eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 15/29

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2012
1529 Dronsch Strecker Vogel

»Ist der Hebräerbrief eine Schrift des antiken Judentums?«

2012
Jürgen K. Zangenberg
Zeitschrift für Neues Testament typoscript [AK] - 08.03.2012 - Seite 45 - 4. Korrektur ZNT 29 (15. Jg. 2012) 45 Einleitung zur Kontroverse »Ist der Hebräerbrief eine Schrift des antiken Judentums? « Manch geneigter Leser der folgenden Kontroverse mag sich leise fragen: Was trägt die Beantwortung einer so akademisch gefassten Frage zum Verständnis eines ohnehin so spröden und anspruchsvollen Textes wie des Hebräerbriefes bei? Natürlich: alle Schriften des NT sind doch in gewissem Maße jüdische Schriften-- eines »häretischen« würden wir heute freilich sagen--, aber was sollen wir damit noch-- wir, die wir allemal Jahrhunderte lang schon Heidenchristen sind und Beschneidung allenfalls aus dem Religionsunterricht kennen? Der Verfasser des Hebräerbriefs mutet uns einiges zu. Er spricht und denkt weder wie Paulus noch wie Johannes, ist aber Theologe mit mindestens ebenso hohem Anspruch- - und stand dennoch immer in ihrem und anderer Schatten. Die Kontroverse will deutlich machen: Der Hebräerbrief ist weder ortnoch zeitlos, er hatte Leser und einen Autor, der mit seinen zugegebenermaßen recht intellektualistischen Mitteln etwas Eigenes, Wichtiges zu sagen hatte. Weder ist Hebr nur Gast noch sind Paulus oder Johannes die Hausherren im NT, alle sind Fremdlinge und Hausgenossen zugleich im Haus eines Judentums mit vielen Wohnungen-- auch wenn diese bunte Hausgemeinschaft über Hausordnung und Wohnrecht schon sehr bald in heftigen Streit verfallen ist. Die Vielfalt und Vielstimmigkeit des NT darf nicht eingeebnet werden (obwohl die Versuchung dazu von Beginn an unwiderstehlich war-- siehe die abenteuerliche Zuschreibung des Hebr an Paulus! ). Das Problem ist viel eher, dass der Ort des Hebr nicht mehr der unsere ist und seine Zeit und Denkweise vergangen sind, und uns damit auch unmittelbares Verstehen nicht ohne Weiteres gegeben ist. Darin, diesen Abstand zu sehen und ernst zu nehmen, den Kommunikationszusammenhang und die theologischen Fragestellungen, die er zu bearbeiten hatte, auszuleuchten und uns zum Nachdenken über Kategorien und Kriterien unseres eigenen Einordnens und Verstehens zu veranlassen, liegt für mich der Sinn der Fragestellung dieser Kontroverse. Ob die gestellte Frage aber auch beantwortet wird, möge der Leser selbst entscheiden. Der Hebr eine Schrift des »antiken Judentums«? -- Ja, was sonst wäre denn historisch und theologisch denkbar? Wobei sich dann sofort die Frage stellt: Wie sah dieses Judentum dann aus? Sicher nicht so klar konturiert und abgegrenzt gegenüber dem »Heidentum« (noch so ein anachronistischer kollektiver Singular! ) wie man das wohl gerne hätte. Und so macht die Fragestellung der Kontroverse schließlich offenbar, dass sich unsere Kategorien oft mehr den Anforderungen wissenschaftlicher Genauigkeit und den windungsreichen Bahnen der Forschungsgeschichte verdanken als dass sie den Grauzonen und Spielarten eines ungeheuer vielfältigen, griechischsprachigen Judentums und seines messianischen Ablegers gerecht würden, dessen Erben wir selbst als die »in Christus geretteten Heiden« immer noch sind. Grund genug also einige historische und theologische Nüsse zu knacken, die die beiden Autoren in ihren Artikeln für uns Leser bereit gelegt haben-- und dann den Hebräerbrief neu auf sich wirken zu lassen! Jürgen K. Zangenberg Kontroverse