eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 17/34

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2014
1734 Dronsch Strecker Vogel

Editiorial

2014
Stefan Alkier
Eckart Reinmuth
Manuel Vogel
Zeitschrift für Neues Testament_34 typoscript [AK] - 07.10.2014 - Seite 1 - 2. Korrektur ZNT 34 (17. Jg. 2014) 1 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, seit fünf Jahren gibt es in unserer Schullandschaft ein neues Unterrichtsfach. Es heißt »Glück«, geht auf die Initiative eines Pädagogen aus Baden-Württemberg zurück und erfreut sich zunehmender Beliebtheit bei Lehrerinnen und Lehrern, die sich an einem eigens gegründeten Institut darin ausbilden lassen und dann »Glück« als Wahlfach unterrichten können. Im Neuen Testament kommt das Wort »Glück«, griechisch eudaimonia, nicht vor, ebenso wenig der Begriff »Lebenskunst«, griechisch technē peri ton bion, der diesem Heft der ZNT sein Thema gegeben hat. Reden also das Neue Testament und die gemeinte Sache an einander vorbei? Der Buchreport von Hanna Roose-- um das Editorial einmal mit dem letzten Beitrag beginnen zu lassen-- scheint in diese Richtung zu weisen: Der 29. Jg. des Jahrbuchs für Religionspädagogik zu »Glück und Lebenskunst« kommt mit nur wenigen neutestamentlichen Referenzen aus, um das Thema aus religionspädagogischer Sicht suffizient zu behandeln. In historischer Perspektive ist freilich bemerkenswert, dass die frühen Christusanhänger inmitten lebhaft philosophischer Glücksdebatten nachhaltig auf sich aufmerksam machen konnten, ohne sich in ihren später als kanonisch angesehenen Schriften an diesen Debatten explizit zu beteiligen (auch in der Bibel Israels spielt »Glück« terminologisch nur eine kleine Nebenrolle). Der Beitrag von Christian Strecker führt mitten in diese historischen Kontexte hinein, wenn er hellenistische Philosophie und paulinisches Denken einander gegenüber stellt. An Paulus wird beispielhaft deutlich, wie frühchristlicher Glaube philosophische Fragen gelingenden Lebens auf dem Hintergrund einer lebensbestimmenden Transformationserfahrung anders gestellt und anders beantwortet hat. Zugleich führt Streckers Beitrag kundig in gegenwärtige philosophische Diskurse ein und gibt auf diese Weise wichtige Anregungen für die theologische Urteilsbildung im Kontext aktueller Debatten um Glück und Lebenskunst. Bernhard Lang ergänzt Streckers Beitrag um eine so ungewöhnliche wie sachhaltige Facette antiker Lebenskunst, wenn er Jesus und den Kyniker Diogenes als Geistesverwandte vorführt. Der in der neutestamentlichen Wissenschaft wenig beachtete Kynismus weist in der Betonung von Besitzverzicht und sozialem Außenseitertum wichtige Gemeinsamkeiten mit dem Auftreten und der Botschaft Jesu auf. Lebenskunst wird kynisch nicht mittels Affektkontrolle erreicht wie in der Stoa, sondern auf dem Wege sozialer Abwärtsorientierung. In eine ähnliche Richtung weist der Beitrag von Judith Perkins, der in einem instruktiven philosophie- und literaturgeschichtlichen Brückenschlag von der Stoa über die antiken Romane bis zu den apokryphen Apostelakten führt. Perkins fragt nicht in erster Linie nach antiker Lebenskunst, sondern in sozialgeschichtlicher Ausrichtung nach ihren Möglichkeitsbedingungen: Subjekt eigener Lebenskunst können nur die sein, die sozial als Subjekte überhaupt wahrgenommen und anerkannt werden. Kristina Dronsch ersetzt den Begriff der Lebenskunst durch den der Lebensform. In einer eindringlichen Analyse eines johnneischen Konzepts macht sie damit zweierlei deutlich: Die Prägung christlichen Denkens durch seinen Christusbezug sowie die bereits eingangs beobachtete Nachrangigkeit einer expliziten Glücksdebatte im Neuen Testament. Die bei Perkins sich abzeichnenden alternativen Zugangsweisen zum Subjektbegriff werden in der Kontroverse thematisiert: Während Theo Kobusch subjektive Entscheidungs- und Handlungsfreiheit anthropologisch verbürgt sieht, liegt die Gegenposition von Manuel Vogel auf der Linie des Beitrages von Judith Perkins: Namentlich an Paulus lasse sich ein soziales Apriori der Subjektkonstitution ablesen. Thomas Popp bringt mit dem 1. Petrusbrief eine neutestamentliche Schrift ins Gespräch, die sich nicht nur in Fragen der Lebenskunst häufig mit einem Randdasein begnügen muss. Er zeigt aber unter dem Leitbegriff der »Konvivenz«, dass 1Petr hierzu maßgeblich etwas zu sagen hat, und verweist damit einmal mehr die Lebenskunstdiskussion in den Raum des Sozialen. Außerdem zeigt der 1. Petrusbrief exemplarisch, dass die neutestamentlichen Schriften das Thema Lebenskunst auf unvermutete Weise zu erschließen vermögen. Als Personalie ist zu vermerken, dass Sebastian Kropp, der die ZNT während der vergangenen fünf Jahre von Jena aus stets zuverlässig, sorgfältig und umsichtig redaktionell betreut hat, zum 1. Oktober dieses Jahres in ein neues berufliches Umfeld wechselt. Wir danken ihm für alle geleistete Arbeit. Für seine weitere Zukunft wünschen wir ihm von Herzen alles Gute. Stefan Alkier, Eckart Reinmuth, Manuel Vogel