eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 13/25

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2010
1325 Dronsch Strecker Vogel

Inwieweit ist der Geistbegriff des deutschen Idealismus ein legitimer Erbe des Pneumabegriffs des Neuen Testaments?

2010
Vittorio Hösle
Die Theologie hat einen ungewöhnlichen wissenschaftstheoretischen Status. Auf der einen Seite ist sie, wie ihr Name schon sagt, keineswegs nur eine rekonstruierende Geisteswissenschaft: Denn es geht in ihr um Gott selbst. Ihr Anliegen ist nicht primär hermeneutisch-historischer Art: Sie kann sich, anders als die Religionswissenschaft, nicht damit begnügen, herauszufinden, welche religiösen Vorstellungen, sei es in der eigenen Kultur, sei es anderswo, heute existieren bzw. welche in früheren Zeiten existiert haben. Die intersubjektiv gültige, von eigenen Projektionen möglichst freie Rekonstruktion der Ansichten anderer Menschen, zumal wenn sie in anderen Sprachen und in Kontexten, die von den eigenen markant unterschieden sind, ausgedrückt wurden, ist notorisch schwierig. Die dazu erforderlichen Methoden sind erst im 18. und zumal im 19. Jahrhundert gewonnen worden, später als diejenigen, die die moderne Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert konstituiert haben. Es kann daher nicht verwundern, dass viele bedeutende Gelehrte, die sich geisteswissenschaftlichen Aufgaben gewidmet haben, bei diesen stehengeblieben sind - sie waren komplex und fordernd genug. Und man kann auch dann nur mit größter Achtung von jenen bahnbrechenden Exegeten und Dogmen- und Kirchenhistorikern wie z.B. Heinrich Holtzmann, Julius Wellhausen, Adolf von Harnack und Ernst Troeltsch reden, denen wir unser heutiges Bild von der Genese des Neuen und Alten Testaments, der christlichen Dogmengeschichte und der Entwicklung des Protestantismus entscheidend mitverdanken, wenn man der Ansicht ist, dass einige von ihnen manchmal dazu tendierten, Theologie auf Historische Theologie (in einem weiten Sinne, also einschließlich der exegetischen Disziplinen) zu reduzieren. Das freilich würde die Theologie in eine Geisteswissenschaft verwandeln; sie wäre Wissenschaft von geistigen, Gott intendierenden Produkten des Menschen, aber sie würde nicht selber in erster Person von Gott sprechen. Eine Geisteswissenschaft aber, die nur intentione obliqua von den wichtigsten Gegenständen des menschlichen Geistes spricht, ist recht eigentlich geistlos und geistverlassen. Dagegen ist darauf zu beharren, dass die Systematische Theologie das Zentrum der Theologie bilden muss. Allerdings unterscheidet sich deren Natur von derjenigen einer rein systematischen Disziplin wie etwa der Mathematik oder Philosophie. Auch wenn jeder Mathematiker oder Philosoph sich mit den Arbeiten seiner Vorgänger auseinanderzusetzen wohlberaten ist, hängt doch die Geltung einer mathematischen oder philosophischen Theorie nicht davon ab, dass sie andere Ansichten korrekt wiedergibt. Analoges gilt vielleicht auch von der Fundamentaltheologie, traditionell dem ersten und grundlegenden Teil der Systematischen Theologie. Aber es gilt sicher nicht von der Dogmatik und Theologischen Ethik, die deren Zentrum ausmachen. Denn diese beiden Disziplinen sind ihrem eigenen Selbstverständnis nach an vorgegebene Texte wie heilige Schriften, Werke der Tradition und Glaubensartikel gebunden: Wer diesen widerspricht, untergräbt den eigenen Wahrheitsanspruch. Das erklärt, warum die historisch-hermeneutischen Disziplinen in der Theologie viel wichtiger sind als etwa in der Philosophie: Man bedarf ihrer, um sich der Voraussetzungen zu vergewissern, auf denen die Dogmatik und die Theologische Ethik aufbauen können. Die Systematische Theologie spricht zwar in erster Person wie die Philosophie, aber sie kann, so könnte man es überspitzt formulieren, nicht in erster Person Singular reden: Sie muss sich einem vorgängigen Wir autoritativer Texte unterwerfen. Sie hat somit eine Zwischenstellung zwischen einer rein deskriptiven Wissenschaft wie der Religionspsychologie und einer rein normativen Disziplin wie der Philosophischen Ethik: Sie will zwar normieren, aber Ausgangspunkt ihrer Normierungen sind Fakten - meist, aber nicht ausschließlich Texte -, Zum Thema Vittorio Hösle Inwieweit ist der Geistbegriff des deutschen Idealismus ein legitimer Erbe des Pneumabegriffs des Neuen Testaments? Für Jennifer Herdt mit herzlichem Dank für philosophisch-theologische Diskussionen 56 ZNT 25 (13. Jg. 2010) Eine Geisteswissenschaft aber, die nur intentione obliqua von den wichtigsten Gegenständen des menschlichen Geistes spricht, ist recht eigentlich geistlos und geistverlassen. Die Systematische eologie spricht zwar in erster Person wie die Philosophie, aber sie kann […] nicht in erster Person Singular reden. 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 56 Vittorio Hösle Inwieweit ist der Geistbegriff des deutschen Idealismus ein legitimer Erbe deren normative Geltung vorausgesetzt wird und nicht nochmals hinterfragt werden darf. Das verbindet die Theologie mit der Jurisprudenz, wissenschaftstheoretisch ihrer Zwillingsschwester. 1 Allerdings sind vier Differenzen auffallend. Erstens legitimiert, wenigstens unter Bedingungen der Moderne, nur das staatliche Recht den Einsatz von Gewalt - Verletzungen von Dogmen, aber auch von Kirchenrecht haben keine so dramatischen Rechtsfolgen. Deswegen kann es sich zweitens der Dogmenbestand der Theologie leisten, vager zu sein als derjenige des Rechts, um dessen soziale Wirksamkeit es nicht gut stünde, wenn die eigentliche Bedeutung von Art. 65 GG ebenso umstritten wäre wie die der chalkedonischen Formel. Drittens kennen kirchliche Dogmen nicht derart explizite Mechanismen der Weiterbildung, wie die meisten modernen Rechtssysteme sie haben. Das hängt damit zusammen, dass theologische Dogmen nicht als menschliche Satzungen gelten. Aber natürlich hat sich der Dogmenbestand und, mehr noch, die Interpretation der Dogmen geschichtlich verändert. Dies geschieht teils ausdrücklich auf Konzilien, teils als unvermeidbare Nebenfolge des allgemeinen geschichtlichen Wandels, u.a. der Methoden, Texte korrekt zu interpretieren. Da in der modernen Welt geltendes Recht selten sehr alt ist, hat die Entwicklung der historisch-kritischen Methode zwar die Rechtshistorie, aber nicht die Rechtsdogmatik revolutioniert: Die exegetische Jurisprudenz bedarf jener Methode selten. Aber die Exegese von Schriften, die so alt sind wie das Alte und das Neue Testament, ist auf sie angewiesen, wenn sie wissenschaftlich ernstgenommen werden will, und gerade darin liegt eines der beiden seit dem 19. Jahrhundert ungelösten Probleme der Theologie als Wissenschaft. Das Problem besteht, vereinfacht, darin, dass die Geltung der Dogmatik die Verkündigung Jesu Christi voraussetzt. Dieses Voraussetzungsverhältnis erklärt, warum zumal seit der protestantischen Wendung zum solascriptura-Prinzip die gründliche Erforschung der eigentlichen Bedeutung der Bibel - gegen die Interpretationen etwa der Scholastik - zur religiösen Aufgabe wurde. Ohne dieses religiöse Sendungsbewusstsein wäre die historisch-kritische Methode schwerlich so schnell entstanden - man vergesse nicht, dass bei Jean Astruc die Hypothese, der Pentateuch gehe auf vier verschiedene Fassungen zurück, entwickelt wurde, um die angezweifelte Autorschaft Moses’ sicherzustellen: Alle vier Versionen stammten von ihm. Die Entwicklung dieser Methode hat später dazu geführt, dass auch das Neue Testament zergliedert und auf seinen geschichtlichen Wert hin kritisch befragt wurde. Bald begriff man, dass die Differenzen, ja, Inkonsistenzen zwischen den Evangelisten und gelegentlich innerhalb desselben Evangeliums auf unterschiedliche Quellen bzw. Redaktionen zurückgehen. (Man denke an Joh 13,23-26 und 18,15f., die offenbar spätere Einschübe sind. Es ist zwar richtig, dass bei derartigen Hypothesen die Inkonsistenzen der Texte verbleiben und nur dem letzten Redaktor zugeschrieben werden. Aber das ist psychologisch viel plausibler, als sie dem ursprünglichen Verfasser zuzuschreiben, den man ehrt, wenn man ihm nicht Inkonsistenzen unterstellt.) Und die unterschiedliche Verwertung der- Professor Dr. Vittorio Hösle, Jahrgang 1960, ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame / Indiana und Direktor des dortigen Notre Dame Institute for Advanced Study. Er studierte Philosophie, Allgemeine Wissenschaftsgeschichte und Klassische Philologie in Regensburg, Tübingen, Bochum und Freiburg i.Br. Vittorio Hösle wurde 1982 in Tübingen promoviert. Eben dort habilitierte er sich 1986. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen: Metaphysik, Ethik, Politik, Ästhetik, Geschichte der Philosophie. Ziel seiner Arbeiten ist die Erneuerung des objektiven Idealismus. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter: Der philosophische Dialog. Eine Poetik und Hermeneutik (München 2006), Die Krise der Gegenwart und die Verantwortung der Philosophie. Transzendentalpragmatik, Letztbegründung, Ethik (München 3 1997), Moral und Politik - Grundlagen einer politischen Ethik für das 21. Jahrhundert (München 1997), Philosophie der ökologischen Krise. Moskauer Vorträge (München 2 1994), Hegels System (Hamburg 2 1998), Wahrheit und Geschichte, Stuttgart- Bad Cannstatt 1984. Vittorio Hösle ZNT 25 (13. Jg. 2010) 57 Das verbindet die eologie mit der Jurisprudenz, wissenschaftstheoretisch ihrer Zwillingsschwester. 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 57 Zum Thema 58 ZNT 25 (13. Jg. 2010) selben Quellen bei den Evangelisten verweist auf unterschiedliche Christologien. So hat nicht nur das Johannesevangelium alle Exorzismengeschichten beseitigt, vermutlich weil es sie als peinlich empfand; schon das Lukas- und das Matthäusevangelium haben jene Handlungen getilgt, die im Markusevangelium (7,31-37; 8,22- 26) zwei Heilungen begleiten und einen magischen Anstrich haben. Allerdings ist es plausibel, dass das älteste und theoretisch am wenigsten belastete Evangelium der geschichtlichen Wahrheit näher steht: Jesus war zweifelsohne ein Exorzist, der vielleicht auch auf Praktiken der Zauberei zurückgriff. Wer nach der heute allgemein üblichen und bewährten historischen Methode die interpretatorischen Schichten der Evangelien vom historischen Jesus abzuschälen sucht, wird ein Jesusbild für wahrscheinlich halten, wie es etwa E.P. Sanders entwirft. 2 Vieles bleibt unbestimmt, aber eine Gestalt scheint durch, die zwar in ihren moralischen Lehren zu den faszinierendsten in der Menschheitsgeschichte gehört, die aber schwerlich jene Einzigartigkeit beanspruchen kann, die ihr die spätere Dogmatik zugesprochen hat. Allmacht, ja, selbst gottgleiche Güte scheint Jesus selber gar nicht in Anspruch genommen zu haben (Mk 10,40 und 18). Es hilft nichts dagegen einzuwenden, der wahre, »geschichtliche« im Gegensatz zum historischen Jesus sei derjenige, den die Kirche lehre oder der Glauben erfasse - wenigstens sofern die Kirche und der Glauben ihre Legitimität auf Jesus gründen wollen. Denn dann wird der Begründungszirkel zu handgreiflich. Erschwerend für den Wissenschaftsstatus der Theologie kommt zweitens hinzu, dass die große Tradition philosophischer Theologie und ihr Kernstück, die Lehre von den Gottesbeweisen, seit dem 19. Jahrhundert in einer schweren Krise steckt. Zwar gibt es sehr gute Gründe gegen das alte dualistische Modell, nach dem etwa die Vernunft das Sein Gottes und sodann historische Wahrscheinlichkeitsargumente die Existenz einer Offenbarung beweisen sollen, die schließlich von der Dogmatik expliziert wird. Insbesondere ist es abwegig, die Geltung moralischer Normen auf Wahrscheinlichkeitserwägungen zu gründen, wie schon Lessing und Kant in aller Deutlichkeit begriffen haben. Aber es ist ein noch abwegigerer Zirkel, das Sein Gottes aus der Offenbarung begründen zu wollen, die doch nur dann als göttliche anerkannt werden kann, wenn schon unabhängige Argumente für das Sein Gottes vorliegen. Sicher bezog die dialektische Theologie ihr Recht aus einer Polemik gegen die kulturprotestantische Eingliederung des Religiösen in die soziale Welt, eine Eingliederung, die es jeder kritischen Transzendenz beraubt, wie sie das Wesen des Neuen Testaments ausmacht. Aber ein antiphilosophischer Affekt kann der Theologie schwerlich dienen, die gerade in einer Ära religiöser Pluralität einer Begründung bedarf, die über die Berufung auf Offenbarung und Dogmen hinausgeht. Allerdings fürchtet die Theologie gelegentlich, dass eine sich selbst begründende Philosophie wie insbesondere die Hegelsche sie selbst letztlich überflüssig machen, wenigstens ihrer wissenschaftlichen Autonomie berauben werde. Und sie ist manchmal eher willens, auf jede Begründung zu verzichten als auf ihre Autonomie, zu der das Studium ihrer heiligen Texte unweigerlich gehört. Im Folgenden will ich in aller Knappheit eine Konzeption skizzieren, die es vielleicht erlaubt, das Beste aus der christlichen Tradition einzubeziehen in eine philosophische Konzeption, die von der Selbstbegründung der Vernunft ausgeht und gleichzeitig anerkennt, dass einer ihrer zentralen Begriffe genetisch seinen Ausgangspunkt von einer Idee nimmt, die im Neuen Testament mit besonderer Macht artikuliert wird. Es geht um die Begriffe »Pneuma« und »Geist«. Ich will erstens einige Facetten des Begriffs im Neuen Testament andeuten (I) und zweitens einige zentrale Momente des Geistbegriffs des deutschen Idealismus nennen (II). Vollständigkeit ist nicht im Mindesten angestrebt, doch soll meine Selektion der Passagen mit pneuma aus den Evangelien einigermaßen repräsentativ sein. I. In der Septuaginta erscheint pneuma fast immer nur als Übersetzung des hebräischen Wortes ruach, das allerdings in anderen Kontexten auch als anemos übersetzt wird. 3 Die Grundbedeutung des hebräischen Wortes ist »Wind« und »Atem«. Auf Gott bezogen ist die Übersetzung ins Deutsche als »aktive Energie« oder auch »Geist« naheliegend, etwa wenn »der Geist Gottes« über einen Propheten kommt (z.B. 2Chron 15,1) oder auf dem Messias ruht (Jes 11,2), also Menschen zu außerordentlichem, gottgewolltem Reden und Handeln inspiriert. Dem Schuldigen kann der Geist entzogen werden (Ps 51,13), und in eschatologischen Erwartungen spielt er eine wichtige Rolle (Jes 32,15; Hes 36,26f.; Joel 3,1ff.). Zwar ist die postcartesische Ablösung des Begriffs »Geist« von der physischen Welt dem Das Problem besteht, vereinfacht, darin, dass die Geltung der Dogmatik die Verkündigung Jesu Christi voraussetzt. 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 58 Vittorio Hösle Inwieweit ist der Geistbegriff des deutschen Idealismus ein legitimer Erbe ZNT 25 (13. Jg. 2010) 59 Alten Testament fremd, aber die Übersetzung in eine fremde Sprache muss sich an deren Begriffswelt anpassen, auch wenn das unvermeidlich bedeutet, dass eine Eins: Eins-Entsprechung zwischen den Termini beider Sprachen nicht bewahrt werden kann. Zudem ist der jüdische Monotheismus eine notwendige Voraussetzung der cartesischen Begriffsbildung gewesen: Erst musste man sich Gott als reinen Geist denken, bevor man beim Menschen das Mentale vom Physischen scharf trennen konnte. Auch das griechische Wort hat noch eine physische neben einer mentalen Bedeutung: Joh 3,8 spielt damit, und bei Mt 27,50 sowie wohl auch Lk 23,46; Apg 7,59; Joh 19,30 und Jak 2,26 ist »Lebensatem« gemeint. Aber im Neuen Testament ist die geistige Bedeutung absolut vorherrschend. 4 Das Pneuma kann sowohl Gott als auch den Menschen zugeschrieben werden; im letzteren Fall kann es das Verbindungsglied zu Gott sein, aber auch die psychische Innenwelt bezeichnen (Joh 11,33; 13,21). Vom heiligen Geist ist sehr oft die Rede; daneben gibt es aber auch unreine (Mk 1,23.26; 5,13; 6,7; 7,25), stumme (Mk 9,17) und arge Geister (Mt 12,45; Lk 7,21; 8,2; 11,26). Man beachte, dass pneuma mit Adjektiven normativ entgegengesetzter Bedeutung qualifiziert werden kann. Auch pluralisches pneumata ohne jedes Beiwort kann »Dämonen« bedeuten (Mt 8,16; zur Verwendung des Singulars vgl. Apg 16,18, wo allerdings vorher ein Beiwort gebraucht wurde); aber auch Engel werden pneumata genannt (Hebr 1,14). Man beachte ferner, dass pneuma eine Eigenschaft Gottes und des Menschen, aber auch eigene geistige Substanzen bezeichnen kann. Der »Geist Gottes« oszilliert zwischen beiden Bedeutungen, da er manchmal eine Eigenschaft, manchmal etwas Selbständiges zu bezeichnen scheint. Faszinierend ist die »Immanentisierung«, die bei Lukas im Unterschied zu den beiden anderen Synoptikern in der Perikope über die Versuchung Jesu erfolgt. Nachdem bei der Taufe der Geist bzw. der Geist Gottes bzw. der heilige Geist in Gestalt einer Taube auf Jesus herabgekommen ist (Mk 1,10; Mt 3; 16; Lk 3,22), treibt der Geist Jesus in die Wüste (Mk 1; 12; Mt 4,1); bei Lukas freilich wird Jesus selber als plērēs pneumatos hagiou, »voll des heiligen Geistes«, beschrieben (4,1). In Stellen wie diesen sind es die Evangelisten, die vom Pneuma sprechen (ebenso bei den Geburtslegenden Mt 1,18.20; Lk 1,35). Die Entgegensetzung von Taufe mit Wasser und Taufe mit dem heiligen Geist (sowie dem Feuer) wird dem Täufer zugeschrieben (Mk 1,8; Mt 3,11; Lk 3,16; Joh 1,33). In authentischen Jesuslogien scheint der Begriff keine wichtige Rolle zu spielen. 5 Vielleicht hat Jesus tatsächlich gelehrt, David sei beim Abfassen von Psalm 110 vom heiligen Geist erfüllt gewesen (Mk 12,36; Mt 22,43), und seine Jünger sollten sich, wenn überantwortet, dem heiligen Geist bzw. dem Geist des Vaters anvertrauen, der durch sie sprechen werde (Mk 13,11; Mt 10,20; Lk 12,12). Vermutlich hat er von einer nicht verzeihbaren Lästerung gegen den heiligen Geist geredet, als ihm vorgehalten wurde, er habe selbst einen unreinen Geist und er treibe bei seinen Exorzismen die Dämonen mit Beelzebub aus (Mk 3,22ff.; Mt 12,22ff.). Dass er die Dämonen im Geiste Gottes 6 austreibe, bedeute, dass das Reich Gottes zu seinen Hörern gekommen sei (Mt 12,28): Hier wird der für Jesus zentrale Begriff des Reichs Gottes faszinierenderweise mit dem Geistbegriff verknüpft, und das Reich wird als schon angekommen beschrieben (gr. ephthasen) - eine jener Stellen, in denen die sonst in die unmittelbare Zukunft verlegte eschatologische Erwartung in die Gegenwart hineingezogen wird. Bedeutsamer als bei Markus und Matthäus ist der Pneumabegriff bei Lukas. Die Nähe von Lk 1,80 und 2,40 deutet darauf hin, dass pneuma fast ein Synonym von sophia sein kann (vgl. auch Apg 6,3.10). Allerdings wird der auferstandene Christus ausdrücklich von einem bloßen Geist abgesetzt, da er Fleisch und Knochen habe (Lk 24,37.39) - hier steht das Wort für eine unkörperliche Erscheinung. In der »Apostelgeschichte«, die mit dem Pfingstereignis ihren Ausgangspunkt nimmt, ist der Terminus am häufigsten unter allen Schriften des Neuen Testaments verwendet. Die von dem Täufer in Aussicht gestellte Taufe mit dem heiligen Geist wird von Jesus unmittelbar vor der Himmelfahrt in Aussicht gestellt (1,5); sie erfolgt zu Pfingsten in Gestalt der Erfüllung mit dem heiligen Geist (2,4). Immer wieder inspiriert der Geist die Apostel, gerade wenn es um die Verbreitung des christlichen Glaubens geht (8,29; 10,19; 13,4), ja, der Geist des Herrn bewirkt Wunder an ihnen (8,39). Gelegentlich freilich verhindert der Geist auch die Verkündigung (16,6). Die Erscheinung Christi auf dem Weg nach Damaskus hat den Zweck, Saulus mit dem heiligen Geist zu erfüllen (9,17; vgl. 13,9). Der heilige Geist fällt auch auf die Zuhörer der Apostel, und zwar auf Heiden nicht weniger als auf Juden (10,44ff.; 15,8). Angesichts dieser Erfahrung, die ihn an das Jesuswort 1,5 erinnert (11,16), entschließt sich Petrus zur Taufe des ersten Heiden, des Centurio Cornelius: Wer den heiligen Geist empfangen habe, dem könne die Taufe mit Wasser nicht verwehrt werden (10,47). Auch das für die Geschichte des Christentums entscheidende Aposteldekret beruft sich ausdrücklich auf den heiligen Geist (15,28). Der philosophische Wert des Johannesevangeliums 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 59 Zum Thema 60 ZNT 25 (13. Jg. 2010) ist umgekehrt proportional zu seinem Wert als historische Quelle. Gerade weil das Evangelium einen geistigen Zugang zu Christus lehrt, ist es an den geschichtlichen Fakten nur begrenzt interessiert. Die Geburt aus dem Geist, so lehrt Jesus den begriffsstutzigen Nikodemos, ist Voraussetzung des Zugangs zum Reich Gottes; das aus dem Geist Geborene ist selbst Geist, wobei pneuma als Gegenbegriff zu sarx fungiert (3,5f.). Der Samariterin erklärt Jesus, die Zeit komme, ja, sei schon da, da die wahrhaftigen Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten werden. Der Vater wolle solche Anbeter, denn Gott sei selber Geist: pneuma ho theos (4,24). Dies kann als eine Wesensaussage über Gott gelten, die Geschichte gemacht hat, ebenso wie die konkurrierende Aussage aus dem Johanneischen Kreis 1. Joh 4,8: ho theos agapē estin. Zum Geist gehört es, dass er belebt (6,63). Aber die Jünger, die bei Johannes ähnlich verständnislos sind wie bei Markus, können ihn nicht fassen; der Geist wird erst mit der Verklärung in ihnen Wirklichkeit, d.h. dem Tode und der Auferstehung Jesu (vgl. 7,39 und 20,22). In den Abschiedsreden verspricht Jesus, der Vater werde einen Beistand senden, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht erfassen kann, weil sie ihn nicht sehe und erkenne, der aber mit den Jüngern in Ewigkeit bleiben werde (14,17). Dieser Paraklet oder heilige Geist, der vom Vater ausgehe (15,26), werde die Jünger alles lehren (14,26) und sie in die ganze Wahrheit führen (16,13). Da der Paraklet nur nach dem Tode Jesu kommen könne, sei dieser Tod den Jüngern sogar nützlich (16,7). In seinem philologische Präzision mit geistiger Aneignung verbindenden Kommentar schreibt E. Haenchen: »In dieser ersten Vershälfte wird deutlich vorausgesetzt, daß jenes, was der Geist lehren wird, über die Botschaft des irdischen Jesus hinausgehen wird; man könnte vielleicht sagen: soweit hinausgehen wird, wie die Korrekturen und Zusätze des Evangelisten über die Tradition, die ihm in seiner Vorlage zu Gebote stand. Hier spricht ein klares Bewußtsein davon, daß zwischen dem, was der irdische Jesus sagte und tat, und der Botschaft des Geistes eine Zäsur besteht. […] Johannes hat die Enderwartung, die für Mk noch als ein kosmisches Ereignis in einer unbestimmten Zukunft lag, derart radikalisiert, daß die chronologische Zeit ausgeschaltet wird und mit ihr jene Veränderung innerhalb der Welt, auf die Mk und die erste Christenheit warteten.« 7 Der erste Johannesbrief - um ganz kurz die neutestamentlichen Briefe zu streifen - hebt den Geist der Wahrheit von dem Geist des Irrtums ab (4,6) und fordert auf, zwischen den Geistern zu unterscheiden. Das entscheidende Kriterium ist, ob der Geist anerkenne, Christus sei im Fleische gekommen; dann, und nur dann, stamme der Geist von Gott (4,1f.). Das erklärt, warum die Vulgata schreibt »Christus est veritas«, während der griechische Text den Geist mit der Wahrheit identifiziert (5,6). Schon in den paulinischen Briefen spielt der Begriff des Geistes bekanntlich eine entscheidende Rolle. Paulus’ Theologie ist sicher christozentrisch, doch manche Aussagen über Christus entsprechen solchen über das pneuma auch weil der auferstandene Christus zum pneuma zōopoioun, zum belebenden Geist, geworden ist (1Kor 15,45; 2Kor 3,17). So kann Paulus sowohl behaupten, wir seien e i n Leib in Christo (Röm 12,5), als auch, wir seien es in dem einen Geist (1Kor 12,12). Dieser eine Geist bzw. Christus überwindet die Trennung zwischen Juden und Griechen, Sklaven und Freien (1Kor 12,13; Gal 3,28). Gewiss hat »Paulus grundsätzlicher als seine Tradition die Pneumatologie an die Christologie« gebunden. 8 Der Glaube an die erlösende Tat Christi soll die Werke des Gesetzes ablösen. Aber eben in diesem Glauben zeigt sich der Geist (Gal 3,2; 5,18). Paulus spricht von pneuma tēs pisteōs (2Kor 4,13); gleichzeitig ist die Verheißung des Geistes Gegenstand des Glaubens (Gal 3,14). Der Geist ist also sowohl Subjekt als auch Objekt des Glaubens. Der Geist Gottes wird dabei vom Geist der Welt unterschieden (1Kor 2,12); er wohnt im Menschen (3,16; 6,19). Bedeutsam ist, dass gerade der Pneumatiker Paulus, der dem Geist die unterschiedlichen Charismen zuschreibt (1Kor 12,4ff.), den Pneumabegriff »moralisiert« hat: Der Geist zeigt sich nicht nur in außerordentlichen Taten und Vorgängen, sondern auch in einer durch den Glauben inspirierten Lebensform (Gal 5,22ff.). 9 Wirkungsmächtig ist Paulus’ Opposition von Geist und Fleisch (gr. sarx) sowie von Geist und Buchstabe (gr. gramma). Der erste Gegensatz 10 hat selbstredend nichts mit dem cartesischen zu tun: Fleischlich gesinnt sein ist eine Einstellung. Das Fleisch kann gar nicht dem Gesetz Gottes gehorchen. Während das Gesetz zur Erkenntnis der Sünde und unweigerlich zur Sünde führt, wird der Mensch vom Gesetz der Sünde und des Todes durch das Gesetz des Geistes des Lebens in Der philosophische Wert des Johannesevangeliums ist umgekehrt proportional zu seinem Wert als historische Quelle. Der Geist ist also sowohl Subjekt als auch Objekt des Glaubens. 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 60 Vittorio Hösle Inwieweit ist der Geistbegriff des deutschen Idealismus ein legitimer Erbe ZNT 25 (13. Jg. 2010) 61 Christus befreit, das zu Leben und Frieden führt (Röm 8,2ff.). Der Geist, der kein Geist der Knechtschaft ist, macht uns zu Kindern Gottes; es ist der (göttliche) Geist, der unserem Geist das entsprechende Zeugnis ausstellt (8,14ff.; vgl. Gal 4,6). In ihm ist Freiheit (2Kor 3,17). Analog ist der Gegensatz zwischen Geist und Buchstabe: Nur der ist wahrer Jude, bei dem eine Beschneidung des Herzens im Geiste und nicht im Buchstaben erfolgt ist (Röm 2,29). Die Neuheit des Geistes wird dem Alter des Buchstabens entgegengesetzt (7,6); dieser tötet, jener belebt (2Kor 3,6). Mit zwei Metaphern und einem Polyptoton erklärt Paulus an einer seiner schönsten Stellen, wer in den Geist säe, werde aus dem Geist das ewige Leben ernten (Gal 6,8). II. Der lange Weg von der Pneumatologie des Neuen Testaments über die altkirchliche Formulierung der trinitarischen Dogmen 11 hin zu den mittelalterlichen Lehren vom Heiligen Geist 12 kann hier nicht verfolgt werden, auch wenn etwa die Geschichtstheologie Joachims von Fiore schon den Wunsch deutlich werden lässt, über den Neuen Bund hinauszugehen. 13 Ich muss unmittelbar hineinspringen in das fünfte Paradigma des Christentums, nach dem urchristlichen, hellenistischen, mittelalterlichen und protestantischen, das aufklärerische. 14 Innerhalb dieses Paradigmas ist der deutsche Idealismus deswegen so faszinierend, weil er einerseits am Rationalismus der Aufklärung festhält, andererseits aufgrund eines komplexeren Vernunftbegriffes mehr von der christlichen Tradition auf den Begriff zu bringen sucht als andere Aufklärer: Man vergesse nicht, dass Fichte, Schelling und Hegel als lutherische Theologen ausgebildet worden waren. Alle drei waren mit der Bibel bestens vertraut, und es war der paulinische Gegensatz von Geist und Buchstaben, der es Fichte erlaubte, seine philosophischen Innovationen als legitime Weiterführung der Kantischen Philosophie zu verstehen - was Kant verständlicherweise irritierte, der gegen die Behauptung, dass »der kantische Buchstabe eben so gut wie der aristotelische den Geist tödte«, darauf beharrte, »daß die Critik allerdings nach dem Buchstaben zu verstehen« sei. 15 Aber noch der junge Hegel betont 1801: »Die Kantische Philosophie hatte es bedurft, daß ihr Geist vom Buchstaben geschieden […] wurde.« 16 Aber offenbar nicht nur die Kantische Philosophie. Auch das Christentum wird von Hegel einer neuen Deutung unterzogen, die sich vereinfacht so auf den Begriff bringen lässt: Die Christologie wird durch die Pneumatologie absorbiert. Warum ist dieses philosophische Programm so plausibel gewesen? Die zwei wichtigsten Zäsuren in der neuzeitlichen Philosophiegeschichte werden durch die Namen Descartes und Kant bezeichnet. Jener entdeckt, dass das Mentale nicht auf das Physische reduzierbar ist, dieser, dass das Sittengesetz einer anderen Ordnung angehört als die natürliche Welt (zu der auch die mentale gehört). Während Descartes und Kant Dualisten sind, versuchen ihre Nachfolger - Spinoza und Leibniz bzw. die deutschen Idealisten - Philosophien zu entwerfen, die diesen Dualismus überwinden. Wenn das Mentale nicht auf Physisches zurückgeführt werden kann, liegen u.a. idealistische Konsequenzen nahe, entweder subjektiv- oder objektiv-idealistischer Art: Man geht entweder von dem eigenen Bewusstsein oder einer allgemeinen Vernunft aus, an der das endliche Bewusstsein teilhat. Wenn der Sinn für das Normative nicht aus deskriptiven mentalen Zuständen abgeleitet werden kann und man an ein einziges Prinzip der Welt glaubt, dann ist es plausibel, die Offenheit für das Sittengesetz, die man »Geist« nennen kann, als das eigentliche Prinzip der Wirklichkeit zu deuten. Das Ich beim frühen Fichte, das Absolute beim frühen Schelling und der Geist bei Hegel sind die jeweiligen Prinzipien ihrer Philosophie. Entscheidend ist schon bei Kant die ethische Einsicht, dass das Sittengesetz auf das Prinzip der Autonomie gegründet sein muss: Es handelt sich dabei um eine Gesetzgebung der praktischen Vernunft selbst. In diesem Zusammenhang wird die traditionelle christliche Ethik als heteronom empfunden, sofern sie die Geltung moralischer Normen auf die Offenbarung zurückführt. Es ist sicher kein Zufall, dass die Wendung zur autonomen Ethik von Protestanten ausgeht. Die Wende bedeutet freilich, dass sie gleichzeitig dem wörtlichen Schriftglauben der lutherischen Orthodoxie ihrer Zeit ablehnend gegenüberstehen. Noch der alte Schelling, der den Gedanken der Selbstbegründung der Vernunft einschränkt, betont, die Reformation, »mehr aus tief religiöser und sittlicher Erregung als wissenschaflichem Geist hervorgegangen, hatte die alte Metaphysik unangetastet stehen lassen, war aber eben dadurch unvollendet geblieben« und klagt über den »Glauben an die Offenbarung als bloß äußere Autorität, worein unleugbar die Reformation zuletzt ausgeartet.« 17 Die Gründe, die im 17. und 18. Jahrhundert bei vielen Intellektuellen zu dem Niedergang des Glaubens Die Christologie wird durch die Pneumatologie absorbiert. 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 61 Zum Thema 62 ZNT 25 (13. Jg. 2010) an die wörtliche Wahrheit der Bibel geführt haben, sind mannigfach. 18 Eine neue Metaphysik der Naturgesetze lässt den Wunderbegriff erstens in ganz anderer Weise problematisch erscheinen, als er in der Antike war (Porphyrios etwa bestritt nicht die Möglichkeit, sondern die Einzigartigkeit der Wundertaten Jesu und verwies auf Apollonios von Tyana). Die Entwicklung einer hermeneutischen Methode, die bei Spinoza die Sinnvon der Wahrheitsfrage streng trennt, erlaubt es zweitens, die fragwürdigen Aussagen der Bibel schärfer in den Blick zu bekommen, die früher weginterpretiert wurden. Die Entwicklung des Historismus führt drittens dazu, dass älteren Kulturen eine ganz andere, nämlich mythische Denkweise zugeschrieben werden kann. Und viertens wird der Gedanke als moralisch unerträglich empfunden, Menschen, die von Christus nicht wissen, könnten vom Heil ausgeschlossen werden. Ja, der ethische Universalismus, der entscheidend durch das Christentum angeregt wurde, inspiriert im 18. Jahrhundert ein ganz neues Interesse an anderen Kulturen. Herder steht für die neue Geisteswissenschaft, die bei ihm offenkundige theologische Wurzeln hat: Gottes Energie manifestiert sich in allen bedeutenden geistigen Produkten. Herder nahe steht Goethes episches Fragment »Die Geheimnisse«, das die Idee einer integrativen Universalreligion entwirft. Ohne Zweifel ist die Verbindung der neuen Geisteswissenschaft mit einer komplexen Metaphysik und Epistemologie, wie sie Herder selber nicht glückte, eines der wichtigsten Anliegen Schellings und Hegels gewesen. Auch wenn Fichtes Grundbegriff »Ich« ist, spielt schon bei ihm der Geistbegriff eine wichtige Rolle. Wir sahen schon, wie er sich bei seiner Umbildung der Kantischen Philosophie auf den Geist berief. Im Sommersemester 1794 und im Wintersemester 1794/ 95 las Fichte in Jena »de officiis eruditorum«; Schwerpunkt der zweiten Hälfte des Kurses war der Unterschied des Geistes und des Buchstabens in der Philosophie. In der ersten diesbezüglichen Vorlesung erklärt Fichte zunächst, Geist sei »das, was man sonst auch produktive Einbildungskraft nennt«. 19 In diesem Sinne haben alle Menschen Geist. Wenn wir aber geistige von geistlosen Menschen unterscheiden, beziehen wir uns darauf, dass nur die letzteren Ideen und Ideale hätten, die sich auf die »Vereinigung aller zu einem Reiche der Wahrheit, u. der Tugend, beziehen […] Wer bis in die letztere Region durchgedrungen ist, der ist ein Geist, u. hat Geist in höherer Bedeutung des Worts« (60). Geist zu haben bedeute dabei nicht, dass man ihn wissenschaftlich beschreiben könne. Ein Geist könne nicht unmittelbar auf andere Geister wirken, sondern müsse sich in einem Körper darstellen, und diese äußere Darstellung ist »Darstellung des Geistes, lediglich für den, der selbst Geist hat« (62). Die Geschichte bestehe aus einem »Ringen der Geister mit Geistern« (63). Geist, so fasst Fichte zusammen, ist wesentlich autonom: »Der Geist nimmt die Regel von innen aus sich selbst; er bedarf keines Gesetzes, sondern er ist sich selbst ein Gesetz.« (64) Und im entsprechenden Essay lesen wir: »Der Geist lässt die Grenzen der Wirklichkeit hinter sich zurück […] Der Trieb, dem er überlassen ist, geht in’s Unendliche.« (162) Von den drei größten Vertretern des deutschen Idealismus hat Hegel sich am gründlichsten mit dem historischen Jesus auseinandergesetzt - man denke an »Das Leben Jesu«, 1795 in Bern verfasst, in dem alle Wunderberichte der Evangelien eliminiert sind. Die in Frankfurt geschriebenen Manuskripte zum sogenannten »Geist des Christentums« bieten eine philosophische Deutung des früher eruierten Stoffes. Jesus wird in starker Absetzung vom jüdischen Umfeld gesehen, das durch einen heteronomen Glauben an einen nur transzendenten Gott gekennzeichnet gewesen sei. Hegels Antijudaismus ist auffallend; er spricht von dem »alten Bund des Hasses« (1,293; vgl. 287). Jesus sei in einer Zeit des Umbruchs aufgetreten - Hegel benutzt dabei, offenbar in Anlehnung an Montesquieu, den Terminus »Geist« erstens in einem allgemeinen soziologischen Sinn: »Zu der Zeit, da Jesus unter der jüdischen Nation auftrat, befand sie sich in dem Zustande, der die Bedingung einer früher oder später erfolgenden Revolution ist und immer die gleichen allgemeinen Charaktere trägt. Wenn der Geist aus einer Verfassung, aus den Gesetzen gewichen ist und jener durch seine Veränderung zu diesen nicht mehr stimmt, so entsteht ein Suchen, ein Streben nach etwas anderem […]« (297). Der »erhabene Geist Jesu« - hier bezeichnet der Terminus zweitens etwas Individuelles - habe sich zumal in der Bergpredigt gegen die Gesetze gekehrt (324). Sicher ist Hegels Deutung Jesu durch seine eigene Kritik an dem »Selbstzwang der Kantischen Tugend« (359) mitbestimmt; Jesu moralische und religiöse Ideen sind weitaus mehr im Judentum verankert, als Hegel, der die gleichzeitige jüdische Tradition ignoriert und die Konstruktionen der Evangelien willig übernimmt (vgl. 355 zu Joh 2,24f.), wissen konnte (auch wenn ich als völliger Laie nicht ausschließe, dass heute Jesu Originalität manchmal unterschätzt wird - aus »Nicht nur der Wein ist Blut, auch das Blut ist Geist.« 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 62 Vittorio Hösle Inwieweit ist der Geistbegriff des deutschen Idealismus ein legitimer Erbe ZNT 25 (13. Jg. 2010) 63 dem nur zu verständlichen Wunsch, mit der entsetzlichen Tradition des christlichen Antijudaismus zu brechen). Für Hegel ist Jesu zentrale Botschaft etwas Lebendiges und Geistiges (hier drittens in einem normativen Sinne), nämlich die Liebe. »Die Liebe hat gesiegt heißt nicht, wie die Pflicht hat gesiegt, sie hat die Feinde unterjocht, sondern sie hat die Feindschaft überwunden. Es ist der Liebe eine Art von Unehre, wenn sie geboten wird, daß sie, ein Lebendiges, ein Geist, mit Namen genannt wird.« (363). Besonders knüpft Hegel an die Reden Jesu im Johannesevangelium an 20 : Die Stiftung einer wirklichen Gemeinschaft im »gleichen Geiste der Liebe«, nicht die bloße Genugtuung durch das Opfer, sei es, was Jesus bezweckt habe (367). Die Konsubstantiation muss gleichsam verdoppelt werden: »Nicht nur der Wein ist Blut, auch das Blut ist Geist.« (366) Wer »das Geistige mit Geist« auffasse, werde auch erkennen, dass die »Reihe thetischer Sätze« am Anfang des Johannesprologs »nur den täuschenden Schein von Urteilen« habe (373). Die Göttlichkeit Christi weise auf den Zusammenhang des Unendlichen und des Endlichen, der das Leben selbst sei (378). Nur wer selber das Göttliche in sich spüre, könne es in Christus wiedererkennen (383); wer es nicht vermöge, der sei eben dadurch schon jetzt, nicht erst in der Zukunft, gerichtet (379 mit Bezug auf Joh 3,18). Gleichzeitig ist Jesus eine »Scheidewand« zwischen den Jüngern und Gott (384); Hegel zitiert explizit Joh 16,7. »Erst nach der Entfernung seines Individuums konnte ihre Abhängigkeit davon aufhören und eigener Geist oder der göttliche Geist in ihnen selbst bestehen.« (388) Im Sinne des Johannes wird auch das Jesuslogion Mt 12,22ff. gedeutet: »Wer sich aber vom Göttlichen absondert, die Natur selbst, den Geist in ihr lästert, dessen Geist hat sich das Heilige in sich zerstört.« (389) Allerdings endet die Geschichte des Urchristentums nach Hegel tragisch: Auch wenn der Glaube zur sich selbst erfüllenden Erwartung hätte werden können (397f.), versagten die Jünger und veräußerlichten ihr Bild von Jesus in eine transzendente Welt, statt es sich anzueignen. »Die im Grabe abgestreifte Hülle der Wirklichkeit ist aus dem Grabe wieder emporgestiegen und hat sich dem als Gott Erstandenen angehängt. Dies der Gemeine traurige Bedürfnis eines Wirklichen hängt tief mit ihrem Geiste und seinem Schicksale zusammen.« (410) Besonders faszinierend ist am Ende der Abhandlung Hegels Verteidigung der typologischen Deutung des Alten Testaments durch die Evangelisten. Hegel bestreitet nicht, dass die Propheten selber nicht an Jesus gedacht hätten, aber er unterscheidet zwischen historischer Wirklichkeit und der Wahrheit der Aneignung, deren Legitimität nicht von jener abhänge. Hegel kann sich sogar auf Joh 16,51 berufen, wo der Evangelist im Satz des Kaiphas einen prophetischen, allerdings, wie er wohl weiß, von ihm gerade nicht intendierten Sinn erkennt. In der Fähigkeit, den Geist auch dort zu erkennen, wo er à contre-cœur wirkt, liege »der höchste Glaube an Geist: […] er spricht von Kaiphas als selbst von dem Geist erfüllt, in dem die Notwendigkeit des Schicksals des Jesu lag.« (416f.) Wenn man will, kann man in den Wandlungen, die schließlich zu den sehr andersartigen Berliner »Vorlesungen über die Philosophie der Religion« führen, ein Äquivalent dieses höchsten Glaubens an Geist erkennen: Die geschichtliche Entfaltung der christlichen Religion erscheint dem reifen Hegel nicht mehr als Verfallsgeschichte, sondern als gottgewollt. Der mir zugestandene Raum lässt es nicht zu, Hegels reife, die altkirchliche trinitarische Dogmatik viel stärker integrierende Religionsphilosophie zu entwickeln. 21 Nur drei Punkte seien erwähnt: Hegels Religionsphilosophie handelt nicht primär von Gott, sondern von den menschlichen Vorstellungen von Gott. Anders als bei Schelling, 22 referiert bei Hegel »absoluter Geist« nicht auf Gott, sondern auf Kunst, Religion, Philosophie. Gott an sich ist bei Hegel in der »Wissenschaft der Logik« thematisch. Allerdings manifestiert sich Gott auch und gerade in der Entwicklung der Welt, zumal des Geistes; daher kann Hegel, wohl mit Joh 4,24 im Blick, in § 384 der Berliner »Enzyklopädie« schreiben: »Das Absolute ist der Geist; dies ist die höchste Definition des Absoluten.« (10.29) Da Manifestation zu Hegels Geistbegriff dazugehört, heißt dies, dass das Absolute sich offenbaren muss: »Oder, um es mehr theologisch auszudrücken, Gott ist Geist wesentlich, insofern er in seiner Gemeinde ist. Man hat gesagt, die Welt, das sinnliche Universum, müsse Zuschauer haben und für den Geist sein, - so muß Gott noch viel mehr für den Geist sein.« (16,53) In allen Religionen zeigt sich Gott, am höchsten aber in jener, die ihn explizit als Geist erfasst, nämlich der christlichen. Zweitens sieht auch der reife Hegel die Pneumatologie als die Wahrheit der Christologie: Christus muss sterben, um ein höheres Gottesverhältnis zu ermöglichen. »Das Verhältnis zum bloßen Menschen verwandelt sich in ein Verhältnis, das vom Geist aus verändert, umgewandelt wird.« (17,296) Drittens verfolgt Hegel die weitere »[...] er spricht von Kaiphas als selbst von dem Geist erfüllt, in dem die Notwendigkeit des Schicksals des Jesu lag.« 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 63 Zum Thema 64 ZNT 25 (13. Jg. 2010) Entwicklung des Christentums einerseits hin zum modernen Rechtsstaat, andererseits zu einer Philosophie, die es auf den Begriff bringt (17,330ff.). Wie ist die Frage zu beantworten, inwieweit die Hegelsche Geistphilosophie, wohl der Gipfelpunkt des deutschen Idealismus, ein legitimer Erbe des neutestamentlichen Pneumabegriffes ist? Das hängt natürlich davon ab, was die Kriterien für legitimes Erben sind. Sind sie philosophischer Natur, kann es nur darum gehen festzustellen, ob die Hegelsche Philosophie besser begründet ist als alle bekannten Alternativen. Wenn sie das ist, darf sie sicher frühere Gestalten des Geistes in ihre eigene Vorgeschichte integrieren. Sind hingegen die Kriterien theologischer Natur, wird man fragen müssen, was an entscheidenden Ideen Jesu in der Hegelschen Philosophie verlorengegangen ist. Soweit ich sehe, sind in der Kritik an Hegel besonders drei Ideen hervorgehoben worden (wobei die Bestimmung, was entscheidend ist, selbst sachgeleitet ist und sich nicht einfach aus der Häufigkeit der Idee im Neuen Testament ergibt; denn sonst müsste man auch die Exorzismen hervorheben). Erstens kann man dahingehend argumentieren, dass gerade beim reifen Hegel der Geist den Liebesbegriff verdrängt und ersetzt hat. Die existenzielle Aneignung des Liebesgebotes ist mehr als philosophisch begründete Geisteswissenschaft - diese Einsicht Kierkegaards ist attraktiv und wird es noch mehr, wenn sie abgekoppelt wird von dessen Rückkehr zur alten lutherischen Orthodoxie, die allen, die nicht an die Göttlichkeit Christi glauben, die ewige Verdammnis verheißt. Zweitens ist es möglich zu bemängeln, dass die Erfahrung der eigenen Sündhaftigkeit behindert wird, wenn man so stark wie Hegel auf die Göttlichkeit des menschlichen Geistes verweist; wer leidet, mag im Bild des Gekreuzigten einen Trost finden, den ihm die Hegelsche Geistphilosophie nicht vermittelt. Und drittens mag man sich mit der Immanentisierung der Eschatologie bei Hegel nicht abfinden. Doch könnte Hegel entgegnen, alle drei Eigenarten seiner Interpretation seien mindestens ansatzweise im Johannesevangelium zu finden; 23 und was darüber hinausgehe, verdanke sich der Eigenmacht des von Johannes verkündigten Geistes. Erfolgreich entgegnen kann man ihm nur, wenn man zu zeigen versucht, warum jene drei Engführungen sachlich Sinnvolles verfehlen - und zwar dies mit philosophischen Argumenten zu zeigen versucht. 24 Denn der lebendige Geist wirkt nur dort, wo geistige Traditionen sowohl studiert als auch argumentativer Prüfung unterworfen werden. Anmerkungen 1 Zu deren wissenschaftstheoretischer Zwischenstellung siehe V. Hösle, Moral und Politik, München 1997, 547 ff. 2 Ders., The Historical Figure of Jesus, Harmondsworth 1993. Noch unabgeschlossen ist das auf fünf Bände geplante Standardwerk von John P. Meier, A Marginal Jew, New York 1991 ff. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass die Vorsicht der historischen Methode dazu führt, dass man erfolgreiche »Prognosen« (etwa zur Zerstörung Jerusalems) oft als post factum erteilt ansieht, was sachlich keineswegs notwendig ist - sonst müsste man ja auch den Schluss des ersten Bandes von Tocquevilles »De la démocratie en Amérique« statt auf 1835 auf 1950 datieren. (Doch ist Lk 21,20 zu präzise, um ante factum geschrieben zu sein.) Aber die Umkehrung ist korrekt: Fehlprognosen sind sehr alt. Dass die frühe Kirche eine Naherwartung hatte, ist offenkundig, und man hätte sie, da ihre partielle Enttäuschung schon im ersten Thessalonicherbrief ersichtlich ist (4,13ff.; vgl. auch Joh 21,22f.; 2Petr 3,3ff.), schwerlich auf Jesus zurückprojiziert, wenn er sie nicht selber gehegt hätte. Sicher mag er von seinen nächsten Jüngern radikal missverstanden worden sein, aber dann müssen wir die Hoffnung aufgeben, je an die historische Gestalt heranzukommen. Nein, eine der Ideen, die wir Jesus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zuschreiben können, war falsch, und seine Ausmalung des Gerichts und der Verdammung war wahrscheinlich nicht mit modernen moralischen Prinzipien kompatibel. Ebenso scheint der historische Jesus eine universalistische Ausweitung seiner Botschaft nur gelegentlich, beiläufig, vielleicht zunehmend nach Enttäuschungen mit Juden intendiert zu haben: Eine Perikope wie Mk 7,24ff./ Mt 15,21ff. wird man in einer Zeit florierender Heidenmission schwerlich neu erfunden haben. - Eine grundsätzliche Gefahr der historischen Methode besteht freilich darin, dass sie manchmal glaubt, die epistemologisch bestbewährten Hypothesen zu den von einem Autor gehegten Ansichten erfassten auch die ontologisch zentralen Bestandteile seines Ideensystems. Dabei handelt es sich freilich um einen elementaren Trugschluss. Jesus mag sehr wohl einige seiner Ideen für viel bedeutsamer gehalten haben als andere, die wir ihm mit viel größerer Wahrscheinlichkeit zuschreiben können. 3 Vgl. M.E. Isaacs, The Concept of Spirit, London 1976, 10ff. - Es würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, der Frage nachzugehen, ob die Idee eines göttlichen Geistes (die der Erkenntnis entspringt, dass der Geist das Göttlichste am Menschen ist) auf besondere Weise mit der Achsenzeit verbunden ist. Sicher ist sie nicht auf das Judentum beschränkt; man denke an Anaxagoras’ Theorie des Nus, aber schon viel früher an den »spenta mainyu« (heiligen Geist) Zarathustras, nach dem die dritte der Gathas (Yasna 47-50) benannt ist. 4 Eine alte, immer noch nützliche Liste aller Stellen mit pneuma im Neuen Testament hat E.W. Winstanley, Spirit in the New Testament, Cambridge 1901 vorgelegt. 5 Vgl. Ch. Schütz, Einführung in die Pneumatologie, 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 64 Vittorio Hösle Inwieweit ist der Geistbegriff des deutschen Idealismus ein legitimer Erbe ZNT 25 (13. Jg. 2010) 65 nicht einzelne Bibelstellen herausgepickt, sondern sich »nach dem Geist des Christentums« gerichtet hätten, »und eben weil sie den Geist getroffen, darum haben sie gesiegt.« (Philosophie der Offenbarung. Zweiter Band, Darmstadt 1974, 101) - Die Spätphilosophien Fichtes und Schellings können hier nicht diskutiert werden. Es genüge die Versicherung, dass sie nicht als irrationalistisch bezeichnet werden dürfen, auch wenn sie von Hegels Systemkonzeption markant abweichen. Schelling etwa schreibt kurz nach der oben im Text zitierten Stelle: »Auch das Christenthum verlangt Ueberwindung, aber nicht der Vernunft selbst (denn dann hörte a l l e s Begreifen auf ), sondern der bloß natürlichen.« (267) »Wenn in uns selbst etwas alle Vernunft Uebertreffendes liegen sollte, so wird von diesem erst dann die Rede seyn können, wenn die Vernunftwissenschaft bis an ihr Ziel geführt ist, davon sie aber noch weit entfernt ist.« (269) Allerdings ist seine der traditionellen nahe stehende Christologie sehr verschieden von derjenigen Fichtes und Hegels, gegen die er sich in der »Philosophie der Offenbarung« wendet (op.cit., 101 ff.). Eines der Probleme seiner Christologie (nicht das einzige) ist, dass Schelling die moderne neutestamentliche Forschung nicht wirklich ernst nimmt: So hält er den Hebräerbrief für paulinisch (320) und legt eine philologisch inakzeptable Interpretation von Joh 21vor (328 ff.). 18 Siehe meinen Aufsatz: Philosophy and the Interpretation of the Bible, in: Internationale Zeitschrift für Philosophie (1999/ 2) 181-210. 19 Von den Pflichten der Gelehrten. Jenaer Vorlesungen 1794/ 95, hg. von R. Lauth/ H. Jacob/ P.K. Schneider, Hamburg 1971, 58. 20 Fichte wird in »Die Anweisung zum seligen Leben, oder auch die Religionslehre« von 1806 in der sechsten Vorlesung den Prolog des Johannesevangeliums im Sinne seiner eigenen Philosophie deuten. Vgl. D. Weidner, Geist, Wort, Liebe: Johannes um 1800, in: S. Martus/ A. Polaschegg (Hgg.), Das Buch der Bücher - gelesen. Lesarten der Bibel in den Wissenschaften und Künsten, Frankfurt u.a. 2006, 435-470. 21 Ich darf verweisen auf mein Buch: Hegels System, Hamburg 2 1998, 638-662. 22 Philosophie der Offenbarung. Erster Band, Darmstadt 1974, 248 ff. 23 Zum zweiten Punkt vgl. etwa Haenchen, op.cit., 493: »Es ist längst aufgefallen, daß der Begriff Sünde im vierten Evangelium zwar 16mal vorkommt, aber dennoch keine entscheidende Rolle spielt.« 24 Vgl. etwa meine Abhandlung: The Idea of a Rationalistic Philosophy of Religion and Its Challenges, in: Jahrbuch für Religionsphilosophie 6 (2007), 159-181. Darmstadt 1985, 157: »Jesus selber hat vermutlich nur wenig vom Geist gesprochen.« Ich verdanke diesem Buch manche Information. 6 Lk 11,20 »mit dem Finger Gottes«. R.P. Menzies hat gute Argumente, warum es Matthäus und nicht Lukas ist, der Q folgt (Ders.,The Development of Early Christian Pneumatology with Special Reference to Luke-Acts, Sheffield 1991, 185 ff.). 7 Ders., Das Johannesevangelium. Ein Kommentar, Tübingen 1980, 495. 8 J.S. Vos, Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur paulinischen Pneumatologie, Assen 1973, 145. Zur Vorgeschichte von Paulus’ Begriffsbildung vgl. auch F. Philip, The Origins of Pauline Pneumatology, Tübingen 2005. 9 Vgl. H. Gunkel, Die Wirkungen des heiligen Geistes nach der populären Anschauung der apostolischen Zeit und nach der Lehre des Apostels Paulus, Göttingen 1888, 77: »Paulus sieht in einer Fülle von christlichen Funktionen Geisteswirkungen, welche das Judentum und die ältesten Gemeinden nicht für Wirkungen einer übernatürlichen Kraft gehalten haben.« 10 Er findet sich auch in 1Petr 3,18; 4,6. Der Geist ist nicht bloßes Lebensprinzip, sondern wird auch dem psychikos anthrōpos entgegengesetzt (1Kor 2,14; vgl. Jak 3,15 und Jud 19) und sowohl von psychē als auch sōma unterschieden (1Thess 5,23). 11 Vgl. W.-D. Hauschild/ V.H. Drecoll, Pneumatologie in der Alten Kirche, Bern 2004. 12 Vgl. E.A. Dreyer, An Advent of the Spirit: Medieval Mystics and Saints, in: B.E. Hinze/ D.L. Dabney (Hgg.), Advents of the Spirit. An Introduction to the Current Study of Pneumatology, Milwaukee 2001, 123-162. Meister Eckharts Bibelhermeneutik ist ein besonders wichtiges Verbindungsglied zum deutschen Idealismus. 13 Zur politischen Pneumatologie siehe den Sammelband: Spirito e potere. Lineamenti di pneumatologia politica, hg. von M. Nicoletti, Brescia 2010. 14 Ich beziehe mich auf die überzeugende Einteilung von H. Küng, Das Christentum. Wesen und Geschichte, München/ Zürich 1994. 15 Siehe seine »Erklärung« vom 7.8.1799 (Kant’s gesammelte Schriften, Bd. XII, Berlin/ Leipizig 1922, 371). 16 G.W.F. Hegel, Werke in zwanzig Bänden, Frankfurt 1969-1971, 2.9. Ich zitiere alle Schriften nach dieser Ausgabe, auch die späten Vorlesungen, die inzwischen in kritischen Editionen vorliegen, da die Entwicklung über die einzelnen Jahre hinweg hier nicht thematisch ist. 17 Philosophie der Mythologie, Erster Band: Einleitung in die Philosophie der Mythologie, Darmstadt 1976, 264.266. Doch preist Schelling die frühen Reformatoren, die sich, anders als die zeitgenössischen Pietisten, 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 65