eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 13/25

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2010
1325 Dronsch Strecker Vogel

»Ist die Christologie die Grundlage der Pneumatologie des lukanischen Doppelwerkes?«

2010
Manuel Vogel
Verhalten sich der Sohn und der Geist zum Vater wie dessen rechter und linker Arm? Oder ist der Geist das Band der Liebe zwischen Vater und Sohn? Entstammt der Geist aus dem Vater oder aus dem Vater und dem Sohn? Reichlich spekulativ hat die christliche Theologie jahrhundertelang über solche Fragen gestritten und ihre Mutmaßungen über die innertrinitarischen Ursprungsrelationen derart kontrovers zugespitzt, dass selbst die Konkurrenz zwischen Rom und Konstantinopel sich theologisch am Streit über das „Filioque“ aufhängen ließ, über jenen berühmten Zusatz zum nicäno-konstantinopolitanischen Bekenntnis von 381, der Heilige Geist sei „aus dem Vater und dem Sohn (filioque)“ hervorgegangen. Da der kirchliche Westen ebenso unnachgiebig auf diesem Zusatz beharrte, wie die Theologen der Ostkirche ihn ablehnten, war das Schisma, das im Streit um den Primat Roms seinen harten kirchenpolitischen Kern hatte, auch theologisch darstellbar. Bis heute ist das mit dem filioque aufgegebene ökumenische Problem nicht gelöst. Selbst lutherische Christen sollen auf das Sprechen des filioque in Gottesdiensten mit orthodoxer Beteiligung nur dann verzichten, wenn die orthodoxe Seite vorher klargestellt hat, dass sie das filioque nicht als häretisch ansieht, so nachzulesen in einer Studie der VELKD von 2007. Theologisch haben diese Streitfragen freilich eine Aktualität, die man ihnen auf den ersten Blick nicht ansieht: Wie christologisch muss christliche Rede vom Geist bestimmt sein, damit nicht jeder beliebige Geist sich christlich nennen darf? Gibt es, trinitätstheologisch gedacht, ein unmittelbares „Wirken des Vaters durch den Geist“, also ein Wirken am Sohn vorbei? Für den Dialog der Religionen wäre das eine goldene Brücke, aber wer garantiert, dass unter diesen Bedingungen nicht auch Irrgeister im Haus der Kirche Einzug halten, etwa der völkische wie in jenen zwölf dunklen Jahren deutscher Geschichte im letzten Jahrhundert? Die Begriffsoperationen am offenen Herzen der Trinität sind also beileibe kein bloßer Zeitvertreib theologischen Scharfsinns. Dass die Exegese hierbei maßgeblich beteiligt ist, liegt auf der Hand, denn zu allen Zeiten wurden die strittigen Details in möglichst enger Fühlung mit dem Neuen Testament diskutiert. Die lukanische Geist- Konzeption, Gegenstand der vorliegenden Kontroverse, verdient besondere Aufmerksamkeit, weil sie, wie Odette Mainville zeigt, Christologie und Pneumatologie in einen einzigartigen geschichtlichen Zusammenhang stellt. Ergebnis ist ein eigentümlicher bibeltheologischer Traditionalismus, der gerade dort greift, wo die vom Geist bestimmte Kontinuität des Wirkens Jesu und der Christen als »nachösterlicher Messianismus« (Mainville) beschreibbar ist. François Vouga, der Geschichtsbezug und Narrativität der lukanischen Pneumatologie im Vergleich mit Paulus und Johannes noch stärker profiliert, legt den Akzent dagegen auf das „radikale Novum“ der Indienstnahme der Pneumatologie für das lukanische Christusbild. Die Differenzierungen, die hierbei eine Rolle spielen, erschließen sich einer schnellen Lektüre ebenso wenig wie die Materie der späteren Dogmengeschichte, doch ist es zumal in dieser weit gespannten theologischen und ökumenischen Perspektive lohnend, sich anhand der beiden folgenden Beiträge in die Problemstellungen lukanischer Pneumatologie einführen zu lassen. Manuel Vogel Kontroverse Einleitung zur Kontroverse »Ist die Christologie die Grundlage der Pneumatologie des lukanischen Doppelwerkes? « 66 ZNT 25 (13. Jg. 2010) 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 66