eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 12/23

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2009
1223 Dronsch Strecker Vogel

Das »John, Jesus, and History«-Projekt

2009
Paul N. Anderson
12 ZNT 23 (12. Jg. 2009) Das Johannes-, Jesus- und Geschichtsprojekt entstand aus der Sorge, dass bislang weder Studien zum Johannesevangelium noch zum historischen Jesus der geschichtlichen Dimension des Joh genügend Aufmerksamkeit geschenkt haben. In der Tat ist das Joh das theologischste der vier kanonischen Evangelien, andererseits bietet es jedoch mehr archäologische und topografische Details als alle anderen Evangelien zusammen genommen. Hinzu kommt, dass allein dieses Evangelium direkte Begegnungen mit Jesus und Erinnerungen von Augenzeugen an sein Wirken als Quellen für sich beansprucht. Dieser Anspruch mag falsch sein, auch falsifizierbar, aber wie kann man das mit Sicherheit sagen? Wenn man bedenkt, dass negative Gewissheit noch schwieriger zu erlangen ist als positive, sind dann die Gründe, die kritische Forscher in den letzten zwei Jahrhunderten angeführt haben, um fast alle joh Angaben von der Suche nach dem historischen Jesus auszuschließen, wirklich tragfähig? Dies sind nur einige der Fragen, mit denen sich das »John, Jesus, and History«-Projekt beschäftigt. Im Folgenden sollen die Fragehorizonte, Methoden und die Ergebnisse dieses Projektes vorgestellt werden. Zunächst ist eine Einführung in das Projekt vonnöten. Im Jahre 2000 traf ich Tom Thatcher, Felix Just und Eldon J. Epp auf der amerikanischen Konferenz der Society of Biblical Literature (SBL) in Nashville. Wir besprachen das Problem, dass das Joh in den vergangenen Jahren als historische Quelle unterbewertet worden ist, was zu seiner weitgehenden Ignorierung in der Jesusforschung führte. Wir luden R. Alan Culpepper, Mary Coloe, D. Moody Smith und Jaime Clark-Soles ein, sich an einem Leitungsgremium zu beteiligen. Auf diese Weise war nun eine Bandbreite von Ansätzen zur Erforschung der joh Tradition vertreten. Tom Thatcher beantragte dann eine neue »Konsulation« beim Programmkommitee der SBL, die ein Jahr später tatsächlich in das offizielle Programm aufgenommen wurde. Diese Konsultation wurde drei Jahre darauf aufgewertet und erhielt den Status einer »Gruppe«, d.h., wir durften zwei Sitzungen pro Jahr durchführen anstatt nur einer. Mit dem Begriff »Projekt« bezeichnen wir neben den offiziellen Sitzungen auf den SBL Konferenzen auch unsere Publikationen sowie andere Unternehmungen. In den ersten drei Jahren (2002-2004) erarbeiteten wir methodologische Fragestellungen, zwischen 2005 und 2007 wandten wir uns dann den Fragen nach der Historizität des vierten Evangeliums zu. Inzwischen sind die drei letzten Jahre (2008-2010) des Projekts angebrochen, in denen wir Beobachtungen zum historischen Jesus durch die joh Brille miteinander austauschen. Dies verspricht, die eigentliche Ernte des Projekts zu werden. Wir planen die Veröffentlichung dreier substantieller Bände mit Beiträgen, die zuerst in unseren Seminaren (2007, 2009, 2011) vorgestellt und diskutiert wurden. 1 Dabei sollen international führende Johannes- und Jesusforscher zur Sprache kommen, die zentrale Themen bearbeiten. Hinzu kommen eine Reihe begleitender Projekte und Ableger, von denen einige sich auch schon in Publikationen niedergeschlagen haben. Unsere Konferenzsitzungen verzeichnen eine recht starke Teilnehmerzahl - im Schnitt zwischen 200 und 300 - und eine internationale Gruppe von mehr als 500 Forschern empfängt unsere Vorträge per Email. Dies ist eine der Unternehmungen, die einigen Einfluss entwickeln können und das Interesse ist in der Tat stark. 1. Die Anliegen des »John, Jesus, and History«-Projektes Die Notwendigkeit, ein solches Projekt ins Leben Zum Thema Paul N. Anderson Das »John, Jesus, and History«-Projekt Neue Beobachtungen zu Jesus und eine Bi-optische Hypothese »Das Johannes-, Jesus- und Geschichtsprojekt entstand aus der Sorge, dass bislang weder Studien zum Johannesevangelium noch zum historischen Jesus der geschichtlichen Dimension des Joh genügend Aufmerksamkeit geschenkt haben.« 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 18 Uhr Seite 12 Paul N. Anderson Das »John, Jesus, and History«-Projekt ZNT 23 (12. Jg. 2009) 13 zu rufen, haben viele Forscher schon seit geraumer Zeit empfunden, jedoch war zunächst einmal zu klären, wie die entsprechenden Fragestellungen anzugehen seien. Auf der einen Seite: Da Joh sich so sehr von den drei synoptischen Evangelien unterscheidet, hat die Forschung dazu tendiert, den Synoptikern den historischen Vorrang zu geben. Das Joh stand gewissermaßen eins-gegendrei und blieb außen vor als historischer Verlierer. Jesu Gleichnisrede vom Reich Gottes ist ein offensichtlicher Fall, in dem die synoptische Darstellung Jesu gegenüber den hochtheologischen Ich-bin-Worten des joh Jesus historisch vertrauenswürdiger erscheint. Zudem treibt der Jesus der Synoptiker Dämonen aus, das vierte Evangelium dagegen kennt keine Exorzismen. Ebenso problematisch erscheint, dass, während der synoptische Jesus kurze, prägnante Aphorismen gebraucht, der joh sich in langen Reden über eine Vielzahl von Themen ergeht, die deutlich die theologischen Interessen den Evangelisten widerspiegeln. Aus diesen und anderen Gründen ist die Forschung zu der Überzeugung gekommen, dass das charakteristische joh Material die theologisierenden Interessen des Evangelisten reflektiert, nicht aber das historische Wirken Jesu. Andererseits hat schon länger der Eindruck geherrscht, dass einige Eigenarten der joh Jesusdarstellung Anspruch auf Historizität besäßen, selbst wenn sie im Widerspruch zum synoptischen Zeugnis stehen. So erscheinen beispielsweise die mehrfachen Jerusalemreisen Jesu gemäß Joh realistischer als der eine Jerusalembesuch, von dem die Synoptiker berichten. Auch ist es plausibler, mit Joh anzunehmen, dass Jesu Wirken sich über eine Periode von zwei bis drei Jahren erstreckte und nicht, wie die Synoptiker voraussetzen, nur über den Teil eines Jahres, das dann in dem Passahfest kulminiert, an dem Jesus stirbt. Weiterhin deuten topografische Details (etwa die Lokalisierung des Täufers »jenseits des Jordan« [Joh 1,28; 3,26; 10,40] und in Änon bei Salim [Joh 3,23], die fünf Säulenhallen am Teich von Betesda [Joh 5,2], das Steinpflaster, auf dem der Richterstuhl des Pilatus steht [Joh 19,13], die samaritanische Gebetsstätte auf dem Berg Garizim [Joh 4,20] sowie die Erwähnung des Jakobsbrunnens in Sychar [Joh 4,6]) auf Vertrautheit aus erster Hand mit dem Palästina der Zeit vor 70 n.Chr. 2 Hinzu kommen politische und religiöse Züge, die historischen Realismus in der joh Erinnerung ganz greifbar werden lassen: Spannungen zwischen Juden und Samaritanern (Joh 4,9) und Bedenken bezüglich ritueller Verunreinigung vor dem Passahfest (Joh 18,28; 19,31) deuten auf Vertrautheit mit den Lebensbedingungen in Palästina und seiner Umgebung, trotz der Tatsache, dass diese Züge in einem späteren hellenistischen Kontext überliefert wurden. Schließlich gibt es mehr als nur ein paar Merkmale im Joh, die das markinische Zeugnis gerade zu rücken scheinen. Diese und andere Beobachtungen haben Forscher veranlasst, darüber nachzudenken, wie die Historizität des Joh untersucht werden kann, insbesondere unter Berücksichtigung der Gemeinsamkeiten wie der Unterschiede zwischen der joh und der synoptischen Darstellung Jesu. In der Tat können einige der Unterschiede in der Darstellung zwischen Joh und den Synoptikern nicht ausgeglichen werden, so etwa die Frage, ob die Tempelreinigung am Ende des Wirkens Jesu stattfand (Synoptiker) oder am Anfang (Joh). Prof. Dr. Paul N. Anderson ist Professor of Biblical and Quaker Studies an der George Fox Universität in Newberg, Oregon. Prof. Anderson ist Mitbegründer der John, Jesus, and History Gruppe der Society of Biblical Literature und ist Mitherausgeber der Tagungsbände dieser Gruppe. Seinen Ph.D. hat er an der Universität von Glasgow erworben, längere Forschungsaufenthalte führten ihn an die Universitäten von Tübingen und Cambridge. Seine beiden Monographien The Christology of the Fourth Gospel (1996) und The Fourth Gospel and the Quest for Jesus (2006) erschließen maßgeblich ein neues Verständnis der in den Evangelien aufgenommenen Traditionen und speziell des Johannesevangeliums. Paul N. Anderson 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 18 Uhr Seite 13 Zum Thema 14 ZNT 23 (12. Jg. 2009) Diese Art von Beobachtungen führt die meisten Forscher dazu, die Synoptiker für die verlässlichere historische Quelle zu halten. Wenn jedoch Mt und Lk tatsächlich auf Mk fußen, haben wir es dann tatsächlich mit einer 3: 1 Dichotomie zu tun oder nicht vielmehr mit einem Mk-gegen-Joh- Verhältnis? Bedenkt man weiterhin, dass Mk alle Streitgespräche Jesu mit religiösen Autoritäten und seine Gerichtsaussagen am Ende des Evangeliums präsentiert, nachdem Jesus in Jerusalem angekommen ist, kann man dann wirklich noch behaupten, Mk ordne sein Material in Kenntnis der tatsächlichen Abfolge der Ereignisse und nicht vielmehr einem mutmaßlichen erzählerischen Höhepunkt entsprechend? Das Problem der Historizität ist im Mk genauso irritierend wie im Joh und falls Mk falsch liegt, dann tun es auch Mt und Lk. Ähnliche Probleme stellen sich bei der Datierung des letzten Mahles Jesu. Gemäß Joh findet es am Tag vor dem Passahfest statt (Joh 13,1; 19,31.42), nach Mk ist das letzte Mahl ein Passahmahl voll kultischer Bedeutung (Mk 14,12.14.16). Sicher führen manche Exegeten die joh Datierung des Mahles auf theologisches Interesse zurück (das Mahl fand statt am Tag des Vorbereitung auf das Passahfest, als die Passahlämmer geschlachtet wurden, wie Mk 14,12 und Lk 22,7 berichten, allerdings nicht Joh), aber soll man wirklich annehmen, dass die Römer Jesus und die beiden anderen am Passahfest gekreuzigt haben? Warum hätte nicht Mk seine Darstellung von kultischen Interessen leiten lassen sollen, dabei in Konkurrenz zum Judentum tretend, indem er das letzte Mahl als eine Art der Passahobservanz präsentiert, ohne dass dies streng als historische Referenz zu interpretieren wäre? Der entscheidende Gesichtspunkt hier ist, dass auch Mk hochtheologisch ist, nicht nur Joh, daher kann man nicht behaupten, dass das Verhältnis von Historie und Theologie nur in einer der beiden kanonischen Traditionen problematisch ist. Jedoch sind dies die Aspekte, die Exegeten dazu bewegen, entweder der synoptischen oder der joh Darstellung den historischen Vorrang einzuräumen. Das eigentliche Ergebnis der Forschung der letzten zwei Jahrhunderte ist allerdings die »De- Historisierung« des Joh und, daraus resultierend, die »De-Johannifizierung« der Jesusforschung. Obwohl im Einzelnen manch exzellente Forschungsarbeit solch extremen Schlüssen widersprochen hat, bleibt doch das triumphalistische Hochhalten »kritischer« Exegese gegenüber »traditioneller« Exegese insgesamt dominant. So schloss sich die frühe Jesusforschung des 19. Jahrhunderts David Friedrich Strauß’ Urteil an, dass Bretschneider der »Mann der Wissenschaft« sei und nicht Schleiermacher, obwohl ersterer seine Bewertung des Joh als eines »zusammengebrauten Evangeliums« später relativierte und obwohl Strauß Schleiermachers kluge (und wissenschaftliche) literarkritische Würdigung der Kohärenz und Einheit des Joh im Gegensatz zum Mosaikcharakter der Synoptiker nicht anerkannte. Albert Schweitzers Zusammenfassung des ersten Jahrhunderts historischer Jesusforschung folgend und seiner Geringschätzung des Joh als historischer Quelle, haben die zweite Phase der Jesusforschung in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts und auch die dritte Phase in neuester Zeit das vierte Evangelium vom Sammelbestand historischen Materials für die Jesusforschung ausgeschlossen. 3 Das Jesus Seminar hat aufgrund seiner Kriterien für Historizität sogar fast alles joh Material ausgeschlossen, andererseits aber fast vierzig Mal so viel Spruchmaterial aus dem Thomasevangelium des zweiten Jahrhunderts akzeptiert, trotz dessen deutlicher gnostischer Neigungen. 4 In der Folge haben sich kritische Forscher die folgenden Annahmen zu eigen gemacht, 5 obwohl jede einzelne für sich genommen nicht haltbar ist: • »Weil das Joh deutlich von theologischen Interessen geleitet ist, kann es nicht historisch zuverlässig sein.« Falsch. Schließt die theologische Bedeutung des Kreuzes Jesu aus, dass Jesus am Kreuz gestorben ist? • »Folgerungen bezüglich der Entwicklung einer Tradition implizieren zugleich Aussagen über den Ursprung dieser Tradition.« Nicht notwendig. Wenn eine Tradition sich an einen zeitlich späteren Adressatenkreis richtet, bedeutet das zugleich, dass ihr Ursprung eher in Rhetorik als in historischer Erinnerung zu suchen ist? »Das eigentliche Ergebnis der Forschung der letzten zwei Jahrhunderte ist allerdings die ›De-Historisierung‹ des Joh und, daraus resultierend, die ›De-Johannifizierung‹ der Jesusforschung.« 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 19 Uhr Seite 14 Paul N. Anderson Das »John, Jesus, and History«-Projekt ZNT 23 (12. Jg. 2009) 15 • »Die rhetorische Gestaltung einer Erzählung impliziert den fiktiven Ursprung des darin verwendeten Materials.« Einen Moment! Jegliche historische Aussage ist doch auch zugleich rhetorisch geprägt. Zu beurteilen, ob sie historisch zuverlässig ist, ist eine andere Sache. • »Geschichtsschreibung ist stets objektiv und distanziert und nicht subjektiv und persönlich involviert.« Unsinn! Objektivität mag dem Historiker helfen, verlässliche Urteile zu treffen, aber die subjektiven Bestandteile in geschichtlicher Erinnerung zu leugnen, würde bedeuten, das Erinnernswerte aus der geschichtlichen Erinnerung auszuschließen. • »Unterschiede in der Perspektive, im Einschluss und Ausschluss von Information machen es erforderlich, eine Tradition auf Kosten der anderen zu bevorzugen.« Nicht so schnell! Manchmal kann eine alternative Perspektive auch Historizität für sich beanspruchen. Eine alternative Darstellung eines Ereignisses ergänzt oft Struktur und Perspektive. • »Die synoptischen Evangelien sind nicht theologisch im Blick auf ihren Charakter, ihren Ursprung oder ihre Entwicklung, nur Joh ist theologisch.« Wieder falsch! Alle kanonischen Evangelien sind theologisch und historisch zugleich. Es fragt sich nur, wie? • »Wenn die Synoptiker gegen Joh übereinstimmen, bedeutet dies eine dreifache Dezimierung der historischen Zuverlässigkeit des Joh.« Nein. Die meisten Unterschiede verdienen es, als Differenzen allein zwischen Joh und Mk analysiert zu werden. • »Zwei oder mehr Evangelientraditionen würden nicht in Widerspruch zueinander stehen, wenn sie tatsächlich historische Erinnerungen widerspiegelten.« Wirklich? Könnte es nicht sein, dass eine alternative Erinnerung gepredigt und bewahrt wurde, gerade weil sie einen anderen Blickwinkel auf ein bestimmtes Detail des Wirkens Jesu ermöglichte? • »Alle authentischen Jesustraditionen müssen in allen oder doch den meisten Hauptaspekten übereinstimmen und auch in nebensächlichen Aspekten; Uneinigkeit deutet entweder auf Ungeschichlichtkeit oder Irrtum hin.« Wessen Geschichte? Diese Annahme kann zutreffen, muss aber nicht, denn eine bestimmte Sichtweise ist auch immer ein Bestandteil geschichtlicher Erinnerung. • »Verschiedene Perspektiven und Reflektionen desselben Ereignisses können nicht alle geschichtlich zutreffend sein.« Doch was ist mit »Geschichte« gemeint? Wie es sich mit der Theologie verhält, so verhält es sich auch mit der Geschichte: eine Darstellung eines Ereignisses erfasst niemals das Gesamt. Kritische Wissenschaft benötigt einen dialektischen Zugang zur Geschichte, wie auch die moderne Theologie einen dialektischen Zugang zur Theologie gefordert hat. • »Daher muss man zwischen den Synoptikern und Joh wählen, denn ihre Darstellungen Jesu sind radikal verschieden.« Ja und nein. In manchen Fällen muss man eine solche Wahl treffen, jedoch stimmt Joh in weiten Teilen mit den Synoptikern überein, ohne andererseits identisch mit ihnen zu sein. • »Weil Mk das früheste der Evangelien ist, sind die von ihm gebotene Chronologie und Darstellung den späteren überlegen.« Vielleicht, aber nicht notwendig. Falls Mk den Niederschlag der Predigt des Petrus und anderer enthält (und deshalb die traditionelle, weniger die originelle Sicht begünstigt), ist Mk sowieso nur eine zweitrangige Sammlung. • »Weil Joh das späteste Evangelium ist, ist seine Chronologie und Darstellung den früheren unterlegen.« Vielleicht, jedoch nicht notwendigerweise. Kann nicht das joh Zeugnis ein Korrektiv und eine Ergänzung zu Mk darstellen? • »Weil Mk und die auf ihm basierenden Evangelien historisch zuverlässiger sind, sind sie die Basis für die Frage nach dem historischen Jesus.« Gut, aber was ist mit den Ausnahmen? Was soll man mit dem offensichtlich zuverlässigen Material bei Joh tun? • »Beinahe alles frühchristliche Evangelienmaterial kann als Quelle für die Jesusforschung herangezogen werden, auch apokryphe und gnostische Evangelien, aber nicht Joh.« Wenn wir es auf Inklusivität anlegen, warum ist dann nicht auch das vierte Evangelium einzuschließen? Joh programmatisch auszuschließen, ist methodisch hochproblematisch, deshalb muss Joh nun auch in die historische Forschung einbezogen werden. • »Daher ist Joh uninteressant für historische und Jesusstudien.« Dies ist in der Tat die dominante kritische Sichtweise und daher müssen kritische Sichtweisen kritisch betrachtet werden, ebenso wie auch traditionelle Sichtweisen. 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 19 Uhr Seite 15 Zum Thema 16 ZNT 23 (12. Jg. 2009) Angesichts der Tatsache, dass alle diese problematischen Einschätzungen weiter in der Bibelwissenschaft der letzten Jahrzehnte kursieren, auch wenn nicht alle von allen geteilt werden, haben sich viele kritische Forscher auf die Suche nach einer differenzierteren Sichtweise begeben. Besonders erwähnenswert sind hier die meisten der führenden Johannesforscher, darunter Raymond Brown, Rudolf Schackenburg, D. Moody Smith, Martin Hengel, Barnabas Lindars, Craig Keener, Craig Koester und viele andere. Während es in den letzten vier Jahrzehnten eine beachtliche Tendenz gibt, das vierte Evangelium als auf einer unabhängigen und zusammenhängenden Tradition basierend zu sehen, ist man in der Johannesforschung noch weit von einem Konsens darüber entfernt, wie man die verwirrenden joh Rätsel angehen soll. 6 Könnte es sein, dass diese Situation dafür verantwortlich zu machen ist, dass das vierte Evangelium als historisch weniger verlässliche Quelle angesehen wird? Immer wieder behaupten Exegeten, die die Synoptiker dem Joh vorziehen, dies geschehe, weil die mk Traditionen mit größerer Gewissheit angegangen werden könnten als die joh. Das ist insofern verständlich, als in der Tat soviel Uneinigkeit darüber herrscht, wie die joh Probleme in Angriff zu nehmen seien. Doch wie stünde es, wenn es gelänge, eine plausible Theorie über den joh Ursprung und die Entwicklung dieser Tradition zu formulieren? Würde dies eine Änderung im wissenschaftlichen Denken heraufführen darüber, wie mit dem joh Material umzugehen sei? Obwohl das »John, Jesus, and History«-Projekt sich nicht der Hoffnung hingibt, auch nur die drängendsten Fragen der Johannesforschung zu beantworten, werden literarische Theorien zur Komposition, Traditionsentwicklung und Autorschaft ohne Zweifel bei der Bearbeitung der historischen und theologischen Fragen eine wichtige Rolle spielen. So gesehen steht die »John, Jesus, and History«-Gruppe irgendwo zwischen den SBL Sektionen zur joh Literatur und zum historischen Jesus. Da wir uns auch mit den Forschungsfragen des Jesus Seminars überschneiden, ist diesem ebenfalls einige Aufmerksamkeit zu widmen, auch wenn die Unterschiede beachtlich sind: Mitgliedschaft im Jesus Seminar ist fixiert, in unserem Fall offen; die Methoden des Seminars sind klar definiert, unsere ergeben sich im Gang der Forschung; der Schwerpunkt des Jesus Seminars ist weiter gefasst, unserer auf das Joh gelegt; die Ergebnisse des Seminars sind sehr klar, unsere haben eher einen Charakter, der weitere Forschung anregen soll. Am wichtigsten vielleicht: Während der Ansatz des Jesus Seminars kritisch allen traditionellen Ansätzen gegenüber war, wendet sich die Kritik unseres Ansatzes gegen traditionelle und kritische Ansätze. Wir verlangen, dass Exegeten erklären, warum eine bestimmte Aussage im Joh als historisch zuverlässig gewertet werden darf und warum eine andere nicht als historisch akzeptiert werden kann. Daher ist das vornehmliche Interesse unseres Projekts, kritisch zu etablieren, welche Aspekte des Joh als historisch akzeptiert werden können, dabei die Plausibilität einzelner Urteile zu überprüfen und zu verstehen, welches Licht all dies auf die Frage nach dem historischen Jesus wirft. Vorträge, die im Rahmen unseres Projekts gehalten werden, können die anstehenden Fragen aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchten, aber wir erwarten, dass erklärt wird, warum ein Argument, unter Beachtung seiner Stärken und Schwächen, gültig ist. Da wir gerne Ansätze sehen, die die kritische Forschung analysieren und kritisieren, hat man uns vorgeworfen, dass unser Projekt eigentlich konservativ ausgerichtet sei. Ich weise diesen Vorwurf aus drei Gründen zurück: 1. Wir akzeptieren Kritiken traditioneller Ansätze ebenso wie solche kritischer Ansätze. 2. Verdienen kritische Ansätze, die ihrerseits nicht ebenso kritisch untersucht werden dürfen wie sie selbst die traditionellen Auffassung kritisieren, die Beschreibung »wissenschaftlich und kritisch« oder haben sie Schutz unter einem Deckmantel kritischer Wissenschaft gefunden, wo eigentlich unkritische Zustimmung gefordert wird? 3. Sind wirklich konservative Interessen leitend, wenn ein Ansatz nachweisen kann, dass Aspekte des Joh als historisch zu beurteilen sind, während die Synoptiker dagegen falsch liegen? Das ist doch sehr zweifelhaft. Das Projekt ist zutiefst kritisch und analytisch angelegt und Gleiches gilt für auch seine Methoden und Ansätze. 7 Wenn wir die dritte Phase unseres Projekts beenden, werden mehr als 100 führende Wissenschaftler zu einem internationalen Unternehmen beigetragen haben, das Einfluss auf die Geschichte sowohl der Johannesals auch der Jesusfor- 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 19 Uhr Seite 16 Paul N. Anderson Das »John, Jesus, and History«-Projekt ZNT 23 (12. Jg. 2009) 17 schung haben könnte. Entscheidend für unseren Ansatz ist, dass wir den Anhängern traditioneller Ansätze keine kritische Immunität gewähren. In unserer Einladung zur SBL Konferenz 2009 habe ich das folgendermaßen formuliert: »Erfolgreiche Anträge sollten beinhalten: (a) eine Stellungnahme zum Grad der Gewissheit mit der eine bestimmte Darstellung im Joh zur Jesusforschung beiträgt (z.B.: sicher nicht, wahrscheinlich nicht, vermutlich nicht, fraglich, möglich, plausibel, wahrscheinlich, sicher) und (b) eine Darlegung, warum die vorgelegte These haltbar ist. Alle Sichtweisen sind willkommen, aber alle Urteile, negative sowie positive, müssen kritisch untermauert sein.« Wenn diese beiden Vorgaben von den beteiligten Wissenschaftlern beherzigt werden, werden wir der Idee einer »Begegnung« hinsichtlich dessen, in dem wir übereinstimmen, näher kommen und, ebenso wichtig, wir werden besser verstehen, warum wir nicht übereinstimmen. Wenn wir dies erreichen, wie immer auch unsere Ergebnisse im Einzelnen lauten, wird unser Projekt allen denen einen Dienst erwiesen haben, die die Wahrheit suchen - und die Wahrheit, in der Tat, macht frei (Joh 8,32)! 2. Eine Bi-optische Hypothese in der Arbeit des »John, Jesus, and History«- Projektes Als einer der Vorsitzenden der »John, Jesus, and History«-Gruppe und als Mitherausgeber der oben erwähnten drei Bände zögere ich etwas, meine eigenen Ansichten hier zu vertreten, denn ich bin nur einer von vielen Johannes- und Jesusforschern, die sich im Projekt zusammenfinden. Da die Herausgeberinnen und Herausgeber der ZNT mich jedoch gebeten haben, meinen eigenen Ansatz darzulegen, will ich dem gerne nachkommen. Ich muss jedoch deutlich sagen, dass mein Ansatz nicht für das »John, Jesus, and History«- Projekt insgesamt steht, ebenso wie ich nicht mit allen Aspekten der Vorträge, die in unserer Gruppe vorgestellt werden, übereinstimme. Andererseits: Würden wir warten, bis wir volle Übereinstimmung hinsichtlich unserer Methodologie erreichten, bevor wir uns mit unserem Material befassen, käme das Projekt gar nicht in die Gänge. Und schließlich: Wenn wir versuchten, all die verschiedenen Bemühungen, die joh Probleme anzugehen, zu katalogisieren, so fürchte ich (mit Joh 21,25), dass alle Büchereien der Welt die Bücher nicht würden fassen können! Nichtsdestoweniger habe ich natürlich meine Ansichten und versuche, die plausibelsten Paradigmen auf Basis der besten Textevidenz zu entwickeln, und diese schlagen sich selbstverständlich direkt in meinen Arbeiten nieder. Im Folgenden werde ich auf ausführlichere Diskussionen an anderen Orten verweisen, auch meine eigenen Auseinandersetzungen mit anderen Forschern finden sich anderswo detaillierter. An dieser Stelle will ich nach kritischen Bemerkungen zu führenden Theorien der Johannesforschung eine Zusammenfassung der Ergebnisse meiner Arbeit präsentieren sowie der Forschungsperspektiven, die ich für die Zukunft sehe. Dies geschieht in vier Schritten: A) eine These zur Komposition des Joh, B) eine These über das Verhältnis des Joh zu anderen Traditionen, C) eine These zur Situation des Joh und D) eine Synthese zur sinnvollen Interpretation des Joh. 8 A) Johanneische Komposition: Synchrone Tradition, diachrone Situation Wie Ernst Haenchen etwa zwei Jahrzehnte nach der Veröffentlichung von Rudolf Bultmanns epochemachendem Kommentar beobachtete, wirkte dessen Paradigma wie ein gigantischer Eichbaum, der allen neuen Wuchs durch seinen Schatten verhinderte. 9 Mit den Kommentarwerken Raymond Browns, Rudolf Schnackenburgs, Barnabas Lindars und anderer begannen sich die Dinge jedoch zu ändern. Diachrone Theorien der Entwicklung der joh Tradition wurden ersetzt durch eher synchron orientierte und die meisten Johannesforscher betrachten die joh Tradition nun als eine unabhängige, die sich neben anderen entwickelte, und nicht als ein Amalgam disparater Quellen. Daher ist fraglich, ob man überhaupt nicht-joh Tradition im vierten Evangelium entdecken kann, obwohl die Tradition eine länger währende Entwicklung zunächst in Palästina und dann im hellenistischen Milieu vielleicht Kleinasiens durchlief. Daher haben wir in der Komposition des Joh eine Synchronie der Tradition vorliegen bei Diachronie der Tradition. Meine eigene Analyse 10 hierzu ist wie folgt: 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 19 Uhr Seite 17 Zum Thema 18 ZNT 23 (12. Jg. 2009) 1. Wenn alle stilistischen Kriterien Bultmanns zur Bestimmung der verschiedenen Quellen des Joh (Zeichenquelle, Offenbarungsredenquelle, Passionsquelle, Werk des Evangelisten, Ergänzungen des Redaktors) auf Joh 6 angewandt werden, wo vier der fünf Quellen begegnen sollten, zeigt es sich, dass ihre Verteilung zufällig und nicht aussagekräftig ist. Aber auch an und für sich betrachtet ist Bultmanns Quellentheorie stilistisch nicht zwingend (Anderson, Christology, S. 72- 89). 2. Bultmanns Unordnungs- / Neuordnungstheorie lässt sich bei kritischer Analyse nicht halten. Sie setzt falsch voraus, dass ediertes Material einfach nebeneinander lag (wie auf dem Schreibtisch eines Redaktors) und nicht komponiert mit späteren Ergänzungen versehen vorlag. Es ist wahrscheinlicher, dass antike Texte durch Anlagerung wuchsen, als das Fragmente in einem Experimentierverfahren hin- und hergeschoben wurden. Eine Theorie der Unordnung zudem, die Brüche nur zwischen Sätzen annimmt, ist auch aus theoretischer Perspektive problematisch (Anderson, ebd.). 3. Kontextuelle Merkwürdigkeiten weisen oft auf den Gebrauch von Ironie oder anderer rhetorischer Mittel hin und nicht auf eine andere redaktionelle Hand. Während Bultmann zahlreiche Brüche wahrnahm und das Material rearrangierte, so dass er ihm im Grunde eine poetische Form aufzwang, verletzen solche massiven Maßnahmen antike Texte eher, als dass sie sie erhellen (Anderson, Christology, S. 90-109). 4. Theologische Spannungen im Joh zeigen, dass der Evangelist ein dialektischer Denker war, sie reflektieren innere Dialoge eher denn äußere. Freilich haben sie die moderne Forschung dazu veranlasst, imaginäre Dialoge und hypothetische literarische Quellen zu erfinden. Paradoxerweise nahm Bultmann zwar an, dass moderne Theologen dialektisch zu denken imstande seien, gestand jedoch dem vierten Evangelisten diese Fähigkeit nicht zu. 11 5. Die plausibelste Lösung für die meisten Textprobleme im Joh ist, (mit Barnabas Lindars) eine Erstausgabe anzunehmen, die später redigiert wurde. Es scheint, dass der Prolog (Joh 1,1-18), die Kapitel 6, 15-17 und 21, ebenso wie die Verweise auf Augenzeugenschaft und den Lieblingsjünger von einem späteren Kompilator zu einem früheren Text hinzugefügt worden sind (Anderson, Christology, 44-46). 6. Wahrscheinlicher als seine Quellentheorie ist Bultmanns Annahme, dass der Autor der joh Briefe der Endredaktor des Joh gewesen ist (gegen Lindars, der meint, dass die Endredaktion vom Evangelisten selbst durchgeführt wurde); doch scheint die Redaktionsarbeit eher konservativ (mit Brown; um die Arbeit des Evangelisten nicht zu zerreißen) denn zudringlich vorgenommen worden zu sein. Daher sind die Quellen für die theologischen Spannungen im Joh anderswo zu suchen. Auf der Grundlage dieser und anderer Beobachtungen kann eine vorsichtige Theorie zur Komposition des Joh folgendermaßen formuliert werden: Eine Zwei-Editionen Theorie johanneischer Komposition 12 • Nach einigen Jahrzehnten joh Predigttätigkeit (und vielleicht auch schon schriftlichen Niederlegungen) wurde eine erste Ausgabe des Joh zwischen 80 und 85 fertiggestellt, die in mancher Hinsicht als Antwort auf Mk konzipiert war. Dieses »zweite« (chronologisch gesehen) Evangelium wurde nicht weit verbreitet. Es begann mit dem Wirken des Täufers (1,15.19-42) und endete mit 20,31, der Formulierung des Verkündigungszweckes. • Der Lieblingsjünger (und eventuell auch andere führende Gestalten des joh Kreises) setzte seine Lehrbzw. Predigttätigkeit über das folgende oder die beiden folgenden Jahrzehnte fort und während dieser Zeit (85-100 n.Chr.) wurden die drei joh Briefe von dem Presbyter geschrieben (85, 90, 95 n.Chr.). • Nach dem Tod des Lieblingsjüngers (ca. 100 n.Chr.) stellt der Presbyter das Evangelium in seiner endgültigen Fassung zusammen, indem er den Prolog voranstellt (1,1-18), die Speisungs- und Seewandelgeschichte (Joh 6) zwischen die Kapitel 5 und 7 einflicht, sowie zusätzliches Redenmaterial (Joh 15-17) zwischen Jesu Aufforderung »Steht auf und lasst uns von hier weggehen« (Joh 14,31) und seine Ankunft mit seinen Jüngern im Garten (Joh 18,1) schiebt. Er hat offenbar auch zusätzliche Erscheinungsgeschichten angeschlossen (Kap. 21) ebenso wie Augenzeugen / Lieblingsjünger- Passagen und er gestaltete ein zweites Ende 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 19 Uhr Seite 18 Paul N. Anderson Das »John, Jesus, and History«-Projekt ZNT 23 (12. Jg. 2009) 19 (21,24-25) nach dem Muster des ersten. Dann verbreitete er das vollendete Zeugnis des Lieblingsjüngers, dessen »Zeugnis wahr ist! « als Ermutigung und Herausforderung für die größere christliche Bewegung. B) Johanneisch-synoptische Beziehungen - Wechselseitig beeinflussend, nicht abgeleitet Ebenso unzutreffend ist die Annahme, die joh Erzählung sei von den Synoptikern abgeleitet, wie C.K. Barrett, Tom Brodie und Franz Neyrinck behauptet haben. Keine der Berührungen zwischen Joh und den Synoptikern ist wörtlich; daher ist eine prinzipielle Unabhängigkeit des Joh (mit P. Gardner-Smith und D. Moody Smith) vorauszusetzen. 13 Unabhängigkeit bedeutet jedoch nicht automatisch Isolation. Kontakt zwischen Joh und den Synoptikern ist wahrscheinlich und in seinen Einzelheiten zu bestimmen. Wenn man alle Kontaktpunkte mit Blick auf die einzelnen synoptischen Traditionen betrachtet, ergibt sich folgendes Bild: 1. Wenn man die Kontaktpunkte zwischen Joh 6 und den mk Parallelen analysiert, zählt man 24 Ähnlichkeiten mit Mk 6 und 21 mit Mk 8. Identisch ist hier allerdings nichts. Darüberhinaus scheint Joh die vollständigste Version dieser drei traditionellen Darstellungen von Speisung, Seewandel, Gespräch über die Speisung und Petrusbekenntnis zu bieten (Anderson, Christology, 97-108). 2. Charakteristische Ähnlichkeiten zwischen Joh und Mk umfassen nicht-symbolgeladene, illustrative Details (grün / viel Gras, 200-300 Denare) - exakt die Art Material, die Mt und Lk auslassen. Daher sollte man annehmen, dass Joh und Mk dramatisierte Historie reflektieren und nicht (wie Bultmann annahm) solche Details einer Erzählung hinzufügen und sie so zu »historisiertem Drama« werden lassen. Sollte der Kontakt zwischen Joh und Mk schon auf der mündlichen Ebene stattgefunden haben, kann man unmöglich Einfluss aus nur einer Richtung auf die andere postulieren. Diese Kontaktpunkte legen daher wechselseitigen Einfluss während der mündlichen Entwicklungsstufe der vor-mk und frühen joh Tradition nahe (Anderson, Christology, 1996, 170-93). 3. Es scheint wahrscheinlich, dass Joh mit dem schriftlich vorliegenden Mk vertraut war (mit Bauckham und McKay). So sieht es z.B. so aus, als wollte Joh Mk korrigieren, wenn er Geschehnisse berichtet, als hätten sie sich ereignet, bevor der Täufer ins Gefängnis geworfen wurde (Joh 3,24 gegen Mk 1,14) oder wenn von den empfänglichen Samaritanern und Galiläern im Unterschied zu den Nazarenern aus Jesu Heimatort die Rede ist (Joh 4,44 gegen Mk 6,4). Ist dies der Fall, dann könnten die ersten beiden »Zeichen« in Galiläa (Joh 2,11; 4,54) den Anfang von Jesu Wirken markieren (und zwar zeitlich vor den in Mk 1 erwähnten Zeichen), die drei judäischen Wunder nach Joh könnten das südliche Wirken Jesu in paralleler Weise bezeichnen. Der erste Abschluss des Joh scheint sogar die Tatsache, dass der mk Inhalt ausgelassen und durch das joh Zeugnis ergänzt wurde, zu »erklären«: »Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, …« (Joh 20,30-31) - als wollte der Evangelist sagen: »Ich weiß, dass es Mk gibt, hört auf, euch zu beschweren, dass ich Dinge auslasse - Ich habe meine eigene Geschichte zu erzählen! « Die erste Ausgabe des Joh war daher vermutlich das zweite schriftlich niedergelegte Evangelium. 14 4. In nicht weniger als sechs Dutzend Fällen entfernt sich Lk von Mk und stimmt mit Joh überein, eine Tatsache, die sehr für lk Vertrautheit mit und Abhängigkeit von joh Tradition spricht und zwar vermutlich in deren mündlicher Entwicklungsstufe. Der Fischfang, die Frauen Maria und Martha, der »Satan«, der in Judas fährt, das abgeschlagene rechte Ohr des Malchus - all dies sind joh Details, die Lk übernimmt. Dazu bevorzugt Lk hier und da die joh Darstellung: Er verschiebt das Bekenntnis des Petrus und kombiniert es mit der anderen Speisung (der 5000, wie in Joh), er berichtet von der Salbung der Füße Jesu (wie in Joh), nicht der seines Kopfes, und er bietet ein kombiniertes Petrusbekenntnis, das die Lesart sowohl des Mk als auch des Joh berücksichtigt (»der Christus« + »der Heilige Gottes« = »der Christus Gottes«). Somit diente die joh Tradition dem Lk als eine maßgebliche Quelle, aus der auch die Darstellung der Frauen, der Samaritaner und des Heiligen Geistes für seine Erzählung übernahm. 15 5. Die Q Tradition (wenn es sie denn gab) scheint wenigstens ein bisschen joh Detail zu enthalten. Insbesondere das, was lange bereits als 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 19 Uhr Seite 19 Zum Thema 20 ZNT 23 (12. Jg. 2009) »der Blitz aus dem johanneischen Blauen« bekannt ist (Mt 11,27; Lk 10,22; vgl. Joh 3,35; 5,19-27; 6,27) enthält einige joh Themen - und nicht anders herum! Natürlich könnten diese Themen auf Jesus selbst zurück gehen, man gibt sich jedoch weniger bloßen Mutmaßungen hin, wenn man einfach annimmt, dass ein joh Standardthema in die Q Tradition übernommen wurde, was seine Ursprünglichkeit nahelegen würde (Anderson, Quest, 117-19). 6. Das Material, das die Erstausgabe des Joh (des zweiten niedergeschriebenen Evangeliums) ergänzt, legt einen Schwerpunkt auf egalitäre Ekklesiologie und geistgewirkte Autorität und zwar in dialektischer Spannung mit der mt Tradition. Daher erscheint wechselseitiger Einfluss zwischen den joh und mt Traditionen als eine gute Erklärung für diese charakteristischen Ähnlichkeiten und Unterschiede. Auf der Basis dieser Beobachtungen (und die Kontakte zwischen der joh und anderen Traditionen sind offenbar komplexer als das, was oben dargelegt wurde), kann man die folgende Theorie von Johannes’ Interdependenz mit anderen Traditionen aufstellen. Da Mk und Joh als die »Bi-optischen Evangelien« bezeichnet werden können, kann man die Theorie die »Bi-optische Hypothese« nennen. C) Die johanneische Situation - Dialektisch eher als sektiererisch Der vielleicht wichtigste Fortschritt in der Johannesforschung des letzten halben Jahrhunderts ist der Versuch, den historischen Hintergrund des Joh zu rekonstruieren. Hier ist die These von J. Louis Martyn in ihrer Weiterentwicklung durch Raymond Brown maßgeblich, dass Joh 9,22; 12,42 und 16,2 ein dialektisches Verhältnis zwischen johanneischen Gläubigen und der lokalen Synagogengemeinde spiegeln. Kritiker haben der Martyn-Brownschen Hypothese entgegengehalten, dass die Birkat ha-Minim (der »Segen« gegen die Häretiker - die »dem Nazarener« folgen -, formuliert auf der Synode von Jamnia im späten 1. Jh. n.Chr.) kein universal gültiges Exkommunikationsprogramm darstellte; dennoch waren die Spannungen real. Selbst das Argument, dass die Beziehungen zwischen Christen und Juden im späten 1. Jh. recht eng gewesen seien, deutet eher auf Konflikt hin, als davon weg: Konflikt gerade aufgrund der großen Nähe. Territorialität gibt es nur zwischen Exemplaren derselben Spezies. Allerdings waren die christlich-jüdischen Spannungen nicht die einzigen im Kontext des Joh. Hinzu kamen Spannungen mit Christen, die eine an Petrus orientierte Hierarchie vertraten (mit Käsemann), sodann Spannungen, die aus der Disziplinierung doketisierender Gläubiger entstanden (mit Borgen) und Spannungen, die aus dem Assimilationsdruck angesichts der römischen Forderung zum Kaiserkult herrührten (mit Cassidy). Diese drei Problemkomplexe folgten (überlappten sich allerdings teilweise auch mit) Spannungen mit jüdischen Autoritäten in Kleinasien. Die Situation, die das Joh spiegelt, weist allerdings auch Spuren des Palästina vor 70 n.Chr. auf (mit Brown). Angesprochen werden hier Jünger des Täufers, die Jesus als den Christus anerkennen sollen; dies begleitet von Nord-Süd-Spannungen zwischen Galiläern und Judäern (Ioudaioi = »Judäer«, nicht: »Juden« - der Autor und seine Mitstreiter waren in der Tat selbst Juden). Wenn dies so der Fall ist, sind die folgenden sechs (sieben, s.u.) dialogischen Beziehungen (zwei in jeder von drei Phasen) wahrscheinlich und zwar meistens aufeinanderfolgend, aber dabei auch überlappend. 16 1. Nord-Süd-Spannungen sind in der frühjoh Situation auszumachen, als religiöse Autoritäten aus Jerusalem und Judäa (die Ioudaioi) nicht nur Skizze entnommen aus: Paul N. Anderson, The Fourth Gospel and the Quest for Jesus, London 2006, 126. 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 19 Uhr Seite 20 Paul N. Anderson Das »John, Jesus, and History«-Projekt ZNT 23 (12. Jg. 2009) 21 den nördlichen Propheten aus Galiläa verwerfen, sondern auch seine Anhänger. Jesus wird von den Autoritäten nicht anerkannt, weil er nicht aus Davids Stadt (Bethlehem, vgl. Joh 7,4-52) kommt und die Art, wie erklärt wird, dass Jesus die Mose- und Eliatypologie erfüllt, ist galiläisch (parallel auch zu samaritanischen Sichtweisen) eingefärbt. 2. Teilweise verschränkt mit dem erstgenannten Problem, wird die Erinnerung an den Täufer stilisiert, um zu zeigen, dass Jesus der Messias ist und nicht Johannes. Dies sollte Anhänger des Täufers Jesus zuführen und zwar in Palästina ebenso wie in Kleinasien. In Palästina lag die Betonung auf Jesu Identität als Messias / Christus; in Kleinasien auf der Taufe Jesu (mit dem Heiligen Geist, Joh 3,5) im Unterschied zur Johannestaufe (wie sie von den Anhängern des Apollos vertreten wurde, Apg 18,24-19,7). 3. Nachdem er, wahrscheinlich um die Zeit der Zerstörung Jerusalems (67-70 n.Chr.), nach Kleinasien umgesiedelt war, schloss sich der Johannesevangelist einer der Missionskirchen an. Es ist naheliegend, dass das in Ephesus oder in der Umgebung dieser Stadt geschah. Dort bildete sich die joh »Gemeinde« auf der Basis der starken paulinischen Mission und anderer Jesusanhänger. Der Zustrom von Jesusgläubigen und die Beobachtung, dass Jesu Prophezeiung der Tempelzerstörung sich erfüllt hatte (womit Jesus in den Augen seiner Anhänger als der gemäß Dtn 18,15-22 zu erwartende Prophet-wie-Mose erwiesen war) führte zur Reaktion unter jüdischen Autoritäten dergestalt, dass Ausschluss aus der Synagoge nun in dem Fall drohte, dass Anhänger Jesu die jüdische Definition von Monotheismus verletzten. Obwohl das Ziel dieser Drohung darin bestand, Proto-Ditheisten zu disziplinieren, kam es vermutlich zu Fällen, in denen Jesusgläubige, die Jesus offen als den Messias / Christus bekannten, von ihren jüdischen Familien und Freunden verstoßen wurden (Joh 9,22). Als sich diese Gruppierungen anderen Jesusanhängern, teils jüdischer, teils heidnischer Herkunft, anschlossen, mag mancher die Konsequenzen als zu schwerwiegend empfunden und sich seiner Synagogengemeinde wieder angeschlossen haben, sich an den Vater haltend auf Kosten des Sohnes (1Joh 2,18-25). Um weitere Abspaltungen zu verhindern und Abtrünnige zurückzubringen, bezeichnet der joh Presbyter die Abtrünnigen als »Antichristen« und argumentiert, dass, wer den Sohn verleugnet, den Vater verliert (da der Sohn ihn wahrhaft repräsentiert, Joh 5-10), wer aber im Sohn bleibt, sich das Wohlwollen des Vaters erhält. 17 4. Zeitlich überlappend mit den anderen Krisen in der zweiten und dritten Phase der joh Situation (70-100 n.Chr.) begann der Kaiserkult unter Domitian (81-96 n.Chr.) sein hässliches Gesicht zu zeigen. Zwar ist es die Johannesoffenbarung, die diese Situation ausführlicher in ihrem Bild vom zweiten Tier (bes. Offb 13) anspricht, jedoch lässt sich insgesamt für Kleinasien sagen, dass die Erwartung an römische Bürger, ihre Unterstützung für das Reich und seine Schirmherren zu zeigen (Bekenntnis »Caesar ist der Herr«, Weihrauchopfer vor der kaiserlichen Statue, Teilnahme an Festen zu Ehren römischer Herrscher und Götter und andere Aktivitäten zu Ehren des Kaisers) bedeutend wuchs. Mitglieder jüdischer Synagogen waren davon ausgenommen, solange sie an Rom das Äquivalent der Tempelsteuer zahlten (zwei Drachmen), aber wer sich aus dem Schutz der Synagoge begab, war auf sich allein gestellt. Thomas’ Bekenntnis Jesu als »mein Herr und mein Gott« (Joh 20,29) unterstreicht die anti- Domitianische Haltung des Joh. Angesichts von Domitians Forderung, als »Herr und Gott« tituliert zu werden (Sueton, De vita Caesarum, Domitian 13.2), behielten die joh Autoritäten diesen Titel Christus alleine vor (Anderson, Christology, 110-36). 5. In der dritten Phase der joh Situation, und den Übergang von einer lokal begrenzten Gruppe von Gemeinden zur Auseinandersetzung mit anderen entstehenden christlichen Gruppen markierend, entwickelte sich eine fünfte Krise, die durch heidenchristliche Doketisten entstand. Als sich christliche Juden zu Judenchristen entwickelten, waren die meisten unter ihnen wahrscheinlich willig, für ihren Glauben zu leiden und sogar zu sterben. Heidenchristen waren da vermutlich zögerlicher. Sie mögen den Kaiserkult als unverfänglich oder jedenfalls nicht als sonderlich problematisch betrachtet haben, besonders wenn sie ihn lediglich als Äußerlichkeit wahrnahmen. Der Verfasser des 1Joh jedenfalls hatte an dieser Stelle wesentliche Schwierigkeiten und macht daraus keinen Hehl, wenn er am Ende seines Briefes die Adressaten anweist: »Kinder, hütet euch vor den Abgöttern! « (1Joh 5,21). Aus dieser Perspektive 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 19 Uhr Seite 21 Zum Thema 22 ZNT 23 (12. Jg. 2009) betrachtete der Presbyter christliche Wanderprediger, die mit Berufung auf einen nicht-leidenden Herrn Anpassung predigten, als zweite Bedrohung durch den Antichrist (1Joh 4,1-3; 2Joh 7). Sie waren für ihn nicht Schismatiker, sondern Invasoren und Irrlehrer. Von den joh Gläubigen sich entfernend, wurden sie später zu den Gnostikern des 2. Jh.s, die das Joh mit sich nahmen. 18 6. Eine sechste Krise trat im Zuge des Versuchs auf, Irrlehrer in Kleinasien durch Stärkung institutionell verankerter Gemeindeleiter abzuwehren. Nach dem Tod des Petrus wurde aus seinem Vermächtnis ein strukturiertes apostolisches Leitungsprinzip in Gestalt kirchlicher Ämter entwickelt (Mt 16,17-19). Diotrephes, der gerne »der Erste sein will« (3Joh 9-10) scheint einer dieser proto-ignatianischen Leiter gewesen zu sein. Nicht nur hatte er joh Christen aus seiner Gemeinschaft ausgeschlossen, sondern auch die aus seiner eigenen Gemeinde, die joh Christen willkommen hießen. Der joh Presbyter folgt den Anweisungen aus Mt 18,15-17, indem er Diotrephes zunächst direkt konfrontiert und dann an »die Kirche« schreibt, der Diotrephes seine Autorität verdankt. Nach dem Tod des Lieblingsjüngers dann bringt der Presbyter das Joh in seine Endfassung, ergänzt Passagen, die den leidenden Herrn hervorheben sowie einen in seine Schranken verwiesenen Petrus, den Lieblingsjünger als Beispiel von Treue und den universalen Zugang zu Christi Herrschaft durch die Gegenwart des Geistes (Joh 1,1-18; 19,34-35 und 6,15-17 sowie Kap. 21). 19 7. Eine siebte Gruppe von Dialogen repräsentiert weniger eine Krise als eine fortwährende Auseinandersetzung mit parallelen christlichen Traditionen wie sie die Synoptiker und andere repräsentieren. Dies zusammen mit Dialogen, die Themen innerhalb der joh Tradition aufnehmen, trägt zu Position- und Gegenposition-Darstellungen innerhalb der joh Schriften auf zahlreichen Ebenen bei. Von Kritik an Petrus’ falschem Verständnis von Jesu Ansage der Parusie (Joh 21,23), über Korrekturen am Verständnis der Speisungserzählung (sie aßen und waren satt, Joh 6,26), bis hin zu einer weniger formellen Ekklesiologie und Sakramentenlehre: das joh Zeugnis setzt sich dialektisch mit anderen christlichen Erinnerungen an Jesu Wirken auseinander. Ein Längsschnitt der johanneischen Situation 20 : • Periode I: Palästinische Periode (ca. 30-70 n.Chr.) Krise A - Nord/ Süd Spannungen (Galiläer / Judäer) Krise B - Ansprache der Johannesjünger (mündliche joh Tradition entwickelt sich) • Periode II: Kleinasien Periode I, Gemeindebildung (ca. 70-85 n.Chr.) Krise A - Auseinandersetzung mit jüdischen Familien und Freunden Krise B - Umgang mit der römischen Präsenz (Fertigstellung der ersten Ausgabe des Joh) • Periode III: Kleinasien Periode II, Beziehungen zwischen Gemeinschaften (ca. 85-100 n.Chr.) Krise A - Auseinandersetzung mit doketisierenden Heidenchristen und deren Lehren Krise B - Auseinandersetzung mit christlichen Tendenzen zur Institutionalisierung (Diotrephes und andere) Krise C - dialektische Auseinandersetzung mit christlichen Darstellungen Jesu und seines Wirkens (in Wirklichkeit ein Dialog, der alle drei Perioden umfasst) (Briefe des Presbyters und durch ihn Endredaktion und Verbreitung des Evangeliums als Zeugnis des Lieblingsjüngers nach dessen Tod) D) Die dialogische Autonomie des vierten Evangeliums - Ein Interpretationsmodell Eines der wesentlichen Probleme neuerer Interpretationsansätze zum Joh ist, dass sie sich auf nur eine Dimension konzentrieren, anstatt literarische, historische und theologische Aspekte zugleich in den Blick zu nehmen. Das hier vorgestellte Interpretationsmodell hat dagegen gleich eine Reihe attraktiver Eigenschaften. Erstens basiert es auf den überzeugendsten der neueren Studien zum Joh und es bemüht sich um eine Gesamtschau der joh Tradition (Entwicklung, Kontext, Bedeutung) über sieben Jahrzehnte. Als eine unabhängige Tradition spiegelt das vierte Evangelium eine eigenständige Erinnerung an »Eines der wesentlichen Probleme neuerer Interpretationsansätze zum Joh ist, dass sie sich auf nur eine Dimension konzentrieren, anstatt literarische, historische und theologische Aspekte zugleich in den Blick zu nehmen.« 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 19 Uhr Seite 22 Paul N. Anderson Das »John, Jesus, and History«-Projekt ZNT 23 (12. Jg. 2009) 23 Jesus und sein Wirken, einerseits beschäftigt mit Themen des joh Kontextes, andererseits in Auseinandersetzung begriffen mit parallelen Traditionen und ihrer Jesusdarstellung. Zweitens fügt es Thesen zur joh Komposition, Geschichte und zum synoptischen Dialog zu einem bedeutungsvollen Ganzen zusammen. Drittens bietet es eine Grundlage, um Johannes’ historische Erinnerung an Jesus in Verbindung mit seiner theologischen und rhetorischen Zeichnung Jesu als Christus zu verstehen. Viertens zeigt es, wie die apologetischen Elemente der Erstedition des Evangeliums (als Aufruf zum Glauben im Sinne von erstmalig zum Glauben kommen) mit dem späteren pastoralen Material (Aufruf zum Glauben als Bleiben in Jesus und in der Gemeinschaft) zusammengesehen werden können. Fünftens macht es den Zusammenhang von Evangelium und Briefen verständlich, indem es alle wesentlichen Aporien in einer recht effizienten und geradlinigen Weise angeht. Folgende Elemente machen den dialogischen Charakter des Joh aus 21 : Zunächst haben wir einen dialektischen Denker, der sich nicht in »entwederoder«-Denkmustern einfangen lässt. Als ein Denker, der das Verbindende sucht (und auf Stufe 5 von James Fowlers Stages of Faith operiert), arbeitet der vierte Evangelist in »sowohl-als auch« Kategorien. Daher muss man scheinbare Widersprüche zwischen den Themen des Joh dialektisch und nicht monologisch interpretieren. Der Evangelist war kein Dogmatiker und man sollte ihn auch nicht als solchen verstehen. Zweitens hilft der dialektische Charakter der joh Situation zu verstehen, wie der Evangelist die Themen bearbeitet, mit denen seine Adressaten beschäftigt sind. Mit anderen Worten: Wenn der Inhalt des Joh im Rahmen der Kontexte gesehen wird, in denen er entstanden ist, kann er besser verstanden werden. Drittens - inhaltlich betrachtet - wird durch den Sohn der menschlich-göttliche Dialog der Offenbarung konstituiert; Jesus vermittelt den Willen des Vaters an die Welt und fordert die Antwort des Glaubens auf die göttliche Initiative heraus. Darum sind er und der Vater eins; Jesus ist das Mittel, durch das die Menschheit zu Gott gezogen wird und er wirkt auch durch den Heiligen Geist an allen, die glauben. 22 Das letzte hier zu nennende dialogische Element betrifft die literarische Arbeit des Erzählers, der die Leser in einen imaginären Dialog mit Jesus stellt, indem er literarische Mittel wie Ironie, Missverständnis, Wiederholung / Variation einsetzt. Der Text des Joh schreitet wie eine sich nach vorne bewegende Spirale fort, er wiederholt bekannte Themen in neuen Kontexten und neu entstehenden Strukturen. Er verdankt sich der Begegnung und sucht, Begegnung zu bewirken. Die joh Erzählung weist allerdings auch Elemente von Autonomie auf. Sie ist nicht von fremden Quellen abhängig, auch nicht von den Synoptikern, sondern erhebt ihre eigene Stimme und stellt bekannten Konventionen eine mutige Präsentation Jesu als des Christus gegenüber. Sie fügt sich nicht nahtlos jüdischen oder hellenistischen Konventionen ein, sie übernimmt Typologien von Erlöserfiguren, ohne sich an sie zu binden und präsentiert so historische Erinnerung in provozierender Verpackung. Das joh Zeugnis beschränkt sich nicht auf Erzählung, sondern präsentiert eingangs eine hymnische Stellungnahme bekennenden Glaubens (Joh 1,1-18), die die Leserinnen und Leser für die dann folgende Geschichte Jesu gewinnen will. Das joh Zeugnis ist nicht beschränkt auf die synoptische Darstellung von Jesu Lehre und Taten, sondern präsentiert gezielt eine differierende und manchmal auch gegenläufige Erinnerung an Jesus. Messianisches Geheimnis? Nein - messianische Offenbarung! Rätselhafte Gleichnisse? Wie wäre es dagegen mit einem unmittelbar verständlichen Jesus? Seltsame Exorzismen und Geschichten von Aussätzigen? Das Unwohlsein des Zebedaidensohnes (Mk 9,39; Lk 9,49) spiegelt sich im Joh durch die selektive Materialauswahl (Joh 21,25). Eine offizielle Berufung der Zwölf? Dagegen hält Joh eine realistische Erzählung von Jüngern, die einander gegenseitig dazu animieren, dem Herrn zu folgen (Joh 1,35-51). Das letzte Mahl als ein Passaritual? Wie wäre es hier mit einem weniger formellen Anlass, um das Ideal des Einander-Dienens zu unterstreichen? Nur eine Reise nach Jerusalem, wo Jesus dann gefangen genommen und getötet wird? Mehrfache Besuche und ein mehrjähriges Wirken Jesu anzunehmen, ist dagegen realistischer, wobei der Zwischenfall im Tempel durchaus am Beginn und nicht am Ende gestanden haben mag. Jesu Jünger ausnahmslos Männer und Petrus die zentrale Autorität? Joh hält die Bekenntnisse Marthas und Nathanaels dagegen und bietet eine wesentlich stärker geist- 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 19 Uhr Seite 23 Zum Thema 24 ZNT 23 (12. Jg. 2009) gewirkte Zeichnung von Jesu Lehre und seinem Dienst insgesamt. Auf diese und viele andere Weisen gibt Joh mutig seinen eigenen Bericht von Jesus, hochtheologisch, sicherlich, aber das allein bedeutet nicht zugleich ahistorisch. Eher könnte man sagen, dass Joh einen anderen Eindruck von Jesus vermittelt, der dazu angelegt ist, sowohl die synoptische Darstellung zu ergänzen, als auch sie zu erfüllen. Während das oben Ausgeführte gültig und zweckdienlich ist, unabhängig davon, wer an Niederschrift und späterer Überarbeitung des vierten Evangeliums beteiligt war, gibt es ein Detail, das in meinen Untersuchungen zum Vorschein kam und das ich nicht andernorts in der Sekundärliteratur besprochen gefunden habe. 23 Weil Joh anonym überliefert wurde und erst um 180 n.Chr. durch Irenäus einem Autor zugewiesen wurde, haben viele Exegeten angenommen, dass der Autor unbekannt ist, oder jedenfalls nicht Johannes, der Sohn des Zebedaiden oder einer der Zwölf ist. Die joh Kritik am Zwölferkreis und die Entgegensetzung von Petrus und dem Lieblingsjünger gab Exegeten wie Brown und Schnackenburg ebenfalls einen Grund in die Hand, den Apostel Johannes als Autor auszuschließen. Jedoch gibt ein zufälliges Detail aus Apg 4,19-20 ein Indiz, das von den Diskutanten aller Seiten völlig übersehen worden ist. Es ist nur einmal in Apg und zwar in diesen Versen, dass der Apostel Johannes spricht und hier haben wir zwei Aussagen. Die erste »wir müssen Gott mehr gehorchen als den Menschen« wird von Petrus zweimal im Verlaufe der Apg wiederholt (5,29 und 11,17) - es ist die Art Aussage, die nach dem Zeugnis des Lk typisch für Petrus ist. Aber die folgende Aussage könnte nicht johanneischer sein: »Wir können’s ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben.« Die nächste grammatische Parallele ist 1Joh 1,3, nicht etwa andere Passagen in Lk / Apg, und diese Verbindung des Sohnes des Zebedaiden mit einem joh Wort wird ein volles Jahrhundert vor Irenäus’ Zuordnung der beiden zueinander gemacht. Das mag die Autorschaft des Johannes nicht beweisen, aber es stärkt doch sehr die Zweifel an der Behauptung, dass der Apostel Johannes nicht vor Irenäus um 180 n.Chr. mit der joh Tradition in Verbindung gebracht worden sei. Apg 4,19-20 jedenfalls bietet diese Verbindung ein gutes Jahrhundert zuvor. Lk mag falsch gelegen haben oder sich gar hat fehlleiten lassen, dennoch kommt diese Verbindung einer Tatsache gleich. Das oben Gesagte umreißt meinen Ansatz zur joh Tradition und ihrer Entwicklung in dem Bemühen, die Arbeit anderer weiterzuführen. Eines möchte ich dabei klarstellen: Bultmann war in der Tat der Meinung, dass im vierten Evangelium historische Tradition greifbar sei. Er war nur einfach nicht daran interessiert. Sein Interesse galt den theologischen und literarischen Elementen und im Blick auf diese Aspekte ist sein Werk von unschätzbarem Wert. In der Benennung von Spannungen und Nuancen, im Erheben der existentiellen Bedeutung von Passagen, in der Bestimmung von Parallelen aus der antiken religiösen Literatur und der Aufnahme von Ergebnissen führender moderner Exegeten sind Bultmanns Arbeiten zum Neuen Testament von unvergleichlichem Gewicht. Hätte er seinen Kommentar ein oder zwei Jahrzehnte nach dem Fund der Qumrantexte geschrieben, wären manche seiner Urteile wohl anders ausgefallen. Wie dem auch sei, in jedem Fall schuldet die hier vorgelegte Zusammenstellung von Paradigmen den Arbeiten von Bultmann, Brown, Schnackenburg, Barrett, Lindars, Borgen und anderen großen Dank. 3. Schluss Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass jeder, der die Vorträge der »John, Jesus, and History«-Gruppe in elektronischer Form erhalten möchte, sich per Email an Tom Thatcher (tom.thatcher@ccuniversity.edu) wenden kann. Alle interessierten Wissenschaftler sind eingeladen, die Sitzungen bei der nationalen SBL Konferenz zu besuchen (in New Orleans am 20.-24. Nov. 2009 und in Atlanta am 19.-23. Nov. 2010), kritische Einlassungen von allen Seiten und Perspektiven sind willkommen. Insgesamt betrachtet: Welchen Einfluss mögen das Projekt und die hier vorgelegten Paradigmen auf die biblische Wissenschaft und unser Wissen von Jesus haben? Das wird man erst im Laufe der Zeit sagen können. Zumindest werden kritische Analysen kritischer Ansätze unsere Methodologien und Ansätze verbessert haben; die Historizität des Joh wird neben seinen theologischen Aussageabsichten mehr Aufmerksamkeit erhalten und die Eindrücke, die 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 19 Uhr Seite 24 Paul N. Anderson Das »John, Jesus, and History«-Projekt ZNT 23 (12. Jg. 2009) 25 man durch die joh Linse von der Gestalt Jesu bekommt, werden ein klareres und strukturierteres Verständnis dessen bieten, wer Jesus war und was zu bewirken er kam. In diesem Sinne kann man sagen, dass das Ziel, ehrlich zu Jesus zu sein, unterstützt wird durch den Versuch, ehrlich zu Johannes zu sein! 24 Der Beitrag wurde übersetzt von Frau Dr. Gabriele Faßbeck (Redlands [USA]) Hinweis: Eine erweiterte Version des Beitrages von Paul. N. Anderson findet sich auf www.zntonline.de l Anmerkungen 1 Die drei Bände, z.T. bereits veröffentlicht, z.T. in Planung, lauten folgendermaßen: John, Jesus, and History, Vol. 1: Critical Appraisals of Critical Views (2007); John, Jesus, and History, Vol. 2: Aspects of Historicity in the Fourth Gospel (voraussichtlich 2009); John, Jesus, and History, Vol. 3: Glimpses of Jesus through the Johannine Lens (voraussichtlich 2011); die ersten beiden Bände werden von P.N. Anderson, F. Just, S.J. und T. Thatcher herausgegeben (Atlanta, GA: SBL Press; Leiden: E.J. Brill). 2 Auf in Joh erwähnte archäologische Details machten aufmerksam: W.F. Albright, Recent Discoveries in Palestine and the Gospel of St John, in: W.D. Davies / D. Daube (Hgg.), The Background of the New Testament and Its Eschatology: In Honour of Charles Harold Dodd, Cambridge 1956, 153-71 und R.E. Brown, The Problem of Historicity in John, CBQ 24 (1963), 1-14. Vgl. auch die Aufsätze in: J. Charlesworth (Hg.), Jesus and Archaeology, Grand Rapids 2006 von P.N. Anderson, Aspects of Historicity in John: Implications for the Investigations of Jesus and Archaeology, 587-618 sowie U. von Wahlde, Archaeology and John’s Gospel, 523-86. 3 Für einen Forschungsüberblick vgl. P.N. Anderson, The Fourth Gospel and the Quest for Jesus; Modern Foundations Reconsidered (LNTS 321), New York 2006, 8-37. 4 So bedachte das Jesus Seminar in seinen Wahlgängen etwa 40 Sprüche Jesu aus dem Thomasevangelium mit einer roten oder rosa Farbkodierung (für wahrscheinlich oder vermutlich auf Jesus zurückgehend), während Joh nur eine solche Farbkodierung zugestanden wurde (R.W. Funk / R.W. Hoover [Hg.], The Five Gospels: What Did Jesus Really Say? , Santa Rosa, CA 1993). Vgl. weiter Robert Funks Beschreibung des Vorgangs: »Der erste Schritt ist zu verstehen, welche geringe Rolle das Joh für die Suche nach dem historischen Jesus spielt. Die beiden Bilder, die Joh und die Syoptikern malen, können nicht beide historisch zuverlässig sein. ... Der Unterschied zwischen den beiden Darstellungen zeigt sich in dramatischer Weise in der Bewertung der Worte, die das Joh Jesus zuschreibt, durch das Jesus Seminar: Die Mitglieder des Seminars sahen sich nicht in der Lage, auch nur ein Wort mit Sicherheit dem historischen Jesus zuzubilligen.«(10) 5 Die ersten Sätze jedes Listeneintrags sind der Einleitung zu Johannes-, Jesus- und Geschichtsprojekt entnommen, Bd. 1 (2007), 4-5 entnommen; Erweiterungen spiegeln weitere Ausführungen im Korpus des Werkes wider. 6 In meiner eigenen Analyse von Bultmanns Quellentheorie (The Christology of the Fourth Gospel; Its Unity and Disunity in the Light of John 6 [WUNT II / 78], Tübingen 1996, 70-169) wandte ich alle seine Kriterien (stylistische, kontextuelle, theologische Evidenz) an, um die Quellen für Joh 6 zu erschließen. Dort sollten vier der fünf großen Quellen feststellbar sein. Die Analyse zeigte jedoch eine willkürliche und nicht aussagekräftige Verteilung. Es gibt in der Tat einen Erzähler, aber keinen zwingenden Beweis, dass er fremdes Material verwendet hätte. Wenn man dann alle Ähnlichkeiten zwischen Joh und den Synoptikern betrachtet, ist deren keine identisch oder verbatim, daher ist auch ein Ansatz, der von einer Abhängigkeit des Joh von den Synoptikern ausgeht, unangebracht. 7 Eine vollständigere Beschreibung, die auch Methoden und Ergebnisse des Johannes-, Jesus- und Geschichtsprojekts umfasst, ist in der elektronischen Fassung dieses Beitrags auf der Webseite ZNT online zugänglich. 8 Die auf der Webseite der ZNT abrufbare längere Version meiner Ausführungen bietet zudem Abschnitt E), in dem ich erkläre, wie mein Paradigma der historischen Forschung mit Blick auf spezielle Themen und Texte dient. Ich beziehe mich dort wo angemessen auch auf Ergebnisse des Johannes-, Jesus- und Geschichtsprojekts. 9 Für einen Überblick zur Johannesforschung der letzten 50 Jahre vgl. P.N. Anderson, Beyond the Shade of the Oak Tree: Recent Growth in Johannine Studies, Expository Times 119 (2008), 365-73. 10 Zu den Einzelheiten dieser Analyse vgl. Anderson, Christology, 1-69 und Anderson, Quest, 1-41. 11 Für eine Anwendung der kognitiv-kritischen Analyse auf die Frage, wie die menschlichen Quellen der joh und mk Tradition zu dialektischem Denken gekommen sein mögen, vgl. Anderson, Christology, 137-65. Vgl. auch ders., The Cognitive Origins of John’s Christological Unity and Disunity, 127-49, in: J.H. Ellens / W. Rollins (Hgg.), Psychology and the Bible; A New Way to Read the Scriptures, Bd. 3, Westport / London 2004; zuerst veröffentlicht in: Horizons in Biblical Theology 17 (1995), 1-24. 12 Diese Skizze einer Kompositionsthese ist Anderson, Quest, 40 entnommen. Eine ausführlichere Skizze findet sich in Appendix I, 193-95. Die meisten der Einsichten von Lindars sind hier übernommen, jedoch ist seine Idee, die Lazarusgeschichte Joh 11 ersetze eine spätere Tempelepisode, die dann vom Evangelisten nach vorne (Joh 2) verlegt worden sei, ganz spekulativ. 13 Für eine Diskussion dieser und anderer Positionen vgl. Anderson, Christology, 1-109, 170-93. 14 Meine Bestimmung des Verhältnisses Joh-Synoptiker ist in Gänze dargelegt in Anderson, Quest (in Anlehnung an den unten aufgeführten Aufsatz in Hofrichter), 101-26. Für andere Behandlungen des Themas vgl. 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 19 Uhr Seite 25 Zum Thema 26 ZNT 23 (12. Jg. 2009) ders., Mark and John - the Bi-Optic Gospels, in: R. Fortna / T. Thatcher (Hgg.), Jesus and the Johannine Tradition, Philadelphia 2001, 175-88; ders., Interfluential, Formative, and Dialectical - A Theory of John’s Relation to the Synoptics, in: P. Hofrichter (Hg.); Für und Wider die Priorität des Johannesevangeliums (Theologische Texte und Studien 9), Hildesheim / Zürich / New York 2002, 19-58 (vgl. auch die Diskussion am Ende des Buches, 281-318); ders., Aspects of Interfluentiality between John and the Synoptics: John 18- 19 as a Case Study, in: G. Van Belle (Hg.), The Death of Jesus in the Fourth Gospel. Colloquium Biblicum Lovaniense LIV 2005 (BEThL 200), Leuven 2007, 711- 728. 15 Dies habe ich zuerst ausgeführt in Appendix VIII am Ende von Anderson, Christology, 274-77. 16 Die grundlegenden Bestandteile dieser Theorie sind dargelegt in Anderson, Christology, 110-36 und 194- 250, sowie Quest, 195-99. Vgl. weiter: ders., The Sitz im Leben of the Johannine Bread of Life Discourse and its Evolving Context, in: A. Culpepper (Hg.), Critical Readings of John 6 (BIS Series 22), Leiden 1997, 1-59; ders., You Have the Words of Eternal Life! ’ Is Peter Presented as Returning the Keys of the Kingdom to Jesus in John 6: 68? , Neotestamentica 41 (2007), 6- 41; ders., Antichristic Errors - Flawed Interpretations Regarding the Johannine Antichrists, in: J.H. Ellens (Hg.), Text and Community Bd 1. Essays in Commemoration of Bruce M. Metzger, Sheffield 2007, 196- 216, sowie den meinen Beitrag in demselben Band: Antichristic Crises: Proselytization Back into Jewish Religious Certainty - The Threat of Schismatic Abandonment, 217-40, sowie ders., Bakhtin’s Dialogism and the Corrective Rhetoric of the Johannine Misunderstanding Dialogue: Exposing Seven Crises in the Johannine Situation, in: R. Boer (Hg.), Bakhtin and Genre Theory in Biblical Studies (Semeia Studies 63), Atlanta 2007, 133-59. 17 Zusätzlich zu Anderson, Christology, 194-220 vgl. Anderson, Sitz im Leben, 32-40 und Anderson, Antichristic Crises, 218-25. 18 Vgl. Anderson, Christology, 194-220; Anderson, Sitz im Leben, 41-50; Anderson, Antichristic Crises, 225- 40. 19 Zusätzlich zu Anderson, Christology, 221-50, und Anderson, Quest, 119-25, vgl. auch Anderson, Sitz im Leben, 50-57, sowie Anderson, Returning the Keys. 20 Diese Skizze von sieben Krisen ist entnommen Anderson, Quest, 64; für eine vollständigere Skizze vgl. Appendix II, 197-99. 21 Diese vier dialogischen Aspekte der theologischen Spannungen in Joh sind am Schluss von Anderson, Christology, 252-65, entwickelt; vgl. auch P.N. Anderson, On Guessing Points and Naming Stars - The Epistemological Origins of John’s Christological Tensions, in: R. Bauckham / C. Mosser (Hgg.), The Gospel of St. John and Christian Theology, Grand Rapids 2007, 311-345. 22 Das joh Sendungsmotiv ist eher jüdisch als gnostisch. Das Vater-Sohn-Verhältnis ist nicht aus den hellenistischen Religionen zu erklären, sondern wurzelt im Gesandtenschema des Propheten - wie - Mose aus Dtn 18,15-22; jedes der Elemente des repräsentierenden Propheten, wie der Septuagintatext sie benennt, ist klar im Joh aufzufinden. Vgl. P.N. Anderson, The Having- Sent-Me Father - Aspects of Agency, Encounter, and Irony in the Johannine Father-Son Relationship, Semeia 85 (1999), 33-57. 23 Dieses Detail ist erstmals ausgeführt in Appendix VIII am Ende von Anderson, Christology, 274-77. Die Monographie ist nicht auf einen Vorschlag zur Autorschaft des Joh angewiesen, falls aber die joh Tradition wenigstens teilweise auf Kenntnis von Jesu Wirken aus erster Hand zurückgeht, kann dieses Detail einen Hinweis darauf geben, wie es dazu gekommen sein könnte. 24 Diesen Titel habe ich in Reaktion auf eine ganze Anzahl sehr stimulierender Besprechungen von Anderson, Quest gewählt; veröffentlicht in: The Journal for Greco-Roman Christianity and Judaism 5, 2008, 125- 164 (online: http: / / www.jgrchj.net/ volume5/ JGRChJ5- 7_Anderson.pdf). Neues Testament aktuell: Ansgar Wucherpfennig, Die Bergpredigt als Thema neutestamentlicher Wissenschaft Zum Thema: Katherine A. Grieb, Die Bergpredigt in amerikanischer Exegese Moisés Mayordomo Marin, Gewaltvermeidungsstrategien in der Bergpredigt Martin Leutzsch, Sozialgeschichtliche Perspektiven auf die Bergpredigt Kontroverse: Bergpredigt - Politik des Evangeliums? François Vouga versus Tine Stein Hermeneutik und Vermittlung: Thomas Macho, Mit der Bergpredigt Politik machen. Anregungen und Anfragen in kulturwissenschaftlicher Perspektive Buchreport: (N.N.) Vorschau auf Heft 24 Themenheft: »Bergpredigt« 020009 ZNT 23 Inhalt 03.04.2009 16: 19 Uhr Seite 26