eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 17/34

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2014
1734 Dronsch Strecker Vogel

Einleitung zur Kontroverse: Die frühen Christen – selbstbestimmt oder fremdbestimmt?

2014
Eckart Reinmuth
Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 46 - 2. Korrektur 46 ZNT 34 (17. Jg. 2014) Einleitung zur Kontroverse: Die frühen Christen-- selbstbestimmt oder fremdbestimmt? Das Thema »Lebenskunst« zeitigt in diesem Heft eine folgerichtige Kontroverse. Denn der Streit um die Bedingungen und Möglichkeiten gelingenden, »glückenden« Lebens ist nicht erst nachaufklärerisch ein Streit um die Verheißungen und Zumutungen von Selbstgewinn und Selbstverlust. So verweist das Thema »Lebenskunst« mit der Frage, ob das Selbstverständnis früher Christen als selbstbestimmt oder als fremdbestimmt zu bezeichnen ist, mitten in gegenwärtige kulturwissenschaftliche Subjektdiskurse, bei denen es um nicht minder drängende Fragen geht. Es sind Lebensfragen, die erst in zweiter Linie akademisch zu reflektieren sind. Sie stellen sich stets dringlich und unabweisbar da, wo Selbstverständlichkeiten beschädigt, Erfahrungen brüchig, Deutemuster hinfällig und alle Antworten widersprüchlich werden. Wo zunehmend diejenigen aufgefordert sind, ihr »unternehmerisches Selbst« zu entwickeln, die ökonomisch und gesellschaftlich mehr und mehr ins Hintertreffen geraten, wird die Frage nach den Gewichtungen von Fremd- und Selbstbestimmtheit existentiell. Können Techniken der Selbstoptimierung emanzipatorisch sein, oder sind sie nichts als entmündigende Zustimmungsrituale gegenüber den Ansprüchen heteronomer Macht? Kann der Umgang mit Brüchen, Ungerechtigkeit und Leid so gelebt werden, dass Menschen sich jenseits der weglosen Alternative von Selbst- und Fremdbestimmtheit als Subjekte ihres Lebens begreifen? Führen die Entschuldungs-, Befreiungs- und Vergebungsdiskurse des Neuen Testaments aus der dilemmatischen Alternative von »fremd« und »selbst« heraus zu neuen Lebensformen von Selbstannahme und Mündigkeit, von Angenommensein und neuer Freiheit? Das Thema dieses Heftes wird mit der Kontroverse auf Zusammenhänge gelenkt, die eine überraschende Aktualität aufweisen. Beide Beiträge zur Kontroverse schärfen zudem die Aktualität der Problematik, als was das Neue Testament heute gelesen werden kann. Sie entwickeln spannende Perspektiven auf die Frage, ob das Neue Testament uns gleichsam zuerst in unserem Sein oder in unserem Sollen anspricht, ob es die Unterwerfung unter eine uns fremd gewordene Ordnung fordert oder uns so adressiert und freispricht, dass die Erfahrungen der Fremdbestimmtheit unhintergehbar durchkreuzt werden-- und sie brechen auf je eigene Weise zu einfache Alternativen auf-- auch damit, dass sie gemeinsam auf eine Entwicklungsgeschichte verweisen, die uns zu denken gibt. Eckart Reinmuth Kontroverse