eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 16/32

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2013
1632 Dronsch Strecker Vogel

Einleitung zur Kontroverse: Das »Ich« in Römer 7: vorchristlich oder christlich?

2013
Manuel Vogel
Zeitschrift für Neues Testament_32 typoscript [AK] - 26.09.2013 - Seite 48 - 2. Korrektur 48 ZNT 32 (16. Jg. 2013) Kontroverse Einleitung zur Kontroverse: Das »Ich« in Römer 7: vorchristlich oder christlich? Das Thema der Kontroverse dieses Heftes ist längst bis in jeden Winkel erforscht, durchforstet, jedes Detail ist vielfach gedreht und gewendet. In immer neuen Anläufen wird eine alte Frage neu aufgeworfen, ein alter Streit weitergestritten. Wie ein Gipfel der Musikliteratur, den jeder Virtuose erklimmen will und muss, so stellt »Römer sieben« eine immer neue Herausforderung für die Paulusforschung dar, ja, für die christliche Theologie insgesamt. Auch diese Kontroverse-- das ist sogleich klarzustellen-- wird das Problem nicht suffizient bewältigen, den Knoten nicht lösen. Es scheint, als sorge der Text selbst dafür, dass man mit ihm nicht fertig wird. Er selbst erzwingt immer neue Lektüren und lässt doch keine davon an ein Ende gelangen und zur Ruhe kommen. Soll das aber nun heißen, dass diese Einleitung durch die Blume empfiehlt, die beiden folgenden Beiträge elegant zu überblättern? Das sei ferne! Denn mit den Beiträgen von Stefan Schreiber und Günter Röhser liegen zwei Lektüren vor, die textnah und unprätentiös wichtige Interpretationsprobleme der jeweiligen Position namhaft machen und damit auch Leserinnen und Leser, die der älteren Forschung unkundig sind, in die Lage versetzen, mitzudenken und sich von diesem Text berücken, sich in ihn verstricken zu lassen. Wozu aber das Ganze? Die Antwort lautet: Es geht hier in gewisser Weise ums Ganze, um das Ganze christlicher Existenz, christlicher Selbstauffassung. Es geht um die Frage, was eigentlich Christinnen und Christen von sich halten, wie sie sich selbst verstehen sollen. Dass dies so wenig festzustehen scheint wie die Antwort auf die Fragestellung dieser Kontroverse, hat etwas Beunruhigendes, ja, Bestürzendes. Gibt es denn keine Kongenialität von paulinischem Text und christlichem Leben? Schafft der Christenstand, schaffen denn Taufe und Geistempfang, schafft die Gemeinschaft der Heiligen nicht Tatsachen solcher Art, die die Frage klar beantwortet, ob der Hilfeschrei von Röm 7,24a vorchristliche Verzweiflung paraphrasiert oder eine auch christlich mögliche und wirkliche Befindlichkeit? Welch eine Alternative! Gewiss: Hier wird exegetisch und philologisch gefragt, und ginge dieses Fragen noch weiter, würden sich die vielerlei grammatischen Probleme wohl immer stärker in einander verschlingen und verwirren. Aber dass wir Paulus fragen und gebannt auf jedes Wort schauen, dass die Frage nach dem präzisen Textsinn immer wieder neu verhandelt wird, liegt doch daran, dass die Fragenden selbst nicht zu antworten wissen auf eine Frage, die der Klärung dringend bedürfte. Tua res agitur. Mit dem Überblättern wird es also nichts! Manuel Vogel Kontroverse