eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 18/35

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2015
1835 Dronsch Strecker Vogel

Editiorial

2015
Stefan Alkier
Eckart Reinmuth
Manuel Vogel
Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 22.04.2015 - Seite 1 - 2. Korrektur ZNT 35 (18. Jg. 2015) 1 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, das aktuelle Heft der ZNT widmet sich einem Thema, das nicht in Verdacht steht, ein Modethema zu sein. In der deutschsprachigen Forschungslandschaft harrt die Ritualtheorie als Zugang zu Texten des Neuen Testaments und des frühen Christentums erst noch ihrer Entdeckung. Gründe hierfür nennen die informativen forschungsgeschichtlichen Passagen in den einzelnen Beiträgen dieses Heftes zur Genüge, vor allem aber zeigen sie beispielhaft auf, dass ritualtheoretische Ansätze zu neuen Einsichten verhelfen und Texte als Niederschlag konkreter soziokultureller Lebenszusammenhänge neu zum Sprechen bringen können. Gleich im ersten Beitrag unter der Rubrik »NT aktuell« bietet Christian Strecker nicht nur einen innerwie außerneutestamentlich bewanderten und methodologisch reflektierten Forschungsüberblick, sondern auch kundige Vermessungen des neutestamentlichen Terrains ritualtheoretisch relevanter Texte, und er eröffnet Perspektiven auf künftige Forschungsfragen. Die Rubrik »Zum Thema« wird mit einem Beitrag von Hal Taussig eröffnet. Taussig, der seit vielen Jahren zu frühchristlichen Mählern im Kontext der griechischrömischen Mahlkultur forscht, entwickelt eine neue Sicht auf die Einsetzungsworte der synoptisch-paulinischen Abendmahlstradition. Taussig ergänzt die gewohnten Deutungen auf dem Hintergrund von Sühnetod und Gottesbund, indem er auf die soziokulturellen Rahmenbedingungen von Vereinsbildungen im Kontext des römischen Imperiums aufmerksam macht und auf die ritualwissenschaftlich erschließbare Bedeutung von Vereinsmählern hinweist, die unter vielfach als krisenhaft erlebten reichsrömischen Bedingungen neue Gemeinschaftsformen ermöglichten. Taussig gelingt es außerdem, die synoptisch-paulinischen Mahlworte zur Vielfalt der übrigen frühchristlichen Mahlterminologie ins Verhältnis zu setzen. Richard E. DeMaris befasst sich mit der Frage nach dem soziologischen Profil der johanneischen Gemeinschaft im Spiegel des vierten Evangeliums. Auf dem breiten Hintergrund griechisch-römischer Mahlkonventionen stellt er Überlegungen vornehmlich zur Speisung der Fünftausend (Joh 6) und zur Fußwaschung (Joh 13) an und kommt zu dem Ergebnis, dass die weithin übliche Auffassung von der johanneischen Gemeinschaft als einer isolierten Gruppe, die in der Eigenwelt einer esoterischen Sondersprache lebte, aus ritualtheoretischer Sicht nicht bestätigt werden kann. Peter Wick wendet sich in seinem Beitrag dem Markusevangelium zu. Er analysiert die rituelle Welt, in der sich Jesus innerhalb der Narration des Markusevangeliums bewegt hat, und positioniert den markinischen Jesus innerhalb dieser Welt als Charismatiker. Auf dieser Grundlage stellt er Überlegungen zur Stellung der markinischen Gemeinschaft in ihrem jüdischen Lebenszusammenhang an und versteht sie als charismatische Bewegung, die zu den Riten und Institutionen ihrer Umgebung auf Distanz ging, ohne sie grundsätzlich infrage zu stellen oder ihnen gar eigene Riten und Institutionen entgegen zu stellen. Die von Kristina Dronsch eingeleitete Kontroverse zwischen Jan Heilmann und Udo Schnelle diskutiert die Frage, ob die Brotrede des Johannesevangeliums in ihrer Schlusspassage einen Bezug auf das Abendmahl erkennen lässt. Hierbei geht es nicht nur um eine mögliche rituelle Verfasstheit der johanneischen Gemeinschaft, sondern auch um Grundentscheidungen des Textverständnisses: Zielt die Zuspitzung der Brotrede auf das »Essen von Jesu Fleisch« und das »Trinken von Jesu Blut« auf eine aus der synoptisch-paulinischen Tradition bekannte Mahlpraxis und -deutung, oder stellt der Ritualbezug ein Ausscheren aus dem Text dar, das den Verstehensprozess stört? Anni Hentschel wendet sich unter der Rubrik »Hermeneutik und Vermittlung« der Fußwaschungserzählung in Joh 13 zu. Sie zeigt anhand der viel beachteten Fußwaschung durch Papst Franziskus am Gründonnerstag des vergangenen Jahres, ergänzt durch instruktive kirchengeschichtliche Schlaglichter, dass dieses Ritual seine zeitübergreifende Wirksamkeit gerade seiner Vieldeutigkeit bzw. Deutungsoffenheit verdankt. Zwar votiert Hentschel für ein symbolisches Verständnis der Fußwaschungserzählung »auf den zweiten Blick«, sie zeigt aber zugleich, dass die Ritualisierung der Erzählung bis heute zur Aktualisierung ihres symbolischen Gehalts beiträgt. Der Buchreport von Elena Belenkaja befasst sich mit einer Studie, die die ritualtheoretisch interessante Verschränkung von Raum (himmlisches Heiligtum) und Zeit (Sabbat) im Hebräerbrief zum Thema hat. Zeitschrift für Neues Testament_35 typoscript [AK] - 22.04.2015 - Seite 2 - 2. Korrektur 2 ZNT 35 (18. Jg. 2015) Editorial Schließlich: In diesem Heft sind wieder Personalia zu vermelden. Thomas Schmeller hat nach acht Jahren seine Mitarbeit bei der ZNT zugunsten anderer Projekte, die ihn stärker als bisher beanspruchen, beendet. Wir danken ihm für alle geleistete Arbeit und lassen ihn nur ungern ziehen. Umso mehr freut es uns, Tobias Nicklas als neues Mitglied im erweiterten Kreis der Herausgeberinnen und Herausgeber der ZNT begrüßen zu dürfen. Wir sagen ihm ein herzliches Willkommen, ebenso Marion Hauck, die in der Nachfolge von Sebastian Kropp in die geschäftsführende Redaktionsarbeit der ZNT eingetreten ist. Stefan Alkier Eckart Reinmuth Manuel Vogel