eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 17/34

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2014
1734 Dronsch Strecker Vogel

Ritual oder Übung? Ereignis oder Wiederholung? Rettung oder Glück?

2014
Christian Strecker
Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 2 - 2. Korrektur 2 ZNT 34 (17. Jg. 2014) Aus dunkler, archaischer Zeit ragt er in die unsrige hinein. Entstellt und seiner Extremitäten beraubt, ist er doch voller Anmut. Brust und Bauch enthüllen gestählte Muskelkraft. Bar seines Hauptes bietet er sich uns dar-- und erscheint gerade so voller Charakter: ein glühender Torso, gleich einem strahlenden Leuchter, der in und kraft seiner Fragmentarität zu berücken vermag, die Betrachtenden wie ein Stern anleuchtet, ja, das Verhältnis von Betrachtenden und Betrachtetem verkehrend, sie durchleuchtet und ihnen von jeder Stelle aus wortlos, aber doch unüberhörbar eine Botschaft vermittelt: »Du mußt dein Leben ändern.« So beschreibt Rainer Maria Rilke in hohem Ton in einem seiner berühmten Gedichte einen Torso des Apollon, der griechischen Gottheit des Lichts, der Heilung, der ekstatischen Mantik und der Künste, Sinnbild der Vernunft und Stärke. Die Verse lauten: »Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt, darin die Augenäpfel reiften. Aber sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber, in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt, sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug der Brust dich blenden, und im leisen Drehen der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen zu jener Mitte, die die Zeugung trug. Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz unter der Schultern durchsichtigem Sturz und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle; und bräche nicht aus allen seinen Rändern aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.« Das Gedicht erschien unter dem Titel »Archaischer Torso Apollos« 1908 in dem Band »Der neuen Gedichte anderer Teil«. Die Verszeilen gehen zurück auf Rilkes Zeit in Paris, als er den prominenten französischen Bildhauer Auguste Rodin aufsuchte, sich intensiv mit dessen Plastiken beschäftigte und für acht Monate zwischen 1905 und 1906 sogar als sein Sekretär fungierte. So ist es mutmaßlich jener Apollon-Torso aus dem römischen Theater von Milet, der im Pariser Louvre zu sehen ist, der Rilke zu den Versen inspirierte. Die Anziehungskraft des berühmten Gedichtes erwächst nicht zuletzt aus dem raunenden Schlusssatz: »Du mußt dein Leben ändern.« Ausgelöst durch die immense Vitalität, die das Kunstwerk noch als Torso auf Rilke ausstrahlte, traf dieser leidenschaftliche Imperativ den mit seiner eigenen Kunst ringenden Dichter offenbar wie eine über die Zeiten hinweg in den Stein eingelassene Botschaft in Mark und Bein. Ins dichterische Wort gefügt, rüttelt die Botschaft die Lesenden wie eine aus grauer Vorzeit tönende Weisung Apollons noch heute auf. Doch an dem berühmten Apollontempel in Delphi, in welchem Pythia, ekstatisch ergriffen von Apollon, den ratsuchenden Pilgern weissagende Rätselsprüche kundtat, an diesem Tempel stand bekanntlich nicht: »Du mußt dein Leben ändern«, sondern: GNŌTHI S[E]AUTON. »Erkenne Dich selbst! « Die berühmte Aufforderung zur Selbsterkenntnis hatte wohl ursprünglich folgenden Sinn: Mensch, erkenne deine Hinfälligkeit, deine Sterblichkeit! Erkenne, dass du kein Gott bist! Begreife im Angesicht der Vollkommenheit der Götter deine menschliche Begrenztheit! 1 Die Einsicht in die Begrenztheit des Menschen prägte dann auch die sokratisch-platonische Philosophie. Allerdings bestimmte die klassische griechische Philosophie die Vernunft bzw. das Vernunftvermögen (gr.: nous) als göttliches Prinzip im Menschen und ließ die Erkenntnis des Selbst im Wesentlichen in der Erkenntnis dieses Göttlichen im Menschen gründen (Platon, Alkibiades I, 132b-133c). Die freie und kraftvolle Entfaltung des göttlichen Elements im Menschen, d. h. die Herrschaft der Vernunft, vermochte in dieser Philosophie dann auch ein glückliches Leben, ein Leben in Wohlergehen, zu verbürgen. Schließlich verknüpfte die hellenistische und kaiserzeitliche Philosophie die Selbsterkenntnis mit der Sorge um das eigene Selbst (gr.: epimeleia heautou; lat: cura sui). Das wahre Selbst und ein glückliches Leben waren für die antiken Philosophen aber nur um den Preis einer fundamentalen Änderung des Menschen, einer grundlegenden Transformation seiner Person zu erlangen. Und hier schließt sich der Kreis. »Du mußt Christian Strecker Ritual oder Übung? Ereignis oder Wiederholung? Rettung oder Glück? Gedanken zur frühchristlichen Lebenskunst im Corpus Paulinum Neues Testament aktuell »›Du mußt dein Leben ändern! ‹ Die Rilkesche Losung war gewissermaßen unausgesprochen das Fundament, auf dem die antike Philosophie der Selbstsorge aufbaute.« Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 3 - 2. Korrektur ZNT 34 (17. Jg. 2014) 3 Christian Strecker Ritual oder Übung? Ereignis oder Wiederholung? Rettung oder Glück? Trend, eine Kunst des richtigen Lebens zu etablieren. In aller Regel sind die Sachwalter und Sachwalterinnen der Lebenskunst freilich weit von der Gelehrsamkeit und provokativen Schärfe der Argumentation Sloterdijks entfernt. Zumal das Internet bietet eine kaum mehr überschaubare Fülle oft unterkomplexer und geistesarmer Ratschläge zur Lebenskunst. Nicht selten wird sie als bloße Kunst des Weglassens oder als Kunst des Loslassens angepriesen. Ein eigens mit dem Label »Lebenskunst.de« versehener Internetshop bietet konsumorientiert gar eine ganze Palette entsprechender Literatur und Konsumgüter an. Und natürlich sind Statistiken unvermeidlich, etwa, wenn uns vorgerechnet wird, in welchem Lebensalter es am besten mit der Lebenskunst klappen könnte. 4 Seit geraumer Zeit sickert das Thema »Lebenskunst« aber auch massiv in den christlichen Büchermarkt ein, sei es, dass der allseits bekannte Benediktinerpater Anselm Grün sich dazu äußert, 5 sei es, dass akademische Theologen wie Peter Bubmann und Bernhard Sill ein Konzept christlicher Lebenskunst zu entwickeln suchen. 6 Auf ihre Weise greifen auch diese Autoren das Paradigma des fortwährenden, gezielten Übens auf, um nun eben das Einüben einer spezifisch christlichen Lebenskunst zu propagieren. Nicht unerwähnt darf schließlich bleiben, dass sich neben Sloterdijk auch in der Philosophie zahlreiche Autorinnen und Autoren des Themas annehmen und auf unterschiedlichem Niveau diverse philosophische Hilfen zur Praxis einer philosophischen Lebenskunst anbieten. Einer der prominentesten und profiliertesten Philosophen auf diesem Feld ist Wilhelm Schmid. Er beschreibt das Grundkonzept seiner Philosophie der Lebenskunst wie folgt: »Die reflektierte Lebenskunst setzt an bei der Sorge des Selbst um sich, die zunächst ängstlicher Natur sein kann, unter philosophischer Anleitung jedoch zu einer klugen, vorausschauenden Sorge wird, die das Selbst nicht nur auf sich, sondern ebenso auf Andere und die Gesellschaft bezieht.« 7 Deutlich anspruchsloser fallen dagegen etwa die Beiträge der philosophischen Beraterin Rebekka Reinhard aus. 8 Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, ob und inwieweit sich in der ersten frühchristlichen Theologie, die wir kennen, der Theologie des Apostels Paulus, eventuell ebenfalls der Entwurf einer Lebenskunst abzeichnet. Mit anderen Worten: Lässt sich im Corpus Paulinum das Konzept einer irgendwie gearteten Sorge um das Selbst, das Modell einer auf gelingendes Leben hin angelegten Transformation des Menschen (»Du mußt dein Leben ändern«), das Praxisprojekt einer regelrechten Einübung ins neue Sein entdecken? Präsentiert uns Paulus das Leben »in Christus« gewissermaßen dein Leben ändern! « Die Rilkesche Losung war gewissermaßen unausgesprochen das Fundament, auf dem die antike Philosophie der Selbstsorge aufbaute. »Du mußt dein Leben ändern.« Dieser Gedichtzeile Rilkes bediente sich unlängst auch Peter Sloterdijk als Titel für sein vielbeachtetes Buch über den Menschen als übendes Wesen. 2 In seinem umfänglichen philosophischen Essay bestimmt Sloterdijk den Menschen im Näheren als sich vermittels asketischer Praktiken selbst erzeugendes und v. a. auch über sich selbst hinauswachsendes Tier. Er ruft darin den Einzelnen und Kollektive dazu auf, gegen das grassierende Trägheitsvirus der Moderne anzukämpfen und sich an den Trainingsplänen und Höchstleistungen zahlreicher Virtuosen zu orientieren, seien es über sich hinauswachsende Sportler, Künstler, Krieger, Akrobaten oder Schreiber, um ihnen nachfolgend die Selbstbildung, ja Selbststeigerung des Humanen voranzutreiben. Der Mensch stünde in einer Vertikalspannung. Er sei als übendes Wesen auf Höheres, auf die Vervollkommnung seiner selbst angelegt. Diesen Grundgedanken entnimmt Sloterdijk dann auch dem zitierten Rilkeschen Gedicht: Der Torso Apollons repräsentiere ungeachtet seiner materiellen Verstümmelung Vollkommenheit. Das Gedicht richte diese Vollkommenheit als Appell an uns. 3 Diese Vollkommenheit ist bei Sloterdijk indes nicht mehr am Göttlichen orientiert. Sloterdijk greift mit seinem Buch einen allenthalben in unserer Gesellschaft beobachtbaren Trend auf, den Prof. Dr. Christian Strecker studierte Evangelische Theologie in Neuendettelsau, Hamburg, Heidelberg und Tübingen. 1996 Promotion. 2003 Habilitation. Vertretungsprofessuren in Heidelberg (2005-2006), München (2006/ 07), Mainz (2007) und Neuendettelsau (2004; 2009). Seit 2010 Professor für Neues Testament an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau. Forschungsschwerpunkte: Paulusforschung, Jesusforschung, Kulturwissenschaftliche Exegese des Neuen Testaments, Ritual- und Performanzforschung, Philosophische Perspektiven. Christian Strecker Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 4 - 2. Korrektur 4 ZNT 34 (17. Jg. 2014) Neues Testament aktuell als spezifisch messianische Lebensform? Und wenn ja, wie sieht diese aus? Angesichts der Komplexität der paulinischen Theologie auf der einen und der Vielfalt antiker Philosophien der Lebenskunst auf der anderen Seite kann dieser Fragenkomplex hier nur bruchstückhaft erörtert werden. Dies soll in drei Schritten geschehen: In einem ersten Schritt soll in aller Kürze die »Wiederentdeckung« der antiken Philosophie als Lebenskunst vor Augen geführt werden, um auf dieser Basis dann einige wesentliche Konturen der antiken philosophischen Lebenskunst nachzuzeichnen. In einem zweiten Schritt soll erörtert werden, ob und inwieweit es überhaupt sinnvoll ist, die Aussagen des Apostels Paulus vor dem Hintergrund antiker philosophischer Diskurse auszuleuchten. Schließlich soll in einem dritten und letzten Schritt die Schlüsselfrage beantwortet werden, ob und inwiefern sich in den Schriften des Apostels eine frühchristliche Lebenskunst abzeichnet. 1. Die Wiederentdeckung der antiken Philosophie der Lebenskunst Maßgeblichen Anteil an der gegenwärtigen Wiederentdeckung der antiken Philosophie als Philosophie der Lebenskunst hatte Michel Foucault. Der französische Philosoph war in seinen Studien zur Analytik der Macht an eine Grenze gestoßen. Die von ihm in den Büchern »Überwachen und Strafen« und »Der Wille zum Wissen« herausgearbeitete Einkerkerung des menschlichen Daseins in ein umfassendes Netz der Machtbeziehungen, aus dem es kein Entrinnen zu geben schien, zeichnete ein allzu düsteres Bild. 9 Foucault suchte nach Auswegen, nach Räumen der Freiheit, nach Existenzformen der Selbstregierung. Und er meinte diese in jenen Ratschlägen zur praktischen Lebensgestaltung angesprochen zu finden, die uns in zahlreichen Schriften antiker Philosophen-- angefangen von den platonischen Dialogen bis hin zur späten Stoa-- überliefert sind. Er erblickte in diesen Ratschlägen eine Form der Ethik, die allein Sache der persönlichen Entscheidung war, wenigen Leuten vorbehalten blieb und von daher kein einzwängendes Verhaltensmuster für jedermann sein wollte, kurzum: eine nicht normative und »nicht normalisierende« Ethik, eine Ethik, die folglich durch die Maschen des allerorten ausgebreiteten, eng geknüpften Netzes der Machtbeziehungen fiel. Foucault publizierte diese These umfassend begründet in seinen beiden letzten, kurz vor seinem Tod 1984 erschienenen Büchern »L’usage des plaisirs« (»Der Gebrauch der Lüste«) und »Le souci de soi« (»Die Sorge um sich«). 10 Vor deren Veröffentlichung stellte er in einem Interview mit dem Philosophen Hubert Dreyfus und dem Ethnologen Paul Rabinow die wichtigsten Einsichten der beiden Bücher vor. Darin findet sich folgender Satz: »Mir fällt auf, daß Kunst in unserer Gesellschaft zu etwas geworden ist, das nur Gegenstände, nicht aber Individuen oder das Leben betrifft, daß Kunst etwas Gesondertes ist, das von Experten, nämlich Künstlern gemacht wird. Aber könnte nicht das Leben eines jeden ein Kunstwerk werden? Warum sollten die Lampe oder das Haus ein Kunstgegenstand sein, nicht aber unser Leben? […] Aus der Idee, daß uns das Selbst nicht gegeben ist, kann meines Erachtens nur eine praktische Konsequenz gezogen werden: wir müßen uns selbst als ein Kunstwerk schaffen.« 11 Diese aus seiner Beschäftigung mit der antiken griechisch-römischen Philosophie heraus gewonnene Vorstellung, man könne, ja man solle in Freiheit sein Leben zu einem Kunstwerk erheben, prägte Foucaults Denken und Leben in seinen letzten Jahren maßgeblich. Wie sein eindrücklich souveräner Umgang mit dem eigenen Tod im Jahr 1984 dokumentiert-- viele seiner Freunde berichteten ehrfurchtsvoll davon--, war er bemüht, diese Vorstellung in seiner eigenen Existenz umzusetzen. Darüber hinaus suchte er die besagte Vorstellung in seine gesamte Philosophie einzubinden, indem er vier grundlegende Praxisformen, vier basale menschliche Kunstfertigkeiten bzw. Technologien unterschied: »1. Technologien der Produktion, die es […] ermöglichen, Dinge zu produzieren, zu verändern und auf sonstige Weise zu manipulieren; 2. Technologien von Zeichensystemen, die es […] gestatten, mit Zeichen, Bedeutungen, Symbolen oder Sinn umzugehen; 3. Technologien der Macht, die das Verhalten von Individuen prägen und sie bestimmten Zwecken oder einer Herrschaft unterwerfen, die das Subjekt zum Objekt machen; 4. Technologien des Selbst, die es dem Einzelnen ermöglichen, aus eigener Kraft oder mit Hilfe anderer eine Reihe von Operationen an seinem Körper oder seiner Seele, seinem Denken, seinem Verhalten und seiner Existenzweise vorzunehmen, mit dem Ziel, sich so zu verändern, daß er einen gewissen Zustand des Glücks, der Reinheit, der Weisheit, der Vollkommenheit oder der Unsterblichkeit erlangt.« 12 Denk- und Handlungshorizont der letztgenannten Kunstlehren des Selbst war für Foucault, wie die Zielbestimmungen »Glück, Reinheit, Unsterblichkeit« implizit anzeigen, neben der Philosophie zumal auch die Religion. Er erkannte und anerkannte zusehends die hohe Relevanz der Spiritualität als Raum der Selbstübung, Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 5 - 2. Korrektur ZNT 34 (17. Jg. 2014) 5 Christian Strecker Ritual oder Übung? Ereignis oder Wiederholung? Rettung oder Glück? als Horizont der Transformation des Selbst durch die Beziehung zur Wahrheit. Zunächst unabhängig von und dann in Verbundenheit mit Foucault arbeitete auch der französische Philosoph und Historiker Pierre Hadot die große Bedeutung der Lebenskunst und der Technologien des Selbst in der antiken Philosophie heraus. Einschlägig hierfür ist sein Buch »Philosophie als Lebensform« 13 . Darin führt er eindrücklich vor Augen, dass es der antiken Philosophie im Kern nicht um abstrakte Theorien ging, nicht um theoretische Diskurse, sondern um die Formung der Seele, um eine neue Art zu leben bzw. um die Kunst, vermittels bestimmter Übungen wie Meditation, Kontemplation der Natur Wohlergehen (gr.: eudaimonia) zu erlangen. Nach Hadot sind die antiken philosophischen Werke folglich »unter dem Blickwinkel der Vertrautheit mit den geistigen Übungen zu betrachten. Die Philosophie erscheint sodann in ihrer ursprünglichen Gestalt, nicht mehr als eine theoretische Konstruktion, sondern als eine Methode der Menschenformung, die auf eine neue Lebensweise und ein neues Weltverständnis abzielt, als eine Bemühung, den Menschen zu verändern.« 14 Das Christentum habe sich die philosophischen »geistigen« Übungen in der Alten Kirche einverleibt, sie in »geistliche« Übungen verwandelt, was nach Hadot zur Folge hatte, dass der philosophische Diskurs mehr und mehr zu einem rein theoretischen wurde. Unabhängig von der Frage, ob man Hadots Meistererzählung über die Entwicklung der geistigen Übungen im Detail zustimmen mag oder nicht, 15 besteht kein Zweifel, dass die antike Philosophie auf die Formung des Lebens im Sinne einer Kunstfertigkeit, einer technē zielte. 16 Der direkte Äquivalenzbegriff einer solchen Lebenskunst (gr.: technē tou biou) taucht zwar in der antiken Literatur nicht auf, wohl aber der einer technē peri ton bion, d. h. einer Kunstfertigkeit bezüglich des Lebens, bezüglich der Seele. Diese Wendung begegnet im Thesaurus Linguae Graecae, z.T. in Variation, insgesamt 41-mal, und zwar überwiegend in der Stoakritik des Sextus Empiricus (2. Jh. n. Chr.). Dieser Umstand legt eine besondere Betonung der »Lebenskunst« in der Stoa nahe. 17 Die mit dieser Kunst (gr.: technē) verbundene Dimension der Übung (gr.: askēsis) wird aber auch sonst in der antiken Philosophie thematisiert, darüber hinaus ebenso bei dem jüdischen Religionsphilosophen Philon von Alexandrien. In Philons umfangreichen Werk finden sich zwei Askesekataloge: In Quis rerum divinarum heres 253 nennt er folgende Praktiken: Untersuchung (gr.: zētēsis), gründliche Prüfung (gr.: skepsis), Lektüre (gr.: anagnōsis), Anhören (gr.: akroasis), Wachsamkeit (gr.: prosochē), Selbstbeherrschung (gr,: enkrateia), Gleichgültigkeit gegen gleichgültige Dinge (gr.: adiaphorēsis tōn adiaphorōn). In Legum Allegoriae 3,18 werden genannt: Lektüren (gr.: anagnōseis), Meditationsübungen (gr.: meletai), Therapie der Begierden (gr.: therapeiai), Erinnerung an Gutes (gr.: tōn kalōn mnēmai), Selbstbeherrschung (gr.: enkrateia), und Pflichterfüllung (gr.: tōn kathēkontōn energeia). All die genannten Übungen begegnen mit diversen Variationen und Spezifikationen auch in der stoischen und epikureischen Philosophie. Einige wenige Anmerkungen zu den beiden Katalogen müssen hier genügen: 18 Von großer Bedeutung war die Wachsamkeit (gr.: prosochē). Gemeint ist die Konzentration auf den Augenblick, auf das Jetzt. Diese Konzentration sollte frei machen vom Kummer und den Leidenschaften, sind diese doch im Kern auf das ausgerichtet, was nicht mehr ist (Vergangenheit) oder was noch nicht ist (Zukunft). Wichtig waren zudem diverse Meditationsübungen (gr.: meletai). Dazu zählte etwa die praemeditatio malorum, eine Übung, bei der man sich absehbar bevorstehende bzw. unvermeidbare Schwierigkeiten und Übel vorstellte, um dann bei ihrem aktuellen Eintreten möglichst souverän mit ihnen umgehen zu können. Unter den meditativen Praktiken nahm ferner die Besinnung auf den Tod eine Schlüsselrolle ein. Ihr Ziel bestand darin, sich letztlich von der eigenen Individualität und den darin eingelassenen Leidenschaften gänzlich zu befreien. Berühmt ist außerdem die sog. Vierfachmedizin (gr.: tetrapharmakos) des Epikureismus, d. h. die stete Vergegenwärtigung folgender vier Grundregeln: 1) Gott ist nicht zu fürchten. 2) Dem Tod soll man nicht mit argwöhnischer Angst gegenüberstehen. 3) Das Gute ist leicht zu beschaffen. 4) Das Schreckliche ist leicht zu ertragen. 19 Hinzu kamen die intellektuellen Übungen im engeren Sinn. In den Katalogen Philons begegnen Leseübungen bzw. die Lektüre (gr.: anagnōseis; anagnōsis) und das Anhören (gr.: akroasis). Damit dürfte auf das philosophische Eigenstudium und das Lernen von weisen Menschen angespielt sein. Bei den weiteren Praktiken der »Untersuchung« (gr.: zētēsis) und der »gründlichen Prüfung« (gr.: skepsis) hatte Philon wohl die Verarbeitung und Anwendung des Erlernten im Blick, z. B. die Fähigkeit, die Dinge aus der Sicht der Physik zu beurteilen und zu definieren, um sie so zu relativieren und an ihren rechten Platz zu stellen. Schließlich sind praktische Übungen zu nennen, unter denen v. a. die Selbstbeherrschung herausragt, die gezielte Arbeit an der Kontrolle der Affekte, also die Einübung in die Beherrschung des Zorns, die Bewältigung falscher Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 6 - 2. Korrektur 6 ZNT 34 (17. Jg. 2014) Neues Testament aktuell Scham, die Erfüllung sozialer Pflichten und dergleichen mehr. Wie dieser verkürzte Durchgang durch das Universum der Übungen zeigt, kreisten die »asketischen« Praktiken im Kern um ein besonderes Ziel, nämlich die Ausmerzung der Leidenschaften und Begierden im Dienst der Freiheit des Selbst. Es ging der antiken Philosophie wesentlich um Selbstbeherrschung. Nur sie schien ein Leben in Wohlergehen zu garantieren. Die Lebenskunst bestand mithin darin, die Leidenschaften und Begierden als Erkrankung der Seele zu therapieren. Martha Nussbaum gab ihrer 1994 erschienenen Darstellung der hellenistischen Ethik daher völlig zutreffend den Titel: »The Therapy of Desire«. 20 Die Deutung der Philosophie als Therapie, als Heilung der Begierden, bringt Cicero in seinen Gesprächen in Tusculum besonders klar zum Ausdruck. Er betont darin zunächst: »[D]ie Krankheiten der Seele sind gefährlicher und häufiger als die des Körpers« (3,5). Welches aber sind die Erkrankungen der Seele? Es sind die Leidenschaften und der Kummer, v. a. aber die Leidenschaften. Cicero schreibt: »Alle Leidenschaften nennen die Philosophen Krankheiten« (3,9). Was aber ist das Krankhafte an den Leidenschaften? Cicero gibt zu verstehen, es sei der durch die Leidenschaften bedingte Kontrollverlust; v. a. in ihm manifestiere sich die Erkrankung der Seele. Dafür würde es, so notiert er, keinen besseren Ausdruck geben »als den, der in der lateinischen Sprache üblich ist, wenn wir sagen, jene seien nicht mehr in ihrer Gewalt [lat.: exisse ex postestate], die durch Begierde oder Zorn außer sich geraten« (3,11). Wie aber wird man von dieser Krankheit der Leidenschaften befreit? Durch die Philosophie! Cicero schreibt: »Es gibt nämlich ein Heilmittel für die Seele, die Philosophie. Damit sie hilft, muss man nicht wie bei den Krankheiten des Körpers auswärts suchen, sondern mit allen Mitteln und Kräften darauf hinarbeiten, dass wir uns selbst heilen können« (3,6). 21 2. Paulus und die Philosophen Wie ist es nun vor diesem Hintergrund um die Briefe des Apostels Paulus bestellt? Fügen sie sich auf die eine oder andere Weise dem besagten Diskurs über die Lebenskunst ein? Um darauf antworten zu können, gilt es vorab zu klären, ob es überhaupt sinnvoll und angemessen ist, die Briefe des Paulus zur Philosophie ins Verhältnis zu setzen. Ging es Paulus nicht vielmehr um »Religion« statt um »Philosophie«? Wie nun die vorstehenden Ausführungen zur Asketik im Werk des jüdischen Autors Philon von Alexandrien bereits deutlich gemacht haben, wäre es verfehlt, zwischen »Religion« und »Philosophie« eine allzu strikte Trennung vorzunehmen, zumal auch andere jüdische »religiöse« Schriften auf ihre Weise eine enge Beziehung zur Philosophie offenbaren, so etwa das 4. Buch der Makkabäer. 22 Zudem will bedacht sein, dass der Begriff »Religion«, so wie er heute gebraucht wird, in Diskursen der Neuzeit wurzelt und von daher ohnehin nicht unbesehen in die Antike zurückprojiziert werden sollte. 23 Diese Problematik hat Wolfgang Stegemann in der Zeitschrift für Neues Testament bereits vor einiger Zeit kundig erörtert. 24 Doch selbst wenn man den Religionsbegriff ungebrochen heranzieht, kommt man nicht an der Einsicht vorbei, dass sich das frühe und namentlich das paulinische Christentum erheblich von der gängigen »religiösen« Praxis der damaligen römisch-griechischen Welt unterschied, insofern diese weitgehend kultisch geprägt war. In ihrer klassischen Studie über die »Religions of Rome« stellen Mary Beard, John North und Simon Price nachdrücklich heraus, dass sich der christliche Glaube zusammen mit einigen anderen »religiösen« Bewegungen aus dem Osten signifikant von der klassischen römisch-griechischen Religion abhob. Neben der auffälligen örtlichen Ungebundenheit des christlichen Glaubens zählen sie u. a. den intensiven Umgang mit heiligen Texten und die Relevanz des Glaubens für die Alltagsexistenz wie auch für das Leben nach dem Tod zu den wichtigsten Differenzen. 25 Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, dass die paulinische Theologie tatsächlich eher von der Philosophie her zu verstehen ist als von der kultisch bestimmten griechischrömischen Religiosität. Wenig Sinn macht es gleichwohl, die paulinische Vorstellungswelt direkt mit einer ganz bestimmten philosophischen Schule zu verbinden. 26 Dies wurde in der exegetischen Forschung zwar immer wieder versucht, sei es, dass man den Apostel und seine Theologie mit den Epikureern, 27 mit den Kynikern, 28 mit den Stoikern 29 oder auch der sog. zweiten Sophistik 30 korrelierte, all diese Versuche blieben jedoch unbefriedigend und stießen auf berechtigte Kritik. Sinnvoller ist es, die Paulusbriefe ganz allgemein im philosophischen Diskurs der Zeit zu verorten. Dies liegt v. a. deshalb nahe, weil sich einige zentrale Charakteristika des Schreibens und Wir- »Es ging der antiken Philosophie wesentlich um Selbstbeherrschung. Nur sie schien ein Leben in Wohlergehen zu garantieren.« Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 7 - 2. Korrektur ZNT 34 (17. Jg. 2014) 7 Christian Strecker Ritual oder Übung? Ereignis oder Wiederholung? Rettung oder Glück? kens des Apostels in den christusgläubigen Gemeinden mit dem allgemeinen Auftreten antiker Philosophen in ihren philosophischen Schulen überschneiden. So gilt: »Teaching or preaching, moral exhortation, and the exegesis of canonical texts are activities associated in the ancient world with philosophy, not religion.« 31 Aber auch die Belehrung bzw. meditatio in Briefform, Gemeinschaftsmähler, das Ringen um das eigene Selbstverständnis gegenüber der Außenwelt u. a. m. spielten in den philosophischen Schulen wie auch in den paulinischen Gemeinden eine Rolle. 32 Wichtiger aber noch ist, dass sich das philosophische Thema der Menschenformung, d. h. der durch Seelenführung (Psychagogik) getragenen Bildung eines neuen Selbst in gewisser Weise auch in den Paulusbriefen findet, 33 thematisieren doch auch die Apostelbriefe eine Transformation des Selbst, dies freilich auf der Basis einer in Christus angestoßenen Transformation der Welt. Darauf gilt es nun einzugehen. 34 3. Frühchristliche »Lebenskunst« bei Paulus? 3.1 »Du mußt dein Leben ändern« oder »Du bist ein/ e Andere/ r (neue Schöpfung)«? Die paulinische Theologie lässt sich im Kern als Transformationstheologie verstehen. Der Gedanke der Veränderung, des Wandels, der Erneuerung ist für den Apostel grundlegend. Im Genaueren lassen sich vier Ebenen unterscheiden, auf denen Paulus eine göttlich getragene Transformationsdynamik am Werk sieht: 35 (1) Auf der individuellen Ebene manifestiert sich die besagte Transformationsdynamik in der persönlichen Wende, die Paulus im sog. Damaskuserlebnis erfuhr. Darüber hinaus manifestiert sich die besagte Transformationsdynamik auch in jener grundlegenden Wandlung des Subjekts, die der Apostel im Ritual der Taufe gründen sieht. (2) Elementarer Brennpunkt der persönlichen Transformationen ist die Transformation Jesu Christi im heilsgeschichtlichen Fundamentalereignis seines Todes und seiner Auferstehung (christologische Ebene). (3) Das Christusereignis hat zugleich kosmologische Bedeutung, insofern in ihm die heilsgeschichtliche Wende der Äonen ankert (kosmologische Ebene). (4) Schließlich wird die besagte Transformationsdynamik auch auf der kollektiven Ebene greifbar, nämlich in der das herkömmliche Miteinander transformierenden Relativierung der ethnischen, sozialen und geschlechtlichen Differenzen in der Gemeinschaft der Getauften. Vor diesem Hintergrund gilt es nun nochmals an Pierre Hadots Verständnis der antiken Philosophie zu erinnern: Diese war Hadot zufolge in ihrer ursprünglichen Gestalt »eine Methode der Menschenformung, die auf eine neue Lebensweise und ein neues Weltverständnis abzielt, […] eine Bemühung, den Menschen zu verändern« 36 . Die in dem Zitat angesprochene umfassende Transformation des Menschen zu einem neuen Leben und einem neuen Weltzugang, die in der antiken Philosophie der Lebenskunst mit so viel Anstrengung, Aufwand und Inbrunst angestrebt wurde, betrachtete Paulus offenbar als rundweg bereits vollbracht! Die Erfüllung dieser umfassenden Transformation gründete in seiner Theologie allerdings nicht in der menschlichen Autonomie, sondern im göttlichen Handeln, genauerhin im Christusereignis und seinen Folgen. Die vielen verzweigten Gedanken und Argumente, die der Apostel bezüglich des den Menschen und die Welt transformierenden Christusereignisses vorträgt, können hier nicht diskutiert werden. Es muss genügen, einen Aspekt herauszugreifen, nämlich den der Bewältigung der Leidenschaften und Begierden. 37 In Gal 5,24 heißt es: »Die aber Christus Jesus angehören, haben das Fleisch samt den Leidenschaften und Begierden gekreuzigt.« Und bereits zuvor in Gal 5,16 ist zu lesen: »Ich sage aber: Wandelt im Geist, und ihr werdet die Begierde des Fleisches nicht erfüllen.« Und weiter heißt es in Röm 6,12: »So herrsche nun nicht die Sünde in eurem sterblichen Leib, dass er seinen Begierden gehorche.« Schließlich Röm 13,14: »[…] sondern zieht den Herrn Jesus Christus an, und treibt nicht Vorsorge für das Fleisch, dass Begierden wach werden! « Diese Stellen machen eines deutlich: Es bedarf keiner übenden, im engeren Sinn »asketischen« Praxis, um der Begierde und der Leidenschaft Herr zu werden, hängt doch alles an der Einswerdung mit Christus. Erforderlich ist mithin alleine die beständige Erhaltung der Christusteilhabe respektive die beständige Reintegration in den Heilsraum des Christus. Garantiert ist die Freiheit von den Leidenschaften freilich nicht, woraus sich die imperativische Form der zitierten Verse erklärt. Worauf es Paulus aber v. a. ankommt, ist die für ihn in Erfahrung gründende Einsicht, dass diejenigen, die Christus angehören und in seinem Herrschaftsbe- »Die paulinische Theologie lässt sich im Kern als Transformationstheologie verstehen. Der Gedanke der Veränderung, des Wandels, der Erneuerung ist für den Apostel grundlegend.« Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 8 - 2. Korrektur 8 ZNT 34 (17. Jg. 2014) Neues Testament aktuell reich verharren, grundsätzlich nicht mehr von Leidenschaften und Begierden fremdbeherrscht werden. Es gilt hier also nicht die Aufforderung: »Du mußt dein Leben ändern.« Vielmehr setzt der Apostel bei seinen christusgläubigen Adressaten bereits eine grundlegende Transformation voraus. Es gilt mit anderen Worten: »Du bist schon verändert.« Du bist getauft, du bist eine neue Schöpfung (vgl. 2Kor 5,17: »Daher, wenn jemand in Christus ist, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden«). 3.2 Ritual oder Übung? Ereignis oder Wiederholung? Die Beherrschung und Kontrolle der Begierden bzw. genauer noch der Sünde, die der Apostel ausdrücklich als entscheidendes Agens hinter den Begierden ausmacht (vgl. Röm 7,7 f.), sie erfolgt in den Protopaulinen augenscheinlich nicht-- wie in der Philosophie-- durch Selbsttechniken, vermöge derer sich das Individuum zum Herren seiner selbst zu entwickeln sucht, indem es in der steten Wiederholung bestimmter Praktiken übend lernt, sich von allen Äußerlichkeiten und Bindungen an die habituelle Welt zu lösen und sich als Teil einer die Welt transzendierenden Natur bzw. einer universellen Vernunft zu begreifen. Sie erfolgt im Übrigen auch nicht-- wie im hellenistischen Judentum-- durch Toragehorsam. Darauf weist der Apostel in Röm 6,14 f. eigens hin (»Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade. Wie nun? Sollen wir sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind? Das sei ferne! «). 38 Die Beherrschung der Leidenschaften und damit die Kontrolle über das Selbst gründet Paulus zufolge vielmehr, wie bereits gesehen, im Christusgeschehen und speziell in dessen ritueller Aneignung in der Taufe, die angesichts des die Macht der Sünde überwindenden Todes Christi einem Herrschaftswechsel gleichkommt. Die Beherrschung des begehrenden Selbst und der darin manifesten Sünde erfolgt bei Paulus mit anderen Worten nicht im Modus sich stets wiederholender praktischer Übungen und einer darin konsequent anvisierten Selbstvervollkommnung. Der Apostel pocht vielmehr ganz auf die effektive Dynamis des Ereignisses und des Rituals, eine Dynamis, über die das Subjekt nicht autonom verfügt, sondern in die es wie in ein Kraftfeld hineingenommen ist. Nahezu alle der oben genannten Stellen, die von der Beherrschung der Leidenschaften und Begierden in Christus handeln (Gal 5,24; 5,16; Röm 6,12; 13,14), haben einen Bezug zur Taufe: Die Christusangehörigkeit bzw. die Christusteilhabe, die Paulus in Gal 5,24 als Voraussetzung der Kreuzigung der Begierden und Leidenschaft anspricht, gründet unverkennbar in der Taufe, denn die Taufe ist der Ort, an dem man mit Christus eins wird. So schreibt Paulus in Gal 3,28 explizit über die Getauften (vgl. V. 27): »denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.« Auch in der Rede vom »Anziehen Christi« in Röm 13,14 liegt augenscheinlich eine Anspielung auf die Taufe vor. Dies indiziert Gal 3,27, wo es heißt: »denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, ihr habt Christus angezogen.« Und die Aussage in Röm 6,12 steht im Kontext der grundlegenden paulinischen Auslegung der Taufe als Taufe in den Tod Christi. Danach gilt, dass wir in der Taufe mit Christus gestorben sind, mit ihm begraben wurden, um in der Neuheit des Lebens zu wandeln. In der Taufe starb dabei dank der Integration in den Tod Jesu der alte, sündige Adam ab und mit ihm die Begierden und Leidenschaften (Röm 6,3-6). Paulus geht folglich davon aus, dass wir in der Einheit mit Christus nicht mehr von den Begierden bestimmt werden, wenngleich er mahnt, dass dies nicht selbstverständlich sei. Man müsse im Herrschaftsbereich Christi verbleiben, die baptismale Integration in das Christusereignis also aufrechterhalten. Woraus erklärt sich nun aber die mächtige Wirkkraft des in der Taufe zugeeigneten Christusereignisses? Wie vermag dieses Ereignis Menschen derart zu transformieren, dass sie frei werden von der Fremdherrschaft der Sünde, der Begierden und Leidenschaften? Unabhängig von Paulus ist diesbezüglich zunächst allgemein anzumerken, dass sich prinzipiell zwei differente Wege und Formen der Transformation von Subjekten unterscheiden lassen. Zugespitzt und vereinfacht lassen sie sich unter den Überschriften »Entwicklung« und »Ereignis« subsumieren: (1) Auf der einen Seite sind Menschen in der Lage, sich über einen längeren Zeitraum hinweg bewusst und gezielt durch übende Aneignung bestimmter Fähigkeiten, Perspektiven und Praktiken grundlegend zu transformieren. Dies ist das Modell der Entwicklung, welches der antiken Philosophie der Lebenskunst wie auch Sloterdijks Philosophie der Selbstbildung des »Die Beherrschung des begehrenden Selbst und der darin manifesten Sünde erfolgt bei Paulus mit anderen Worten nicht im Modus sich stets wiederholender praktischer Übungen und einer darin konsequent anvisierten Selbstvervollkommnung. Der Apostel pocht vielmehr ganz auf die effektive Dynamis des Ereignisses und des Rituals« Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 9 - 2. Korrektur ZNT 34 (17. Jg. 2014) 9 Christian Strecker Ritual oder Übung? Ereignis oder Wiederholung? Rettung oder Glück? Humanen zugrunde liegt. Es gründet letztlich in der übenden Wiederholung diverser Praktiken. (2) Auf der anderen Seiten werden Menschen immer wieder auch durch unvorhersehbare »Ereignisse«, die den gewöhnlichen und vertrauten Lauf der Dinge jäh unterbrechen, dauerhaft verändert. Die grundlegende Transformation beruht hier nicht auf einer allmählichen Entwicklung, sondern auf dem ins Mark gehenden Einbruch des Unvorhergesehenen, des Schockhaften, des Bruches, sei es eine Nahtoderfahrung, ein Unfall, eine unerwartete manifeste glückliche Wendung o. Ä. Nun ist der Begriff des »Ereignisses« im philosophischen Diskurs Gegenstand einer intensiven, äußerst komplexen Debatte. Die vielen Facetten, Akzente und Füllungen des Begriffs, die darin verhandelt werden, können hier nicht dargelegt und diskutiert werden. 39 Angemerkt sei lediglich, dass der französische Philosoph Alain Badiou seine spezifische Philosophie des Ereignisses just in der Theologie des Apostels wiederzuentdecken glaubt. 40 Ohne Badious Ereignisphilosophie geschweige denn seine Paulusdeutung befürworten zu wollen, ist dem Philosophen gleichwohl darin zuzustimmen, dass sich die Theologie des Paulus in der Tat grundsätzlich als Ereignisphilosophie bzw. »Ereignistheologie« begreifen lässt. Das Christusereignis ist für den Apostel schließlich unverkennbar ein absolut fundamentaler, ereignishafter Einbruch in die Geschichte, eine elementare, göttlich initiierte Wende, die den Verlauf der Dinge umfassend ändert, den neuen Äon einläutet und das Leben all derer fundamental transformiert, die sich in den Ereignishorizont dieses Geschehens begeben. Letzteres geschieht wirkmächtig v. a. im Ritual der Taufe. Ist den Getauften damit aber auch jener Zustand »des Glücks, der Reinheit, der Weisheit, der Vollkommenheit oder der Unsterblichkeit« zugänglich, den Foucault als Zielpunkt der antiken Selbsttechniken beschrieben hat? 3.3 Glück oder Rettung? Es fällt auf, dass in den Briefen des Paulus-- wie übrigens in allen anderen Schriften des Neuen Testaments auch-- der Begriff der eudaimonia fehlt. Dieser Schlüsselterminus der antiken Lebenskunst, der das »Glück« bzw. »Wohlergehen« als Ziel der strebenden und übenden Existenz des Menschen denotiert, findet an keiner Stelle des umfänglichen paulinischen Schrifttums auch nur eine Erwähnung. Dies gilt ebenso für das dazugehörige Verb eudaimoneō oder andere Formen der fraglichen Begrifflichkeit. Um die Begrifflichkeit angemessen zu verstehen, muss man sich freilich vergegenwärtigen, dass eudaimonia in der antiken Philosophie nicht, wie dies in unserem heutigen Sprachgebrauch häufig der Fall ist, einen rein psychischen Zustand euphorischen Hochgefühls bezeichnete. 41 Der Begriff markierte vielmehr generell ein tugendhaftes und sinnvolles, d. h. der Vernunft gemäßes Leben. Darin war dann subjektives Wohlergehen eingeschlossen. Im Laufe der Philosophiegeschichte bildeten sich diverse Konturierungen und Akzentuierungen des Konzeptes der eudaimonia aus. Markant ist insbesondere die Verschiebung, die das Konzept im Übergang von der klassischen zur hellenistischen Philosophie erfuhr. Verstand man unter eudaimonia in der klassischen Philosophie (Platon, Aristoteles) vorwiegend den objektiven Zustand eines Lebens in Übereinstimmung mit der kosmischen Ordnung, das dem Wohlergehen der Polis diente, so erfuhr das Konzept in der hellenistischen Ethik eine stärkere Verinnerlichung, Subjektivierung und Privatisierung, insofern eudaimonia nun zumal im subjektiven Vermögen gründete, die eigenen Wünsche und selbstgewählten Zwecke in Seelenruhe, d. h. frei von innerer Erregung (Affekte), souverän verwirklichen zu können. Darauf muss hier nicht näher eingegangen werden. 42 Weshalb ignorierte Paulus die Schlüsselterminologie der antiken Lebenskunst? Darüber kann nur spekuliert werden. Ein möglicher Grund mag sein, dass die besagte Terminologie in der Septuaginta fehlte. Hinzu kommt, dass die in dem Begriff eudaimonia enthaltene Vokabel daimōn, die in der griechischen Welt ursprünglich noch für Gottheiten und menschliche Schutzgeister stand, im jüdischen und im frühchristlichen Sprachgebrauch »heidnische« Götter und böse Geistwesen bezeichnete, sodass eudaimonia in dieser Sprachwelt nun einen zumindest zweideutigen wenn nicht negativen Klang besaß. 43 Eventuell gibt es aber noch einen weiteren Grund: Vielleicht erklärt sich der Ausfall des Begriffs eudaimonia im Neuen Testament und namentlich bei Paulus auch damit, dass wir es hier mit einem Schrifttum zu tun haben, das nicht wie die meisten uns überlieferten antiken Texten über die Lebenskunst dem Kreis der sozialen Elite entstammt. In den paulinischen Ausführungen spiegeln sich nicht die Existenz und Alltagserfahrungen von Mitgliedern der Oberschicht, sondern das Leben und Erleben der Nichtelite (vgl. 1Kor 1,26-28). Dieses war weniger durch autonomes Handeln denn durch Fremdbestimmungen geprägt. Das Streben nach einem Zustand des Wohlergehens (eudaimonia) vermittels einer innerlich souveränen, übungsgestützten Erlangung all jener Zwecke, die man sich selbst gesetzt hat, passt nun aber eher in eine Lebenssituation, die Mitgliedern der Elite vorbehalten war. 44 Menschen, die Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 10 - 2. Korrektur 10 ZNT 34 (17. Jg. 2014) Neues Testament aktuell um ihr tägliches Durchkommen zu kämpfen hatten, die in schlechten Lebensumständen existierten, die äußeres Leid und Unterdrückungen erfuhren, sehnten sich vermutlich eher nach Erlösung und »Rettung«: sōtēria. Auch von daher mag sich erklären, warum die paulinische Heilsbotschaft nicht auf die Erlangung von »Glück« (eudaimonia), sondern auf die Erfahrung von »Rettung« (sōtēria) fokussiert war. In ihrer Ausrichtung auf eine messianische »Rettung« fügt sie sich im Übrigen ganz in die atl.-jüdische Tradition ein, in welcher das Thema der individuellen und kollektiven Erlösung und Errettung aus diversen Situationen des Unglücks, der Not und des Leidens von jeher größten Raum einnahm, angefangen von der vorexilischen, über die exilische bis hin zur nachexilischen Literatur. 45 In diesem Zusammenhang mag man außerdem eine allgemeine Feststellung des Religionswissenschaftlers Günter Lanczkowski mitbedenken. Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass die altägyptische Sprache kein Wort für Erlösung kennt, schreibt Lanczkowski: »Der Erlösungsgedanke fehlt, wenn das Heil in der Erhaltung gegenwärtiger Zustände gesehen wird.« 46 Vielleicht darf man in Anlehnung daran im Umkehrschluss sagen, dass der Gedanke des Glücks-- verstanden im antiken Sinn als innerlich souveräner Umgang mit der bestehenden, letztlich nicht hinterfragten Ordnung- - überall dort unpassend zu sein scheint und fehlt, wo man sich das Heil nur als erlösende Überwindung der bestehenden Ordnung bzw. als rettende Befreiung aus derselben vorstellen konnte. Wie auch immer: Dem Ereignischarakter des Christusgeschehens und der Aneignung des darin verbürgten Heils im rituellen Akt der Taufe entsprach der das Moment des Ereignisses konnotierende Gedanke der Rettung in jedem Fall besser als der mehr auf ein dauerhaftes Arrangement mit dem Gegebenen, mithin stärker auf das Sein, denn auf das Ereignis abzielende Begriff der eudaimonia. 47 Allerdings darf bei alledem nicht unerwähnt bleiben, dass die baptismale Integration in das Christusereignis bei Paulus zwar das rettende Heil vermittelt, dies aber nicht in abschließender Form vollzieht, sieht Paulus doch die Christusgläubigen in einen liminalen Prozess gestellt, »der nach der grundlegenden Befreiung in der Taufe über sittliches Ringen und Leidensnachfolge hinführt zur endgültigen Verherrlichung (Röm 8,29; 1Kor 15,49; Phil 3,20)« 48 . Das Stichwort der »Leidensnachfolge« in dem eben angeführten Zitat weist nun noch auf einen weiteren wichtigen Aspekt. Paulus koppelt die »Rettung« mit einer bemerkenswerten Neubewertung, ja Umwertung der Affekte. Dies betrifft insbesondere den Umgang mit Betrübnis, Kummer, Trauer und Schmerz (gr.: lypē). 49 So findet sich in 2Kor 7,10 eine Aussage des Apostels, die in Anbetracht der in den antiken Philosophien der Lebenskunst propagierten Affektkontrolle äußerst ungewöhnlich anmutet: »Denn die Betrübnis gemäß Gott (gr.: hē kata theon lypē) wirkt eine Sinnesänderung (gr.: metanoia) zur Rettung (gr.: eis sōtērian), die nie gereut; die Betrübnis aber der Welt (gr.: hē tou kosmou lypē) bewirkt Tod.« Im Hintergrund steht ein Konflikt: Paulus fühlte sich durch eine nicht näher identifizierbare Person in Korinth offenbar beleidigt und ins Unrecht gesetzt (vgl. 2Kor 2,5-11; 7,8.12). Er verfasste daraufhin einen emotionalen Brief unter Tränen, der wiederum die Korinther betrübte, zugleich aber eine insgesamt zur Aussöhnung und Konfliktschlichtung hinführende Sinnesänderung (metanoia) unter diesen bewirkte (vgl. 2Kor 2,3 f.9; 7,8 ff.). Die vielen komplexen exegetischen Thesen zur genauen Rekonstruktion des Vorfalls müssen hier nicht entfaltet werden. Wichtig ist allein folgender Aspekt: Paulus bekämpft die Betrübnis der Korinther nicht als unangemessenen, falschen Affekt, den es in den Griff zu bekommen gelte! Im Gegenteil, statt sie zu verwerfen wertet er die Betrübnis der Korinther angesichts ihrer positiven Folgen als wertvollen Affekt massiv auf. Er spricht gar von einer gottgemäßen, d. h. Gottes Willen entsprechenden Betrübnis, die nicht wie die herkömmliche Betrübnis der Welt den Tod, sondern die Rettung erwirke. Diese positive Umwertung der Betrübnis manifestiert sich ebenso in der Bekundung des Apostels in 2Kor 2,4, den besagten Brief »unter vielen Tränen« verfasst zu haben. Eine solch positive Haltung gegenüber der Betrübnis und den Tränen steht in deutlichem Gegensatz zu den negativen Aussagen über den Kummer in der antiken Philosophie und Psychagogik. Dort wird die lypē als einer der schlimmsten aller Affekte qualifiziert. In seinen Gesprächen in Tusculum (3,27) schreibt Cicero über die Betrübnis bzw. den Kummer (lat. aegritudo): »Glaubst Du also, daß dies dem Weisen geschehen könne, daß er durch Kummer (aegritudo), also durch Elend bedrückt zu werden vermag? Denn wenn jede Leidenschaft ein Elend ist, so ist der Kummer (aegritudo) ein mörderisches. Die Begierde hat ihren Brand, die unmäßige Freude ihre Leichtfertigkeit, die Angst das »Paulus bekämpft die Betrübnis der Korinther nicht als unangemessenen, falschen Affekt, den es in den Griff zu bekommen gelte! Im Gegenteil, statt sie zu verwerfen wertet er die Betrübnis der Korinther angesichts ihrer positiven Folgen als wertvollen Affekt massiv auf. Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 11 - 2. Korrektur ZNT 34 (17. Jg. 2014) 11 Christian Strecker Ritual oder Übung? Ereignis oder Wiederholung? Rettung oder Glück? Demütigende, aber der Kummer (aegritudo) ein noch schwereres Leiden, Verfall, Qual, Niedergeschlagenheit, Verworfenheit. Er zerfetzt und zerfrisst die Seele und vernichtet sie ganz. Wenn wir ihn nicht beseitigen, so daß wir ihn von uns werfen, können wir vom Elend nicht wegkommen.« 50 Unmissverständlich äußert sich auch Dion Chrysostomos in seiner Rede PERI LyPēS: »[W]as ist erniedrigender als ein Mann, der sich der Trauer hingibt (andros lypoumenou)? Was böte sonst einen so hässlichen Anblick« (16,1). Daraus leitet Dion den Grundsatz ab, »daß der vernünftige Mann über nichts Trauer empfinden darf« (mē lypēteon). 51 Und in der Tabula Cebetis 23,2 heißt es von der Person, die eudaimonia erlangt hat, ausdrücklich, dass sie nun Kummer und Jammer beherrsche und nicht mehr von diesen beherrscht werde wie vorher. Die positiven paulinischen Aussagen über die Betrübnis (samt der positiven Wertung weiterer problematischer Affekte in 2Kor 7,11) fallen vor diesem Hintergrund aus dem Rahmen des Üblichen. Woraus erklärt sich diese der antiken Lebenskunst so diametral entgegenstehende Beurteilung der Betrübnis und des Kummers? Eine Antwort darauf findet sich zu Beginn des 2. Korintherbriefes. Dort heißt es in 1,5-6: »Denn wie die Leiden des Christus (gr.: ta pathēmata tou Christou) überreich auf uns kommen, so ist auch durch den Christus unser Trost überreich. Sei es aber, dass wir bedrängt werden, (so geschieht es) für euren Trost und eure Rettung; sei es, dass wir getröstet werden, (so geschieht es) für euren Trost, der wirksam wird im Erdulden derselben Leiden, die auch wir leiden.« Jenseits aller weiteren Implikationen dieser Verse deutet sich hier doch eines klar an: Die oben beschriebene Umwertung negativer Affekte gründet offenkundig in der Teilhabe an Christus, die eine Teilhabe an dessen Leiden einschließt. Die in der Taufe verankerte Christusteilhabe wirkt sich mit anderen Worten in einer Teilhabe an den Leiden Christi aus, die als solche wiederum zur Folge hat, dass in der antiken Lebenskunst bekämpfte negative Affekte nun unter bestimmten Umständen positiv in das Leben integriert werden können. Über den leidenden Christus erschließt sich mithin ein offener Umgang mit Kummer und Schmerz, der in Übereinstimmung mit Gottes Willen steht und die Getauften mittels Sinnesänderung (metanoia) zur Rettung führt (2Kor 7,10). 52 Alles in allem propagiert Paulus also nicht die klassische auf das Glück (eudaimonia) hin ausgerichtete Lebenskunst einer sich vermittels Übungen sukzessive steigernden Beherrschung der Affekte, sondern eine in der göttlichen Rettung (sōtēria) begründete Lebensform, die kraft der in der Taufe grundgelegten Teilhabe am leidenden, gekreuzigten und auferstandenen Christus auch negative Affekte jenseits aller übenden Abwehr souverän »in Christus« zu bewältigen weiß. Die Praxis dieser Lebensform entspringt-- wie die antike philosophische Lebenskunst auch-- einem besonderen Wissen, einer besonderen erfahrungsgestützten Erkenntnis. Dieses Wissen tritt bei Paulus jedoch nicht als eine in der menschlichen Autonomie gründenden Anthropotechnik, als eine Kunst oder Wissenschaft der übenden Existenz des Menschen in Erscheinung, sondern als Erkenntnis Christi, des Gekreuzigten und Auferstandenen, sowie als Erfahrungswissen über die baptismale Integration in das rettende Christusereignis. In diesem Sinn kann Paulus in Phil 3,10 betonen, es komme ihm allein darauf an, »ihn [sc. Christus] und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden zu erkennen, gleichgestaltet werdend seinem Tod«. Das Leiden in der Gemeinschaft mit den Leiden Christi gehört für den Apostel also unweigerlich in das Leben, dies aber so, dass darin zugleich die Kraft der Auferstehung und damit auch die Überwindung des Leidens in der Auferstehung Christi manifest wird. Der Aspekt des Leidens darf insofern nicht von der Kraft der Auferstehung, dem darin gründenden Trost wie auch der Freude über das wahre Leben abgetrennt werden, wie dies in extremen Formen der Passionsfrömmigkeiten später bisweilen der Fall sein sollte. Darauf kann hier nicht eingegangen werden. Deutlich aber ist eines: An die Stelle des klassischen apollinischen Mottos der Selbsterkenntnis (GNŌTHI S[E]AUTON) tritt bei Paulus gewissermaßen die Erkenntnis Christi (gnōnai auton), eine Erkenntnis, die das Leben auf ihre Weise kraftvoll transformiert und rettet. Anmerkungen 1 Vgl. hierzu und zum Folgenden Fritz-Peter Hager, Art. »Selbsterkenntnis. I. Antike«, in: HWP 9 (1995), 406- 413; s. auch Christoph Horn, Antike Lebenskunst. Glück und Moral von Sokrates bis zu den Neuplatonikern, München 2 2010, S. 226-231 und ausführlich Pierre Courcelle, Connais-toi toi-même. De Socrate à Saint Bernard (Études Augustiniennes), 3 Bände, Paris 1974-1975. 2 Peter Sloterdijk, Du mußt dein Leben ändern. Über Anthropotechnik, Frankfurt a. M. 2009. 3 Vgl. ebd., 40 f. 4 Vgl. http: / / www.sensonet.org/ Sensotionen/ reifelq-machbar.html. 5 Vgl. A. Grün, Das große Buch der Lebenskunst, Freiburg i.Br. 2 2010; ders., Das Glück der Gelassenheit im ABC der Lebenskunst, Freiburg i. B. 2005. 6 Vgl. P. Bubmann/ B. Sill (Hg.), Christliche Lebenskunst, Regensburg 2008. Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 12 - 2. Korrektur 12 ZNT 34 (17. Jg. 2014) Neues Testament aktuell 7 W. Schmid, Philosophie der Lebenskunst. Eine Grundlegung, Frankfurt a. M. 1998, 51; vgl. ders., Auf der Suche nach einer neuen Lebenskunst. Die Frage nach dem Grund und die Neubegründung der Ethik bei Foucault, Frankfurt a. M. 1991; ders., Mit sich selbst befreundet sein. Von der Lebenskunst im Umgang mit sich selbst, Frankfurt a. M. 2007; ders., Ökologische Lebenskunst. Was jeder Einzelne für das Leben auf dem Planeten tun kann, Frankfurt a. M. 2008. 8 Vgl. R. Reinhard, Die Sinn-Diät. Warum wir schon alles haben, was wir brauchen. Philosophische Rezepte für ein sinnerfülltes Leben, München 2009; dies., Würde Platon Prada tragen? Philosophische Überlebenstipps im Lifestyle-Dschungel, München 2011. 9 Vgl. M. Foucault, Überwachen und Strafen, Frankfurt a. M. 1977 (frz.: Surveiller et punir-- la naissance de la prison, Paris 1975); ders., Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1, Frankfurt a. M. 1983 (frz.: Histoire de la sexualité, vol. 1: La volonté de savoir, Paris 1976). 10 Vgl. M. Foucault, Der Gebrauch der Lüste. Sexualität und Wahrheit 2, Frankfurt a. M. 1989 (frz.: Histoire de la sexualité, vol. 2. L’usage des plaisirs, Paris 1984); ders., Die Sorge um sich. Sexualität und Wahrheit 3, Frankfurt a. M. 1989 (frz.: Histoire de la sexualité, vol. 3. Le souci de soi, Paris 1984). 11 M. Foucault: Genealogie der Ethik. Ein Überblick über laufende Arbeiten, in: H.L. Dreyfus/ P. Rabinow, Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik, Frankfurt a. M. 1987, 265-292: 273 f. 12 M. Foucault, Technologien des Selbst, in: L.H. Martin u. a. (Hg.), Technologien des Selbst, Frankfurt a. M. 1993, 24-62: 26. Das Schema ist durch Jürgen Habermas inspiriert; vgl. nur J. Habermas, Technik und Wissenschaft als »Ideologie«, Frankfurt a. M. 1968, bes. 162; dort ist von »Arbeit, Sprache und Herrschaft« als Medien der Vergesellschaftung die Rede. Foucault ergänzt das Raster eigenständig um den vierten Punkt; vgl. dazu auch M. Foucault, Von der Freundschaft als Lebensweise. M. Foucault im Gespräch, Berlin o. J., 35 f. 13 Pierre Hadot, Philosophie als Lebensform. Geistige Übungen in der Antike, Berlin 1991. Das frz. Original erschien 1981 in erster, 1987 in zweiter Auflage. Die deutsche Ausgabe ist inhaltlich erheblich erweitert; s. zum Thema auch Pierre Hadot, Wege zur Weisheit-- oder was lehrt uns die antike Philosophie? , Frankfurt a. M. 1999 und die ältere Studie seiner Frau: Ilse Hadot, Seneca und die griechischrömische Tradition der Seelenleitung, Berlin 1969. 14 Hadot, Philosophie, 45. 15 Umstritten ist u. a. der Zeitpunkt der endgültigen Abtrennung der Philosophie von der übenden Lebenskunst. Foucault, Genealogie, 291 verweist diesbezüglich anders als Hadot, Philosophie, 45. 180 f. nicht auf das Hochmittelalter, sondern auf René Descartes; ebenso Horn, Lebenskunst, 239 f. Umstritten ist ferner der Grad der Verwandtschaft zwischen den ignatianischen Exerzitien und den antiken philosophischen Übungen; vgl. dazu Horn, Lebenskunst, 238. 16 Horn, Lebenskunst, 17-31 bestätigt nach eigener Sichtung des Materials Hadots Deutung der antiken Philosophie als Kunst der Lebensführung, nimmt allerdings die Vorsokratiker davon aus. 17 Vgl. J. Sellars, Téchnê perì tòn bíon. Zur stoischen Konzeption von Kunst und Leben, in: W. Kersting/ C. Langbehn (Hg.), Kritik der Lebenskunst, Frankfurt a. M. 2007, 91-117. 18 Vgl. zum Folgenden Hadot, Philosophie, 17-23, s. dazu auch die Typologie der Übungen und ihrer Ziele bei Horn, Lebenskunst, 34-46. 19 Vgl. W. Schmid, Epikur, in: ders., Ausgewählte philologische Schriften, hg. v. H. Erbse/ J. Küppers, Berlin/ New York 1984, 203. 20 M. Nussbaum, The Therapy of Desire. Theory and Practice in Hellenistic Ethics, Princeton 1994. 21 Übersetzungen jeweils nach R. Nickel/ O. Gigon, M. Tullius Cicero, Ausgewählte Werke I: Philosophische Schriften, Darmstadt 2008. 22 Vgl. 4Makk 1,1: »Da ich im Begriff bin, eine höchst philosophische Erörterung (gr.: philosophōtaton logon) darzulegen, nämlich ob die gottesfürchtige Denkkraft Alleinherrscherin ist über die Leidenschaften (gr.: tōn pathōn), möchte ich euch aufrichtig raten, dass ihr bereitwillig aufmerkt auf die philosophische Darlegung« (Übersetzung nach Septuaginta Deutsch, Stuttgart 2009, 730). 23 »Religion« geht auf religio zurück. Die lat. Vokabel steht für die Sorgfalt, mit der darauf geachtet wurde, den Göttern die ihnen gebührende Verehrung (lat.: cultus deorum) zukommen zu lassen. Sie deckt dergestalt nicht das breite Bedeutungsspektrum des neuzeitlichen Religionsbegriffs ab, der das gesamte System kollektiver Praktiken und Symbole, individueller Glaubensvorstellungen und Gefühle, festgelegter Normen und theologischer Erklärungen in Bezug auf übermenschliche bzw. göttliche Wesen umfasst; Näheres bei E. Feil, Religio. Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs vom Frühchristentum bis zur Reformation (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 36), Göttingen 1986. 24 Vgl. W. Stegemann, War das frühe Christentum eine Religion? , in: ZNT Heft 10 (2002), 61-68; s. auch ders., Die Erfindung der Religion durch das Christentum, unter: http: / / www.augustana.de/ newsletter/ Nummer3/ stegemannerfindungreligion.pdf. 25 Vgl. M. Beard/ J. North/ S. Price, Religions of Rome I: A History, Cambridge 1998, 278-291. 26 Vgl. dazu nur E.W. Stegemann, Paulus, die antike Philosophie und Immanuel Kant, in: Chr. Strecker/ J. Valentin (Hg.), Paulus unter den Philosophen (ReligionsKulturen 10), Stuttgart 2013, 31-47. 27 Vgl. N. W. de Witt, St. Paul and Epicurus, Toronto 1954; C.E. Glad, Paul and Philodemus. Adaptability in Epicurean and Early Christian Psychagogy (NT.S 81), Leiden 1995; P. Eckstein, Gemeinde, Brief und Heilsbotschaft. Ein phänomenologischer Vergleich zwischen Paulus und Epikur (HBS 42), Freiburg u. a. 2004. 28 Vgl. A. Malherbe, Paul and the Popular Philosophers, Minneapolis 1989, bes. 11-24.35-48. 29 Vgl. T. Engberg-Pedersen, Paul and the Stoics, Louisville 2000; ders., Cosmology and Self in the Apostle Paul. The Material Spirit, Oxford 2010; R.M. Thorsteins- Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 13 - 2. Korrektur ZNT 34 (17. Jg. 2014) 13 Christian Strecker Ritual oder Übung? Ereignis oder Wiederholung? Rettung oder Glück? son, Roman Christianity and Roman Stoicism, Oxford 2010. 30 E. Judge, Die frühen Christen als scholastische Gemeinschaft, in: W.A. Meeks (Hg.), Zur Soziologie des Urchristentums, München 1979, 131-164. 31 L. Alexander, Paul and the Hellenistic Schools. The Evidence of Galen, in: T. Engberg-Pedersen (Hg.), Paul in His Hellenistic Context, Minneapolis 1995, 60-83: 60. 32 Vgl. K. Scholtissek, Paulus als Lehrer. Eine Skizze zu den Anfängen der Paulus-Schule, in: ders. (Hg.), Christologie in der Paulus-Schule. Zur Rezeptionsgeschichte des paulinischen Evangeliums (SBS 181), Stuttgart 2000, 11-36: 27 f. 33 In der jüngeren Forschung wurde wiederholt postuliert, die Proto- und z.T. auch die Deuteropaulinen seien im Kern durch den antiken philosophischen Diskurs über die Erlangung von Selbstbeherrschung und Glück vermittels Psychagogik geprägt; vgl. nur S.K. Stowers, A Rereading of Romans. Justice, Jews and Gentiles, New Haven/ London 1994; C.E. Glad, Paul and Philodemus. Adaptability in Epicurean and Early Christian Psychagogy (NT.S 81), Leiden/ New York 1995; W.T. Wilson, The Hope of Glory. Education and Exhortation in the Epistle to the Colossians (NT.S 88), Leiden/ New York 1997. Auf die komplexen und im Einzelnen umstrittenen Thesen kann hier nicht eingegangen werden; vgl. dazu Th. Schmeller, Schulen; s. auch Chr. Strecker, Geistliche Begleitung, antike Lebenskunst und das Neue Testament, in: D. Greiner u. a. (Hg.), Geistliche Begleitung in evangelischer Perspektive. Modelle und Personen der Kirchengeschichte, Leipzig 2013, 24-34: 32. 34 Angemerkt sei am Rande, dass sich auch das Paulusbild der Apostelgeschichte von der antiken Philosophie der Lebenskunst her begreifen lässt; vgl. dazu M. Lang, Die Kunst des christlichen Lebens. Rezeptionsästhetische Studien zum lukanischen Paulusbild (ABG 29), Leipzig 2008. 35 Vgl. dazu im Genaueren Chr. Strecker, Die liminale Theologie des Paulus. Zugänge zur paulinischen Theologie aus kulturanthropologischer Perspektive (FRLANT 185), Göttingen 1999; ders., Im Wandel. Zur paulinischen Theologie der Transformation, in: GPM 64 (2010), 272-278; ders., Leben als liminale Existenz. Kulturanthropologische Betrachtungen zum frühchristlichen Existenzverständnis am Beispiel von Phil 3, in: EvTh 68 (2008), 450-472. 36 Hadot, Philosophie, 45. 37 Vgl. zu dem Thema umfassend P. von Gemünden, Affekt und Glaube. Studien zur Historischen Psychologie des Frühjudentums und Urchristentums (NTOA 73), Göttingen 2009. 38 In Röm 7,7 f. bündelt der Apostel die Torabestimmungen in dem einen Gebot: »Du sollst nicht begehren« (gr.: ouk epithymēseis), um zu betonen, dass es gerade aufgrund dieses Gebots der Sünde möglich wurde, die Begierde (gr.: epithymia) zu wecken. Das Gesetz verhindert hier also nicht, sondern weckt die Begierde, es bewirkt die Leidenschaften der Sünden (Röm 7,5: ta pathmata tōn hamartiōn). Dabei gilt es zu beachten, dass Paulus hier nicht etwa die Situation der Christusgläubigen und auch nicht die seiner jüdischen Brüder und Schwestern beschreibt. Vielmehr skizziert er hier wohl die tragische Situation gottesfürchtiger Nichtjuden, die versuchen, mittels Toraobservanz das hellenistische Ideal der Selbstbeherrschung zu erreichen und darin zwangsläufig scheitern, da Nichtjuden (»Heiden«)-- aus der jüdischen Perspektive des Apostels gesehen-- vollauf ihren sündigen Begierden ausgeliefert sind; s. Röm 1,18 ff., bes. 1,24; s. auch 1Thess 4,5; vgl. dazu insgesamt S.K. Stowers, A Rereading of Romans. Justice, Jews and Gentiles, New Haven/ London 1994, 273-281; A.A. Das, Solving the Romans Debate, Minneapolis 2007, 223-235. 39 Vgl. dazu nur M. Rölli (Hg.), Ereignis auf Französisch. Von Bergson bis Deleuze, München 2004. 40 Vgl. A. Badiou, Das Sein und das Ereignis, Berlin 2005; ders., Paulus. Die Begründung des Universalismus, München 2002 (Zürich/ Berlin 2000). Zur intensiven Rezeption des Apostels in der Philosophie der Moderne und Spätmoderne vgl. insgesamt Chr. Strecker/ J. Valentin (Hg.), Paulus unter den Philosophen (ReligionsKulturen 10), Stuttgart 2013. 41 Daneben markiert der Begriff »Glück« heute auch die günstige Fügung, den glücklichen Zufall. Dafür steht im Griechischen die Vokabel eutychia. 42 Vgl. dazu M. Hossenfelder, Antike Glückslehren. Kynismus und Kyrenaismus, Stoa, Epikureismus und Skepsis. Quellen in deutscher Übersetzung mit Einführungen, Stuttgart 1996, bes. xv-xx; s. ferner ders., Art. »Glück«, in: DNP 4 (1998), 1101-1103; J. Ritter, Art. »Glück, Glückseligkeit. I. Antike«, in: HWP 3 (1974), 679-691; M. Forschner, Über das Glück des Menschen. Aristoteles, Epikur, Stoa, Thomas von Aquin, Kant, Darmstadt 1993. 43 Vgl. R. Holte, Art. »Glück (Glückseligkeit)«, in: RAC 11 (1981), 246-270: 259 (zur Septuaginta s. ebd., 258), 44 Auch wenn sich Stoa und Epikureismus als Philosophien für »kleine Leute« präsentierten und Epiktet z. B. ein Freigelassener war, ist die Prägung der stoischen und epikureischen Philosophie durch eine Art Oberschichtshabitus doch unverkennbar. 45 Vgl. dazu den instruktiven biblischen Überblick von A. Schenker, Art. »Heil und Erlösung. II. Altes Testament«, in: TRE 14 (1985), 609-616. 46 G. Lanczkowski, Art. »Heil und Erlösung. I. Religionsgeschichtlich«, in: TRE 14 (1985), 605-609: 606. 47 Die hier akzentuiert vorgetragene Gegenüberstellung von eudaimonia und sōtēria will und darf nicht den falschen Eindruck erwecken, als handle es sich um klare Oppositionsbegriffe. Dies trifft nicht zu. In der griechischen Literatur kann sōtēria in der Bedeutung von Wohlbefinden und Wohlsein auch neben eudaimonia stehen (vgl. Werner Foerster, Art. sōzō ktl. A. sōzō und sōtēria im Griechentum, in: ThWNT 7 [1964], 967-970: 968). Namentlich in der stoisch geprägten Tabula Cebetis (z. B. 10,2), aber u. a. auch bei Epiktet findet sich die sōtēria-Terminologie in den eudaimonia-Diskurs eingebettet. Sōtēria kann dabei bisweilen die Bedeutung von »Erhaltung« tragen, und zwar im Sinne der Erhaltung des inneren Wesens des Menschen, dann aber auch im Sinne der Erhaltung des Staates, woraus sich nicht zuletzt der im römischen Kaiserkult verwendete Herrschertitel sōtēr erklärt (vgl. Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 14 - 2. Korrektur 14 ZNT 34 (17. Jg. 2014) Neues Testament aktuell Foerster, ebd., 968 f.; Lang, Kunst, 102 ff.; R. Tiedemann, Art. »Rettung«, in: HWP 8 [1992], 932-941: 934 f.). Der paulinische Gebrauch der Rettungsterminologie ist gleichwohl im oben beschriebenen Sinn eher von der atl.-jüdischen Tradition her zu deuten. Für die Hinweise auf die Tabula Cebetis und Epiktet sowie weitere wichtige Anregungen danke ich Herrn Akad. Dir. Jörg Dittmer. 48 E. Larson, Art. »Heil und Erlösung. III. Neues Testament«, in: TRE 14 (1985), 616-622: 620. Vgl. zur Schwellensituation, in der Paulus die Christusgläubigen verortet, generell Strecker, Liminale Theologie, passim. 49 Vgl. zum Folgenden ausführlich L.L. Welborn, Paul and Pain. Paul’s Emotional Therapy in 2 Corinthians 1.1-2.14; 7.5-16 in the Context of Ancient Psychgogic Literatur, in: NTS 57 (2011), 547-580; ders., An End to Enmity. Paul and the »Wrongdoer« in Second Corinthians (BZNW 185), Berlin 2011. 50 Übersetzung nach R. Nickel/ O. Gigon, M. Tullius Cicero, Ausgewählte Werke I: Philosophische Schriften, Darmstadt 2008, 365. 51 Übersetzung nach W. Elliger, Dion Chrysostomos, Sämtliche Reden, Zürich/ Stuttgart 1976, 280 f. 52 Vgl. Welborn, Paul and Pain, 570. Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@francke.de • www.francke.de JETZT BES TELLEN! JETZT BES TELLEN! Eve-Marie Becker / Stefan Scholz (Hrsg.) Auf dem Weg zur neutestamentlichen Hermeneutik Oda Wischmeyer zum 70. Geburtstag 2014 152 Seiten €[D] 19,99 / SFR 28,00 ISBN 978-3-7720-8556-7 Diese Festgabe präsentiert einen zentralen Text aus den Arbeiten von Oda Wischmeyer zur Hermeneutik des Neuen Testaments und zeigt durch Repliken aus den Bereichen der neutestamentlichen Wissenschaft, der Patristik, der Religionspädagogik und der Linguistik, wie vielfältig wirksam der Denkansatz dieser Theologin geworden ist. Dokumentiert wird „Kanon und Hermeneutik in Zeiten der Dekonstruktion. Was die neutestamentliche Wissenschaft gegenwärtig hermeneutisch leisten kann“, die kommentierenden und weiterführenden Texte stammen von Barbara Aland, Eve-Marie Becker, Mechthild Habermann, Uta Heil, Dietrich-Alex Koch, Martin Meiser, Stefan Scholz und Wolfgang Wischmeyer.