eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 15/29

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2012
1529 Dronsch Strecker Vogel

Der Hebräerbrief – Evangelium von Ewigkeit

2012
Karl-Heinrich Ostmeyer
Zeitschrift für Neues Testament typoscript [AK] - 08.03.2012 - Seite 25 - 4. Korrektur ZNT 29 (15. Jg. 2012) 25 1. Einleitung Eine »archaische, ja anstößige Zumutung« 1 , »fremdartig« 2 -- kaum ein Kommentar zum Hebräerbrief 3 (Hebr) kommt ohne die Betonung seines eigentümlichen Charakters aus. Uneinigkeit herrscht bereits in der Frage nach der Gattung: Handelt es sich um einen Brief, eine Predigt, 4 eine Mahnrede? 5 In scheinbar loser Abfolge bieten die 13 Kapitel des Hebr Beschreibungen himmlischer und irdischer Gegebenheiten sowie von Wandel in der Zeit und Bestand in Ewigkeit. Die Leserinnen und Leser stoßen im Hebr auf Spannungen, die auch in anderen neutestamentlichen Texten latent vorhanden sind, jedoch nicht vergleichbar profiliert herausgearbeitet werden. Das gilt insbesondere für das Leben und Werk Christi-- parallel in dieser und der himmlischen Welt. Lässt sich hinter der Präsentation von scheinbar nicht zu vereinbarenden Elementen 6 eine schlüssige Konzeption plausibel machen? Im Mittelpunkt der hier gebotenen Untersuchung steht die Frage: Was will das Schreiben an die Hebräer erreichen und was will es sein? 2. Zeit und Ewigkeit 2.1 Aporie »Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit« (Hebr 13,8; vgl. 7,24). Ein Vers wie ein Ausrufezeichen fast am Ende eines längeren Briefes des Neuen Testamentes; Höhepunkt und zugleich Resümee eines der originellsten Texte des Neuen Testamentes. »Christus derselbe in Ewigkeit« ist eine Prädikation, die eine Absage an jede Form von Veränderung und Entwicklung bedeutet. Denn alles, was geschieht, führt dazu, dass an dessen Ende eine Veränderung gegenüber dem Vorherigen steht. Favorisiert also der Hebr ein statisches Christusbild? Fände sich Hebr 13,8 zu Beginn des Hebr, ließe sich der ganze folgende Text als Widerlegung einer provokativen Eingangsthese verstehen. Der »Gegenbeweis« würde erbracht durch die Schilderung einer Kette dramatischer Ereignisse auf Erden wie im Himmel: Christus eröffnet seinen Geschwistern, den Weg durch den himmlischen Vorhang (10,19 f.), er musste an dem, was er litt, Gehorsam lernen (Hebr 5,8), er bringt sich selbst als himmlisches Opfer dar (Hebr 9,11-14.26). Hebr spiegelt eine Dynamik durch die Äonen hindurch, die im Neuen Testament ihresgleichen sucht. Georg Gäbel sieht die »Verhältnisbestimmung von Leben und Sterben Christi auf Erden und seinem himmlischen Wirken« als entscheidend an. 7 Wie aber passen welt- und himmelverändernde Ereignisse und Selbigkeit Christi zusammen? 8 In diesen Kontext gehört das Gegenüber von fortdauernder Gültigkeit des Wortes Gottes und von neuem Bund. Herbert Braun benennt als Aporie: »Gott hat im AT geredet; und: Er selbst tadelt seine Offenbarung und hebt sie auf.« 9 Er merkt an, dass zahlreiche Kommentatoren diese Aporie überspielen. 10 Wie verhalten sich die verwendeten Motive zueinander 11 : Stehen alttestamentliche Bilder, kultische Praxis und Christusgeschehen im Verhältnis der Kontinuität,der Schattenhaftigkeit (Hebr 10,1) 12 , der Entwertung oder der Überbietung (Hebr 8,7.13) des einen durch das andere? 13 2.2 Jesus in Zeit und Ewigkeit im Neuen Testament Die Verbindung des in der Geschichte wirkenden Jesus mit dem präexistenten Christus begegnet nicht erst im Hebr. Auch die Evangelisten mussten mit dem Problem umgehen, dass Jesus zwar von Anfang an der Christus ist, dass dieses Bekenntnis aber den Menschen erst nach seinem Tod, seiner Auferstehung und Erhöhung als Möglichkeit zu Gebote stand. Der Evangelist Markus »löst« das Problem mit seinem Konzept des Offenbarungsgeheimnisses (»Messiasgeheimnis«). Jesus ist zwar schon während seines Erdenlebens der Messias, doch vollgültig kann er erst nach dem Vollbringen seiner Heilstat bekannt werden. Matthäus erklärt das irdische Wirken des Christus mit der Notwendigkeit, alle Gerechtigkeit (Mt 3,15; vgl. 5,17) und alles Verheißene zu erfüllen (vgl. die Erfüllungszitate: Mt 1,22; 2,15 usw.). Für Lukas erweist das sukzessive Vollbringen der Vollzahl der messianischen Taten, dass Jesus der ist, der da kommen soll (Lk, 7,22). 14 Für Johannes ist Jesus das präexistente und inkarnierte Wort (Joh 1,14), das Gott aus Liebe und zur Rettung der Menschen in die Welt gesandt hat (Joh 3,16). Der Philipperhymnus bzw. Karl-Heinrich Ostmeyer Der Hebräerbrief - Evangelium von Ewigkeit Zum Thema Zeitschrift für Neues Testament typoscript [AK] - 08.03.2012 - Seite 26 - 4. Korrektur 26 ZNT 29 (15. Jg. 2012) Zum Thema Paulus betonen bei der Herabkunft und Fleischwerdung Christi seine Selbstentäußerung und sein Schwachwerden zum Wohle der Menschen (Phil 2,6-8). In den Evangelien war es gattungsbedingt erforderlich, Jesu Wirken auf Erden ausführlich zu schildern: Sein Leben, seine Wunder und seine Lehre. Die (synoptischen) Evangelien nehmen ihren Ausgang in der Zeit und richteten sich u. a. an »Anfänger im Glauben« und Interessierte, die zunächst durch eine ausführliche Beschreibung des irdischen Wandels Jesu mit der Heilsbotschaft vertraut gemacht werden mussten. Im Unterschied dazu richteten sich die neutestamentlichen Briefe an Gemeindeglieder, die bereits Jesus als Christus angenommen hatten. Sie setzen an beim erhöhten und ewigen Christus. Ein ausführliches Beschreiben des irdischen Wirkens des Christus wie in den Evangelien ist bei ihnen nicht in vergleichbarer Breite erforderlich. Das Schreiben an die Hebräer nimmt eine Zwischenposition ein und entzieht sich einer eindeutigen Zuordnung. Einerseits setzt Hebr wie die Evangelien einen Schwerpunkt auf das Wirken des Christus. Er beschreibt sein kultisches Handeln sowohl in der irdischen als auch in der himmlischen Welt und stellt sein Opfer dem levitischen Tempelopfer gegenüber. Andererseits spielen für den Autor des Hebr wie für die neutestamentlichen Briefe Details des Erdenlebens Jesu, seine Lehre und seine Wunder keine Rolle. Diese Ambivalenz macht Hebr zu einem Exoten im Neuen Testament. 15 2.3 Das menschliche Reden von Ewigkeit Der Autor des Hebr steht wie alle, die sich an der Beschreibung der ewigen Welt versuchen, vor dem Dilemma, etwas beschreiben zu wollen, das mit den Möglichkeiten dieser Welt nicht erfassbar ist. Selbst die beste Darstellung der Ewigkeit bedient sich eines zeitlich-irdischen Instrumentariums und bleibt nur eine schattenhafte Skizze. Jedoch kommt für den gläubigen Menschen nicht in Frage, aufgrund der Unzulänglichkeit irdischer Sprach- und Vorstellungsfähigkeit auf die Rede vom anderen Äon zu verzichten; denn das hieße, von Gott zu schweigen und damit die eigene Welt absolut zu setzen. Da auch Gott selbst nicht geschwiegen, sondern in seinem Sohn einen Berührungspunkt der Äonen geschaffen hat (Hebr 1,1 f.), sieht es der Autor des Hebr als seine Aufgabe an, mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln auf das Höhere hinzuweisen. Um das eigentlich Unsagbare zum Ausdruck zu bringen, rekurriert der Verfasser des Hebr auf Bilder und Redeformen, derer sich Gott bereits vor dem Auftreten des irdischen Jesus bedient hat (Hebr 1,1). Die aus den heiligen Schriften zum Vergleich herangezogenen Elemente vermögen das in der Ewigkeit präsente Heil zwar nur in zeitgebundenen Einzelaspekten zu spiegeln, es handelt sich dabei jedoch um die wichtigste den Menschen zu Gebote stehende Rede-Möglichkeit. Prägendes Merkmal dieses Äons ist die Zeit und damit das Prozesshafte. Innerweltlich entsteht die Notwendigkeit, himmlische Seinsformen und Qualitäten als Vorgänge zu schildern und zu erleben. Dabei ist immer und an jeder Stelle nur ein Teilaspekt präsent. Jede Erzählung oder Beschreibung vergegenwärtigt zwar Ewiges, ist jedoch nur in einem Nacheinander von Worten zu erfassen. Jeder Bericht ist entweder unabgeschlossen oder er liegt, sobald er abgeschlossen ist, bereits wieder in der Vergangenheit. 16 Wenn nach Abschluss eines Prozesses das Ganze sichtbar wird, liegt das Geschehen bereits wieder in der Vergangenheit. Was sich im Hebr als Beschreibung himmlischer Geschehnisse darstellt, ist in Wahrheit die- - notwendig defizitäre- - Beschreibung himmlisch-ewigen Seins mit irdisch-zeitlichen Mitteln. Prof. Dr. Karl-Heinrich Ostmeyer, geb. 1967; verheiratet zwei Kinder. Studium in Tübingen, Jerusalem und Berlin, Promotion in Berlin über die Tauftypologien im Neuen Testament; Habilitation in Leipzig über die Gebetssprache und die Gebetstheologien im Neuen Testament. Umhabilitation nach Marburg. Lehraufträge in Göttingen, Leipzig, Marburg, Beer Sheva (Israel), Kassel. Apl. Prof. der Philipps Univ. Marburg; Pfarrer in Fulda. Karl-Heinrich Ostmeyer »Die aus den heiligen Schriften zum Vergleich herangezogenen Elemente vermögen das in der Ewigkeit präsente Heil zwar nur in zeitgebundenen Einzelaspekten zu spiegeln, es handelt sich dabei jedoch um die wichtigste den Menschen zu Gebote stehende Rede-Möglichkeit.« Zeitschrift für Neues Testament typoscript [AK] - 08.03.2012 - Seite 27 - 4. Korrektur ZNT 29 (15. Jg. 2012) 27 Karl-Heinrich Ostmeyer Der Hebräerbrief - Evangelium von Ewigkeit Werden die Einzelaussagen des Hebr nicht absolut gesetzt, sondern als Teilaspekte und als Beschreibung der himmlischen Welt aus verschiedenen Blickwinkeln verstanden, dann löst sich die scheinbare Widersprüchlichkeit von Kontinuität, Abwertung und Auflösung: Bei Einnahme einer innerweltlichen Perspektive entsprechen einander das Gottesvolk vor dem Einzug in das verheißene Land (Deut 12,9) und das Gottesvolk der Gläubigen nach der Offenbarung Christi in der Zeit. Beiden gemeinsam sind ihre Existenz in der Fremde und ihr Erwarten der Ruhe. 17 Wird bezogen auf die Ruhe und ihre Inhalte eine Zeit und Ewigkeit vergleichende Perspektive eingenommen, dann muss von einer Überbietung des einen durch das andere gesprochen werden. Die Hoffnung auf Ankunft im Gelobten Land in der Zeit wird übertroffen von der christlichen Erwartung der Ruhe in der Ewigkeit. Wird die Perspektive der Ewigkeit eingenommen, dann bedeutet das Eingehen in die Ewigkeit zugleich die Aufhebung und das Ende alles Zeitlichen und aller Erwartungen in der Zeit. 2.4 Zeit oder Ewigkeit als Ausgangspunkt im Hebr? Unter allen Schriften des Neuen Testamentes hat nur die Offenbarung des Johannes mehr Belege für aiōn (»Ewigkeit«, »Welt«) als Hebr. 18 Ewigkeit impliziert-- nicht nur in Hebr-- mehr als die unendliche Quantität einer in die Zukunft gerichteten Zeit. Ebenso wenig lässt sie sich als unendliche Ausweitung irdischer Raumkategorien begreifen. Es geht um eine fundamental andere Qualität. Eine Ewigkeit mit einem Anfang, wäre nach einer Seite hin begrenzt. Gleiches gilt von einer Ewigkeit, die eine Änderung erfährt, bei der also von einem »Davor« und »Danach« gesprochen werden kann. »Anfang«, »Ende«, »Wandel«, »Abfolge« und die Frage nach dem »Wann« sind zeitliche Kategorien, die der Ewigkeit wesensfremd sind. In welchem Verhältnis aber stehen im Hebr Himmlisches (Ewiges) und Irdisches (Zeitliches) zueinander? Was ist das Primäre? Hebr selbst scheint nahe zu legen, dass sich Vorgänge in der irdischen Welt auf die himmlische Welt auswirken: Jesus leidet auf Erden (Hebr 13,12), wird gekreuzigt (Hebr 12,2; vgl. 6,6). Er opfert sich als Hoherpriester (Hebr 9, 14.26; 10,10. 12. 14.20). Er reinigt das himmlische Heiligtum durch sein Blut (Hebr 9,23-28) und eröffnet damit den Gläubigen durch sein Fleisch (Hebr 10,20) einen Weg in das himmlische Heiligtum (Hebr 10,19,14). Wie lassen sich damit Verse vereinbaren, die ausgehen von einem unveränderlichen Priestertum (Hebr 7,24) und von Christus als dem, der »gestern, heute und derselbe auch in Ewigkeit« ist (Hebr 13,8)? 19 Die bislang gebotenen Überlegungen zum Verhältnis von irdischem Wirken und himmlischen Sein Christi nahmen ihren Ausgang bei der Lebens- und Leidensgeschichte Jesu auf Erden. Es entsteht der Eindruck als sei die Tat Jesu innerhalb der Zeit die Bedingung und der Anfang einer grundstürzenden Wirkung auf den anderen Äon. 20 Unausweichlich erscheint in der Folge die bereits benannte Aporie der Veränderung oder des Anfangs der Ewigkeit. Es stellt sich die Frage, ob der Ansatz bei der Zeitlichkeit dem Hebr und seiner besonderen Betonung von Ewigkeitsaspekten gerecht wird. Die hier gebotene Untersuchung unternimmt deshalb den Versuch, Hebr aus der Perspektive der Ewigkeit zu lesen. Ausgehend vom himmlischen Äon sollen die Konsequenzen für die Sicht der irdischen und zeitlichen Welt durchdacht werden. 21 Wird bei der Beschreibung der Ewigkeit und des Himmelreiches auf die zeitlich-weltlichen Kategorien »Beginn« und »Veränderung« verzichtet, dann folgt daraus, dass keine Handlungsabläufe existieren, sondern dass Christus wesensmäßig als sich geopfert habender Hoherpriester (Hebr 6,19 f.; 7,27) zu verstehen ist, dass Christus schon immer der war und immer der sein wird, der sich für seine Geschwister opfert (2,11f.17; 10,10.12) und sein Opfer im Himmel darbringt (Hebr 9,23-26). In diesem Christuskonzept existiert kein Nacheinander, sondern alles ist permanent in seiner ganzen Fülle präsent. Was sich in dieser Welt durch die Zeit entwickelt hat: Jesu Ankunft, Leben, Lehre, Wirken, Kreuzigung, Auferstehung und Erhöhung ist in der Ewigkeit ein Prädikat Christi, sein Wesensmerkmal. 3. Jesus Christus-- in Ewigkeit und Zeit In Christi Heilstat haben sich ewiger und zeitlicher Äon berührt. Sein irdisch-menschliches Leben und Wirken sind ein Stück zeitlich entfalteter Ewigkeit. Was sich innerhalb der Geschichte in Jesus von Nazareth entwickelt hat, war immer schon in der himmlischen Welt existent, ist es auch gegenwärtig und wird es immer sein. Nichts davon ist vergangen und nichts von dem, was in unserer Welt erst noch geschieht, steht im anderen Äon noch aus. In der Darstellung des Hebr »In Christi Heilstat haben sich ewiger und zeitlicher Äon berührt. Sein irdisch-menschliches Leben und Wirken sind ein Stück zeitlich entfalteter Ewigkeit.« Zeitschrift für Neues Testament typoscript [AK] - 08.03.2012 - Seite 28 - 4. Korrektur 28 ZNT 29 (15. Jg. 2012) Zum Thema spielt Jesus als Lehrer und Täter von Wundern keine Rolle. Das heißt nicht, dass diese Aspekte des Lebens Jesu dem Verfasser unbekannt oder ihm unwichtig waren. Jedoch meidet er in seiner Darstellung Jesu die Aspekte der zeitlichen Dauer und Wiederholung. Gelegen dagegen kommt seiner Darstellung alles, was Christi Sein und Tun punktuell bündelt. Das gilt insbesondere für das Verständnis Jesu als des ein für allemal sich opfernden Hohenpriesters. Entsprechend ist ephapax (»ein für allemal«) 22 ein für den Hebr spezifischer Terminus: Alle drei Belege im Hebr begegnen im Zusammenhang mit Jesu Selbstopfer als Hoherpriester. 3.1 Hoherpriester nach der Weise Melchisedeks 23 Unter Bezug auf die in der Genesis (Gen 14,18-20) und in Ps 110,4 (vgl. Ps 76,3) begegnende Figur des Melchisedek konnte der Verfasser des Hebr Jesus als den einmaligen Hohenpriester vorstellen. Eine Figur, die es erlaubt hätte, Jesus in Analogie zu Melchisedek als einmaligen Lehrer oder endgültigen Wundertäter zu zeichnen, bot die Tradition dem Autor des Hebr nicht. Demgegenüber eigneten sich die beiden in den biblischen Schriften begegnenden Priesterkonzepte in idealer Weise für die Gegenüberstellung von Linearität und Punktualität. Die Figur des Melchisedek erscheint als ein Solitär im Buch der Genesis. Er verfügt über keinen eigenen Stammbaum und ist selbst nicht Begründer einer Genealogie (Hebr 7,3). Die einzige weitere namentliche Erwähnung Melchisedeks in Psalm 110,4 stützt seine Einmaligkeit. Der 110. Psalm (109 LXX) zählt zu den Texten, auf die die neutestamentlichen Schriften am häufigsten rekurrieren. 24 Der Dichter des 110. Psalms möchte einer nicht namentlich genannten Person die Priesterwürde zuerkennen. Da dieser Person anscheinend keine priesterliche Abkunft eignet, ist die Rückführung auf Melchisedek die einzige biblisch legitimierte Möglichkeit, jemanden, der nicht dem Stamm Levi angehört, priesterlicher Würde teilhaftig werden zu lassen, »nach der Weise Melchisedeks« (Ps 110,4). David und seine Nachkommen, darunter auch Jesus, werden auf den Jakobssohn Juda (Mt 1,2 f.; Lk 3,33) und nicht auf den das Priestergeschlecht begründenden Stammvater Levi zurückgeführt (Num 1,47.50). In Gen 14,18-20 erscheint Melchisedek als Priester des höchsten Gottes, der Abram Brot und Wein bringt, ihn segnet und von ihm den Zehnten entgegennimmt. Wichtig für Hebr ist die Einmaligkeit des Geschehens und dass Melchisedek Priester genannt wird, ohne dass diese Priesterwürde an irgendeine Bedingung geknüpft oder mit zu wiederholenden Tätigkeiten verbunden wird. Die Genesis spricht von Gaben des Melchisedek (Gen 14,18), nicht aber von einem Opfer. Für die Deutung des Kreuzestodes Jesu als priesterliches Opfer bedarf es der Bezugnahme auf das blutige Opfer aus der levitischen Tradition (Lev passim; Hebr 8,4). Um die Verbindung von Jesu Opfertod und Melchisedek-Priestertum zu ermöglichen, wird der Melchisedek-Tradition die Vorstellung des levitischen Opfers untermengt. Der Tod Jesu wird beschrieben als ein levitisches Opfer, bei dem Subjekt und Objekt in eins fallen. Von der Melchisedek-Figur werden die Einmaligkeit und die Abstammungslosigkeit entlehnt. Nicht aus dem Pentateuch ableitbar ist die Idee des Selbstopfers des Hohenpriesters (Hebr 9,11-14). Auf der Basis des Ewigkeitskonzeptes des Hebr ist allerdings die Konzentration beider Aspekte (des Opfers und des Opfernden) auf die Person Jesu konsequent (Hebr 8,3). Da es sich um einen ewigen und zugleich einmaligen Vorgang handelt, ist die Beteiligung von anderen oder von Opfertieren keine Denkmöglichkeit, denn damit würde ein Akzent auf die Vorstellung eines zeitlichen Ablaufes und einer Unterscheidung von Subjekt und Objekt gelegt. Nach dem Offenbarwerden des Wesens Jesu bedarf es weder weiterer levitischer Opfer noch eines (anderen) Hohenpriesters nach der Weise Melchisedeks. All das ist in Jesus ein für allemal und für immer präsent. Das levitische Opfer war vor Jesu Offenbarung in der Zeit nicht wertlos oder minderwertig. Es war wie die Figur des Melchisedek eine notwendige Hinführung zum abschließenden und einmaligen Opfer Jesu. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Wertung des levitischen Priestertums und Opfers im Gegenüber zur Priesterschaft nach der Weise Melchisedeks ist im Hebr weniger eindeutig als es zunächst den Anschein hat. Denn für seine Deutung auf Christus bedarf der Hebr sowohl der Einmaligkeit des Melchisedek als auch des Sühnecharakters der levitischen Opfer. Letzterer ist bei Melchisedek nicht gegeben. Die Figur des Melchisedek wird im Hebr deshalb in den Vordergrund gerückt, um ein Gegengewicht zur Praxis des levitischen Tempelopfers zu schaffen, das für die Zeitgenossen des Hebr-Autors entweder präsent oder noch in Erinnerung war. 4. Die Gläubigen-- in Zeit und Ewigkeit 4.1 Vorherbestimmung? Gott hat die Welt erschaffen und nach Abschluss seines Schöpfungswerkes geruht (Hebr 4,4). Es bedarf keiner Zeitschrift für Neues Testament typoscript [AK] - 08.03.2012 - Seite 27 - 4. Korrektur ZNT 29 (15. Jg. 2012) 29 Karl-Heinrich Ostmeyer Der Hebräerbrief - Evangelium von Ewigkeit weiteren Schöpfungstätigkeit, alles war bereits »von Anbeginn der Welt fertig« (Hebr 4,3). D. h. Gott ist in der ewigen Ruhe (Hebr 4,10); Entwicklungen sind ausgeschlossen. Im Glauben haben Christen Teil an dieser Ruhe (Hebr 4,3.10) und Zutritt zum Heiligtum erlangt (Hebr 10,19). Wenn aber Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges im Himmel als vollendet Bestand haben, dann ist über das Heil des Einzelnen bereits von Anbeginn entschieden. Unmöglich ist eine Änderung dessen, was im Himmel verzeichnet ist (Hebr 12,23). Die Frage nach dem Vorherwissen Gottes und der Vorherbestimmung setzt eine innerweltliche und d. h. eine zeitliche Perspektive voraus, in der es ein Vorher und ein Nachher gibt. Wenn jedoch Hebr aus dem Blickwinkel der Ewigkeit urteilt, dann stellt sich für den Gläubigen nicht die Frage, ob irdisches Leben etwas an der himmlischen Wirklichkeit ändern könne, denn er ist bereits im Himmel angeschrieben (Hebr 12,23). Die Frage stellt sich allenfalls für diejenigen, die einmal gläubig waren, dann von Christus wieder abgefallen sind und abermals zu ihm zurückkehren wollen. 25 4.2 Handeln des Gläubigen in der Zeit Wer glaubt, weiß um das Wesen Christi, ohne jedoch das Heil innerweltlich bereits vollständig zu schauen (Hebr 11,1). Als Mensch bleibt er den Bedingungen der Zeit unterworfen. Er kann nicht anders als zeitlich und d. h. im Nacheinander der Worte über die Erlösung sprechen. Das Geworfensein in die Zeit und zugleich das Wissen um die einzige und wahre himmlische Heimat machen das christliche Leben zu einer Existenz in der Fremde (Hebr 13,14). In dem Punkt, an dem sich die Äonen berühren, hat der Gläubige Teil an der Ewigkeit in ihrer Fülle. Glaube ist im Hebr also kein Prozess in der Zeit. Er ist entweder ganz da oder nicht vorhanden. Im Glauben ist das ewige Reich für den Gläubigen schon präsent (Hebr 4,3.10; 6,12; 10,39; 11,1). 26 Folglich kommt es darauf an, diesen Glauben festzuhalten (Hebr 3,6.14; 4,14; 6,18; 10,23)-- die irdische Welt gilt es auszuhalten (Hebr 10,36 f.), bis die Zeit für die Gläubigen endet und sie ganz der ewigen Ruhe teilhaftig sind (Hebr 4,3.9- 11). 27 Für Gläubige kommt ein Sich-Einrichten in dieser Welt nicht in Frage (Hebr 11,16; 13,14). Der Verfasser des Hebr macht Mut: Das Leben Jesu und seine irdische Existenz geben Kraft zum Aushalten. Jesus selbst hat Versuchungen und Leiden aus Solidarität mit den Menschen auf sich genommen (Hebr 2,18; 4,15; 5,7). Wie die Gläubigen hat auch Christus Angst und Not erduldet und Gehorsam gegen Gott lernen müssen (Hebr 5,8). Irdisches Leben entfaltet in der Zeit, was in der himmlischen Welt in Ewigkeit Bestand hat. Es ist ausgeschlossen, dass ein Mensch aus der Rolle fällt, die ihm in Ewigkeit zukommt. D. h., die Existenz im Himmel korrespondiert dem Lebenswandel auf der Erde. 28 Als Antwort auf die Frage nach dem, was konkret auf Erden dem himmlischen Heilsstatus entspricht, schildert der Hebr das den Gläubigen angemessene Verhalten. Es besteht im Vollbringen von Werken der Liebe (Hebr 6,10; 10,24). Werke sind nicht Voraussetzung, sondern Ausdruck des Heils (Hebr 6,1; 9,14). 4.3 Heilsverlust? Der Verlust des Glaubens und ein Abfall vom ein für allemal erlangten ewigen Heil ist eigentlich eine Unmöglichkeit. Es gibt im Rahmen der Logik des Hebr nur eine Umkehr zum Glauben. Eine zweite Buße ist ausgeschlossen (Hebr 6,4-6), es wäre, als strebte man eine Veränderung oder Wiederholung ewiger Belange an (Hebr 6,6b). Für Martin Luther war der Ausschluss einer zweiten Buße sein entscheidender Kritikpunkt am Hebr, den er ansonsten wegen seiner ausgefeilten Christologie schätzte, 29 und es war ein Grund, ihn neben dem Jakobusbrief fast ans Ende des neutestamentlichen Kanons zu stellen. Für Luther war das Leben des Christen bestimmt durch permanente Buße und Umkehr. 30 Die theoretische Unmöglichkeit, das ein für allemal erlangte Heil zu verlieren oder aufzugeben (Hebr 6,4- 6), steht im Widerspruch zur praktischen Erfahrung des Autors des Hebr (Hebr 10,26). Ungeduldig wird das Ende der Zeit und die Vollendung durch den wiederkehrenden Christus erwartet. Der Autor des Hebr erlebte unter den Gliedern der christlichen Gemeinde Erschlaffung (Hebr 5,11; 10,25), Mutlosigkeit und Abkehr von Christus (Hebr 12,3). Da für den Hebr alle biblisch-jüdische Tradition einmündet in das Christusgeschehen und in ihm erfüllt ist (Hebr 1,2), stellt sich jede Rückkehr zu einem (jüdischen) Leben, das nicht in Christus seine Erfüllung sieht, als Rückschritt und als Abfall von Christus dar. Dabei würde die im Glauben »Wenn aber Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges im Himmel als vollendet Bestand haben, dann ist über das Heil des Einzelnen bereits von Anbeginn entschieden. Unmöglich ist eine Änderung dessen, was im Himmel verzeichnet ist (Hebr 12,23).« Zeitschrift für Neues Testament typoscript [AK] - 08.03.2012 - Seite 30 - 4. Korrektur 30 ZNT 29 (15. Jg. 2012) Zum Thema erfasste Ewigkeit gegen das nutzlos gewordene Zeitliche eingetauscht (Hebr 7,18). Wer am Ziel angekommen ist, bedarf nicht mehr des Weges, der ihn dorthin geführt hat. Im Gegenteil, jedes erneute Betreten des Weges wäre gleichbedeutend mit einer Verleugnung des bereits erlangten Ziels. Die Antwort des Autors lautet: Eine zweite Umkehr gibt es nicht (Hebr 6,4-6). 5. Das Schreiben an die Hebräer als Mittler zwischen Ewigkeit und Zeit 5.1 Die Sprache des Hebr Das Miteinander von Heil, das durch Christi einmalige Heilstat in Ewigkeit erwirkt wurde, und dem Handeln der Gläubigen in der Zeit, spiegelt sich im Vokabular des Hebr. Die Zeitform, die der Rede vom ewigen Heil am ehesten gerecht wird, ist das Perfekt. Grammatikalisch bringt das griechische Perfekt das Ergebnis einer abgeschlossenen Handlung zum Ausdruck. Für einen Gläubigen geschieht nichts, das im Reich Christi nicht schon vollendet wäre. Ein Christ bewegt sich nicht zum Heil hin, er bewegt sich im Heil. Einige im Perfekt 31 formulierte Heilsaussagen des Hebr: - Die Gläubigen sind schon Teilhaber Christi geworden (Hebr 3,14). - Christus ist ein für allemal am Ende der Zeiten offenbart worden zur Beseitigung der Sünden durch sein Opfer, sonst hätte er von Anbeginn der Welt an wiederholt leiden müssen (Hebr 9,26). - Christen sind geheiligt durch das Opfer Christi ein für allemal (Hebr 10,10) und vollendet auf Dauer (Hebr 10,14). - Christen sind besprengt und abgewaschen durch das Blut Christi (Hebr 10,22). - Wer glaubt, ist im himmlischen Jerusalem angekommen (Hebr 12,22). - Ein Christ gehört zu der Gemeinde der Erstgeborenen. Sein Name ist im Himmel angeschrieben, 32 und er ist bei den vollendeten Gerechten (Hebr 12,23). Das ewig gegenwärtige Heil gibt der Hebr im Perfekt wieder. Für die Einmaligkeit der Taten Gottes und der Tat Christi auf Erden stehen nominale Wendungen oder die Zeitform des Aorist. Das Handeln der Gläubigen in der Zeit ist geprägt durch zeitliche Dauer (Präsens) und Wiederholung auf Seiten der Gläubigen: - Vielmalig und vielgestaltig redete Gott vormals (Aorist, Hebr 1,1). Rhetorisch wird dieses wiederholte Reden Gottes unterstrichen durch eine Vielzahl von Alliterationen (Polymerōs kai polytropōs palai ho theos lalēsas tois patrasin en tois prophētais). 33 In Christi Heilstat hat Gott abschließend und endgültig geredet (Aorist, Hebr 1,2). - Jesus bringt einmalig Bitten mit Klage dar (Hebr 5,7; formuliert im Aorist als Ausdruck eines punktuellen Handelns)-- die Gläubigen sind aufgerufen, permanent das Opfer des Lobes zu bringen (Hebr 13,15a; anapherōmen, Präsens als Ausdruck der Kontinuität). 34 - Das Bekenntnis, das Christus einmalig abgelegt hat (homologia, Hebr 3,1; 4,14; 10,23), ermöglicht das dauerhafte Bekennen durch die Gläubigen (Hebr 13,15b; homologeō, Präsens). - Bezogen auf Jesus ist vom Tod die Rede (thanatos, Hebr 2,9.14; 5,7; 9,15 f.) und bezogen auf Menschen meist vom Sterben (apothnēskō, Hebr 7,8; 9,27; 10,28; 11,4. 13. 21.37). 35 5.2 Hebr und die Briefe des Paulus Die ehemalige Zuschreibung des Hebr zum Corpus Paulinum lässt sich nicht aufrecht erhalten. Dennoch sind bei allen Unterschieden gegenüber der Pauluskorrespondenz bemerkenswerte Übereinstimmungen zu konstatieren. 36 Wie der Verfasser des Hebr setzt Paulus voraus, dass unabhängig von der Zeit das Heil in Christus schon immer präsent war: Abraham wurde wegen seines Glaubens an Christus gerecht gesprochen (Röm 4,3. 13. 17; Gal 3,16; Hebr 11,8-19); das Heil ist bereits präsent, jedoch ist es jetzt nur wie in einem Spiegel zu schauen (1Kor 13,12). Hebr 11 bietet eine lange Reihe von Personen des Alten Testaments, die bereits im Glauben standen. Es ist dieser Glaube, der sie gerettet hat-- unabhängig von der Epoche, in der sie lebten. Voraussetzung für die Teilhabe an der Ewigkeit ist die Überwindung des Todes, der als Folge der Sünde verstanden ist (Röm 6,23), und seine Beseitigung (vgl. Hebr 2,14; 1Kor 15,25-28). Sowohl Paulus (Gal 4,4) als auch der Hebr (Hebr 1,2) verstehen die Offenbarung Jesu als Eingriff Gottes in die Zeit. »Für einen Gläubigen geschieht nichts, das im Reich Christi nicht schon vollendet wäre. Ein Christ bewegt sich nicht zum Heil hin, er bewegt sich im Heil.« Zeitschrift für Neues Testament typoscript [AK] - 08.03.2012 - Seite 27 - 4. Korrektur ZNT 29 (15. Jg. 2012) 31 Karl-Heinrich Ostmeyer Der Hebräerbrief - Evangelium von Ewigkeit Jesus kommt als Bruder der Menschen (Röm 8,29; Hebr 2,11 f.17) und erleidet als Sündloser den Tod (2Kor 5,21; Hebr 4,15). Der Tod, der keinen Anspruch auf einen Sündlosen hat, muss ihn wieder herausgeben. Damit ist seine Macht gebrochen (Hebr 2,14; vgl. 2Tim 1,10). Alle, die sich im Glauben an Christus halten, erlangen durch den »Vorhang« (»sein Fleisch«; Hebr 10,20) als Geschwister Jesu (Hebr 2,11) Zugang zur Ewigkeit und ewigen Ruhe. Wie bei Paulus (2Kor 5,16) spielt auch in Hebr das Kennen des irdischen Jesus keine heilsentscheidende Rolle. Entscheidend sind nicht Jesu Wunder- und Lehrtätigkeit in den etwa 30 Jahren seines Erdenlebens, sondern die ewige, schon in den alttestamentlichen Schriften als gegenwärtig greifbare Offenbarung seiner Heilstat (Röm 4,3. 13. 17; 1Kor 10,4; Gal 3,16; Hebr 11,8-19). 5.3 Der Hebräerbrief als typologisches Schreiben 5.3.1 Typologie und Typos-Terminologie im Hebräerbrief Im Kontext der Exegese des Neuen Testamentes bezieht sich der Terminus »Typologie« in der Regel auf ein Verhältnis zwischen alttestamentlichen und neutestamentlichen Motiven. 37 Ob es sich dabei um eine Entsprechung, eine Überbietung oder eine Ablösung des einen durch das andere handelt, ist Gegenstand der Interpretation. In der Auslegungsgeschichte wurde dieses Verhältnis nicht selten auf das Gegenüber von Christentum und Judentum gedeutet. 38 Die Identifikation einer Typologie im Neuen Testament geschieht unabhängig vom Vorkommen der Termini typos oder antitypos. 39 Die beiden Belege in Hebr sind nicht signifikant: In Hebr 8,5 wird von Moses Auftrag gesprochen, die Stiftshütte gemäß dem auf dem Berg geschauten Typos zu bauen (Ex 25,40). In Hebr 9,24 wird Christus als der beschrieben, der nicht in das irdische Heiligtum einging, das nur Antitypon des wahren ist. Die Termini beziehen sich im Hebr nicht auf alttestamentliche Verheißung und neutestamentliche Erfüllung, sondern auf himmlische und zeitlich-irdische Welt. 40 5.3.2 Heil vor der Offenbarung Jesu in der Zeit Bereits die Einleitung des Hebr verweist auf die Zusammengehörigkeit des Redens Gottes in der Vergangenheit durch die Propheten (Hebr 1,1) und Gottes einmaligem Heilswort in Christus (Hebr 1,2). Da das Heil einmalig, unteilbar und ein für allemal in Christus vollendet ist, ist überall da, wo in den biblischen Schriften von Heil die Rede ist, das Heil in Christus gemeint (1Kor 3,11; Phil 2,10). 41 Jede Rede über die eine Seite bezieht sich folglich zugleich auf die andere. Eine Aussage über Christus dient der Interpretation der alttestamentlichen Verheißung, und in den alttestamentlichen Aussagen über das Heil wird Christus offenbar. 42 In diesem Sinne ist alle Rede über Christi Heilstat wie auch über deren biblische Verheißung typologische Rede. 43 Die historische Reihenfolge spielt in der typologischen Rede keine Rolle. Jede Aussage über Christus und sein Wesen muss der Ewigkeit standhalten. Christliche Typologie ist die menschliche Möglichkeit des Redens in der Zeit über das, was in Christus in einem Punkt und in seiner ganzen Fülle ein für allemal präsent war, ist und sein wird. Paulus setzte zeitübergreifend den Felsen in der Wüste, aus dem Israel während seiner Wanderung trank (Ex 17,6; Num 20,8; Dtn 8,15), mit Christus gleich (1Kor 10,4), und er konnte den Durchzug der Väter durch das Schilfmeer als Taufe bezeichnen (1Kor 10,2). 44 Die Fülle des Heils hat sich zu Pauli Lebzeiten in Jesus offenbart (Röm 5,17); es war und ist jedoch permanent präsent: Bereits Abraham hatte im Glauben daran Teil (Röm 4,11 f.), ebenso wie die Väter in der Wüste oder die in Hebr 11 genannten Menschen aus der alttestamentlichen Tradition, die durch den Glauben gerettet wurden. 45 Typologische Rede bringt keine eingeschränkte Teilhaftigkeit der Väter am Heil zum Ausdruck; die Motive des Alten Bundes sind gegenüber dem Neuen Bund nicht defizitär. Wenn überhaupt von einem Mangel zu sprechen ist, dann liegt er begründet in der Gebundenheit allen menschlichen Redens und aller menschlichen Existenz an die Zeit. 5.3.3 Heil seit der Offenbarung in der Zeit Ist die Zeit der Väter und Propheten historisch betrachtet eine Zeit der Vorausschau auf die Heilstat Christi-- »vielfältig und auf vielerlei Weise«, dann ist die Zeit des Hebr und alle spätere Zeit eine Zeit der Erinnerung an das ein für allemal in Christus Geschehene. Daran gilt es festzuhalten (Hebr 3,6.14; 4,14; 6,18; 10,23). Das bestimmende Merkmal allen Seins in der Zeit ist die Fremdheit. Die Gläubigen wissen, dass ihr gegenwärtiger Existenzmodus ein vorläufiger ist. Ihre Perspektive »Da das Heil einmalig, unteilbar und ein für allemal in Christus vollendet ist, ist überall da, wo in den biblischen Schriften von Heil die Rede ist, das Heil in Christus gemeint«. Zeitschrift für Neues Testament typoscript [AK] - 08.03.2012 - Seite 32 - 4. Korrektur 32 ZNT 29 (15. Jg. 2012) Zum Thema ist das vollständige Sein in der »Ruhe« Gottes und das damit verbundene Ende der Zeit (Hebr 4,1. 3. 10 f.). Aus der Perspektive des Hebr spielt es keine Rolle, ob der Tempelkult noch praktiziert wird oder ob der Tempel bereits zerstört ist. 46 Wer glaubt, bedarf nicht mehr eines voraus weisenden Handelns in Form des Tempelkults. Im Gegenteil, ein weiteres Festhalten am Tempelkult wäre ein Hinweis darauf, dass die Gegenwart des Heils, das durch den Tempelkult angezeigt wurde, noch nicht erkannt ist. Am Ende der Zeiten endet alles Irdische. Der Bund in seiner alten Ausprägung, der immer nur Teilaspekte im zeitlichen Nacheinander bieten konnte, wird dann in seiner ganzen Fülle als zeitloser neuer Bund präsent sein. Am Ende der Zeiten steht die Aufdeckung dessen, was schon da, aber noch nicht sichtbar ist. Der griechische Begriff für »Aufdeckung« oder »Offenbarung« ist apokalypsis. In diesem Sinne ist das Weltbild des Hebr apokalyptisch. Das, was immer schon war und immer sein wird, ist in Christi Heilstat offenbart in der Zeit. Im Glauben ist es als sicher gegenwärtig erfassbar (Hebr 11,1). 47 Die verheißene Ruhe ist dadurch gekennzeichnet, dass in ihr alle verbergenden Hüllen gefallen sind. 6. Schlussbetrachtung: Das Schreiben an die Hebräer als Evangelium Der Hebr entzog sich bislang den Versuchen einer Kategorisierung. Weder die Einordnung als Brief noch als Predigt vermögen zur Gänze zu befriedigen. 48 Eine wichtige neutestamentliche Gattung, die im Kontext des Hebr bisher kaum in den Blick genommen wurde, sind die Evangelien. Die Autoren der kanonischen Evangelien und der Autor des Hebr widmen sich der gleichen Aufgabe: Es geht ihnen um die Darstellung Jesu Christi als dem, der die menschliche Existenz in der Zeit mit dem Heil der himmlischen Welt verbindet. Die vier kanonischen Evangelien entfalten Jesu Leben in zeitlich-räumlicher Perspektive und setzen es davon ausgehend in Beziehung zur Ewigkeit. Der Hebr dagegen beschreibt Jesu Sein aus der Perspektive der Ewigkeit und verankert es in der irdischen Existenz der Gläubigen (Hebr 6,19). Dabei abstrahiert der Hebr so weit als möglich von Raum und Zeit. Angaben zu Jesu Leben sind knapp gehalten und beziehen sich auf Einzelpunkte seiner menschlichen Existenz (z. B. seine Versuchung und das Konstatieren seines Leidens; Hebr 2,18; 4,15; 13,12). Schreiben die vier Evangelisten ihre Evangelien ausgehend von der Zeit Jesu auf Erden, so bietet der Hebr ein Evangelium Jesu ausgehend von der Ewigkeit. Die Lösung des Hebr zählt zu den anspruchsvollsten, zugleich aber auch zu den tiefgründigsten des Neuen Testamentes. Der Hebr als Evangelium, das seinen Ausgang nimmt bei der Ewigkeit, will nicht innerzeitlich, wie die kanonischen Evangelien, sondern zeitlos Zeugnis geben: »Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit« (Hebr 13,8). Anmerkungen 1 G. Schunack, Der Hebräerbrief (ZBK.NT 14), Zürich 2002, 9. 2 H. Strathmann, Die Briefe an Timotheus und Titus. Der Brief an die Hebräer (NTD 9), Göttingen 1967, 73. 3 An der traditionellen Bezeichnung wird festgehalten, ohne dass damit eine Festlegung auf einen der Vorschläge zur Gattungsbestimmung des Schreibens an die Hebräer gegeben wäre. 4 H. W. Attridge, Hebräerbrief, RGG4 Bd. 3, 1494-1497, 1494, nennt den Hebräerbrief »ein Meisterwerk frühchristl. Predigtkunst«; er verwebe »einfallsreiche Schriftauslegung mit wirkungsvoller Paränese«. K. Backhaus, Per Christum in Deum. Zur theozentrischen Funktion der Christologie im Hebräerbrief, in: Th.Söding (Hg.), Der lebendige Gott. Studien zur Theologie des Neuen Testamentes. FS Wilhelm Thüsing (NTA NF 31), Münster 1996, 258-284, 266 (wiederabgedruckt in: Ders, Der sprechende Gott. Gesammelte Studien zum Hebräerbrief [WUNT 240], Tübingen 2009, 49-76), spricht vom »Mischtypus einer ›brieflich versandten Predigt‹«. 5 So u. a. Udo Schnelle, Einleitung in das Neue Testament (UTB 1830), Göttingen, 4 2002, 418 f.; E. Gräßer, An die Hebräer. 1. Tb. Hebr 1-6 (EKK XVII/ 1), Zürich u. a. 1990, 16, diskutiert die verschiedenen Vorschläge zur Gattungsbestimmung und schlägt vor, Hebr »ganz allgemein als theologische Meditation bzw. als eine literarische Form der Schriftgnosis zu bezeichnen«. 6 H. Braun, An die Hebräer (HNT 14), Tübingen 1984, 33: »Diese Christologie setzt sich aus Elementen zusammen, die einander ausschließen.« 7 G. Gäbel, Die Kulttheologie des Hebräerbriefes. Eine exegetisch-religionsgeschichtliche Studie (WUNT II/ 212), Tübingen 2006, 3 f. 8 Braun, Hebräer (Anm. 6), 32: »Die Aporie liegt auf der Hand: Besaß Jesus während des Erdenlebens und davor schon hohe Würden, so bringt die Auferstehung bzw »Am Ende der Zeiten endet alles Irdische. Der Bund in seiner alten Ausprägung, der immer nur Teilaspekte im zeitlichen Nacheinander bieten konnte, wird dann in seiner ganzen Fülle als zeitloser neuer Bund präsent sein.« Zeitschrift für Neues Testament typoscript [AK] - 08.03.2012 - Seite 27 - 4. Korrektur ZNT 29 (15. Jg. 2012) 33 Karl-Heinrich Ostmeyer Der Hebräerbrief - Evangelium von Ewigkeit Auffahrt nichts hinzu, sondern gibt nur zurück; liegt dagegen die Wende in der Auffahrt, so sinkt die vorirdische und irdische Würde […]. Der Hb-- dem ›Jesus war schon immer‹ und dem ›Jesus wurde erst‹ verhaftet-- macht die Aporie besonders deutlich«. 9 Braun, Hebräer (Anm. 6), 21. 10 Braun, Hebräer (Anm. 6), 20: Käsemann, Michel, Gräßer »überspielen die Aporie, in der sich die Hb-Texte selber befinden: Neben der Linie der Entsprechung und Überbietung reden die Texte von der Aufhebung des Alten durch das Neue, zB 8,13«. 11 Vgl. A. Vanhoye, Hebräerbrief, TRE Bd. 14, Berlin, New York 1985, 494-505, hier: 502. 12 E. Käsemann, Das wandernde Gottesvolk. Eine Untersuchung zum Hebräerbrief (FRLANT 55, NF 37), Göttingen 2 1957, 35. 13 Die Klassifizierung eines oder mehrerer der genannten Beziehungen als typologisch, impliziert zugleich die Entscheidung für eine bestimmte Definition von »Typologie«. Zum Beispiel erlauben nach Schnelle, Einleitung (Anm. 5), 420f., »typologische Zuordnungen (z. B. Hebr 6,13-20; Melchisedek in Hebr 7)« dem Autor, »die Überbietung der alten Heilsordnung durch das in Jesus Christus heraufgeführte Heil umfassend darzustellen«. 14 K.-H. Ostmeyer, Kommunikation mit Gott und Christus. Sprache und Theologie des Gebetes im Neuen Testament (WUNT 197), Tübingen 2006, 284-316. 15 Braun, Hebräer (Anm. 6), 1: »Er ist ein Zwitter«. 16 Die Folge ist, dass bezogen auf die Heilstat Christi entweder sein Tod am Kreuz oder seine Erhöhung als nachgeordnet erscheinen. Mit Recht macht sich Franz Laub, »Ein für allemal hineingegangen in das Allerheiligste« (Hebr 9,12)-- Zum Verständnis des Kreuzestodes im Hebräerbrief, BZ 35, 1991, 65-85, 65 f. u. ö., für eine »Sacheinheit« von Erniedrigung und Erhöhung stark. A. a. O., 80: »Vielmehr ist der Autor bestrebt und gelingt es ihm, das Christusgeschehen von Kreuz und Erhöhung kulttheologisch als das eine Erde und Himmel, Zeit und Ewigkeit umschließende Heilsereignis nahezubringen«. 17 Im Neuen Testament begegnet katapausis (»Ruhe«) außer im Hebräerbrief (Heb 3,11.18; 4,1.3. 5. 10 f.) nur noch in Apg 7,49. 18 In beiden Büchern begegnet aiōn in 13 Versen. Die höhere Zahl der Einzelverweise in der Apokalypse resultiert aus der darin feststehenden Wendung eis aiōnas aiōnōn (»von Ewigkeit zu Ewigkeit«; wörtlich: »in die Ewigkeiten der Ewigkeiten«). 19 H. Löhr, Wahrnehmung und Bedeutung des Todes Jesu nach dem Hebräerbrief. Ein Versuch, in: J. Frey/ J. Schröter, Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament (WUNT 181), Tübingen 2005, 455-476, 458, hält »die Frage, wann Jesus nach Auffassung des Hebr Hohepriester wurde, […] aufgrund des Textbefundes [… für] nicht eindeutig zu klären«. 20 Gäbel, Kulttheologie (Anm. 7), 17: »Das himmlische Wirken Christi setzt seinen irdischen Weg voraus […]. Alle Sakralität, alle legitime Kultausübung ist nach Hebr seit der Erhöhung Christi im himmlischen Heiligtum konzentriert«. 21 Th. Söding, »Hoherpriester nach der Ordnung des Melchisedek« (Hebr 5,10). Zur Christologie des Hebräerbriefes; in: R. Kampling (Hg), Ausharren in der Verheißung. Studien zum Hebräerbrief (SBB 204), Stuttgart 2005, 63-109, 105: »Die Übertragung, wenn von ihr zu reden wäre, geschähe nicht von der Erde auf den Himmel, sondern umgekehrt vom Himmel auf die Erde […]. Denn die eigentliche Realität ist die Gottes allein.« K. Backhaus, Das Land der Verheißung: Die Heimat der Glaubenden im Hebräerbrief (NTS 47) (2001; wiederabgedruckt in: Ders., Gott, 175-194, Anm. 4), 171-188, 177: »Hebr beginnt im Himmel, beschreibt aus verschiedenen Blickwinkeln den Zugang zum Himmel, endet im Himmel«. 22 Im Neuen Testament begegnet ephapax fünfmal, davon dreimal in Hebr (Hebr 7,27; 9,12; 10,10; Röm 6,10; 1Kor 15,6). In der Septuaginta fehlt der Terminus. 23 Gäbel, Kulttheologie (Anm. 7), 15: »Eine Deutung der Hohepriesterchristologie des Hebr jedoch, in der sowohl der irdisch-geschichtliche wie der himmlisch-kultische Aspekt das ihnen je zukommende Gewicht tragen, und zwar im Rahmen eines kohärenten Gesamtentwurfs, fehlt heute nicht anders als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.« 24 Die Evangelisten (Mk 12,35-37; Mt 22,42-45; Lk 20,41- 44) legen bei ihrer Rezeption des 110. Psalm den Schwerpunkt nicht auf den vierten, sondern auf den ersten Vers. Für sie war entscheidend, dass Jesus als Messias nicht dem Psalmsänger und König David untergeordnet wurde. Ein solches Verständnis basiert auf der Deutung, dass David ihn im Psalm als seinen Herrn bezeichne: »Der Herr sprach zu meinem Herrn« (Ps 110,1). 25 Attridge, Hebräerbrief (Anm. 4), 1495: »Die Identifizierung der Adressaten als ›Hebräer‹ suggeriert, daß Konvertiten, die aus dem Judentum kamen, geneigt waren, zu ihren jüd. Wurzeln zurückzukehren.« Dagegen: Käsemann, Gottesvolk (Anm. 12), 10. 26 Backhaus, Land (Anm. 21), 180: Das himmlische Verheißungsziel »hat der Glaube schon erreicht«; a. a. O. 181: Sie sind »jetzt schon fide in spiritu eingebürgert«. 27 Die Gemeinde ist bereits himmlischer Gaben teilhaftig (Heb 6,4 f.). Metochos (Teilhaber, teilhaftig sein) zählt zu den Zentralbegriffen des Hebr (1,9; 3,1.14; 6,4; 12,8). Im Neuen Testament begegnet er sonst nur noch einmal in Lk 5,7. Das Alte Testament hat samt Apokryphen insgesamt sieben Belege (1Sam 20,30; 3Makk 3,21; Ps 44,8LXX; Ps 118,63LXX; Spr 29,10; Pred 4,10; Hos 4,17). 28 K. Backhaus, Auf Ehre und Gewissen! Die Ethik des Hebräerbriefes, 111-134 (wiederabgedruckt in: Ders., Gott, 215-238, Anm. 4), 134: Jede »noch so bedeutungslos scheinende Geste im Alltagsdrama wird grenzenlos wichtig und gewinnt einen ethischen Rang, der kaum zu überschätzen ist: Inmitten des Alltags werden wir ›Gastgeber der Engel‹, Hüter des Transzendenten in einer entzauberten Welt«. 29 Vorrede zum Hebräerbrief, 1522; in: K. Aland (Hg.) Luther Deutsch, Bd. 5 (UTB 1656), Göttingen 1991, 62, vgl. WA DB 7,344; vgl. Gräßer, Hebräerbrief I (Anm. 5), 35. 30 So lautet die erste der 95 Thesen Luthers von 1517, K. Aland (Hg.), Luther Deutsch Bd. 2, 32 (Anm. 29): »Da Zeitschrift für Neues Testament typoscript [AK] - 08.03.2012 - Seite 34 - 4. Korrektur 34 ZNT 29 (15. Jg. 2012) Zum Thema unser Herr und Meister Jesus Christus sagt: ›Tut Buße‹ usw., wollte er, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein sollte« (WA 1,233,10 f.). 31 Die Zahl der im Hebr gebrauchten Perfektformen übersteigt mit 87 Belegen in 76 Versen deutlich die Zahl der Perfekta im längeren Römerbrief (79 Belege in 68 Versen). 32 Vgl. Lk 10,20. 33 In der Lutherübersetzung (1984) sprachlich gut nachempfunden: »Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten« (Heb 1,1); vgl. Backhaus, Christum (Anm. 4), 275. 34 Vgl. Ostmeyer, Kommunikation (Anm. 14), 164-168. 35 Vgl. Löhr, Wahrnehmung (Anm. 19), 457. 36 Schnelle, Einleitung (Anm. 5), 421. Zu Recht verweist Vanhoye, Hebräerbrief (Anm. 11), 495, auf »auffallende Entsprechungen zu der [Christologie] der Gefangenschaftsbriefe«; K. Backhaus, Der Hebräerbrief und die Paulus-Schule, BZ 37 (1993; wiederabgedruckt in: Ders., Gott, 21-48, Anm. 4), 183-208, 187 f. 37 K.-H. Ostmeyer, Typologie, RGG 4 Bd. 8, Tübingen 2005, 677 f. 38 Gräßer, Hebräer I (Anm. 5), 31 f., geht ausführlich auf die »negative Wirkungsgeschichte« ein; entschieden gegen eine antijüdische Vereinnahmung auch Käsemann, Gottesvolk (Anm. 12), 10: »Für Hebr. ist im allgemeinen eine […] Ausrichtung antijüdischen Charakters rundweg zu bestreiten«; vgl. a. a. O., 34. 39 K.-H. Ostmeyer, Taufe und Typos. Elemente und Theologie der Tauftypologien in 1. Korinther 10 und 1. Petrus 3 (WUNT II/ 118), Tübingen 2000, 49 f. 40 K. Backhaus, Das Bundesmotiv in der frühchristlichen Schwellenzeit, 211-231; in: H. Frankemölle (Hg.), Der ungekündigte Bund? Antworten des Neuen Testamentes (QD 172), Freiburg, Basel, Wien 1998 (wiederabgedruckt in: Ders., Gott, 153-174; Anm. 4), 222 »Nicht um polemische Desavouierung des Jüdischen geht es dem Verfasser, sondern um ontologische Relativierung des Irdischen. Nicht Kirche und Synagoge vergleicht Hebr, sondern Himmel und Erde.« 41 Backhaus, Land (Anm. 21), 174: »Alle Erzväter stehen, wie betont wird, unter der gleichen Verheißung, und das ist letztlich die, unter der die ganze Geschichte der Erdenwelt steht, und die durch Christus verbürgt, auch für die Christen gilt«. 42 Vgl. Gräßer, Hebräer I (Anm. 5), 27. 43 H. Hegermann, Der Brief an die Hebräer (ThHK 16), Berlin (Ost) 1988, 61, erklärt, »die bei Paulus zuerst greifbare typologische Methode« erhalte im Hebr ein »besonderes Gewicht«. 44 Wie in Hebr 8,5 und 9,24 wird auch in 1Kor 10,6 deutlich, dass die Terminologie nicht für die Bestimmung einer als typologisch definierten Beziehung entscheidend ist. Nicht der Schilfmeerdurchzug wird als Vorbild der Taufe bezeichnet, sondern die Väter werden hinsichtlich ihrer Heilserfahrung und ihrer Bestrafung den Gläubigen als warnende Typoi vorgestellt (1Kor 10,6); Ostmeyer, Taufe (Anm. 39), 137-145. 45 Backhaus, Bundesmotiv (Anm. 40), 221: »So finden sich die Glaubenden der neuen Diatheke mit dem alten Heilsvolk seit Abraham zu einer einzigen Geschichte irdischer Pilgerschaft zusammengeschlossen (11,1-12,3), die ihre Kontinuität in Gottes verheißendem Wort besitzt«. 46 Vgl. Schnelle, Einleitung (Anm. 5), 413 f. 425. 47 O. Hofius, Katapausis. Die Vorstellung vom endzeitlichen Ruheort im Hebräerbrief (WUNT 11), Tübingen 1970, 150: »Der Hebräerbrief kennt den Gedanken einer Wanderschaft zum Himmel bzw. zu den im Himmel bereiteten Stätten nicht, sondern er teilt die apokalyptische Erwartung, daß die präexistenten Heilsorte am Tag der Endvollendung aus der Verborgenheit heraustreten werden. Dementsprechend ist die Gemeinde nicht als das zum Himmel wandernde, wohl aber als das auf die Heilsvollendung w a r t e n d e Gottesvolk gesehen, und der Verfasser will dieses Volk nicht etwa ›auf seinem Weg in die himmlisch-zukünftige Welt anspornen‹, sondern es mit aller Dringlichkeit dazu aufrufen, die Erwartung nicht preiszugeben, der allein die Erfüllung verheißen ist.« 48 Gräßer, Hebräerbrief I (Anm. 5), 15, wählt als Überschrift seines Abschnitts zur Gattungsbestimmung: »Das literarische Rätsel«.