eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 14/27

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2011
1427 Dronsch Strecker Vogel

»It matters!«

2011
Christian Strecker
Bekanntlich markiert ein entschwundener Körper den Beginn des christlichen Glaubens und der christlichen Tradition. Gemeint ist die Absenz des Körpers Jesu von Nazareth im Grab. Dieses leere Grab bewirkte keinen Abbruch des angefangenen Werks Jesu, kein Fiasko, sondern einen neuen Aufbruch, eine heilvolle Wende, insofern in ihm - und in den Ostererscheinungen - die Auferstehung verbürgt und darin das Versprechen einer messianischen Anbzw. Wiederkunft Christi gegeben war. Vor allem aber öffnete der entschwundene Körper Jesu den Raum für diverse neue, vielgestaltige »Körper«, die gewissermaßen die entstandene Leerstelle auf je eigene Weise besetzten. Zu verweisen ist auf den in Taufe und Abendmahl konstituierten sozialen »Leib« Christi, die Kirche, aber auch auf das »Korpus« jener Schriften, die später als »Neues Testament« kanonisiert wurden. Die Absenz des Körpers Jesu, der zu seinen Lebzeiten selbst die körperliche Existenz kranker und versehrter Menschen heilvoll transformierte, war mithin auf komplexe Weise äußerst produktiv. 1 In vielen Facetten war dem christlichen Glauben so von frühester Zeit an die Frage nach der Bedeutung, Repräsentation und Transformation des Körpers eingeschrieben. Der folgende Beitrag will einigen dieser Facetten, wie sie in den ntl. Schriften aufscheinen, nachgehen und einschlägige Forschungsbeiträge vorstellen. Es ist an dieser Stelle freilich nicht möglich, das Thema in seiner ganzen Breite zu erörtern. Es können lediglich einige wichtige Aspekte und Forschungsthesen dargestellt werden. Bevor dies geschieht, empfiehlt es sich, in aller Kürze auf die Neuentdeckung des Körpers in den jüngeren wissenschaftlichen Diskursen einzugehen, die maßgeblich mit dazu beitrug, dass Körperfragen heute eine deutlich größere und auch andere Rolle in der ntl. Forschung spielen, als dies noch vor Jahren der Fall war. 1. Body Turn. Die Wiederkehr des Körpers Die konkrete Verankerung menschlichen Handelns und zumal auch des Denkens im Körper war lange ein allenfalls randständig beachtetes Untersuchungsfeld der geistes- und humanwissenschaftlichen Forschung. Die im westlichen Denken tief verwurzelte dualistische Spaltung von Körper und Geist, Materialität und Immaterialität bei gleichzeitiger Höherschätzung des Geistes gegenüber Körper und Materie, ließ kaum Platz dafür. Bis heute begegnet jenes klassische Paradigma, demzufolge dem denkenden, quasi körperlosen Ich, dem reinen Bewusstsein, absolute Priorität im Verhältnis zu dem »bloß« materiellen Körper zukommt. Die Erschließung der Welt wird dabei als primär geistiger, sprachlich und rational geprägter Akt verstanden, dem gegenüber das nur schwer zugängliche, diffuse körperliche Sein als vernachlässig- oder gar ignorierbar erscheint. Die im Rahmen dieses Paradigmas rundweg postulierte Herrschaft des Geistes (oder auch der Kultur, der sozialen Welt) über den (form-, disziplinier- und regulierbaren) Körper verhinderte kategorisch die Erfassung und Untersuchung der somatischen Existenz als einer ebenso bedeutenden, wirklichkeitskonstituierenden Größe. 2 In den letzten Jahrzehnten geriet dieses den Körper marginalisierende Paradigma jedoch zusehends ins Wanken. Folgende Faktoren spielten dabei eine maßgebliche Rolle: der internationale Aufstieg der Kulturanthropologie zu einer Leitwissenschaft (»Anthropologisierung des Wissens« 3 ), durch den die dort von jeher betriebene Erforschung differenter Körperkonzepte fachübergreifend Aufmerksamkeit erfuhr, 4 die breite wissenschaftliche Rezeption der Werke von Norbert Elias, Mary Douglas, Michel Foucault und Pierre Bourdieu zum Verhältnis von Körper und Gesellschaft, 5 das wachsende Interesse an der Leibphilosophie (Maurice Merleau-Ponty; Hermann Schmitz) 6 und der Boom feministischer und postfeministischer Theorien über den geschlechtlichen Körper (Judith Butler, Barbara Duden) 7 . Zu verweisen ist ferner auf die in der naturwissenschaftlichen und medizinischen Forschung erlangten technischen Möglichkeiten der Körperregulierung (Gentechnik, plastische Chirurgie) wie auch auf das neue Körperbewusstsein bzw. den Körperkult in der alltäglichen Lebenswelt (fit- Neues Testament aktuell Christian Strecker »It matters! « Der Körper in der jüngeren neutestamentlichen Forschung 2 ZNT 27 (14. Jg. 2011) »Bis heute begegnet jenes klassische Paradigma, demzufolge dem denkenden, quasi körperlosen Ich, dem reinen Bewusstsein, absolute Priorität im Verhältnis zu dem ›bloß‹ materiellen Körper zukommt.« 016911 ZNT 27 - Inhalt 24.03.11 11: 08 Seite 2 Christian Strecker »It matters! « ness-Bewegung, body-building bzw. -styling). Vor diesem Hintergrund ist seit den 1980er Jahren und verstärkt seit den 1990er Jahren von einer »Wiederkehr des Körpers« die Rede. 8 Inzwischen geschieht dies unter den Etikettierungen body turn, somatic turn oder corporeal turn. 9 In den vielen wissenschaftlichen Disziplinen wie der Geschichtswissenschaft, der Soziologie, der Kognitionswissenschaft, der Politikwissenschaft, der Religionswissenschaft, aber auch in der Theologie nimmt die Körperforschung heute einen nicht mehr zu ignorierenden Raum ein. 10 Allerdings besteht hinsichtlich der Schlüsselfragen, was der Körper/ Leib 11 eigentlich ist und in welcher Form auf diesen wissenschaftlich zugegriffen werden kann, ein äußerst breites Spektrum an Thesen und methodischen Ansätzen. Aus soziologischer Perspektive hat Robert Gugutzer jüngst eine instruktive Systematisierung der verschiedenen Formen der Körperforschung erstellt, die hier nur verkürzt wiedergegeben werden kann. 12 Gugutzer unterscheidet drei basale Forschungsebenen. (1) Auf der ersten Ebenen geht es um den Körper als empirischen und theoretischen Forschungsgegenstand, sei es, dass man ihn als Produkt, sei es, dass man ihn als Produzent von Gesellschaft begreift. Im erstgenannten Fall lassen sich fünf analytische Dimensionen auseinanderhalten, die Gugutzer unter folgenden Schlagworten und Leitfragen subsumiert: Körperformung (Wie wirkt Gesellschaft auf den Körper ein? ), Körperdiskurs (Wie wird der Körper diskursiv hervorgebracht? ), Körperumwelt (Wie wird der Körper kommuniziert? ), Körperrepräsentation (Was symbolisiert der Körper? ) und Leiberfahrung (Wie wird der Körper gespürt? ). Im zweitgenannten Fall sind Körperpraktiken im Blick, die zur Herstellung, Stabilisierung oder Transformation sozialer Ordnung beitragen. Gugutzer verweist auf Körperroutinen (Wie handelt der Körper routinemäßig? ), Körperinszenierungen (Wie wird der Körper präsentiert? ) und Körpereigensinn (Wie handelt der Körper vorreflexiv? ). (2) Auf der zweiten Forschungsebene geht es nach Gugutzer um die Entwicklung einer grundlegenden Theorie des Sozialen, die anders als die bisher vorwiegenden mentalistisch geprägten Sozialtheorien systematisch körperorientiert ist und den Körper explizit als zentralen Bestandteil der Theorie fasst. Hier ist u.a. Thomas Csordas’ Kulturtheorie des embodiment zu nennen, wonach der Körper nicht etwa nur Objekt, sondern zugleich auch Subjekt von Kultur, Glauben und Sinnhaftigkeit ist. Leiblichen Prozessen und Erfahrungen kommt danach eine kultur-, glaubens- und sinngenerierende Kraft zu. 13 (3) Auf der dritten Forschungsebene geht es um die epistemologische Relevanz des Körpers in der Forschungspraxis selbst, also um die Untersuchung der leiblich-affektiven Reaktionen und körperlichen Verstrickungen der wissenschaftlich Arbeitenden im Forschungsprozess. Auch wenn selbstredend andere Systematisierungen und zumal auch weitere Perspektiven der Körperforschung denkbar sind, verdeutlicht Gugutzers Entwurf doch die Vielschichtigkeit des Themas. Die ntl. Forschungsbeiträge zum Thema bewegen sich meist auf der ersten Forschungsebene. Der Reichtum namentlich der sozial- und kulturwissenschaftlichen Körperforschungen wird in der exegetischen Wissenschaft bislang nur partiell ausgeschöpft. Im Folgenden werden zunächst fünf jüngere ntl. Studien beleuchtet, die sich auf innovative Weise explizit dem Thema widmen. Es schließt sich eine Sichtung wichtiger Forschungsthesen zu Einzelaspekten der Thematisierung des Körpers im Neuen Testament an. Prof. Dr. Christian Strecker studierte Evangelische eologie in Neuendettelsau, Hamburg, Heidelberg und Tübingen. 1996 Promotion. 2003 Habilitation. Vertretungsprofessuren in Heidelberg (2005-2006), München (2006/ 07), Mainz (2007) und Neuendettelsau (2004; 2009). Seit 2010 Professor für Neues Testament an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau. Forschungsschwerpunkte: Paulusforschung, Jesusforschung, Kulturwissenschaftliche Exegese des Neuen Testaments, Ritual- und Performanzforschung, Philosophische Perspektiven. Christian Strecker ZNT 27 (14. Jg. 2011) 3 »Allerdings besteht hinsichtlich der Schlüsselfragen, was der Körper/ Leib eigentlich ist und in welcher Form auf diesen wissenschaftlich zugegriffen werden kann, ein äußerst breites Spektrum an esen und methodischen Ansätzen.« 016911 ZNT 27 - Inhalt 24.03.11 11: 08 Seite 3 Neues Testament aktuell 4 ZNT 27 (14. Jg. 2011) 2. Grundlegende Perspektiven Im Jahr 1995 legte Dale B. Martin unter dem Titel »The Corinthian Body« eine bemerkenswerte Studie zur Bedeutung des Körpers speziell im ersten Korintherbrief vor. 14 Er entwickelte darin die These, die in dem paulinischen Schreiben reflektierten theologischen Differenzen erklärten sich im Kern aus divergenten ideologischen Konstruktionen des Körpers innerhalb der in sozialer Hinsicht gespaltenen korinthischen Gemeinde. Während die wenigen sozial höhergestellten und gebildeten Gemeindeglieder (die sog. »Starken«) den Körper als ein hierarchisch aufgebautes Gebilde verstanden hätten, bei dem man auf die Wahrung der inneren Balance zu achten habe, seien die mehrheitlich sozial schlechter gestellten und weniger gebildeten Gemeindeglieder davon ausgegangen, der äußerlich durchlässige menschliche Körper stünde fortwährend in der Gefahr, durch externe Agenten besetzt und verunreinigt zu werden, weshalb man strikt auf die Kontrolle der Körpergrenzen bzw. -öffnungen zu sehen habe. Martin leitet die beiden Körperideologien aus medizinanthropologischen Studien von Margaret M. Lock und René Dubos ab, wonach sich grundsätzlich zwei gesellschaftlich geprägte Krankheitsätiologien unterscheiden lassen: Die Ätiologie des Ungleichgewichts (imbalance etiology) führt Krankheit auf eine innerlich oder äußerlich bedingte Störung der Balance der internen Körperprozesse zurück, versteht Heilung als Wiederherstellung des Gleichgewichts der somatischen Prozesse durch entsprechende Ausgleichsmaßnahmen und reflektiert darin das Interesse der Elite an der Wahrung der hierarchischen Verhältnisse im sozialen Körper. Sie begegnet in der Antike v.a. in der Humoralpathologie. 15 Die Invasionsätiologie (invasion etiolog y) führt Krankheit auf den Einfluss externer Mächte und Entitäten zurück, beschreibt Heilung als Reinigung bzw. Befreiung von den externen Faktoren, zielt auf die Errichtung eines äußerlichen Schutzes und spiegelt in alldem die soziale Erfahrung der Unterschicht, den Mächtigeren ausgeliefert zu sein. Sie begegnet in der Antike v.a. in Magie und Volksglauben. Obwohl Paulus nach Martin einem relativ privilegierten Milieu entstammte, habe sein eigenes Körperkonzept weithin dem der sozial Schwächeren entsprochen. Mit Nachdruck wende sich der Apostel im 1Kor gegen die sozialen und theologischen Implikationen des hierarchischen Körpermodells der Arrivierten und propagiere eine Inversion der dem besagten Körperkonzept immanenten Wertehierarchie. Diese Inversion sei der Logik der jüdischen Apokalyptik und der Loyalität zum gekreuzigten Messias Jesus Christus verpflichtet. Den die ungleichen Verhältnisse konservierenden wohlwollenden Patriarchalismus der antiken Oberschichtsmentalität durchkreuzend, fordere Paulus die sozial Höhergestellten im 1Kor dazu auf, ihr aus der hierarchischen Körperideologie gespeistes Verhalten im Sinne einer die traditionellen Statuspositionen umwälzenden Orientierung an der Situation der Niedriggestellten grundlegend zu ändern. Martin entfaltet diese These auf der Basis einer breiten Berücksichtigung antiker griechisch-römischer und jüdischer Körperdiskurse in Philosophie, Medizin, Naturkunde und Volksglauben. Dabei betont er immer wieder mit Nachdruck, diesen Diskursen sei - ungeachtet aller Unterschiede im Einzelnen - jener moderne, auf René Descartes zurückgehende Dualismus von Körper und Seele/ Geist fremd gewesen, der konsequent zwischen Materialität und Immaterialität (res extensa und res cogitans) unterscheidet. Entitäten wie die Seele (gr. psychē) und der Geist (gr. pneuma), die wir heute als immaterielle Größen fassen, seien damals als rundweg materielle Substanzen betrachtet worden. Den Mikrokosmos des individuellen Körpers habe man zumal auch in materieller Hinsicht ganz in den physischen und sozialen Makrokosmos eingelassen gesehen. Man sei davon ausgegangen, der Körper werde von einem stofflichen, Perzeption, Bewegung und Leben bewirkenden pneuma von außen durchströmt und sei überdies von der Gesellschaft mittels somatischer Praktiken physisch formbar. Vor diesem Hintergrund untersucht Martin dann die paulinischen Ausführungen über Zungenrede, den Auferstehungskörper, über diverse sexuelle Praktiken, den Umgang mit Götzenopferfleisch, das Herrenmahl, das Verhältnis der Geschlechter u.a.m. Die Auslegungen eröffnen dabei stets neue und weiterführende Horizonte, auch dort, wo man ihnen im Detail nicht folgen mag. 2010 erschien die Studie »Cosmology and Self in the Apostle Paul« von Troels Engberg-Pedersen. 16 Sie ist Dale B. Martin gewidmet. Engberg-Pedersen führt darin die These, die paulinische Theologie sei maßgeblich an materiell-körperlichen Prozessen ausgerichtet, mit eigenen Schwerpunktsetzungen fort und weitet sie auf die Protopaulinen insgesamt aus, allerdings unter Abweisung der als marxistisch klassifizierten Behauptung Martins, Paulus sei gegenüber den höhergestellten Gemeindegliedern als Fürsprecher der Nichtelite aufgetreten. 17 Das Buch weist ein dreifaches Profil auf: 18 (1) Die paulinischen Aussagen werden gezielt aus einer doppelten Perspektive heraus betrachtet, indem sie einerseits auf ihre metaphorische Bedeutung bzw. kogni- 016911 ZNT 27 - Inhalt 24.03.11 11: 08 Seite 4 Christian Strecker »It matters! « ZNT 27 (14. Jg. 2011) 5 tive Relevanz, andererseits auf einen möglichen nichtmetaphorischen, physische Phänomene bezeichnenden Gehalt hin untersucht werden. (2) Engberg-Pedersen versteht seine Exegese als »philosophische Exegese«, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen korreliert er die den Paulusbriefen eingeschriebene Weltsicht konsequent mit zeitgenössischen philosophischen Ideen, v.a. solchen der Stoa. 19 Zum anderen zieht er jüngere philosophische Konzepte von Pierre Bourdieu und Michel Foucault zur Deutung der Paulustexte heran. (3) Der Fokus des Buches richtet sich auf die Herausarbeitung der nach Engberg-Pedersen den Paulustexten immanenten Vorstellung einer spezifischen Form von Körperlichkeit christlicher Existenz, die in der physischen Aufnahme des als materielle Substanz verstandenen Geistes gründet und sich von der normalen fleischlichen Existenz fundamental unterscheidet. Mit diesem Ansatz arbeitet er zunächst anhand von 1Kor 15 die paulinische Konzeption einer bei der kommenden Auferstehung sich vollziehenden materiell-pneumatischen Transformation des menschlichen Körpers und der Welt heraus (s.u.). Engberg-Pedersen stellt sodann heraus, dass Paulus die Gabe des Geistes in der Taufe als physischen Akt verstanden habe, der bereits im Hier und Jetzt jene Transformation der Körper der Christusgläubigen in Gang setze, die - zwischenzeitlich durch weitere Geistgaben angereichert - in der Auferstehung ihren Abschluss finde. Die Pneumagabe verbinde die Körper der Getauften mit Gott - insofern es ja das pneuma Gottes ist, das verliehen werde -, ebenso aber auch mit dem gestorbenen und auferstandenen Christus (Phil 3,10f.; 2Kor 4,7-5,10; Röm 6,2-6; 8,10.14-30), dessen leuchtender Körper der doxa (Phil 3,21; 2Kor 4,4.6) gleichfalls substanziell pneumatisch sei. Die paulinische Rede vom »Sein in Christus« und vom »Leib Christi« dürfe man daher nicht auf eine rein metaphorische Bedeutung reduzieren, vielmehr wohne Christus für Paulus den Christusgläubigen qua pneuma tatsächlich ein. Diese konstituierten dergestalt faktisch den Leib Christi. Engberg- Pedersen spricht diesbezüglich von der Etablierung eines eigenen christlichen Habitus, der den am Monotheismus ausgerichteten traditionellen jüdischen Habitus und den an der Idee ethischer Vollkommenheit orientierten philosophischen Habitus der Griechen und Römer integrierte. In der Entfaltung dieser Zusammenhänge rekurriert er auf Pierre Bourdieus Habitustheorem und Michel Foucaults Überlegungen zur Subjektivierung und betont dabei, Paulus habe seine Berufung/ Bekehrung zumal auch als eine durch das pneuma bewirkte körperliche Transformation erfahren, was zumal der Gebrauch somatisch konnotierter Sprache in den einschlägigen Berichten indiziere. Der Apostel sei außerdem davon ausgegangen, er selbst könne das Pneuma vermittels verbaler Übermittlung seiner Erfahrungen, ferner über seine schwache körperliche Erscheinung, in der sich das Leiden des Gekreuzigten manifestiere, wie auch vermöge der Paränese direkt an Menschen weitervermitteln. Paulus hätte mithin vorausgesetzt, dass sein Mund bzw. Körper bei der Erstverkündigung (also noch vor der Taufe) als Transmissionsriemen für das pneuma fungierte. Das Gleiche gelte für die körperliche Praxis des Briefschreibens. Engberg-Pedersen verkürzt die paulinische Theologie nun aber nicht rundweg auf die körperlich-physische Dimension. Er legt immer wieder dar, wie Paulus in seinen Schreiben neben dem physischen Diskurs einen kognitiv und einen personal geprägten Diskurs führte. So erscheine der Geist in den Protopaulinen eben nicht nur als physische Entität, sondern auch als Verständnis generierende Größe. Überhaupt sei der kognitive Diskurs für den Apostel zentral, insofern es ihm wesentlich darauf ankomme, dass man die Welt in der vom pneuma offenbarten Weise verstehe. Dieses Verstehen gewähre den Christusgläubigen eine in Übereinstimmung mit Gott stehende Freiheit in einer Welt, die von personal gedachten Mächten und Kräften beherrscht werde (personaler Diskurs). Paulus integriere in alledem philosophische und apokalyptische Weltanschauungen. Engberg-Pedersens vielfach anregend neue Textauslegungen verdienen eine intensive, freilich auch kritische Auseinandersetzung. Nicht unerwähnt darf Holger Tiedemanns 1998 publizierte Dissertation »Die Erfahrung des Fleisches« bleiben. 20 Sie widmet sich dem begehrenden Körper in den Protopaulinen. Bezüglich der Kontroverse, ob Sexualität essentialistisch oder konstruktivistisch zu fassen sei, plädiert der Autor zunächst für einen gemäßigten Konstruktivismus und bestimmt Sexualität als streng organisierten Erfahrungsbereich körperlicher Begehrensformen. 21 Tiedemann baut seine Arbeit konsequent auf der Genealogie der Sexualität im Spätwerk Michel Foucaults auf. Foucault entwickelte darin eine differenzierte Methodik zur Analyse (sexual-)ethischer Konzeptionen. Er unterschied zwischen den »Codes«, die den positiven oder negativen Wert von Verhaltensweisen bestimmen, und der »Ethik«, die bei ihm das Selbstverhältnis eines moralischen Subjekts markiert und vier Aspekte umfasst: die ethische Substanz (das Material, das die Ethik bearbeitet, z.B. aphrodisia, Fleisch), die Weisen der Unterwerfung (die Begründungsverfahren für bestimmte Imperative, z.B. kosmi- 016911 ZNT 27 - Inhalt 24.03.11 11: 08 Seite 5 Neues Testament aktuell 6 ZNT 27 (14. Jg. 2011) sche Ordnung, göttliches Gesetz, Vernunft), die Mittel zur Ausbildung moralischer Subjekte (bestimmte Übungen) und das Telos (z.B. Reinheit, Unsterblichkeit). 22 Nach einer kritischen Sichtung Foucaults eigener Äußerungen zur frühchristlichen Sexualethik und einem gelehrten Überblick über die christliche Erforschung des paulinischen Sexualitätsverständnisses seit dem 19. Jh. wendet Tiedemann das Foucaultsche Analyseraster detailliert auf die einschlägigen Paulustexte an, und zwar unter breiter Berücksichtigung griechisch-römischer und jüdischer sexualethischer Vorstellungen. Mit Blick auf die Codes gelangt er zu dem Ergebnis, Paulus unterscheide sich in seinem Sexualitätsverständnis kaum von dem seiner Zeitgenossen. 23 Als ethische Substanz macht Tiedemann bei Paulus das als Verhängnis bestimmte Fleisch aus, das nicht zu formen, sondern in Christus zu überwinden sei. Mit Blick auf die Weisen der Unterwerfung stehe die paulinische Sexualethik in drei nicht ohne Weiteres aufeinander reduzierbaren Evidenzräumen (Christus, Gesetz, Natur und Brauch). Bemerkenswert sei das völlige Fehlen von Übungen bzw. Selbsttechniken. Als Telos der Ethik begegne bei Paulus das auf der Basis der Vorstellung einer grundsätzlich durchlässigen Leibsubstanz physisch in Christus eingebettete Selbst (»Christus in mir«, »in Christus« und »Leib Christi«). An ausgewählten Beispielen arbeitet Jennifer A. Glancy in ihrer 2010 publizierten Studie »Corporal Knowledge« 24 die zentrale Rolle von Körpern in der sozialen Dynamik und im Diskurs des frühen Christentums heraus. Die Epoche des frühen Christentums reicht für sie von Paulus bis Augustinus. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet die Notiz über die blutflüssige Frau in Mk 5,29: »Und sie erkannte am Körper, dass sie von der Plage geheilt war.« Angeregt durch diesen Satz, widmet sich Glancy den vielfältigen Formen des frühchristlichen »Körperwissens«. Im Genaueren untersucht sie, wie Körper im frühen Christentum gelesen wurden bzw. welche Geschichten sie erzählten, aber auch, welche konkreten Körpererfahrungen in die antiken Quellentexte Eingang fanden. Die Arbeit folgt mithin einem semiotischen und einem phänomenologischen Körperkonzept. Sie setzt ferner voraus, dass Körper den sozialen Austausch strukturieren. Im körperlichen Benehmen, in Körperhaltungen, Gesten und bestimmten Bewegungen drückten sich Macht- und Statuspositionen aus. Die soziale Verortung einer Person manifestiere sich gewissermaßen somatisch. Vor diesem Hintergrund forscht Glancy konkret der Frage nach, was der sich zu Boden werfende, der geschlagene und gekreuzigte Körper, der versklavte, aber auch der gebärende Körper in den antiken christlichen Quelltexten »erzählt« bzw. »weiß«. Dabei interessiert sie sich auch für die Frage, inwieweit das christliche Körperwissen dem römischen imperialen Habitus ent- oder widersprach. Sie kommt zu folgendem Ergebnis: Während auf der einen Seite die körperliche Selbsterniedrigung Jesu in der Fußwaschung und der Umstand, dass Paulus sich unter Rekurs auf den Gekreuzigten seines gepeinigten Körpers rühmte, eine Herausforderung für den römischen imperialen Habitus darstellten, habe sich auf der anderen Seite im antiken Christentum der hierarchisch geprägte Habitus des römischen Sklavenhaltersystems weithin durchgehalten. Den breitesten Raum nimmt in Glancys Untersuchung der sich an der konkreten somatischen Erfahrung festmachende altkirchliche Diskurs über den gebärenden Körper der Maria ein. Als theoretische Grundlage dienen der Autorin durchweg sozialwissenschaftliche wie auch philosophische Reflexionen und Theorien über den Körper, u.a. von Pierre Bourdieu, Maurice Merleau-Ponty und Linda Martin Alcoff. Andere Akzente setzt Joel B. Green in seinem 2008 erschienenen Buch »Body, Soul, and Human Life. The Nature of Humanity in the Bible«. 25 Green bemüht sich um eine Zusammenführung von biblischer Exegese und Neurowissenschaft. Er will aufzeigen, dass beide Forschungsbereiche in zentralen anthropologischen Fragestellungen auf unterschiedlichen Wegen zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangen. Im Genaueren liegt ihm an dem Aufweis, dass das heute verbreitete dualistische Menschenbild, dem zufolge der Mensch aus Körper und Seele (bzw. Körper, Geist und Seele) besteht, nicht biblisch, sondern cartesianisch geprägt sei und in die biblischen Texte eingelesen werde. In den biblischen Schriften erscheine der Mensch als somatische Ganzheit im monistischen Sinn. Das Konzept einer unkörperlichen, immateriellen Seele sei ihnen fremd. Darin konvergierten die Texte mit dem materialistischen Menschenbild der Neurowissenschaft. Die Naturwissenschaft stelle insofern keine fundamentale Herausforderung für den biblischen Glauben dar. Green sucht dies in der Besprechung diverser anthropologischer Schlüsselthemen genauer aufzuweisen. So stellt er heraus, dass die auf die Aspekte der Materialität und Relationalität abhebende neurowissenschaftliche Relativierung der Mensch-Tier-Differenz mit den alttestamentlichen Schöpfungsberichten und deren ntl. Rezeption übereinstimme, wenngleich das biblische das neurowissenschaftliche Menschenbild durchaus übersteige, nämlich hinsichtlich der Einbettung des Menschen in die Schöpfungsordnung und 016911 ZNT 27 - Inhalt 24.03.11 11: 08 Seite 6 Christian Strecker »It matters! « ZNT 27 (14. Jg. 2011) 7 den Kosmos wie auch in der Betonung der partnerschaftlichen Beziehung mit Gott. Auf dieser Linie arbeitet Green weitere vermeintliche Konvergenzen heraus, und zwar zwischen der neurowissenschaftlichen Relativierung der menschlichen Willensfreiheit und dem ntl. Sündenverständnis, der Neurophysiologie spiritueller Erfahrungen und der »idea of embodied conversion« im lukanischen Doppelwerk wie auch zwischen dem neurowissenschaftlichen Körper- und Identitätsverständnis und diversen ntl. Auferstehungsaussagen. Green stellt dabei immer wieder spezifisch theologische, die Konvergenz der beiden Forschungsbereiche transzendierende Perspektiven heraus, die als solche aber - und das ist für Green entscheidend - keine fundamentale Divergenz anzeigten. Dieser Versuch eines Brückenbaus zwischen den »zwei Kulturen« der Natur- und Geisteswissenschaften 26 auf dem Feld der ntl. Exegese ist ungewöhnlich. 27 Ungeachtet konkreter exegetischer Anfragen wirft Greens unkritische Akzeptanz des neurowissenschaftlichen Menschenbildes als unhintergehbare Wahrheit Fragen auf. 28 3. Einzelaspekte »Warum das ganze Theater mit dem Körper? « - so lautet der Titel eines vielbeachteten Aufsatzes der amerikanischen Mediävistin Caroline Bynum. 29 Darin heißt es: »In gewissem Sinn ist es natürlich falsch, ›den Körper‹ zum Thema zu machen. ›Der Körper‹ ist entweder überhaupt kein eigenes Thema, oder er umfasst so gut wie alle Themen.« 30 In der Tat lassen sich auch im Neuen Testament allenthalben Bezüge zum Körper und zu somatischen Phänomenen herstellen, insofern menschliche Existenz somatische Existenz ist. Im Folgenden kann es daher nur darum gehen, einige besonders markante Thematisierungen und Akzentuierungen menschlicher Körperlichkeit in den ntl. Schriften zu sichten und eine Auswahl der entsprechenden Forschungen vorzustellen, was angesichts des knapp bemessenen Raums freilich nur schlaglichtartig geschehen kann. a) Der inkarnierte Körper. Die Bedeutung und Verbreitung des Inkarnationsgedankens in den ntl. Schriften ist ein äußerst komplexes und umstrittenes Thema. In seinem magistralen Werk »Christology in the Making« postulierte James D.G. Dunn, die Präexistenz- und Inkarnationschristologie habe sich innerhalb des Christentums erst Ende des 1. Jh.s im johanneischen Schrifttum im Vollsinn ausgebildet, und zwar auf der Basis einer eigenständigen Integration der Weisheitstradition, des Logoskonzeptes und des Eindrucks, den das Gottessohnbewusstsein Jesu von Nazareth hinterlassen habe. Sie sei insofern einzigartig, als sich in den antiken Quellen kein konkretes Vorläufermodell für eine derart personal geprägte Inkarnationsvorstellung finde. 31 Viele Exegeten setzen indes andere Akzente. Dies zeigt u.a. der 2002 erschienene Symposiumsband »The Incarnation«. Darin führt N.T. Wright den Inkarnationsgedanken gar bis auf Jesus zurück, und zwar auf dessen vermeintliches Selbstverständnis als menschlicher Ersatz des Jerusalemer Tempels, des Ortes der Präsenz Gottes. Gordon D. Fee und Jean- Noël Aletti sehen die Inkarnationsvorstellung theologisch zumindest bei Paulus klar verankert, und Alan F. Segal weist auf jüdische Aussagen über himmlische Mittlerfiguren hin, die zumindest partiell als Vorläufer des Inkarnationsgedankens zu betrachten seien. 32 In seinem 2006 erschienenen Buch »The Pre-existent Son« arbeitet Simon J. Gathercole heraus, der Präexistenzgedanke sei in den synoptischen Evangelien fest verwurzelt, v.a. in den »Ich bin gekommen«-Worten. 33 Alle diese Thesen sind freilich höchst umstritten. Kontrovers diskutiert wird aber auch über die Bedeutung des Inkarnationsgedankens und die Rolle der Leiblichkeit im JohEv. In der langen Auslegungsgeschichte wurde das Evangelium immer wieder unter Ausblendung der leiblichen Dimension des Erzählten rein spiritualisierend gedeutet. 34 Namentlich Ernst Käsemann ordnete den Inkarnationsgedanken ganz dem der Herrlichkeit Gottes in Christus unter. Nicht die Fleischwerdung, sondern der Ab- und Aufstieg des herrlichen Erlösers stünden im Zentrum. 35 Demgegenüber stellt jüngst Jörg Frey die zahlreichen markanten Akzentuierungen der Leiblichkeit im JohEv explizit heraus und weist ihnen eine theologisch tragende Rolle zu. 36 Auch Dorothy Lee bestimmt das Fleisch als zentrales Symbol des Evangeliums. Im Fleisch gründe zumal die Herrlichkeit Gottes: »Because God has taken flesh, sharing mortal life and destiny, the whole world becomes replete with divine glory.« 37 Dazu fügt sich für Lee die auffällige Betonung der fünf Sinne (Sehen, Hören, Schmecken, Berühren, Riechen) im Evangelium. 38 b) Der Körper als Sōma und Sarx. Nur kurz angerissen sei die Debatte über die Bedeutung der paulini- »In der Tat lassen sich auch im Neuen Testament allenthalben Bezüge zum Körper und zu somatischen Phänomenen herstellen, insofern menschliche Existenz somatische Existenz ist.« 016911 ZNT 27 - Inhalt 24.03.11 11: 08 Seite 7 Neues Testament aktuell 8 ZNT 27 (14. Jg. 2011) schen anthropologischen Schlüsselbegriffe sōma und sarx. Rudolf Bultmann postulierte dereinst, sōma markiere bei Paulus die Person, d.h. den Menschen, »sofern er sich zum Objekt seines Tuns machen kann oder sich selbst als Subjekt eines Geschehens, eines Erleidens erfährt« 39 , während sarx die leiblich materielle Sphäre des Irdisch-Natürlichen bezeichne, die zur Sphäre des Sündigen, zum uneigentlichen Leben werde, sobald sich der Mensch von ihr abhängig mache. Ernst Käsemann kritisierte namentlich Bultmanns auf das Selbstverhältnis fokussierte Definition von sōma als eine der idealistischen Tradition verpflichtete Verkürzung und betonte die Aspekte der kosmischen Eingebundenheit und Kommunikationsfähigkeit. Nicht als Inidividuum, sondern als in vielfältigen Relationen (zu Gott und den Mächten) stehendes Wesen sei der Mensch bei Paulus sōma. Sofern er sich dem kreatürlichen Dasein der sarx verschreibe, gerate er in den Bereich der Dämonie. 40 Robert H. Gundry betonte indes den bei Bultmann unterbelichteten Aspekt der Körperlichkeit. Sōma verweise bei Paulus zumal auf den physischen Körper als der materiellen Bedingung der Person. 41 Claudia Janssen bindet die paulinische Körpertheologie jüngst in den gesellschaftlichen, politischen und sozialen Kontext ein, und zwar sowohl mit Blick auf Gewaltwie auch Solidaritätserfahrungen. Sōma stehe für den Menschen in seiner Beziehungshaftigkeit, die sich konkret körperlich realisiere. Sarx verweise zum einen auf die Relationalität des Geschöpfes zu Gott und auf den für die Schönheit der Schöpfung durchlässigen materiellen Aspekt des Körpers, zum anderen markiere sarx aber auch den Ort sozialer Gewalterfahrung und die verletzlichen Aspekte des Menschseins. 42 Lorenzo Scornaienchi postuliert, mit sōma bezeichne Paulus den Menschen als inaktives, fremdbestimmtes Wesen (entsprechend der damaligen Bedeutung von sōma als »Leichnam« oder »Sklave, Gefangener«), während bei sarx der Mensch als aktives, beseeltes und lebendiges Wesen im Blick sei. 43 Die genannten Positionen geben nur einen Ausschnitt der intensiv geführten Debatte wieder, zeigen aber zur Genüge das große Spektrum der vorgelegten Deutungen. 44 c) Der symbolische und der physiognomische Körper. In den antiken Kulturen des Mittelmeerraums bildeten die Kategorien Ehre und Schande den zentralen Referenzrahmen, innerhalb dessen Personen, Handlungen und Situationen beurteilt wurden. 45 Der Körper fungierte als maßgebliches Medium, in bzw. an dem Ehre und Schande symbolisiert und zugleich realisiert wurden (vgl. 1Kor 12,23f.). Ehre und Schande waren mithin in den Körper eingeschrieben und wurden somatisch ausagiert. Maßgebliche Bedeutung kam dem Kopf und dem Gesicht zu. Bruce J. Malina schreibt: »Ehre und Unehre werden dargestellt, wenn das Haupt gekrönt wird, gesalbt, berührt, bedeckt, enthüllt, durch Rasieren kahl gemacht wird, wenn es abgeschlagen, geschlagen oder gestoßen wird.« 46 Die höhnische Krönung Jesu mit einer Dornenkrone (Mk 15,16-20) spricht diesbezüglich eine deutliche Sprache. Die somatische Artikulation von Ehre und Schande manifestierte sich aber auch in zahlreichen Gesten und Handlungen wie der Proskynese oder der Fußwaschung. In der oben vorgestellten Studie »Corporal Knowledge« geht Jennifer A. Glancy der Bedeutung und den sozialen Implikationen dieser kulturell geprägten Körperpraktiken im Neuen Testament genauer nach. 47 Bruce J. Malina und Jerome H. Neyrey erörtern die somatischen Symbolisierungen und Manifestationen von Ehre und Schande speziell im lukanischen Doppelwerk. 48 Nicht unerwähnt darf die Physiognomik bleiben. In der antiken Welt betrachtete man den Körper vielfach als Abbild des Charakters. In der äußeren Erscheinung einer Person spiegelten sich danach deren innere, charakterliche Eigenschaften. Vor diesem Hintergrund leuchtet Mikeal C. Parsons in seinem 2006 erschienenen Buch »Body and Character in Luke and Acts« einige Texte im lukanischen Doppelwerk neu aus. 49 Er legt zunächst dar, dass die Physiognomik in der griechischrömischen Welt - ungeachtet kritischer Stimmen - von früher Zeit an verbreitet war (zumal in der Rhetorik) und ab dem 3. Jh. n.Chr. in Handbüchern systematisiert wurde. Unter Rekurs auf Ps.-Aristoteles stellt Parsons drei Formen der antiken physiognomischen Analyse vor: die anatomische Methode (Ableitung von Emotionen v.a. aus Gesichtszügen), die zoologische Methode (Ableitung des moralischen Charakters aus vermeintlichen Gestaltähnlichkeiten mit Tieren) und die ethnische Methode (Konstruktion eines Konnexes zwischen dem kollektiven Verhalten von Völkern und deren physischen Charakteristika). Physiognomisches Bewusstsein spürt Parsons aber auch in jüdischen und christlichen Quellen auf, was ihn dazu führt, ein sol- »Der Körper fungierte als maßgebliches Medium, in bzw. an dem Ehre und Schande symbolisiert und zugleich realisiert wurden (vgl. 1Kor 12,23f.). Ehre und Schande waren mithin in den Körper eingeschrieben und wurden somatisch ausagiert.« 016911 ZNT 27 - Inhalt 24.03.11 11: 08 Seite 8 Christian Strecker »It matters! « ZNT 27 (14. Jg. 2011) 9 ches Bewusstsein bei Lukas und seinen Rezipienten vorauszusetzen. Dementsprechend korreliert er die lukanischen Tier-Mensch-Vergleiche (z.B. Lk 13,32) mit der zoologischen und die Aussagen über Augen (z.B. Lk 11,24-26) mit der anatomischen Methodik der Physiognomik. Ausführlich erörtert er sodann die nach den Maßstäben der Physiognomik einen schlechten Charakter indizierenden Körperportraits der gekrümmten Frau (Lk 13,10-17), des kleinwüchsigen Zachäus (Lk 19,1-10), des gelähmten Mannes in Jerusalem (Apg 3f.) und des äthiopischen Eunuchen (Apg 8,26-40), um zu folgender These zu gelangen: Lukas habe die physiognomischen Vorstellungen seiner Zeit herangezogen, um sie zu unterlaufen bzw. zu verwerfen. Die messianische Gemeinschaft schließe gerade auch jene Menschen ein, die in den Augen der damaligen Kultur im physiognomischen Sinn keine untadeligen Körper besaßen. Es bleibt freilich die Frage, ob die Physiognomik derart konkret als Referenzrahmen hinter den Texten steht. d) Der geschlechtliche, begehrende Körper. Nicht speziell auf das Neue Testament aber auf die historische Genese differenter Konzepte des biologischen Geschlechts geht Thomas Laqueur 1990 in seinem Buch »Making Sex. Body and Gender from the Greeks to Freud« ein. 50 Der Autor formuliert die These, im europäischen Abendland sei bis in das frühe 18. Jh. hinein und zumal in der Antike ein »Ein-Geschlecht/ Ein-Leib- Modell« vorherrschend gewesen, bei dem der männliche und weibliche Geschlechtskörper als im Kern identisch galten. Die anatomischen Unterschiede habe man sich so erklärt, dass die Genitalien bei der Frau nach innen und beim Mann nach außen gestülpt seien. Die anatomische Differenz sei mithin als differente Ausbildung eines Geschlechts betrachtet worden, wobei allerdings - und dies ist entscheidend - dem männlichen Körper die Rolle des Standards zufiel. Männlichkeit und Weiblichkeit seien gewissermaßen auf einer Achse angeordnet worden, deren Telos das Männliche war. Erst mit der Etablierung der bürgerlichen Gesellschaft im späten 18. Jh. habe sich dann aufgrund diverser epistemologischer und soziopolitischer Umbrüche die heutige Auffassung von zwei inkommensurablen biologischen Geschlechtern, das sog. »Zwei-Geschlechter/ Zwei-Leiber-Modell« entwickelt. Diese umfassende medizinisch-kulturhistorische Theorie fand viel Aufmerksamkeit, wenngleich sie nicht ohne Kritik blieb. 51 Laqueurs Verdienst bleibt es, klar gezeigt zu haben, wie sehr die Wahrnehmung auch des biologischen Geschlechts von historisch-kulturellen Faktoren abhängig und in Machtdiskurse eingebettet ist. In der ntl. Exegese rekurrierte u.a. Dale B. Martin auf Laqueurs These des »one-sex model«, namentlich um die egalitäre Deutung der in Gal 3,28c formulierten Annullierung der Differenz von »männlich« und »weiblich« zu verwerfen. Martin zufolge ist bei der auf die Schöpfungsaussage in Gen 1,27LXX anspielenden Bekundung Androgynität im Blick. Diese impliziere jedoch keine geschlechtliche Egalität, sondern eine hierarchische, auf den männlichen Pol hin ausgerichtete Auflösung der Geschlechter, wie die grammatisch maskuline Formulierung mit heis statt hen (neutr.) im unmittelbaren Folgesatz zeige: »Alle seid ihr ›einer‹ in Christus Jesus« 52 . Überhaupt weiche Paulus bei Geschlechterfragen grundsätzlich von der sonst bei ihm begegnenden Demontage der konventionellen Status- und Wertehierarchien ab. Dies geschehe aus physiologischen Gründen. Bis zur Auferstehung, bei der die weibliche Körperlichkeit endgültig in der superioren, substanziell dichteren Männlichkeit aufgehoben werde, blieben Frauen infolge ihrer unveränderbar minderwertigen, für äußere Mächte durchlässigeren Körperlichkeit den Männern zwangsläufig unterlegen und bedürften des Schutzes vor Mächten, womit Martin u.a. das paulinische Verschleierungsgebot in 1Kor 11,2-16 erklärt. 53 Nun stehen die vertrackten Aussagen in Gal 3,28c und 1Kor 11,2-16 freilich auch gänzlich anderen Auslegungen offen. So mag man fragen, ob sie tatsächlich ein patriarchales Androgynitätskonzept voraussetzen. Die Texte lassen sich auch dahingehend verstehen, dass Paulus die in der Taufe gründende Existenz prinzipiell durch Asexualität bestimmt sah. Als mehr oder weniger asexuelle Wesen wären Frauen dann für Paulus in der christusgläubigen Gemeinschaft durchaus gleichgestellt gewesen. Sobald sie aber z.B. mit dem Lösen ihrer Haare im Gottesdienst sexuell deutbare Handlungen vollzogen, griffen für den Apostel die in der antiken mediterranen Ehrkultur für das angemessene Verhalten der Geschlechter vorgesehenen hierarchischen Handlungskonventionen. 54 Die Interpretationen dieser und anderer paulinischer Texte zu Geschlechterfragen sind freilich Legion. Aus der großen Fülle der Forschungen über sex und gender im Neuen Testament seien noch folgende Publikationen 55 kurz herausgegriffen: Bahnbrechende Bedeutung kommt der durch Michel Foucault und Pierre Hadot inspirierten umfänglichen Untersuchung »The Body and Society. Men, Women, and Sexual Renunciation in Early Christianity« 56 von Peter Brown aus dem Jahr 1988 zu. Sie widmet sich der gesellschaftlichen Prägung und Relevanz des Körperverständnisses sowie der Praxis sexueller Askese im Christentum in 016911 ZNT 27 - Inhalt 24.03.11 11: 08 Seite 9 Neues Testament aktuell 10 ZNT 27 (14. Jg. 2011) den ersten fünf Jahrhunderten. In den Eingangskapiteln geht Brown auch auf Körpervorstellungen und Sexualethik in der griechisch-römischen Antike generell und dann bei den ersten Christen ein. 57 L. William Countrymans ein Jahr später erschienenes Buch »Dirt, Greed and Sex« 58 beleuchtet die sexualethischen Aussagen im Neuen Testament konsequent vor dem Hintergrund der antiken jüdischen Diskurse über physische Reinheit und Besitztum. Wichtige Beiträge zur ntl. Sexualethik, v.a. zum Thema gleichgeschlechtlicher Beziehungen, versammelt Dale B. Martin in seinem Band »Sex and the Single Saviour«. 59 Colleen M. Conways Buch »Behold the man« stellt heraus, die Christologien in den Proto- und Deuteropaulinen, den Evangelien und der Offenbarung seien - ungeachtet romkritischer Perspektiven - durch ein imperiales römisches Männlichkeitsbild geprägt. 60 e) Der kranke, versehrte, besessene und geheilte Körper spielt in den sog. Wundergeschichten eine zentrale Rolle. Die breite Forschung zu diesem Thema kann auch hier nur gestreift werden. Dale B. Martins These, die ntl. Heilungsberichte setzten überwiegend (nicht jedoch im JohEv) die in der Antike angeblich unter den weniger Gebildeten verbreitete Invasionsätiologie voraus, 61 ist zu pauschal. So zeigt Annette Weissenrieder in ihrer 2003 erschienenen Dissertation »Images of Illness in the Gospel of Luke« auf, dass sich in den lukanischen Heilungsberichten jenes in der antiken Medizin verbreitete (und von Martin der Oberschicht zugeordnete) Modell des Körpers reflektiert, das den Leib als ein zwar äußeren Einflüssen unterliegendes, aber insgesamt auf Ausgleich hin angelegtes Binnensystem fasst. 62 Darüber hinaus weist die Autorin u.a. auch auf die geschlechtsspezifische Konstruktion des kranken Körpers hin. Diese werde in den nach antiker Medizin vergleichbaren Erkrankungen der Jaïrustochter (Lk 8,40-42.49-56) und des Jungen in Lk 9,37-43 insofern greifbar, als die Krankheitssymptomatik des Mädchens nicht von ungefähr als Erstarrung und die des Jungen als expressiver Anfall erscheine. 63 Geschlechtsspezifische Differenzen bei den Krankheitsbildern konstatiert auch John J. Pilch in seiner 2000 publizierten Arbeit »Healing in the New Testament« mit Blick auf das lk Doppelwerk. Pilch unterscheidet hier drei Krankheitstaxonomien, nämlich (1) eine auf den Einfluss von Geistern fokussierte, (2) eine an Reinheitskategorien orientierte und (3) eine sich an der symbolischen Bedeutung von Körperteilen festmachende Taxonomie, die zwischen drei Körperzonen differenziert, nämlich (a) dem Herz-Auge-Bereich, der das mit Gefühlen durchsetzte Denken, (b) dem Ohr- Mund-Bereich, der die selbstexpressive Sprache und (c) dem Hand-Fuß-Bereich, der das absichtvolle Handeln markiere. Je nach betroffener Körperzone verändere sich die Bedeutung und Relevanz der Krankheit, wobei Pilch bei den beiden Geschlechtern unterschiedliche Häufungen und Verschiebungen vom Evangelium zur Apostelgeschichte feststellt. 64 Pilchs Studie ist zumal in ihrer kundigen Applikation medizinanthropologischer Theorien und Modelle auf die Evangelien äußerst innovativ. Sie arbeitet u.a. mit einem hermeneutischen Krankheitskonzept, das Krankheit nicht biomedizinisch als empirische Entität, sondern von ihrem Bedeutungsaspekt her als kulturell codiertes Konstrukt fasst. So gelte es zwischen disease, den biologischen Fehlfunktionen eines Individuums, und illness, den sozialen und kulturellen Implikationen des Krankseins, zu differenzieren sowie analog dazu zwischen curing, der körperlichen Wiederherstellung in biomedizinischer Hinsicht, und healing, einem auf Sinnvermittlung und soziale Integration abzielenden therapeutischen Wirken. Pilch zufolge geht es in den ntl. Berichten nicht um disease, sondern um illness. Ob Jesus Kranke kurierte (curing), lasse sich nicht sagen, zentral sei sein heilendes Wirken (healing). John Dominic Crossan spitzt die These politisch zu. Dass Jesus heilte, indem er sich bewusst über die mit Krankheit verbundene rituelle Unreinheit und soziale Ächtung hinwegsetzte, ohne jedoch die Krankheit physisch zu kurieren, bedeute, dass »Jesus an den Grenzen der Gesellschaft subversiv gegen die dort geltenden Kontrollverfahren Stellung [nahm]« 65 . Der letztgenannte Satz spielt auf Mary Douglas’ These über den Körper als Symbol der Gesellschaft an, der zufolge sich im restriktiven oder offenen Umgang mit den Grenzen des physischen Körpers (Haut, Körperöffnungen, Körperausscheidungen) der hohe oder niedrige Grad der sozialen Grenzziehung manifestiert. Eine hohe Körpergrenzkontrolle steht danach für das Vorherrschen sozialer Exklusivität sowie strikter Statusklassifizierungen, eine niedrige Körpergrenzkontrolle für soziale Intimität und die Relativierung von Statusklassifizierungen. In Jesu heilsamer Annahme der äußerlich gezeichneten Kranken erblickt Crossan von daher einen subversiven Angriff auf die etablierte Welt gesellschaftlicher Exklusivität. Diese Thematik gewinnt angesichts der in der biblischen Exegese erst allmählich rezipierten disability studies, die Behinderung nicht länger als individuelle, krankhafte Störung, sondern als gesellschaftliche Konstruktion fassen, zusätzlich an Gewicht. 66 Der Perspektivwechsel der disability studies schließt dabei auch eine verstärkte Berücksichtigung behinderter Menschen als Subjekt 016911 ZNT 27 - Inhalt 24.03.11 11: 08 Seite 10 Christian Strecker »It matters! « ZNT 27 (14. Jg. 2011) 11 der Forschung ein. In diesem Zusammenhang sei auf die 2006 erschienene Studie »Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz« des Theologen Ulrich Bach verwiesen, die auch die ntl. Heilungsgeschichten erörtert. 67 Mit Blick auf die ntl. Berichte über Besessenheit und die Exorzismen Jesu soll die These nicht unerwähnt bleiben, wonach hier körperlich ausagierte und darin Wirklichkeit konstituierende Performanzen vorliegen. 68 f ) Der rituelle Körper. Wie nicht zuletzt die jüngere Ritualforschung (ritual studies) unterstreicht, ist rituelles Handeln wesentlich körperbetontes Handeln. 69 Dies gilt selbstredend auch für die im Neuen Testament thematisierten rituellen Praktiken, die mit diversen somatischen Vorgängen wie Essen, Trinken, der Behandlung des Körpers mit Wasser oder Öl, Berührungen mit Hand oder Mund, Singen, Niederknien, Körpermarkierungen u.a.m. zu tun haben. 70 Vermittels dieser rituellen Praktiken, unter denen die Taufe und das Herrenmahl eine zentrale Rolle einnahmen, wurden zentrale Überzeugungen der frühchristlichen Gemeinschaften individuell »verkörpert«, d.h. sie wurden in die Körper eingeschrieben bzw. körperlich zum Ausdruck gebracht oder auch im körperlichen Agieren hergestellt (embodiment). Die konkrete somatische Dimension dieser Rituale wurde bisher allerdings nur selten Gegenstand intensiverer Forschungen. 71 g) Der unter Gewalt leidende und sterbende Körper nimmt in Anbetracht des leidvollen Todes Jesu am Kreuz eine wichtige Rolle in den ntl. Schriften ein. Besonders eindrücklich zeigt sich dies in der paulinischen theologia crucis. In seiner kulturanthropologischen Exegese der einschlägigen Texte weist Christian Strecker auf die in das Symbol des Kreuzes eingeschriebenen Aspekte des physischen Leidens (langsames und leidvolles Sterben, Zurschaustellung der physischen Vernichtung und körperlicher Kontrollverlust) samt der damit verbundenen Emotionen und Wertungen (Schrecken, Schande und Unreinheit). Auf dieser Basis arbeitet er die Transformationskraft der paulinischen Kreuzesbotschaft heraus, die zumal in dem Tabubruch besteht, göttliches Heil an den schrecklichen Kreuzestod zu binden. 72 Jennifer A. Glancy geht der kreuzestheologischen Strategie des Apostels nach, die eigene leibliche Unzulänglichkeit (1Kor 12,7; Gal 4,13) und das schwache körperliche Auftreten (2Kor 10,10) als Manifestation des Leidens und Sterbens Jesu positiv umzuwerten (1Kor 2,1-5; 2Kor 4,10-12). Glancy bezieht dazu die paulinische Rede vom Tragen der stigmata tou Iēsou am Leib (Gal 6,17) auf die in den Peristasenkatalogen erwähnten Geißelungen (2Kor 6,5; 11,24f.) und stellt sie in den Kontext des römischen Rituals der öffentlichen Präsentation von Kriegsnarben. 73 Anders als Kriegesnarben indizierten Folternarben in der Antike jedoch keine Statuserhöhung, sondern eine Statuserniedrigung. Indem Paulus seine Folternarben als Ausweis seiner in den Körper eingeschriebenen »kreuzesförmigen« Existenz präsentiere, bewirkten sie bei ihm freilich eine Stärkung und nicht Schwächung seines apostolischen Status. 74 Manuel Vogel legt in seiner 2006 publizierten Habilitationsschrift überzeugend dar, dass in der antiken griechischrömischen Welt das Todesverständnis und die physische Konstitution einer Person zur Beurteilung der Respektabilität ihres Charakters herangezogen wurden. Auf dieser Basis liest er den schwierigen Text 2Kor 5,1- 10 als eine vom Todesproblem her entworfene, in apologetischer Absicht vorgetragene Charakterskizze. 75 h) Der Körper der Auferstehung ist in der ntl. Forschung Gegenstand einer intensiv geführten Debatte, die hier nicht annähernd umrissen werden kann, 76 insofern die verschiedenen Ausgestaltungen des Auferstehungsgedankens in den ntl. Schriften und die Vielfalt der möglichen religionsgeschichtlichen Hintergründe äußerst komplexe Fragen aufwerfen. Es muss genügen, zwei Positionen zum paulinischen Verständnis des Auferstehungsleibes (1Kor 15,44: sōma pneumatikon) kurz zu skizzieren. Engberg- Pedersen stellt vor dem Hintergrund der Kosmologie der Stoa und frühjüdischer Vorstellungen heraus, Paulus habe den pneumatischen Auferstehungsleib im stoischen Sinn als materiellen himmlischen Leib verstanden (pneuma figurierte in der Stoa als physische Substanz der Himmelskörper). Während die Stoa den himmlischen Leib jedoch auf eine Abspaltung der Seele von Fleisch und Blut zurückführte, sei Paulus von einer grundlegenden pneumatischen Transformation des fleischlichen Körpers ausgegangen. Engberg-Pedersen erblickt darin eine Übertragung der stoischen Vorstellung der Transformation der Welt mittels Weltenbrand (gr. ekpyrōsis) auf die Ebene des individuellen Körpers. Die Idee einer Transformation des Kosmos in eine pneumatische neue Welt sei von Paulus unter Rekurs auf apokalyptisches Gedankengut ausgestaltet worden. 77 Claudia Janssen betont, im Begriff sōma pneumatikon reflektiere sich »Wie nicht zuletzt die jüngere Ritualforschung (ritual studies) unterstreicht, ist rituelles Handeln wesentlich körperbetontes Handeln. Dies gilt selbstredend auch für die im Neuen Testament thematisierten rituellen Praktiken […]« 016911 ZNT 27 - Inhalt 24.03.11 11: 08 Seite 11 Neues Testament aktuell 12 ZNT 27 (14. Jg. 2011) kein lebensfernes, idealistisches Streben nach Ganzheit und Vollkommenheit. Es sei vielmehr zu beachten, dass Paulus Menschen mit geschundenen und gequälten Körpern anspreche, denen er nun zusage, dass ihre Körper wertvoll, nämlich Tempel der heiligen Geistkraft seien. Die Auferstehung verändere dergestalt das gegenwärtige Leben, zumal die durch Gewalt und Krankheit beschädigten Körper bereits die Fülle des göttlichen Lebens als Samenkorn enthielten. Janssen extrahiert aus den paulinischen Aussagen in 1Kor 15 insgesamt das Konzept einer »Körperzeit«, in welchem sie »das komplexe Zeit-, Raum, und Beziehungsgeschehen eschatologischer Aussagen und deren geschichtliche Perspektiven in einer auf das konkrete leibliche Leben der Menschen bezogenen Theorie« zusammengefasst sieht. 78 Es wären selbstredend noch diverse weitere Aspekte der Thematisierung des Körpers im Neuen Testament und der dazugehörigen Forschungen zu erörtern. Dies betrifft u.a. die vielschichtige frühchristliche Rede vom »Leib Christi«. 79 Auch so dürfte aber das große Gewicht des Themas »Körper« im Neuen Testament deutlich geworden sein. Gerade auch in Anbetracht der vielen unter Punkt 1 angedeuteten sozialbzw. kulturwissenschaftlichen methodischen Ansätze und Fragestellungen steht hier noch ein großes, facettenreiches Forschungsfeld offen. Die somatische, »materielle« Seite der ntl. theologischen Aussagen verdient auch künftig Beachtung: »It matters! « Anmerkungen 1 Vgl. zum Gesagten insgesamt die Überlegungen bei M. de Certeau, Mystische Fabel, Frankfurt a.M. 2010, 124- 148: bes. 127f.; s. auch Chr. Strecker, Hic non est. Ein kultur- und medientheoretischer Blick auf das Christentum und den Jesusdiskurs, in: A. Nehring/ J. Valentin (Hgg.), Religious Turns - Turning Religions. Veränderte kulturelle Diskurse, neue religiöse Wissensformen (ReligionsKulturen 1), Stuttgart 2008, 150-178; B. Blumenfeld, The Political Paul. Justice, Democracy and Kingship in a Hellenistic Framework, London/ New York 2003, 33. 2 Vgl. zum Gesagten die Ausführungen über den »verschmähten Körper« und die »Schwierigkeiten, den Körper zu erfassen« bei A. Abraham, Der Körper im biographischen Kontext. Ein wissenssoziologischer Beitrag, Wiesbaden 2002, 14-24. 3 Vgl. W. Frühwald u.a., Geisteswissenschaften heute. Eine Denkschrift, Frankfurt a.M. 2 1996, 51.70f. 4 Vgl. den ethnologischen Forschungsbericht von M.M. Lock, Cultivating the Body. Anthropology and Epistemologies of Bodily Practice and Knowledge, Annual Review of Anthropology 22 (1993), 133-155; s. ferner T. Platz, Anthropologie des Körpers (Berliner Beiträge zur Ethnologie 10), Berlin 2006. 5 Vgl. N. Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, 2 Bde., Bern/ München 2 1969; M. Douglas, Ritual, Tabu und Körpersymbolik. Sozialanthropologische Studien in Industriegesellschaft und Stammeskultur, Frankfurt a.M. 1981; M. Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a.M. 1977; P. Bourdieu, Entwurf einer Theorie der Praxis, Frankfurt a.M. 1979; ders., Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft, Frankfurt a.M. 2 1997. 6 Vgl. M. Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung (Phänomenologisch-psychologische Forschungen 7), Berlin 1966; ders., Das Sichtbare und das Unsichtbare; gefolgt von Arbeitsnotizen (Übergänge 13), München 2 1994; H. Schmitz, Der unerschöpfliche Gegenstand. Grundzüge der Philosophie, Bonn 1990; s. auch B. Waldenfels, Das leibliche Selbst. Vorlesungen zur Phänomenologie des Leibes, Frankfurt a.M. 2000. 7 J. Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt a.M. 1991; dies., Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Frankfurt a.M. 1997; B. Duden, Geschichte unter der Haut. Ein Eisenacher Arzt und seine Patientinnen um 1730, Stuttgart 1991; dies., Die Frau ohne Unterleib: Zu Judith Butlers Entkörperung. Ein Zeitdokument, Feministische Studien 11 (1993), 24-33; s. auch P.- I. Villa, Sexy Bodies. Eine soziologische Reise durch den Geschlechtskörper, Opladen 2000. 8 Vgl. D. Kamper/ Chr. Wulf (Hgg.), Die Wiederkehr des Körpers, Frankfurt a.M. 1982. Im angloamerikanischen Sprachraum dokumentieren die Trendwende in den Sozialwissenschaften B.S. Turner, The Body and Society. Explorations in Social Theory, London u.a. 2 1996 und M. Featherstone/ M. Hepworth/ B.S. Turner (Hgg.), The Body. Social Process and Cultural Theory, London u.a. 1991. 9 Vgl. R. Gugutzer, Der body turn in der Soziologie. Eine programmatische Einführung, in: ders. (Hg.), body turn. Perspektiven der Soziologie des Körpers und des Sports, Bielefeld 2006, 9-53: 9; U. Hennigfeld, Der ruinierte Körper, Würzburg 2008, 17-24 (»somatic turn«); J. Tambornino, The Corporeal Turn. Passion, Necessity, Politics, Lanham 2002; M. Sheets-Johnstone, The Corporeal Turn. An Interdisciplinary Reader, Exeter 2009. 10 Näheres bei Gugutzer, body turn, 10; C. Bell, Embodiment, in: J. Kreinath/ J. Snoek/ M. Strausberg (Hgg.), Theorizing Rituals I, Leiden/ Boston 2006, 533-543: 534-536. Vgl. zur Theologie nur R. Ammicht Quinn, Körper - Religion - Sexualität. Theologische Reflexionen zur Ethik der Geschlechter, Mainz 1999. Zur Altertumswissenschaft s. im Übrigen nur D. Montserrat (Hg.), Changing Bodies, Changing Meanings. Studies on the Human Body in Antiquity, London/ New York 1998; J.I. Porter (Hg.), Construction of the Classical Body, Ann Arbor 1999; A. Corbeill, Nature Embodied. Gesture in Ancient Rome, Princeton 2004; M.B. Roller, Dining Posture in Ancient Rome. Bodies, Values, and Status, Princeton 2006. 11 Die Begriffe »Körper« und »Leib« werden in diesem Beitrag nicht strikt im Sinne der geläufigen konzeptionellen 016911 ZNT 27 - Inhalt 24.03.11 11: 08 Seite 12 Christian Strecker »It matters! « ZNT 27 (14. Jg. 2011) 13 Unterscheidung zwischen Körperhaben und Körpersein verwendet (vgl. Gugutzer, body turn, 16.30f.; Waldenfels, Leib, 14f. u.ö.), da diese Differenzierung in der Gefahr steht, den Geist-Körper-Dualismus zu reproduzieren und den materiellen Körper neuerlich zu degradieren (vgl. Ammicht-Quinn, Körper, 27-37). 12 Vgl. Gugutzer, body turn, 10-40. 13 Vgl. Th.J. Csordas, Embodiment as a Paradigm for Anthropology, Ethos 18, 1990, 5-47; ders. (Hg.), Embodiment and Experience. The Existential Ground of Culture and Self, Cambridge 1994; ders., The Sacred Self. A Cultural Phenomenology of Charismatic Healing, Berkeley u.a. 1997. 14 Vgl. D.B. Martin, The Corinthian Body, New Heaven/ London 1995. 15 Gemeint ist die Viersäftelehre, der zufolge gelbe Galle, schwarze Galle, Blut und Schleim als elementare Lebensträger fungierten. Krankheit gründete danach in der Unausgewogenheit dieser Säfte im Körper. 16 T. Engberg-Pedersen, Cosmology and Self in the Apostle Paul. The Material Spirit, Oxford 2010. 17 Vgl. ebd., 17. 18 Vgl. ebd., 1-3. 19 Vgl. dazu bereits T. Engberg-Pedersen, Paul and the Stoics, Edinburgh 2000. Während der Autor Paulus dort v.a. hinsichtlich paralleler kognitiver Schemata mit der Stoa korrelierte, tut er dies nun mit Blick auf die materielle Prägung der Weltdeutungen und der dabei vorausgesetzten Erfahrungen. 20 Vgl. H. Tiedemann, Die Erfahrung des Fleisches. Paulus und die Last der Lust, Stuttgart 1998. 21 Vgl. ebd., 26. 22 Vgl. dazu M. Foucault, Genealogie der Ethik. Ein Überblick über laufende Arbeiten, in: H.L. Dreyfus/ P. Rabinow, Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik, Frankfurt a.M. 1987, 265-292, bes. 275- 278 und ders., Der Gebrauch der Lüste. Sexualität und Wahrheit 2, Frankfurt a.M. 3 1993, bes. 36-45. 23 Die Sexualethik sei hier wie dort durch folgende Punkte gekennzeichnet: kommunitäres Profil (sexuelle Erfahrungen tangieren stets die Gemeinschaft und fungieren als Identitätsmarker von Völkern oder Gruppen), Einlassung in die Zeit (im Begehren lagere sich Vergangenheit ab), metaphysische Aufladung (Dämonisierung oder Gottgefälligkeit des Sexualverhaltens), soziale Hierarchisierung (die Paulus z.T. relativiere), Verinnerlichung der Moral, Absenz einer biologischen Objektwahl (primäre Kriterien seien nicht hetero- oder homosexuelles, sondern aktives oder passives, reines oder unreines Agieren), Abspaltung von Liebe sowie das Abdrängen des Knaben und die Etablierung der Frau im Sexualdiskurs. Neu sei die freilich nicht rundweg durchgehaltene (1Kor 5; 6,12ff.) Auffassung, Heiligkeit habe bereits über Unheiligkeit gesiegt (1Kor 7,12ff.), und die Zusammenstellung gleichgeschlechtlich begehrender Frauen und Männer zu einer Gruppe in Röm 1,26f.; vgl. zum Gesagten Tiedemann, Erfahrung, 111-285.365. 24 J.A. Glancy, Corporal Knowledge. Early Christian Bodies, New York 2010; s. auch dies., Jesus, the Syrophoenician Woman, and Other First Century Bodies, Bib- Int 18 (2010), 342-363. 25 Vgl. J.B. Green, Body, Soul, and Human Life. The Nature of Humanity in the Bible, Grand Rapids 2008. 26 Vgl. dazu Ch.P. Snow, Die zwei Kulturen. Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz, Stuttgart 1967. 27 Vgl. jetzt aber auch die freilich anders angelegte Studie von C. Shantz, Paul in Ecstasy. The Neurobiology of the Apostle’s Life and Thought, Cambridge/ New York 2009. 28 Vgl. zur Kontroverse um das Menschenbild der Neurowissenschaften nur M. Bennett/ D. Dennett/ P. Hacker/ J. Searle, Neurowissenschaft und Philosophie. Gehirn, Geist und Sprache, Frankfurt a.M. 2010; P. Janich, Kein neues Menschenbild. Zur Sprache der Hirnforschung, Frankfurt a.M. 2009. 29 C. Bynum, Warum das ganze Theater mit dem Körper? Die Sicht einer Mediävistin, Historische Anthropologie 4 (1996), 1-33 (= Why All the Fuss About the Body? A Medievalist’s Perspective, Critical Inquiry 22 [1995], 1-33). 30 Ebd., 1. 31 Vgl. J.D.G. Dunn, Christology in the Making. A New Testament Inquiry into the Origins of the Doctrine of the Incarnation, London 2 1989. 32 Vgl. N.T. Wright, Jesus’ Self-Understanding, in: S.T. Davies u.a. (Hgg.), The Incarnation. An Interdisciplinary Symposium on the Incarnation of the Son of God, Oxford 2002, 47-61; G.D. Fee, St Paul and the Incarnation. A Reassessment of the Data, in: ebd., 62-92; J.-N. Aletti, Romans 8. The Incarnation and its Redemptive Impact, in: ebd., 93-115; A.F. Segal, The Incarnation. The Jewish Mileu, in: ebd., 116-139. 33 S.J. Gathercole, The Pre-existent Son. Recovering the Christologies of Matthew, Mark, and Luke, Grand Rapids/ Cambridge 2006. 34 Vgl. dazu den Überblick bei J. Frey, Leiblichkeit und Auferstehung im Johannesevangelium, in: T. Nicklas u.a. (Hgg.), The Human Body in Death and Resurrection (Deuteronomic and Cognate Literature Yearbook 2009), Berlin/ New York 2009, 285-327: 285-290. 35 Vgl. Ernst Käsemann, Jesu letzter Wille nach Joh 17, Tübingen 4 1980. 36 Vgl. Frey, Leiblichkeit, 290-323. 37 D. Lee, Flesh and Glory. Symbolism, Gender and Theology in the Gospel of John, New York 2002, 233. 38 Vgl. D. Lee, The Gospel of John and the Five Senses, JBL 129 (2010), 115-127. 39 Vgl. R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 9 1984, 196. 40 Vgl. E. Käsemann, Zur paulinischen Anthropologie, in: ders., Paulinische Perspektiven, Tübingen 1969, 9-60. 41 Vgl. R.H. Gundry, Sōma in Biblical Theology with an Emphasis on Pauline Anthropology (MSSNTS 29), Cambridge u.a. 1976. 42 Vgl. C. Janssen, Anders ist die Schönheit der Körper. Paulus und die Auferstehung in 1Kor 15, Gütersloh 2005, bes. 64-82. 43 L. Scornaienchi, Sarx und Soma bei Paulus. Der Mensch zwischen Destruktivität und Konstruktivität (NTOA 67), Göttingen 2008. 44 Vgl. im Genaueren die Forschungsüberblicke bei Scornaienchi, Sarx und Soma, 15-52, und Janssen, Schönheit, 30-82. 016911 ZNT 27 - Inhalt 24.03.11 11: 08 Seite 13 Neues Testament aktuell 14 ZNT 27 (14. Jg. 2011) 45 Vgl. dazu im Genaueren Chr. Strecker, Die liminale Theologie des Paulus. Zugänge zur paulinischen Theologie aus kulturanthropologischer Perspektive (FRLANT 185), Göttingen 1999, 279ff. 46 B. J. Malina, Die Welt des Neuen Testaments, Stuttgart 1993, 50. 47 Vgl. Glancy, Corporal Knowledge, 15-19.49f. 48 B. J. Malina/ J.H. Neyrey, Honor and Shame in Luke- Acts. Pivotal Values of the Mediterranean World, in: J.H. Neyrey (Hg.), The Social World of Luke-Acts. Models for Interpretation, Peabody 1991, 25-66: 54-58. 49 Vgl. M.C. Parsons, Body and Character in Luke and Acts. The Subversion of Physiognomy in Early Christianity, Grand Rapids 2006; B.J. Malina/ J.H. Neyrey, Portraits of Paul. An Archaeology of Ancient Personality, Louisville 1996, 100-153, ziehen die antike Physiognomik zur Deutung des Paulusportraits in den Acta Pauli et Theclae heran. 50 Dt.: Th. Laqueur, Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud, München 1996. 51 Vgl. H.-J. Voß, Making sex revisited. Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive, Bielefeld 2010. 52 Vgl. Martin, Corinthian Body, 230-232. 53 Vgl. dazu insgesamt ebd., 198-248. 54 Vgl. im Näheren Strecker, Liminale Theologie, 384- 390.423-449. 55 Vgl. ferner die obigen Ausführungen zu Tiedemann unter Punkt 3. 56 Dt.: P. Brown, Die Keuschheit der Engel. Sexuelle Entsagung, Askese und Körperlichkeit im frühen Christentum, München 1994. 57 Vgl. ebd., 19-79. 58 Vgl. L.W. Countryman, Dirt, Greed, and Sex. Sexual Ethics in the New Testament and Their Implications for Today, Minneapolis 1989. Eine überarbeitete zweite Auflage erschien 2007. 59 Vgl. D.B. Martin, Sex and the Single Saviour. Gender and Sexuality in Biblical Interpretation, Louisville 2006. 60 Vgl. C.M. Conway, Behold the Man. Jesus and Greco- Roman Masculinity, New York 2008. 61 Vgl. Martin, Corinthian Body, 164-168. 62 Vgl. A. Weissenrieder, Images of Illness in the Gospel of Luke (WUNT II/ 164), Tübingen 2003. 63 Vgl. ebd., 256-282.297.372. Verwiesen sei hier zudem auf B. Schiffer, Fließende Identität. Körper und Geschlecht im Wandel (EHS 23/ 734), Frankfurt a.M. 2001. Sie deutet die markinischen Frauenheilungsberichte auf der Basis einer nicht ganz unproblematischen Integration postmoderner Körperbzw. Geschlechterdekonstruktionen und der systemischen Psychosomatik. 64 Vgl. J.J. Pilch, Healing in the New Testament. Insights from Medical and Mediterranean Anthropology, Minneapolis 2002, 106-111. 65 Vgl. J.D. Crossan, Jesus. Ein revolutionäres Leben, München 1996, 113; s. dazu insgesamt 105ff. 66 Eine erste exegetische Rezeption findet sich in H. Avalos (Hg.), This Abled Body. Rethinking Disabilities in Biblical Studies, Atlanta 2007; s. auch J. Dorman, The Blemished Body. Deformity and Disability in the Qumran Scrolls, Groningen 2007. 67 Vgl. U. Bach, Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz. Bausteine einer Theologie nach Hadamar, Neukirchen-Vluyn 2006. »Hadamar« steht für das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten. 68 Näheres bei Chr. Strecker, Jesus und die Besessenen. Zum Umgang mit Alterität im Neuen Testament am Beispiel der Exorzismen Jesu, in: W. Stegemann u.a. (Hgg.), Jesus in neuen Kontexten, Stuttgart 2002, 53-63. 69 Vgl. dazu nur Bell, Embodiment. 70 Vgl. dazu im Näheren den Überblick bei Chr. Strecker, Notizen zur Bedeutung des Rituals im Neuen Testament, Glaube und Lernen 13 (1998), 38-49, bes. 40-44; s. auch W.A. Meeks, Urchristentum und Stadtkultur. Die soziale Welt der paulinischen Gemeinden, Gütersloh 1993, 288-331. 71 Vgl. Chr. Strecker, Macht - Tod - Leben - Körper. Koordinaten einer Verortung der frühchristlichen Rituale Taufe und Abendmahl, in: G. Theißen/ P. v. Gemünden (Hg.), Erkennen und Erleben. Beiträge zur psychologischen Erforschung der urchristlichen Religion, Gütersloh 2007, 133-153, bes. 139ff.; ders., Taufrituale im frühen Christentum und der Alten Kirche. Historische und ritualwissenschaftliche Perspektiven, in: D. Hellholm u.a. (Hg.), Ablution, Initiation, and Baptism. Late Antiquity, Early Judaism and Early Christianity III (BZNW 176), Berlin/ New York 2011, 1377-1434, bes. 1412ff.; s. generell auch R.E. DeMaris, The New Testament in Its Ritual World, London/ New York 2008. 72 Vgl. Strecker, Liminale Theologie, 248-299, bes. 262ff. 73 Vgl. dazu im Genaueren Egon Flaig, Ritualisierte Politik. Zeichen, Gesten und Herrschaft im Alten Rom, Göttingen 2003, 123-136. 74 Vgl. Glancy, Corporal Knowledge, 24-47. 75 Vgl. Manuel Vogel, Commentatio mortis. 2Kor 5,1-10 auf dem Hintergrund antiker ars moriendi (FRLANT 214), Göttingen 2006. 76 Vgl. zum Thema nur T. Nicklas u.a. (Hgg.), The Human Body in Death and Resurrection (Deuteronomic and Cognate Literature Yearbook 2009), Berlin/ New York 2009; T.K. Seim/ J. Økland (Hgg.), Metamorphoses. Resurrection, Body and Transformative Practices in Early Christianity, Berlin/ New York 2009. 77 Vgl. Engberg-Pedersen, Cosmology, 19-38. 78 Vgl. Janssen, Schönheit, 201-209.298-306; Zitat: ebd., 298. 79 Vgl. dazu nur Strecker, Liminale Theologie, 335-349; M. Walter, Gemeinde als Leib Christi. Untersuchungen zum Corpus Paulinum und zu den »Apostolischen Vätern« (NTOA 49), Fribourg/ Göttingen 2001. 016911 ZNT 27 - Inhalt 24.03.11 11: 08 Seite 14