiven und hoch verdichteten rituellen Sinnbezüge des gemeinsamen Mahls wenigstens zum Teil als geläufige Symbole für die neue mahlförmig realisierte soziale Zugehörigkeit. Die Libation des griechisch-römischen Mahles beispielsweise hatte (auch, aber nicht nur in vereinsförmigen Kontexten) häufig die Funktion, gegenüber dem römischen Imperium Positionen des Widerstandes, des Kompromisses und der Konformität auszuhandeln. Dies ist als entscheidend wichtiger Kontext auch für das Gefüge der Wein/ Blut-Worte in den frühchristlichen Mählern zu veranschlagen. 50 Die kombinierten Bezüge zu Kreuzigung, Mahl und Blut eröffnen eine Fülle von ironischen, doppelt und dreifach anspielungsreichen und strapazierbaren Weisen behaupteter sozialer Zugehörigkeit 51 , die im Mahl und im neuen sozialen Körper selbst verwurzelt sind. Es handelt sich also nicht einfach um neue Elemente eines als Überzeugungssystem verstandenen Glaubens. Schließlich werden aus der Sicht dieses rituell inspirierten Theoretisierens die Bedeutungen, die sozialer Zugehörigkeit inhärent sind, in den Texten des Neuen Testaments und anderswo sprachlich überdeutlich repräsentiert. Das Ereignis selbst wird meist als »sich zu Tisch legen« charakterisiert. Die verwendeten Termini klinō, keimai (Lk 9,12; 24,29; Joh 21,9; Apk 4,2), keisthai und (gelegentlich) piptō erscheinen oft in Verbindung mit präpositionalem Präfix, etwa ana (anakeimai in Mt 9,10; 22,10; 22,11; 26,7; 26,20; Mk 6,26; 14,18; 16,14; Lk 22,27; Joh 6,11; 12,2; anaklinō in Mt 8,11; Mk 6,39; Lk 13,29; anapiptō in Mt 15,35; Mk 6,40; 8,6; Lk 11,37; 14,10; 17,7; 22,14; Joh 6,10a; 6,10b; 13,12; 13,25; 21,20) syn-ana (synanakeimai in Mt 9,10; Mk 2,15; 6,22; Lk 14,10; 14,15) kata (katakeimai in Mk 2,15; 14,3; Luke 5,29; 7,37; 1Kor 8,10; kataklinō in Lk 7,36; 9,14; 9,15; 14,8; 24,30). Dazu habe ich an anderer Stelle ausgeführt: »[D]er gebräuchliche Ausdruck für das Mahl ist in der hellenistischen Welt die eine oder andere Form von sich zu Tisch legen. Dieser Ausdruck referiert auf hellenistische Mähler insgesamt wie auch auf ihr entscheidendes Handlungsmoment. Wie schon erwähnt, indiziert sich zu Tisch legen Muße und Status zugleich. Wer dies tat, handelte erkennbar privilegiert. Es ist dieser Ausdruck, den das Neue Testament durchgängig verwendet, um »Vor dem Hintergrund des Verlusts tribaler, ethnischer und nationaler Zugehörigkeiten und des sprunghaften Ansteigens antiker Vereine mit ihrer jeweiligen Mahlpraxis in griechischrömischer Zeit wird die Signifikanz von untereinander geteiltem Leib und Blut hinreichend klar.« »Die bedrohliche Realität imperialer Gewalt gegen alle Arten des Vereinswesens, einschließlich der Christus-Vereine, verdoppeln die Blut-/ Körper-Bezüge, sofern die Versammelten sich dem Risiko ausgesetzt sahen, miteinander blutig geschlagen und/ oder als sozialer Körper zerbrochen zu werden.« Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 22 - 2. Korrektur 22 ZNT 35 (18. Jg. 2015) Zum Thema ein für frühchristliche Versammlungen konstitutives Handlungsmoment zu benennen. Partizipiale, nominale und verbale (aktive wie passive) Wortformen von sich zu Tisch legen finden sich gehäuft im Neuen Testament und in der übrigen frühchristlichen Literatur. Mit einigen wenigen Ausnahmen weisen sie alle einen Bezug zu Mählern auf. Für die griechischen Termini gibt es im Englischen erstaunlicherweise keine Standard-Übersetzung. Verbreitet ist bei Tisch (at table), was treffend den Sinn, wenn nicht gar die Stimmung des hellenistischen Mahles wiedergibt. Weniger adäquat, aber immer noch passabel, ist sitzen (sitting, Mt 14,19 New Jerusalem Bible), das aber leider allzu oft die Mahlhandlung ausblendet, die im griechischen Wort für zu Tisch liegen (recline) klar zur Geltung kommt. Außerdem findet sich die Übertragung mit Gäste (guests, Mk 6,22 New Revised Standard Version), Platz (place, Lk 14,8 New American Standard Bible) oder sie waren zuhause (were at home, Mk 2,15 The Message). Diese Übertragungen verdecken den Mahlkontext. Dasselbe ist bereits in der koptischen Übersetzung des Thomasevangelium zu beobachten. In Logion 61 sagt Salome zu Jesus: ›Du hast […] auf meinem Bett Platz bekommen‹ (Übs. H.-G. Bethge [Nag Hammadi Deutsch, Studienausgabe, Berlin 2007, 133]). Dies weckt unwillkürlich eine sexuelle Assoziation. Es geht aber darum, dass ein Mann und eine Frau miteinander essen.« 52 Aus ritualtheoretischer Sicht bilden also das zu Tisch Liegen und die damit verbundenen komplexen Gesten und kulturellen Anverwandlungen des griechisch-römischen Mahles einschließlich der Libation den unmittelbaren interpretativen Kontext für die Leib-/ Blut-Worte. Die Texte selbst, die das zu Tisch Liegen als situativen Kontext überdeutlich herausstreichen, widerraten der verbreiteten Forschungsmeinung, die Leib-/ Blut-Worte seien vorrangig aus anderen Kontexten zu erklären, etwa dem Jerusalemer Tempel oder dem Passa-Mahl. 53 Die Rede von Leib und Blut fügt sich in den situativen Kontext enger und demonstrativer körperlicher Tischgemeinschaft. Die Nähe der Leib-/ Blut-Terminologie zum gemeinschaftlichen zu Tisch Liegen und die dramatische soziale Zugehörigkeit, die dieser Mahlform inhärent ist, verstärken die Gestaltungen des sozialen Körpers und des (fiktiven) miteinander geteilten Blutes. Es ist erstaunlich, dass die Forschung sich über Jahrhunderte weithin auf die dekontextualisierten Worte beschränkt und die üppige Körperlichkeit der Mähler ausgeblendet hat. Es ist allein dem Zusammenwirken der Arbeiten von Klinghardt, D. Smith und der SBL zum griechisch-römischen Mahltypus mit den ritual studies zu danken, dass in der neueren Forschung ein Interesse an den evidenten und vielschichtigen sozialen Bezügen der Leib-/ Blut-Terminologie in ihrem originären Mahlkontext erwacht ist. Aus ritualtheoretischer Sicht ist für das Verständnis der Leib-/ Blut-Worte als Element der Bedeutung generierenden rituellen Strukturen eines weithin verbreiteten Mahltypus außerdem in Rechnung zu stellen, dass die obligatorischen Libationen dieser Mähler samt den darin enthaltenen Segenssprüchen nicht traditionell vorgegeben oder durch standardisierte Formulierungen fixiert waren. Im Gegenteil: Segens- und Spendeworte der Libation weisen eine erhebliche Variationsbreite auf, manchmal sogar innerhalb derselben Mahlversammlung. Dies entspricht der neueren ritualtheoretischen Einsicht, dass Gruppen üblicherweise zu unterschiedlichen Gelegenheiten unterschiedliche Dinge sagen, um den besonderen Moment und Ort zu »vervollkommnen« (J. Z. Smith), »auszuhandeln« (Catherine Bell) oder ihn als Schwellensituation zu inszenieren (Victor Turner). Stellt man dies in Rechnung, ist es unwahrscheinlich, dass die Jesus-Christus- Gruppen bei ihren Mählern stets nur die uns bekannten Leib-/ Blut-Worte verwendet haben. 54 2.2 Das Spektrum anderer Worte zu Brot und Wein in den frühen Jesus-Christus-Mählern und ihre rituelle Funktion. Die Ritualanalyse der aus der synoptisch-paulinischen Tradition geläufigen Leib-/ Blut-Worte wirft die Frage auf, welche Rolle diese Worte in den ersten beiden Jahrhunderten gespielt haben. In mancher Hinsicht kann diese Frage geklärt werden (1) unter Einbezug von Forschungen zur Didache, (2) durch weitere Erkenntnisse im Schnittfeld von Ritualtheorie und Mahlforschung, (3) durch das Augenmerk auf Texte der frühchristlichen Literatur, die die Leib-/ Blut-Worte dort, wo sie von Gemeinschaftsmählern handeln, nicht verwen- »Die Texte selbst, die das zu Tisch Liegen als situativen Kontext überdeutlich herausstreichen, widerraten der verbreiteten Forschungsmeinung, die Leib-/ Blut-Worte seien vorrangig aus anderen Kontexten zu erklären, etwa dem Jerusalemer Tempel oder dem Passa-Mahl.« »Die Rede von Leib und Blut fügt sich in den situativen Kontext enger und demonstrativer körperlicher Tischgemeinschaft.« Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 23 - 2. Korrektur ZNT 35 (18. Jg. 2015) 23 Hal Taussig Was bei Tisch passiert: Ein ritualtheoretischer Blick auf die eucharistischen »Einsetzungsworte« den, und (4) durch die Erhebung weiteren Vokabulars zu Brot, Wein und Mählern im Neuen Testament und verwandten Texten. Die Forschung kennt seit mehr als einem Jahrhundert die Anweisungen der Didache zum eucharistischen Brot und Wein. Anerkanntermaßen ist hier erstmals die Verwendung des griechischen eucharistia (»Danksagung«) im Kontext einer frühchristlichen Mahlgemeinschaft zu Brot und Wein belegt. Im Schnittfeld von Ritualtheorie und Mahlforschung erscheint die Didache nun in zweierlei Hinsicht in neuem Licht: (a) Matthias Klinghardt hat gezeigt, dass die Didache durchgängig dem griechisch-römischen Mahl-Paradigma entspricht. 55 Diese Einsicht steigert die Bedeutung der Mahlgebete der Didache für unsere Fragestellung erheblich. (b) Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass die Anweisungen der Didache nicht im Blick auf eine konkrete Situation, sondern für eine unspezifische Vielzahl von Gruppen gedacht waren. 56 Dass die Mahlgebete der Didache sich von der synoptisch-paulinischen Abendmahlsparadosis in jeder Hinsicht unterscheiden, ist dann nicht eine Ausnahme von den ansonsten-- wie man annahm-- überall gültigen synoptisch-paulinischen Worten zu Brot und Wein. Vielmehr stoßen wir hier auf einen größeren Verband von Gemeinden, die völlig andersartige Gebete zu Brot und Wein verwendeten: Was aber die Eucharistie betrifft, sagt folgendermaßen Dank: Zuerst beim Kelch: »Wir danken dir, unser Vater, für den heiligen Weinstock Davids, deines Knechtes, den du uns offenbar gemacht hast durch Jesus, deinen Knecht.« Beim gebrochenen Brot: »Wir danken dir, unser Vater, für das Leben und die Erkenntnis, die du uns offenbar gemacht hast durch Jesus, deinen Knecht. Dir sei Herrlichkeit in Ewigkeit! « Wie dieses gebrochene Brot zerstreut war auf den Bergen und zusammengebracht eines geworden ist, so soll zusammengeführt werden deine Kirche von den Enden der Erde in dein Reich; denn dein ist die Herrlichkeit und die Macht durch Jesus Christus in Ewigkeit (Did 9,1-4). 57 Auf dem doppelten Hintergrund (i) eines besseren Verständnisses dieser Worte als Momente eines griechischrömischen Mahlgeschehens und (ii) der erzielten Einsichten in die Innovations- und Anpassungsleistung eines rituell gestalteten Wortgeschehens an Momente gemeinschaftlicher Lebenszusammenhänge werden die Anfragen an die gängige Auffassung von der dominierenden Stellung der Leib-/ Blut-Worte in den frühchristlichen Mählern der ersten beiden Jahrhunderte noch verstärkt. Nichts deutet in der Didache auf ein letztes Mahl Jesu, noch gar auf seinen Tod. Außerdem richtete sich die Didache an eine Mehrzahl von Gruppen, nicht nur primär an eine einzelne Gemeinde wie der 1. Korintherbrief. Diese weitreichende Infragestellung der Annahme eines weit verbreiteten Gebrauchs der synoptisch-paulinischen Leib-/ Blut-Worte im 1. und 2. Jh. deckt sich mit den wichtigen liturgiewissenschaftlichen Arbeiten zur Alten Kirche von Andrew McGowan. 58 McGowan hat sich mit der Frage befasst, wo der Terminus »Herrenmahl« und die Leib-/ Blut-Worte in frühchristlichen liturgischen Texten und in Bezugnahmen auf diese Texte belegt sind. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, dass »[m]it der möglichen Ausnahme der Traditio Apostolica ›Herrenmahl‹ während der ersten drei Jahrhunderte kein terminus technicus ist. Vielmehr referiert dieser Terminus auf Gemeinschaftsmähler, die spezifisch andere Namen trugen, etwa agapē. 59 McGowan stellt außerdem fest, dass die Leib-Blut-Worte bis ins frühe 3. Jh. praktisch nirgends Eingang in Dankgebete gefunden haben. Die vorhandenen Bezüge auf Dankgebete variieren und haben kein erkennbares Interesse daran, den 1. Korintherbrief oder die synoptischen Evangelien als autoritative Schriftbelege für die Frage der zu Brot und Wein zu sprechenden Worte aufzurufen. 60 McGowan kommt zu einem klaren Ergebnis: »Trotz der verbreiteten Annahme, dass das eucharistische Dankgebet vor allem aus der Zitation des ›Einsetzungs-Narrativs‹ während des Mahls bestand, scheint dies in der Frühzeit nicht stattgefunden zu haben. Die ältesten bekannten Eucharistie-Gebete […], nämlich die Didache […], die Johannesakten […] und der Straßburg-Papyrus 254, enthalten dieses Einsetzungs-Narrativ nicht. Dies ist erst in jener ägyptischen Kirchenordnung der Fall, die unter dem Namen Traditio Apostolica bekannt ist. Das Eucharistiegebet der Traditio Apostolica enthält dieses Narrativ nicht so sehr als separate Rezitation, sondern eher als Einfügung in ein Gebet, das, wie frühere auch, auf die Benediktion und/ oder den Dank für Christus ausgerichtet ist […]. Die geläufige Erzählung vom letzten Mahl als Bestandteil des eucharistischen Gebetes ist eine späte Entwicklung, nicht eine ursprüngliche oder omnipräsente Gegebenheit.« 61 Schließlich wird die angenommene zentrale Stellung der Leib-/ Blut-Worte auch durch die unterschiedlichen sprachlichen Bezeichnungen für die frühchristlichen Mähler im Neuen Testament und in verwandten Texten zweifelhaft. Die Didache ist nicht die einzige Quelle, die einen abweichenden Sprach- und Bildgebrauch für die Charakterisierung dieser Mähler aufweist, sei es beschreibungssprachlich oder im Mahlvollzug selbst. Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 24 - 2. Korrektur 24 ZNT 35 (18. Jg. 2015) Zum Thema Obwohl die Forschung bis zur ersten Hälfte des 20. Jh. der Auffassung war, dass die Agape-Mähler vom Herrenmahl, vom Abschiedsmahl und von der Eucharistie zu unterscheiden seien, ist es der Forschung in den vergangenen sechzig Jahren nicht gelungen, ein von anderen frühchristlichen Mählern zu unterscheidendes Agape-Mahl zu identifizieren. Dennis Smith resümiert: »Die als agape oder ›Liebesmahl‹ bekannte Mahlform hat sich anscheinend zusammen mit oder besser Seite an Seite mit der Eucharistie entwickelt. Es ist unklar, wann sich beides in unterschiedliche Traditionsstränge ausdifferenziert hat. In der Zeit des Paulus […] sind Herrenmahl und Gemeinschaftsmahl ein und dasselbe. Dagegen wird die agape in Jud 12 und bei Ignatius (Röm 7,1; Smyrn 8,2) bereits erwähnt« 62 . Obwohl dies in der Forschung selten angesprochen wird, scheint es sich doch so zu verhalten, dass der Terminus agapē nicht akzidentiell, sondern beschreibungssprachlich und im Vollzug des Mahles selbst das Wesentliche dieses Mahles benennt. Stellt man die mögliche Variationsbreite sprachlicher Äußerungen innerhalb ein und desselben rituellen Ereignisses in Rechnung, liegt es nahe, die um »Herrenmahl«, »Eucharistie« und »Agape« entstandene begriffliche Verwirrung den verbrauchten und ungenügenden Kategorien der modernen Forschung zuzuschreiben, nicht aber vorgeblich unterschiedlichen frühchristlichen Mahltypen. Unter dieser Voraussetzung nimmt aber der Terminus agapē, wenn wir denn von einem einzigen griechisch-römischen Mahltypus ausgehen, eine gewisse Sonderstellung ein. Es ist unschwer zu erkennen, dass die Bedeutung von agapē beschreibungssprachlich und im Mahlvollzug der Rede vom sozialen Leib und der fiktiven Blutsverwandtschaft sehr nahe kommt. Zugleich liegt klar zutage, dass die Formulierungen der agapē-Terminologie (wie immer diese lautete) und der Leib-/ Blut-Worte nicht identisch sind. Die sonderbare Verbindung zwischen späterer christlicher Eucharistie- und Herrenmahls-Tradition einerseits und der ebenfalls späteren (artifiziellen) Annahme, dass die Leib-/ Blut-Worte in den frühen Gemeinden immer schon in Geltung standen, hat zu verzerrten Charakterisierungen der agapē-Feiern geführt. In der Annahme der vorherrschenden Stellung der Leib-/ Blut-Worte in der frühchristlichen Mahltradition musste man zu dem Schluss gelangen, dass die agapē-Feiern eine irgendwie minderwertige Mahlform darstellten. Ich meine dagegen, dass die beobachteten terminologischen Differenzen einfach Teil einer größeren und weithin improvisierten sprachlichen Vielfalt sind, die auch das Verhältnis von Brot und Kelch umfasst. Das lukanische Doppelwerk lässt augenscheinlich einen technischen Gebrauch von klasis tou artou (»Brechen des Brotes«) erkennen (Lk 24,30.35; Apg 2,46; 20,7.11; 27,35). Zumal die Charakterisierung eines regelmäßigen Gemeindemahles in Apg 2,46 zu einem technischen Gebrauch dieser Wendung tendiert. Gut denkbar ist auch, dass die Begegnung Jesu mit den Emmausjüngern in Lk 24,30.35 mit demselben technischen Wortgebrauch spielt. Möglich ist schließlich, dass die erkennbare Favorisierung des Brotes mit dem auf das Brot bezogenen Befehl »tut dies zu meinem Gedächtnis« in 22,19 zusammen hängt. Auch hier sind die unterschiedlichen Formulierungen und Bedeutungszuschreibungen m. E. am besten als Niederschlag einer größeren und rituell improvisierten und kontextualisierten Praxis zu sehen. Auch das Johannesevangelium, das keinerlei Deuteworte zu den Mahlelementen seines Abschiedmahles enthält, hat seine eigene Sprache, die in Joh 6,51b-58 möglicherweise einen Bezug zu Brot und Wein enthält, wo das, was man isst »wahre« (alēthē) Speise genannt wird, und wo nicht von »Leib« die Rede ist, sondern in einigen deutlichen Aufforderungen vom Essen von »Fleisch«. Hier ist der Bezug zu technischer Sprache johanneischer Mahlterminologie weniger deutlich, aber der Vergleich mit der in 1Kor und den Synoptikern verwendeten Mahlterminologie unterstreicht die umfassendere Beobachtung des flüchtigen und improvisierten Charakters von Ritualen, und er hinterfragt einmal mehr die Annahme eines sich herausbildenden Konsenses über die beim Mahlritual als Brotsegen und Weinlibation zu sprechenden Worte. In der Johannesoffenbarung kündigt eine große Menge »die Hochzeit des Lammes« an, und der Engel respondiert: »Selig sind die, welche zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind« (Apk 19,7-9). Dies nimmt die an die Gemeinde von Laodizea ausgesprochene Einladung auf: »Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer immer auf meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich einkehren und das Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir« (3,20). Obwohl die Rede vom Hochzeitsmahl des Lammes Metaphern-- gelinde gesagt-- vermischt, stellt sich doch die Frage ob die Festmähler im Himmel und in Laodizea auch etwas verraten über Mähler im Milieu der Johannesoffenbarung. Eine Zeitlang war dies Gegenstand gelehrter Mutmaßungen. Selbstredend konnte es sich beim Hochzeitsmahl des Lammes nicht um das Passamahl handeln. 63 Auch müssen an den genannten Stellen nicht notwendigerweise tatsächliche Mähler im Spiel sein. Der Passus 19,7-9 könnte aber Pate gestanden haben für die Schaffung eines realen Mahles, das Erfahrungen realisierter Escha- Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 25 - 2. Korrektur ZNT 35 (18. Jg. 2015) 25 Hal Taussig Was bei Tisch passiert: Ein ritualtheoretischer Blick auf die eucharistischen »Einsetzungsworte« tologie bei einem »Festmahl des Lammes« vermittelte. Das vorherige 18. Kapitel vermittelt eine solche Vorwegnahme, da der Seher die ersehnte Zerstörung Babylons/ Roms mit seinen eigenen Augen schaut. Es ist dieser Sieg über »Babylon«, der die Ankündigung der Zeit des Hochzeitsmahles des Lammes hervorruft. Insofern sind die Worte über das Hochzeitsmahl des Lammes gut vorstellbar als Segensworte innerhalb eines realen Mahles in der Funktion eines proleptischen Rituals. 64 Das Motiv des Hochzeitsfestes unterhält vielfältige textuelle und sozio-historische Beziehungen zur Mahltypologie 65 in den ersten beiden Jahrhunderten. Namentlich das »Hochzeitsfest« und das »Brautgemach« wurden dem Terminus eucharistia assoziiert. Im 2. Jh. fällt die Verbindung von eucharistia und »Brautgemach« am intensivsten im Philippusevangelium aus. 66 Hier begegnet die eucharistia als Teil einer drei- oder fünfteiligen Folge von Ritualen. Die eucharistia kann auf zwei Weisen mit dem Brautgemach verbunden werden: als Teil dieser Sequenz ritueller Teilhabe, oder aber, wie Elaine Pagels und andere vorgeschlagen haben, als Synonyme füreinander. 67 Entscheidend ist, dass das EvPhil 68 und die sekundären (und höchst kritischen) Beschreibungen bei Irenäus 69 das Brautgemach als primäre Metapher für das Mahl aufweisen. Indem aber Brautgemach und Mahlmotivik einander gegenseitig erklären, werden Aspekte des Raumes (Mahlsaal und Brautgemach als zwei verhältnismäßig kleine Räume), der Versorgung (das antik-mediterrane Brautgemach war ein Ort nicht nur des Liebesspiels, sondern auch des Essens) und der Intimität aufgerufen (das gemeinsame sich Niederlegen im Brautgemach wie auch im Mahlsaal schafft intime Nähe). Im EvPhil werden sodann weitere Bilder für das Mahl aufgerufen, die den uns geläufigen Leib-/ Blut- Worten sehr fern stehen, etwa wenn es in 75,15-20 vom »Kelch des Gebets« heißt, dass er »Zeichen des Blutes« ist, und vom Blut: »Wenn wir dies trinken, werden wir uns den vollkommenen Menschen aneignen« 70 . Hier macht die Vorstellung keinerlei Schwierigkeiten, dass diese Sprache zu einer dem EvPhil geläufigen Form des zu Tisch Liegens bei einem frühchristlichen Mahl gehörte. Die hier kurz vorgestellten-- je nach Zählung-- sechs bis neun zusätzlichen Texte mit Worten, die in den ersten beiden Jahrhunderten bei frühchristlichen Mählern über Brot und Wein gesprochen wurden oder zumindest dafür konzipiert waren, stützen die ritualtheoretische These, dass Worte so sorgfältig wie improvisiert innerhalb eines etablierten Ritualgeschehen wie dem griechisch-römischen Mahl eine Funktion ausübten. Diese zusätzlichen Texte 71 aus der Didache, dem Judasbrief, Ignatius, der Johannesoffenbarung, dem Lukas-, dem Johannes- und dem Philippusevangelium widerraten außerdem der Annahme, dass die Leib-/ Blut-Worte aus 1Kor (und dann Mk, Mt und-- in unterschiedlichen Fassungen-- Lk) omnipräsent und überall gültig waren. Stattdessen liegt es nahe, von einer großen Vielfalt an sprachlichen Gestaltungen von Libation und Segen auszugehen, entsprechend der angenommenen allgemeinen griechisch-römischen Mahltypologie. Mir liegt daran, eine Sicht auf die Leib-/ Blut-Worte innerhalb dieser Mähler zu befördern, die darin nicht mehr und nicht weniger als eine Ausprägung innerhalb eines weitaus breiteren sprachlichen Spektrums von Worten zu Brot und Wein erkennt. Allerdings muss ich, bevor ich zum Schluss komme, noch kurz auf Burton Macks ausführliche und gut begründete Auffassung eingehen, dass die Leib-/ Blut-Worte in 1Kor 11,23-25 ätiologisch zu verstehen sind. 72 Obwohl Mack nicht notwendigerweise voraussetzt, dass diese Leib-/ Blut-Worte über zwanzig Jahrhunderte hinweg liturgisch als Ätiologien gewirkt und so die im 21. Jh. verbreitete christliche Anschauung geprägt haben, bedarf doch die nachhaltige und paradoxe Wirkung dieser Anschauung auf das übliche Verständnis von 1Kor 11,23-25 als eines »Gründungstextes« einer gewissen Aufmerksamkeit. Macks eigene Erklärung beugt jedem Missverständnis vor: »In Anwendung auf die Mahlsituation sollte man die übermäßigen Ausschmückungen, die Symbole erwiesenermaßen im Zuge ihrer Wiederholung erhalten, beiseitelassen. Die ätiologischen Elemente […], die die Vorstellung hervorrufen, dass Jesus dem Mahl vorsitzt und diese Worte spricht, sind eine Kultlegende. Die sekundäre Übertragung dieser Szene auf die Gegenwart mittels der Imperative ›Tut dies zu meinem Gedächtnis‹ muss man ebenfalls in Klammern setzen. Was bleibt […], ist eine gewisse Verbindung zwischen zwei speziellen Momenten des Mahles und dem von Christus ins Spiel gebrachten Märtyrergedanken […]. Das eine war der Tod selbst, das andere war die Deutung seines Todes als Gründungsereignis »für« die Gemeinde. Der Becher Wein konnte ohne Schwierigkeiten mit dem Tod assoziiert werden, zumal dann, wenn die früheste Praxis eine Libation war. »Mir liegt daran, eine Sicht auf die Leib-/ Blut-Worte innerhalb dieser Mähler zu befördern, die darin nicht mehr und nicht weniger als eine Ausprägung innerhalb eines weitaus breiteren sprachlichen Spektrums von Worten zu Brot und Wein erkennt.« Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 26 - 2. Korrektur 26 ZNT 35 (18. Jg. 2015) Zum Thema Das Brechen des Brotes als Signal des Beginns an die Mahlteilnehmer war ein geeigneter Moment, sich an das Gründungsereignis zu erinnern«. 73 Mack erläutert seine Sicht in einer Anmerkung: Die Abendmahlsparadosis war nicht ein Skript für die Wiederholung desselben. Als Ätiologie erfüllte sie eine mythische Funktion in Ergänzung des Kerygmas. 74 Macks ätiologisches Verständnis widerspricht der Annahme eines durch den Text intendierten Nachvollzugs, und es zeigt, dass Paulus der Gemeinde die umfassendere ethische und kosmische Bedeutung des Mahles und der Gemeinde selbst klarmachen wollte. Außerdem bringt Mack durch seine prononciert ätiologische Interpretation zur Geltung, dass die Mahlparadosis in 1Kor 11 zu einer Konfrontation mit dem Selbstverständnis der korinthischen Gemeinde führte, nicht zu einer Charta christlicher Liturgie. Andererseits können die Leib-/ Blut-Worte mithilfe der Ritualtheorie ihren Platz finden als eine unter vielen Weisen, Segensworte und Libation frühchristlicher Mähler zu gestalten. 2.3 Die Bedeutung der Ritualtheorie für das Verständnis frühchristlicher Mähler und anderer Ritualisierungen der frühen Jesus-Christus-Bewegungen. In diesem Essay habe ich das Schnittfeld der neueren Ritualtheorie und der aktuellen Erforschung frühchristlicher Mähler in den Blick genommen. Ich bin nicht dazu gekommen, die gesamte einschlägige Forschung zusammenzufassen. Vielmehr habe ich lediglich einen kleinen Beitrag zu diesen Forschungen geleistet durch die Untersuchung, wie ritual studies und griechischrömische Mahltypologie auf einen bestimmten Aspekt dieser Mähler angewendet werden können, nämlich auf die Leib-/ Blut-Worte, die so lange die Diskussion der frühchristlichen Mahlforschung dominiert haben. Der im Umfeld der SBL organisierte Forscherverbund zum griechisch-römischen Mahl hat sich mit zahlreichen anderen Fragen zu den frühchristlichen Mählern befasst, auf die in diesem Beitrag nur mittels der bibliographischen Angaben in den Anmerkungen verwiesen werden konnte. Wichtig ist: Die Mahlforschung der SBL zeigt beispielhaft, wie die ritual studies dazu verhelfen, frühchristliche Ritualisierungen viel stärker als bisher wahrzunehmen. Hier ist v. a. auf die Erforschung der christlichen Taufe während der ersten beiden Jahrhunderte zu verweisen, die hinter dem ritualtheoretischen Reflexionsstand in vieler Hinsicht zurück bleibt. Weitere Ritualisierungen der frühen Jesus-Christus-Bewegungen wären ritualtheoretisch zu erschließen: Salbungen, Exorzismen, Begräbnisse, Segen und Fluch, Hochzeit. Hier ist von den ritual studies derselbe Erkenntnisgewinn zu erwarten wie auf dem Feld der frühchristlichen Mähler. Anmerkungen 1 Klärungsbedürftig ist die unscharfe Formulierung Jesus/ Christ(ian) movements, im Deutschen behelfsweise wiedergegeben mit »Jesus-Christus-Bewegungen«, gerade in Bezug auf Festmähler, welche die Grundstruktur für Versammlungen aller Art bzw. für das kultische Leben eines breiten Spektrums an Gruppierungen oder Bewegungen bildeten. Unklarheit herrscht in der Forschung insbesondere hinsichtlich der Frage nach dem zeitlichen Rahmen, innerhalb dem sich in den ersten beiden Jahrhunderten die Nomenklatur »christlich« für einige dieser Bewegungen herausgebildet haben mag, während andere Bewegungen dagegen weiterhin als dem breiten Spektrum jüdischer Bewegungen angehörend betrachtet wurden. Der terminologischen Unschärfe von »Jesusbewegung(en)« bzw. »(früh)christliche Bewegung(en)« begegnet der folgende Artikel mit Hilfe einer dreifachen Unterscheidung: (1) »Jesusbewegung(en)« verweist auf nach wie vor im Konglomerat des antiken Judentums zu verortende Gruppierungen; (2) dies gilt auch für den »Christus-«-Teil der Formulierung; die zusammengesetzte Wendung »Christusbewegung« steht-- im Unterschied zu (1)-- allerdings für unterschiedliche Ausgestaltungen des Judentums in ihrem Bezug zu Bewegungen, die an der Person Jesu als eines »Gesalbten/ Christos« interessiert waren; (3) Die Endung »-lich« meint dagegen schließlich Bewegungen, die sich an einigen Orten im Zuge des 2. Jh. herausgebildet haben, als außerhalb des Judentums stehend charakterisiert und mit Hilfe einer Art »christlichen« Kategorie erfasst werden können; diese Unterscheidung will nicht zu einer Klärung der Frage beitragen, wann und wo die »Jesus-/ Christus-/ christliche(n) Bewegung(en)« anzusiedeln waren; vielmehr folgt sie der in diesem Artikel zum Ausdruck gebrachten Annahme, dass Gruppierungen und Bewegungen, die sich auf diese oder jene Weise als mit der Person Jesu in Verbindung stehend betrachteten, zwar noch kein christliches »Selbstbewusstsein« entwickelt hatten, ihre Mahlpraxis aber bereits starke Ähnlichkeit zur Praxis derjenigen Gruppierung aufwies, die sich selbst irgendwann im Verlauf der ersten beiden Jahrhunderte als christlich verstand. 2 Vgl. dazu die Forschungsarbeiten zum Thema »Mahl«, präsentiert von Dennis Smith (»Hospitality and Early Christian Meals«) und Soham Al-Suadi (»The Ambivalent Symposiarch Role in Greco-Roman Meals«) auf der Jahresversammlung der International Society of Biblical Literature in Rom, 6.-9. Juli 2009. 3 Vgl. die Konferenz zu »Mahl und religiöse Identität«, die vom 11.-15. Juni 2011 im Rahmen des DFG-Projektes »Tranzendenz und Gemeinsinn« der Technischen Universität Dresden stattgefunden hat. Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 27 - 2. Korrektur ZNT 35 (18. Jg. 2015) 27 Hal Taussig Was bei Tisch passiert: Ein ritualtheoretischer Blick auf die eucharistischen »Einsetzungsworte« 4 Das vom Schweizer Nationalfond geförderte Basler Forschungsprojekt »Tischgemeinschaften. Orte religiöser Praxis und Identität im Judentum zur Zeit des Zweiten Tempels und im frühen Christentum« (2007-2013), hat ein breites Spektrum an innovativen Forschungsarbeiten und Veröffentlichungen hervorgebracht, von denen eine Reihe in explizitem Bezug zum SBL-Seminar standen. 5 Vgl. D. Smith/ H. Taussig (Hgg.), Meals in the Greco- Roman World: Social Conflict, Experimentation, and Formation at the Meal, New York 2012; S. Marks/ H. Taussig (Hgg.), Meals in Early Judaism: Social Formation at the Table, New York 2014; K. Ehrensperger/ N. MacDonald/ L. Sutter Rehmann (Hgg.), Decisive Meals: Table Politics in Biblical Literature, London 2012; M. Klinghardt/ H.Taussig (Hgg.), Mahl und religiöse Identität im frühen Christentum (TANZ 56), Tübingen 2012. 6 Vgl. A. McGowan, Ancient Christian Worship: Early Church Practices in Social, Historical, and Theological Perspective, Grand Rapids, MI 2014; S. Al-Suadi, Essen als Christusgläubige: Ritualtheoretische Exegese paulinischer Texte (TANZ 55), Tübingen 2011; H. Taussig, In the Beginning Was the Meal: Social Experimentation and Early Christian Identity, Minneapolis 2009; S. Marks, First Came Marriage: The Rabbinic Appropriation of Early Jewish Wedding Ritual (Judaism in Context 13), im Druck; J.D. Rosenblum, Food and Identity in Early Rabbinic Judaism, Cambridge UK/ New York 2010; P. Harland, Dynamics of Identity in the World of the Early Christians: Associations, Judeans, and Cultural Minorities, New York/ London 2009. 7 Bei Smith und Klinghardt kommt es beidesmal zur Dekonstruktion der zwei, auf diesem Gebiet für das 20. Jahrhundert führenden Werke, nämlich: H. Lietzmann, Messe und Herrenmahl. Eine Studie zur Geschichte der Liturgie, Bonn 1926; sowie J. Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, Göttingen 1935. 8 D. Smith, From Symposium to Eucharist: The Banquet in the Early Christian World, Minneapolis 2003, 2. 9 Die Ansätze von Klinghardt und Smith greifen ineinander und stimmen in ihrer Grundthese überein, was sich für einen Zeitraum von zwanzig Jahren zurückverfolgen lässt: Smith verfasste 1980 eine Harvard Divinity School Th. D.-Dissertation mit dem Titel »Social Obligation in the Context of Communal Meals: A Study of the Christian Meal in I Corinthians in Comparison with Graeco- Roman Communal Meals«. Einige Jahre später, in den späten 1980er Jahren, verfasste er einige Artikel zu diesem Thema und brachte mit mir 1990 (zu diesem weiten Dissertationsfeld) ein kleines Büchlein mit dem Titel »Many Tables« heraus, welches auch auf eine breitere, kirchenorientiertere Leserschaft außerhalb des akademischen Forschungsdiskurses zielte. 1996 veröffentlichte Klinghardt seine Habilitationschrift mit dem Titel »Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft: Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern«, welche die Kernthese im Rahmen einer Forschungsarbeit erstmalig erfolgreich zur Anwendung brachte. In der Zwischenzeit gründeten Smith und ich die SBL-Konsultation zum Thema »Meals in the Greco-Roman World«, ihrerseits Wegbereiter für das stabilere Lehrgebäude des SBL-Seminars unter demselben Titel. 2003 veröffentlichte Smith dann schließlich sein Hauptwerk zu diesem Forschungsansatz (vgl. D. Smith, From Symposium to Eucharist: The Banquet in the Early Christian World, Minneapolis 2003). 10 M. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft, Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern (TANZ 13), Tübingen [u. a.] 1996, 24 f. 11 Vgl. Taussig, In the Beginning, 26. 12 Zur erstmaligen, vollständig veröffentlichten Anerkennung vgl. D. Smith/ H. Taussig, Many Tables: The Eucharist in the New Testament and Liturgy Today, Harrisburg 1990; maßgeblich gewürdigt wurde die Arbeit von Smith dann durch Burton Mack, vgl. B. L. Mack, A Myth of Innocence: Mark and Christian origins, Philadelphia 1994; es war auch Mack, der sich in den späten 1990er Jahren im Rahmen des SBL-Seminars zu »Ancient Myths and Modern Theories of Christian Origins« Smiths neuem Mahl-Paradigma zugespitzt zuwandte. Zur erstmaligen Vernetzung zwischen Smith und Klinghardt kam es meines Erachtens in Klinghardts JBL-Beitrag 1998. 13 Das SBL-Seminar wurde geleitet von Smith und mir, mit Klinghardt im Vorstand, und markierte die erste explizite und institutionelle Zusammenarbeit von uns dreien. 14 Einen guten forschungsgeschichtlichen Überblick zu Fortschritten, Oppositionen und Ausarbeitungen bietet Klinghardt, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft, 1-20; ebenso die Version von Smith, From Symposium, 295-298 (vgl. FN-Apparat! ). 15 Der Formation des SBL-Seminars war eine dreijährige SBL-Konsultation zum Thema »Meals in the Greco- Roman World« vorangegangen. Das erste Jahr der SBL- Konsultation (2002) brachte papers zum Thema der Klinghardt-Smith-Typologie von seiten beider Autoren hervor; ich selbst steuerte ein ritualwissenschaftliches paper bei. 16 Diese generalisierende Aussage lässt sich allerdings nicht auf den Vollzug der Taufe innerhalb des oben genannten Zeitraumes anwenden. Das Verhältnis von Taufe und Festmahl war in der neuen Mahlforschung bisher noch kein Thema. 17 A. McGowan, Rethinking Eucharistic Origins, Pacifica 23, (2010), 173-191, hier: 186. 18 Al-Suadi, Essen als Christusgläubige, 58. 19 Burkert, Hammerton-Kelly, Girard und Smith, 1987, 196, in: Al-Suadi, Essen als Christusgläubige, 58. 20 Vgl. J. Z. Smith, To Take Place: Toward Theory in Ritual, Chicago 1987; ders., The Bare Facts of Ritual in: Imagining Religion: From Babylon to Jonestown, Chicago 1982; vgl. ebenso ders. (Hg.), HarperCollins Dictionary of Religion, San Francisco 1995 (ein voluminöses und zum Thema Ritual äußerst zweckdienliches Werk); eine systematische Zusammenfassung der Arbeit von Smith bietet B.L. Mack, Introduction: Ritual and Religion, in: R.G. Hamerton-Kelly (Hg.), Violent Origins: Walter Burkert, René Girard, and Jonathan Z. Smith on Ritual Killing and Cultural Formation, Stanford 1987. 21 So besitzen insbesondere die beiden Turner’schen Begrifflichkeiten Communitas und Liminalität als ritualwissenschaftliche Konzepte das Vermögen, die zentrale Rolle Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 28 - 2. Korrektur 28 ZNT 35 (18. Jg. 2015) Zum Thema von Festmählern im kultischen Kontext frühjüdischer und -christlicher Gruppierungen treffend zu erfassen. Auf folgende Arbeiten des Kulturanthropologen sei in diesem Zusammenhang verwiesen: V. Turner, The Ritual Process: Structure and Anti-Structure, Chicago 1976; ders., The Forest of Symbols: Aspects of Ndembu ritual, Ithaca, NY 1967; ders., The Drums of Affliction: A study of religious processes among the Ndembu of Zambia, Oxford 1968; ders., Dramas, Fields, and Metaphors, symbolic action in human society, Ithaca, NY 1975 usw. Mit Blick auf die frühjüdische und -christliche Mahlthematik rekurrieren folgende Untersuchungen auf Turners Ansatz: Al-Suadi, Essen als Christusgläubige, 50-57, 218-229; J. Brumberg- Kraus, Meals as Midrash: A Survey of Ancient Meals in Jewish Studies Scholarship, in: L.J. Greenspoon (Hg.), Food and Judaism, Omaha, Neb. 2005; B. Kahl, Galatians Reimagined: Reading With the Eye of the Vanquished, Minneapolis 2010, 199-202; 274-279; M. Klinghardt, The Ritual Dynamics of Inspiration: The Therapeutae’s Dance, in: S. Marks/ H. Taussig, Meals in Early Judaism: Social Formation at the Table, New York 2014; P. Bradshaw, Foundations in Ritual Studies: A Reader for Students of Christian Worship, Grand Rapids, MI 2007; Chr. Strecker, Die liminale Theologie des Paulus: Zugänge zur paulinischen Theologie aus kulturanthropologischer Perspektive (FRLANT 185), Göttingen 1999; Smith/ Taussig, Many Tables; Taussig, In the Beginning, 2009. 22 Auch wenn sich Douglas selbst in ihrem Werk nicht zur (Fest-)Mahlthematik im Judentum und Christentum des 1.-2. Jh. äußerte, so inspirierten ihre Analysen zur westlich-säkularen Mahlkultur des 20. Jh. die neutestamentliche Fachwelt. Zu ihren von neutestamentlicher Seite am häufigsten zitierten Werken zählen: M. Douglas, Deciphering a Meal, in: C. Geertz (Hg.), Myth, Symbol and Culture, New York 1974, 61-81; dies., The Eucharist: Its Continuity with the Bread Sacrifice of Leviticus, in: Modern Theology, 15.1 (1999), 209-224; folgende Untersuchungen zum frühjüdischen und -christlichen Mahlverständnis verweisen auf Douglas: Al-Suadi, Essen als Christusgläubige, 50-54; 199-201; A. McGowan, Ascetic Eucharists: Food and Drink in Early Christian Ritual Meals, Oxford 1999, 3-7; Marks/ Taussig, Meals in Early Judaism, 14 f.; Smith/ Taussig, Many Tables, 123-126; Taussig, In the Beginning, 29; 57; 65; 72 u. a. 23 Im Rahmen seiner soziologischen und sozialphilosophisch motivierten Analysen konstatierte Bourdieu eine wechselseitige Beeinflussung von sozialer Konvention, rituellem Vollzug und habitus, vgl. ders. Outline of a Theory of Practice, Cambridge [u. a.] 2010, 99-190; ebenso ders., Language and Symbolic Power, Cambridge 1991. Eben diese Analysen Bourdieus übten wiederum großen Einfluss auf Untersuchungen zum frühjüdischen und -christlichen Mahl aus. Von großer Bedeutung für den vorliegenden Aufsatz ist Bourdieus Interesse am sprachlosen Potenzial von Praxis und Ritual: nämlich insofern, als auch frühjüdische und -christliche Mähler die Bedeutung der Sprache dezentrieren. 24 So verweist J. Z. Smith im Folgenden stets auf den Ritualwissenschaftler Jonathan Z. Smith, der Neutestamentler Dennis Smith wird dagegen mit vollem Namen aufgeführt. 25 Vgl. Smith/ Taussig, Many Tables, 100 ff. 26 J. Z. Smith, To Take Place, 100 f. 27 J. Z. Smith, Imagining Religion, 64. 28 C. Bell, Ritual: Perspectives and Dimensions, New York 1997, 12. 29 J. Z. Smith, Imagining Religion, 54-66. 30 Bell, Ritual: Perspectives and Dimensions, 12. 31 Vgl. J. Z. Smith, To Take Place, 131-162. 32 Smith/ Taussig, Many Tables, 102. 33 Zur weitverbreiteten apophoreta-Praxis vgl. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft, 143-152. Der Brauch der Verteilung von Überresten des Gastmahls an Bedürftige ist seinem Ursprung nach wohl im Tempelkult zu verankern und bezieht sich auf die im Tempel geopferten Weihegaben. 34 Vgl. Taussig, In the Beginning, 59-61. 35 War J. Z. Smith auch in erster Linie kein Neutestamentler bzw. Forscher des frühen Christentums, so war er dennoch am Phänomen der Jesus-/ Christus-/ christlichen Bewegung(en) der ersten beiden Jahrhunderte überaus interessiert und galt zehn Jahre lang (ca. 1990-2000) als ein engagierter und einflussreicher Teilnehmer der SBL-Konsultation und des Seminars zu »Ancient Myths and Modern Theories of Christian Origins«. Zu seinen Veröffentlichungen im Rahmen der Teilnahme am SBL- Seminars zählen: J. Z. Smith, Dayyeinu, in: R. Cameron/ M.P. Miller (Hgg.), Redescribing Christian Origins, Brill/ Leiden/ Boston 2004; ders., Re: Conrinthians, in: R. Cameron/ M.P. Miller (Hgg.), Redescribing Paul and the Corinthians, Atlanta 2011. 36 Vgl. an dieser Stelle eine Reihe von Forschungsarbeiten, die im Rahmen von und an der Seite des SBL-Seminars zum Thema »Mahl« im frühen Christentum erschienen sind und die sämtlich zu finden sind in: D. Smith/ H. Taussig (Hgg.), Meals in the Early Christian World: Social Formation, Experimentation, and Conflict at the Table, New York 2012; ebenso die Arbeiten in: S. Marks/ H. Taussig (Hgg.), Meals in Early Judaism: Social Formation at the Table, New York 2014. 37 Al-Suadi, Essen als Christusgläubige, 58. 38 C. Bell, Ritual Theory, Ritual Practice, New York 1992, 221. 39 Ebd., 140. 40 Al-Suadi, Essen als Christusgläubige, 182. 41 Taussig, In the Beginning, 59. 42 Taussig, In the Beginning, 66 f. Im Anschluss an diese Textpassage wird vom Autor entfaltet, inwiefern die für ein Mahl typische Weise des Liegens, Trinkens, Essens, ebenso wie die Frage, wer beim Mahl die leitende Funktion besitzt und welche Personen den Randbezirk des Mahles bilden, die einfache Mahlhandlung übersteigt, was im Rückgriff auf ritualwissenschaftliche Terminologie zum Ausdruck gebracht wird (vgl. dazu auch Kap. 5-8 des Buches). 43 Zusätzlich zu den bereits genannten Veröffentlichungen vgl. H. Taussig, Dealing Under the Table: Ritual Negotiation of Women’s Power in the Syro-Phoenician Woman Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 29 - 2. Korrektur ZNT 35 (18. Jg. 2015) 29 Hal Taussig Was bei Tisch passiert: Ein ritualtheoretischer Blick auf die eucharistischen »Einsetzungsworte« Pericope, in: E. Castelli/ H. Taussig (Hgg.), Reimagining Christian Origins: A Colloquium in Honor of Burton L. Mack, Philadelphia 1996; ders., The Emergence of Christian Community in the Hellenistic Mediterranean, in: C. Nerney/ H. Taussig, Reimagining Life Together in America: A New Gospel of Community, Lanham, MD 2002; ders., Five Early Christian Communities, in: ebd.; ders., Meals as Acts of Resistance and Experimentation: The Case of the Revelation to John, in: K. Ehrensperger/ N. MacDonald/ L. Sutter Rehmann (Hgg.), Decisive Meals: Table Politics in Biblical Literature, London 2012. 44 So gehe ich davon aus, dass es sich bei 1Kor 11,23-25 um den ältesten Text handelt, gefolgt von Mk 14,22-25, dann Mt 26,26-29 und zuletzt Lk 22,15-20. Daneben tendiere ich zu der Annahme, dass Markus wahrscheinlich den ersten Korintherbrief kannte und in irgendeinem (literarischen) Abhängigkeitsverhältnis zu diesem stand. 45 Das Leitmotiv dieses umfangreichen Werkes bildet eine Ritualanalyse zu 1Kor 11,23-25. 46 Dieses Werk, welches gemeinsam von Klinghardt und mir herausgegeben wurde, ist das Produkt zahlreicher Forschungsbeiträge, eingereicht für eine Konferenz der TU Dresden (15.-18. Juni), die in Zusammenhang mit Klinghardts Projekt »Mahl und Kanon« stattfand. 47 Vgl. dazu M. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft; Taussig, In the Beginning, 115-191; ders., Meals as Acts of Resistance and Experimentation: The Case of the Revelation to John, in: K. Ehrensperger/ N. MacDonald/ L. Sutter Rehmann (Hgg.), Decisive Meals: Table Politics in Biblical Literature, London 2012; Al- Suadi, Essen als Christusgläubige, 63-209; 255-316. 48 Vgl. H. Taussig, Meals as Acts of Resistance and Experimentation: The Case of the Revelation to John, in: K. Ehrensperger/ N. MacDonald/ L. Sutter Rehmann (Hgg.), Decisive Meals: Table Politics in Biblical Literature, London 2012. 49 Eine umfangreiche Abhandlung zur römisch-imperialen Besorgnis, die Vereinigungen könnten dem Staat feindselig gesonnen sein, findet sich bei Taussig, In the Beginning, 115-144. 50 Zur Topik »Early Christian Meals and the Cross« und zur darauffolgenden Betrachtung von Formen des Widerstands gegenüber dem Imperium Romanum, wie sie in den frühen Jesus-/ Christus-/ christlichen Mählern auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck kamen, vgl. Taussig, In the Beginning, 130-139; 139-143; zur weiteren Ausarbeitung dieser Thematik vgl. H. Taussig, Meals as Acts of Resistance and Experimentation: The Case of the Revelation to John, in: K. Ehrensperger/ N. MacDonald/ L. Sutter Rehmann (Hgg.), Decisive Meals: Table Politics in Biblical Literature, London 2012. 51 Vgl. dazu Klinghardt, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft, 269-371. 52 Taussig, In the Beginning, 45 f. 53 Die Bedeutung der Israeltradition bleibt mit Blick auf diese Thematik unbestritten, doch um ein kohärenteres Bild zu erhalten, ist es angebracht, in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des Liegens während des Mahlvollzugs im Hellenismus/ der griechisch-römischen Kultur hinzuweisen; vgl. dazu J. Kulp, The Origins of the Seder and Haggadah, CBR4: 1, 2005; B. Bokser, The Origins of the Seder: The Passover Rite and Early Rabbinic Judaism, Berkeley [u. a.] 1984. Die mögliche Bedeutung der Liegeordnung während eines Mahls zur Zeit des Zweiten Tempels wäre einer Betrachtung wert und wurde bisher noch nicht erforscht. 54 Schon die Varianten der synoptisch-paulinischen Abendmahlsparadosis sprechen für den improvisierten Charakter der Segensworte zu Brot und Wein-Libation. 55 Vgl. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft, 373-492. 56 Vgl. ebd. 477-497; K. Niederwimmer, Die Didache, Göttingen 1993, 11-19; ders., The Didache: A Commentary, Minneapolis 1998, 35-55. 57 Deutsche Übersetzung von G. Schöllgen, Didache = Zwölf- Apostel-Lehre, Freiburg [u. a.], Herder 1991, 121; 123. 58 Vgl. A. McGowan, ›Is There a Liturgical Text in this Gospel? ‹: The Institution Narratives and Their Early Interpretive Communities, JBL118 (1999), 77-89. 59 Vgl. A. McGowan, in: The Myth of the Lord’s Supper, 18. 60 Vgl. dazu folgendes Dankgebet aus Nag Hammadi, dessen Rahmen rituelle Praktiken (insbesondere Mahlpraxis, d. h. die Einnahme einer reinen Speise) bilden, das aber-- trotz des Leib-Motives-- in keinem Bezug zu 1 Kor steht: »Wir freuen uns, daß du uns, die wir noch im Leibe sind, vergottet hast durch deine Gnosis« (NHC IV, 7, p. 64); deutsche Übersetzung von K.-W. Tröger, in: H.-M. Schenke (Hg.), Nag Hammadi Deutsch, Studienausgabe, Berlin/ New York 2010, 368. 61 McGowan, Rethinking Eucharistic Origins, 188. 62 Smith, From Symposium to Eucharist, 285. 63 Das Johannesevangelium datiert Jesu Todestag auf den Tag des Passafestes. So handelt es sich bei Jesus, dem Lamm Gottes (vgl. Joh 1,29) um das Lamm, welches zum Passafest geschlachtet wird. Im Großen und Ganzen galt es bisher als wissenschaftlicher Konsens, diese johanneische Angabe eher als theologisches/ mythisches Konstrukt denn als Artikulierung eines Mahles zu deuten. 64 Zur ausführlicheren Argumentation vgl. Taussig, In the Beginning, 127-130. 65 Vgl. dazu S. Marks detaillierte und komplexe Analyse zu spätisraelitischen und rabbinischen Hochzeiten und Festen unter Einbeziehung von Elementen der griechischrömischen Typologie, vgl. S. Marks, Jewish Weddings in the Greco-Roman Period: A Reconsideration of received Ritual, Philadelphia 2003. 66 Vgl. EvPhil 57,9; 59,5.6; 64,24-31; 67,10; 73,2-6.17-19; 74,22; 86,6-10. 67 Zur These, die Brautkammer stehe für das Ergebnis des Taufvollzugs, der Salbung und der Eucharistie (mehr als jedes andere Ritual) vgl. E. Pagels, Ritual of the Gospel of Philip, in: John D. Turner (Hg.), The Nag Hammadi Library After 50 Years: Proceedings of the 1995 Society of Biblical Studies Commemoration, Leiden/ New York/ Köln/ Brill 1997, 281; dazu auch E. Thomassen, The Spiritual Seed: The Church of the Valentinians, Leiden 2006, 100. 68 Vgl. insbesondere Kap. 67. Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 12.05.2015 - Seite 30 - 2. Korrektur 30 ZNT 35 (18. Jg. 2015) Zum Thema 69 Vgl. Adversus haereses 1.6.4; 1.21.3. 70 Deutsche Übersetzung aus H.-M. Schenke, Nag Hammadi Deutsch, Studienausgabe, Berlin 2007, 157. 71 Zur Annahme, dass die Jesus-/ Christus-/ christlichen Mähler das kompositionelle, performative und auf Wiederholung ausgerichtete setting für zahlreiche weitere, variationsreiche (Jesus-/ Christus-/ christliche) Texte bildeten, vgl. Taussig, In the Beginning, 178-192. 72 Vgl. B. Mack, A Myth of Innocence: Mark and Christian Origins, Philadelphia 1988, 103-142. 73 Ebd., 119 f. 74 Vgl. ebd., 120. „Wie sollen Christen mit Besitz umgehen? Wie können Reiche zur christlichen Gemeinde gehören? “ - Im Lukasevangelium und besonders im lukanischen Sondergut finden sich zu diesen Fragen divergierende Aussagen. Die vorliegende Studie deutet dies als Indiz für einen kontrovers geführten Diskurs um das Thema Armut und Reichtum/ Umgang mit materiellen Gütern. Ihr liegt nicht daran, ein lukanisches Konzept zu erschließen, sondern die Geschichte eines Diskurses zu rekonstruieren. Die Diskursanalyse interpretiert die einschlägigen Texte als Diskursstrang in einem ethischen Diskurs. Er musste geführt werden, da sich die Frage des Umgangs mit materiellen Gütern als unumgängliche ethische Frage für christliches Leben darstellte. Antworten wurden in der Jesusüberlieferung gesucht und gefunden. Das lukanische Sondergut fand neben den anderen Diskurssträngen Mk und Q den Weg ins Lukasevangelium. Im Schlussteil der Untersuchung wird gezeigt, wie Lukas in seinem Evangelium diese drei konkurrierenden Diskursstränge zum Thema Armut und Reichtum/ Umgang mit materiellen Gütern ordnete. Helga Kramer Lukas als Ordner des frühchristlichen Diskurses um „Armut und Reichtum“ und den „Umgang mit materiellen Gütern“ Eine überlieferungsgeschichtliche und diskurskritische Untersuchung zur Besitzethik des Lukasevangeliums unter besonderer Berücksichtigung des lukanischen Sonderguts NET NEUTESTAMENTLICHE ENTWÜRFE ZUR THEOLOGIE 21 2015, 380 Seiten €[D] 68,00 ISBN 978-3-7720-8569-7 NEUERSCHEINUNG Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen • Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de -