eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 17/33

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2014
1733 Dronsch Strecker Vogel

Editiorial

2014
Stefan Alkier
Eckart Reinmuth
Manuel Vogel
Zeitschrift für Neues Testament_33 typoscript [AK] - 22.04.2014 - Seite 1 - 3. Korrektur ZNT 33 (17. Jg. 2014) 1 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, für dieses Heft haben wir lange nach einem Titel gesucht. Unsere Idee war, einmal in einem eigenen Heft Lektüren des Neuen Testaments vorzustellen, die über den historisch-kritischen Methodenkanon, der bis heute im neutestamentlichen Proseminar an künftige Pfarrerinnen und Religionslehrerinnen weiter gegeben wird, hinaus führen. Die Selbstbesinnung der einzelnen Fächer, Disziplinen und Forschungszweige auf die eigenen Methoden ist ein Grunderfordernis akademischer Wissenschaft. Dass dieser Reflexionsprozess immer wieder zu weitreichenden Veränderungen und Neuaufbrüchen führen kann, zeigt die bisherige Geschichte der Erforschung des Neuen Testaments seit der Mitte des 18. Jh.s praktisch auf Schritt und Tritt. Ob man das Neue Testament »anders lesen« müsse als bisher-- und damit hatten wir unseren Titel--, hat sich jede Generation aufs Neue gefragt. Die sogenannte historisch-kritische Methode ist also alles andere als ein monolithischer Block. Gleichwohl gibt es geschichtsphilosophische, erkenntnistheoretische und wissenschaftstheoretische Grundannahmen, die diese Methode insgesamt prägen, die aber nicht mehr unumstritten sind. In Zeiten, da Begriffe wie »Moderne« und »Aufklärung«-- mit beiden ist die historische Kritik innig verwoben-- längst ihre Selbstverständlichkeit verloren haben und unter dem Banner der »Postmoderne« und einer »über sich selbst aufgeklärten Aufklärung« über sich hinaus weisen, bedarf auch die Methodenreflexion auf dem Feld der neutestamentlichen Wissenschaft gesteigerter Aufmerksamkeit. Das vorliegende Heft der ZNT will zu dieser Reflexion einen Beitrag leisten. Christian Schramm macht unter der Rubrik »NT aktuell« den Anfang mit der Beobachtung, dass nichtwissenschaftliche Bibellektüren, »Alltagsexegesen« genannt, das konstitutive Andere für das Selbstverständnis der Fachexegese bilden. Er konfrontiert die Exegese mit diesem Anderen, jedoch nicht in kritischem, sondern in einladendem Gestus und in der Absicht, eine Brücke zu bauen zwischen zwei Lebenswelten, die einander bisher viel zu wenig zur Kenntnis genommen haben. Die Rubrik »Zum Thema« wird eröffnet von der afrikanischen Exegetin Musa Dube, die anhand der Perikope von der blutflüssigen Frau und der Tochter des Jairus (Mk 5,21-43) in die Fragestellungen feministischer und postkolonialer Hermeneutik einführt und die markinische Erzählung überdies in den Kontext einer von HIV/ AIDS gezeichneten Gesellschaft stellt. Stefan Alkier führt intertextuelle Lektüren zum Gleichnis vom verlorenen Sohn vor, die neue Sichtweisen auf die lukanische Erzählung ermöglichen: Rolf Rameders Der verlorene Sohn und Rilkes Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge führen in präziser Textanalyse zu einer »intertextuellen Erfahrung«, die ein neues Verständnis der Parabel als »Gegenentwurf« eröffnet. Auch Christian Stein legt einen Beitrag zur biblischen Intertextualität vor. Am Beispiel des Thron- Motivs in einem Liedtext der Musikgruppe Seeed, des »Throns Gondors« in Tolkiens Der Herr der Ringe und der Thronsaalvision in Apk 4 zeigt Stein, wie Texte in gegenseitiger Ergänzung unter Wahrung ihrer Positionalität Interpretationsprozesse freisetzen, die zumal in religionsdidaktischen Kontexten und interdisziplinären Lehrveranstaltungen mit interkulturellem Anspruch von besonderem Wert sind. Die Kontroverse zum Thema »Allegorisch lesen? « wird bestritten von Marius Reiser und Michael Tilly. Während Reiser dafür plädiert, die allegorische Methode der Väterexegese zu würdigen und neu zu entdecken, zieht Tilly umso schärfer einen Trennungsstrich zwischen modernen und vormodernen Hermeneutiken. Unter der Rubrik »Hermeneutik und Vermittlung« fragen Kathrin Oxen und Karl Friedrich Ulrichs in kundiger homiletisch-neutestamentlicher Doppelautorschaft danach, wie sich Exegese und Predigt zu einander verhalten. Anhand mehrerer Beispiele gelungener Predigt führen sie vor, wie exegetische Details homiletisch sinnvoll eingesetzt werden können. Der Buchreport, beigetragen von Manuel Vogel, ist einem Buch gewidmet, das engagiert, mit hoher Sachkenntnis und mit kritischem Blick das Feld neuer Methoden und Theorieansätze in den Bibelwissenschaften vermisst. Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern eine bereichernde Lektüre dieses Heftes, das dazu anregen möge, das Neue Testament vielfältig »anders« zu lesen. Stefan Alkier Eckart Reinmuth Manuel Vogel