eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 13/25

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2010
1325 Dronsch Strecker Vogel

Zugänge zum Unzugänglichen

2010
Christian Strecker
eine große Offenheit für alles, was mit »Geist« und Spiritualität zu tun hat, unverkennbar. 2 1) Mit Blick auf das Christentum fällt diesbezüglich zunächst der eindrucksvolle Aufstieg der Pfingstkirchen und der charismatischen Bewegungen v.a. in Lateinamerika und Afrika auf. Bekanntlich propagieren diese einen wesentlich an pneumatische Phänomene und spirituelle Erfahrungen gekoppelten Glauben. 3 Aber auch in den traditionellen Kirchen spielt der Heilige Geist eine immer wichtigere Rolle, namentlich im Rahmen des ökumenischen Dialogs. Das Erscheinen gewichtiger systematisch-theologischer Monographien unterstreicht die Brisanz des Themas. 4 2) Jenseits des Christentums ist im Kontext der ehedem sog. New-Age-Bewegung und der allenthalben stark verbreiteten Esoterik eine manifeste Orientierung an geistigen Wirklichkeiten, Geistheilungen u.ä. auszumachen. 5 3) In der Naturwissenschaft macht das Stichwort »Geist« seit geraumer Zeit im Rahmen der Neurowissenschaften (Hirnforschung) Karriere, insofern dort materialistische Modelle einer Biologie des Geistes entwickelt werden. 6 4) In der Informatik wird das Thema in der Forschung über Möglichkeiten der Emergenz sog. künstlicher Intelligenz kontrovers diskutiert. 7 5) In der philosophischen Forschung hat die klassische »Philosophie des Geistes« angesichts der eben genannten Entwicklungen in der Hirnforschung und der Informatik neu an Brisanz gewonnen. 8 Darüber hinaus rekurrieren einige Philosophen in ganz unvermuteter Weise auf die Terminologie des Geistes. So arbeitet Jacques Derrida in seinen vieldiskutierten Reflexionen über das Erbe des Marxismus intensiv mit den Begriffen »Geist«, »Gespenst« und »Phantom«, um in dekonstruktiver Manier u.a. die Problematik der Abwesenheit im Anwesenden bzw. der Anwesenheit des Abwesenden und der Verschränkung der Zeiten hintergründig zur Sprache zu bringen. 9 Gianni Vattimo greift auf eigenwillige Weise die mittelalterliche Zeitalterlehre Joachim von Fiores auf, um Neues Testament aktuell Christian Strecker Zugänge zum Unzugänglichen »Geist« als Thema neutestamentlicher Forschung 1. Hinführung: zeitgeschichtliche Verortungen der Rede vom Geist Dem modernen Menschen ist - unabhängig davon, ob er sich (der Weltanschauung des Naturalismus folgend) als Natur oder (der Weltanschauung des Idealismus folgend) als Geist begreift - »schlechterdings fremd und unverständlich, was das Neue Testament vom ›Geist‹ (gr. pneuma) und von den Sakramenten sagt. Der rein biologisch sich verstehende Mensch sieht nicht ein, daß überhaupt in das geschlossene Gefüge der natürlichen Kräfte ein übernatürliches Etwas, das pneuma, eindringen und in ihm wirksam sein könnte. Der Idealist versteht nicht, wie ein als Naturkraft wirkendes pneuma seine geistige Haltung berühren und beeinflussen könnte. Er weiß sich für sich selbst verantwortlich und versteht nicht, wie ihm in der Wassertaufe ein geheimnisvolles Etwas mitgeteilt werden könnte, das dann das Subjekt seiner Wollungen und Handlungen wäre. Er versteht nicht, daß eine Mahlzeit ihm geistige Kraft vermitteln soll«. 1 Es ist Rudolf Bultmann, der diese Auffassung 1941 in seinem vielbeachteten, die theologische und exegetische Debatte nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich mitprägenden Vortrag »Neues Testament und Mythologie« referierte. Heute, bald siebzig Jahre später, mag zumindest der apodiktische und exklusivistische Gestus, mit welchem Bultmann der ntl. Rede vom Geist in dieser Passage begegnet, mit dem er sie diskreditiert, ihr das Vertrauen entzieht - freilich mit dem Ziel, dem darin eingeschlossenen existenzialen Kern treu zu bleiben, also in der Diskreditierung eine Kreditierung zu wahren -, seinerseits »fremd und unverständlich« erscheinen. Die intellektuelle und die lebensweltliche Großwetterlage haben sich deutlich verändert. Die Fundamente jener modernen Weltanschauungen, auf die Bultmann sich berief, sind inzwischen in vielerlei Hinsicht zwar nicht hinfällig, aber doch brüchig geworden. Vor diesem Hintergrund ist seit den 1980er Jahren in unterschiedlichsten Diskurs- und Praxisfeldern ein deutlich gewachsenes Interesse und ZNT 25 (13. Jg. 2010) 3 »seit den 1980er Jahren [ist] in unterschiedlichsten Diskurs- und Praxisfeldern ein deutlich gewachsenes Interesse [...] für alles, was mit ›Geist‹ und Spiritualität zu tun hat, unverkennbar.« 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 3 Neues Testament aktuell 4 ZNT 25 (13. Jg. 2010) gar zu postulieren: »Der Zustand der Zivilisation, den wir erreicht haben [...], bietet die Chance, das Reich des Geistes, verstanden als Entlastung und ›Poetisierung‹ des Realen, zu verwirklichen.« 10 6) Schließlich sind die Kulturwissenschaften zu nennen. Dort ist im Anschluss an die kulturanthropologische/ ethnologische Forschung ein verstärktes Bemühen um eine sich von ethnozentrischen Beurteilungen absetzende Erschließung von Phänomenen wie Geisterglaube, Besessenheit, spirituellen Praktiken u.ä.m. zu konstatieren. 11 In diesem zeitgeschichtlichen Umfeld nimmt es nicht wunder, dass in der ntl. Wissenschaft die vielschichtigen frühchristlichen Aussagen über den Geist verstärkt Aufmerksamkeit auf sich ziehen. In den letzten Jahren widmeten sich zahlreiche Untersuchungen diesem Thema. Die reiche Forschung auf nur wenigen Seiten in ihrer ganzen Breite darzulegen, ist angesichts deren Umfangs und Vielfalt kaum möglich. Dies gilt umso mehr, als Arbeiten der älteren Forschung nicht ausgeblendet werden dürfen, legten diese doch vielfach die Fundamente für bis in die Gegenwart hinein geführte Debatten. Der vorliegende Beitrag kann daher nur einen groben Überblick über die Erforschung der frühchristlichen Geistaussagen bieten, indem er einige ausgewählte exegetische Kontroversen und Studien vorstellt. 12 Die Gliederung orientiert sich an den methodischen Zugriffen, die in den vielen einschlägigen Untersuchungen zur Anwendung kommen. Vorab empfiehlt es sich, mittels einer kurzgefassten Sichtung des ntl. Befundes wesentliche Eckpunkte der Thematik zu verdeutlichen. 2. Pneuma im Neuen Testament Die Vokabel pneuma begegnet in den ntl. Schriften in verschiedenen Sinnzusammenhängen. Sie weist dabei ein reiches Bedeutungsspektrum mit zahlreichen konnotativen Nuancen auf. 13 Es würde zu weit führen, dieses hier in all seinen Facetten detailliert auszuleuchten. 14 Es muss genügen, die vier wichtigsten semantischen Hauptkomponenten voneinander abzuheben. 15 1) Nur sporadisch wird pneuma im Neuen Testament im materiell-physischen bzw. biologischen Sinn verwendet, sei es für den Wind (Joh 3,8; Hebr 1,7), den Hauch des Mundes (2Thess 2,8) oder den Atem als Lebensprinzip bzw. den Lebensgeist, dessen Aufgabe zum Tod führt (Mt 27,50; Lk 8,55; Joh 19,30; Jak 2,26; Offb 11,11). 2) Breiter belegt ist der im weiteren Sinn anthropologische Gebrauch der Vokabel. Pneuma markiert hier das Innere des Menschen, den Personenkern, oder eine Instanz im bzw. ein Vermögen des Menschen (1Kor 2,11; 5,3; 1Thess 5,13; Phil 1,27; Eph 4,23). Im Besonderen wird pneuma mit menschlichen Gefühlen, Stimmungen und Dispositionen assoziiert (Joh 11,33; 13,12; Apg 17,16; Röm 11,8; Gal 6,1; 2Tim 1,7). V.a. aber bestimmt das Neue Testament den menschlichen Geist »als diejenige Dimension der Person, die am offensten für Gott (Mt 5,3; Röm 1,9; 8,16; Jak 4,5; 1Petr 3,4)« ist. 16 Mit anderen Worten: »[D]er menschliche Geist [ist] der Ort [...], an dem der göttliche Geist einen Menschen erfasst und durchdringt.« 17 Damit rückt die gewichtigste Bedeutungskomponente der Vokabel im Neuen Testament in den Blick, nämlich (3) pneuma als Bezeichnung für den Geist Gottes/ des Vaters (Mt 10,20; Joh 4,24; 1Kor 2,11f.14; 7,40; 2Kor 3,3; Phil 3,3; 1Petr 4,14), den Geist Christi/ Jesu/ seines Sohnes (Apg 16,7; Röm 8,9.14; Gal 4,6; Phil 1,9; 1Petr 1,11) bzw. den heiligen Geist (Mk 1,8; Mt 1,18.20; Mt 3,11/ Lk 3,16; Lk 1,15.35.41.67; Apg 1,2.5.8.16; Röm 5,5; 1Kor 6,19; Tit 3,5; Hebr 2,4). Eine systematische Differenzierung zwischen den genannten Ausdrücken liegt in den ntl. Schriften nicht vor. Den komplexen Textbefund vereinfachend lässt sich aber festhalten, dass Gottes heiliger Geist im Neuen Testament i.W. als endzeitliche Gabe erscheint, die zunächst dem vorösterlichen Jesus - sei es in der Taufe (Mk 1,9-11), sei es bereits zuvor durch die Empfängnis (Mt 1,18.20; Lk 1,35) - zuteil wird, die dann dessen irdisches Auftreten und Wirken prägt (Mk 3,28f.; Mt 12,18.28; Lk 4,16-30) und die schließlich nach Ostern durch den auferstandenen und erhöhten Christus den Jüngern und Christusgläubigen weitervermittelt wird, zunächst am Oster- (Joh 20,22) oder Pfingsttag (Apg 2,1-4.17-21.33), dann in der Taufe auf den Namen Jesu Christi (Apg 2,38). Insgesamt hebt das Neue Testament hervor, dass Jesus als erhöhter Christus im Geist wirkmächtig in der ekklesia präsent bleibt und der Geist umgekehrt Jesus Christus bezeugt (Joh 15,26; 1Kor 12,3; 1Joh 4,2; 5,6-8; Offb 19,10). Das pneuma kann dabei auch als mehr oder weniger eigenständige Größe und Handlungsinstanz profiliert werden, etwa wenn betont wird, der Geist des Sohnes sei ebenso wie der Sohn von Gott gesandt worden (Gal 4,4.6), er übernehme interzessorische Funktion (Röm 8,26) oder trete als »anderer Paraklet« aktiv in Erscheinung (Joh 14,16f.26; 15,26f.; 16,7b-11.13-15). Nicht unerwähnt darf bleiben, dass in diesen und anderen Zusammenhängen mehrfach von einer Einwohnung des Geistes in den Christusgläubigen bzw. einer Teilhabe am heiligen Geist die Rede ist (Joh 14,17b; Röm 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 4 Christian Strecker Zugänge zum Unzugänglichen ZNT 25 (13. Jg. 2010) 5 8,9.11; 1Kor 3,16; 2Kor 13,13; Hebr 6,4; Jak 4,5; 1Joh 3,24; 4,13). Was die Ereignisbzw. Erfahrungsräume des Geistes sowie die konkreten Geistwirkungen anbelangt, zeugt das Neue Testament von einer großen Vielfalt. Exemplarisch sei auf die Verknüpfung des Geistes mit den rituellen Vollzügen der Taufe (Mk 1,8; Mt 3,11/ Lk 3,16; Mt 28,19; Apg 1,5; 2,38; 8,14-25; 9,17f.; 10,44-48; 19,5f.; 1Kor 6,11; 12,13; 2Kor 1,21f.; Joh 3,5; Tit 3,5) und des Handauflegens (Apg 8,17-19; 19,6), des Gebets (Lk 11,13; Röm 8,15.26f.; Gal 4,6; Eph 6,18; Jud 20) und der Anbetung (Joh 4,23f.; Phil 3,3) verwiesen, ferner darauf, dass der Geist nach ntl. Zeugnis die Gemeinschaft der Christusgläubigen in Einheit und Verschiedenheit stiftet und trägt (1Kor 12; Phil 1,27; 2,1; Eph 2,18; 4,3f.), dass er die missionarische Arbeit und Verkündigung führt und stützt (Apg 1,8; 4,8.31; 7,55; 8,29.39; 10,19; 13,9; Röm 15,19; 1Petr 1,12), den Lebenswandel der Getauften prägt bzw. heiligt (Röm 8,4-6.13f.; 15,16; Gal 5,16.22-25; 1Kor 6,19; Eph 5,18; 1Petr 1,2), dass er Prophetie (Lk 1,67; 2,25-27; Apg 2,17f.; 11,28; 1Kor 14; 1Thess 5,19f.; Eph 3,5; 2Petr 1,21), Glossolalie (Apg 2,4-13; 10,44-46; 19,6; 1Kor 14), Inspiration der Schriften (Mk 12,36/ Mt 22,42; Apg 1,16; 4,25; 28,25) sowie Erkenntnis, Weisheit und Wahrheit (Joh 14,17; 16,13; 1Kor 2,10; Eph 1,17; 1Joh 4,6) erwirkt und das Eschaton verbürgt (Röm 8,23; 2Kor 1,22; 5,5), um dereinst als jene Kraft in Erscheinung zu treten, in der sich die allgemeine Totenauferweckung verwirklicht (Röm 8,11; 1Kor 15,44- 46; Gal 6,8). Die göttliche Wirklichkeit repräsentierend und die endzeitliche Heilsvollendung antizipierend, wird der Geist mehrfach mit dem Fleisch (Joh 3,6; 6,63; Röm 8,4-6.13; Gal 3,3; 4,29; 5,16f.19-22; 1Petr 4,6), dem Buchstaben (Röm 2,29; 7,6; 2Kor 3,6) und z.T. auch mit dem Nomos (Gal 5,18; Röm 8,2; s. aber Röm 7,14! ) kontrastiert. 4) Schließlich darf der dämonologische und spektrologische 18 Gebrauch nicht unerwähnt bleiben, also die Verwendung der Vokabel für Dämonen (Mk 1,23.26.27; 3,11.30; Lk 13,11; Apg 5,16; 16,16.18; 19,12f.15f.; Offb 16,13f.; 18,2) sowie für Gespenster, Geistwesen und Engel (Lk 24,37.39; Apg 23,8f.; Hebr 1,7.14). Die exegetische Forschung untersucht all diese Facetten des ntl. Pneumadiskurses mittels unterschiedlicher methodischer Zugriffe, die freilich keine strikten Alternativen darstellen, sondern sich teilweise ergänzen und überschneiden. Sie gehen mit diversen Kontroversen auf der inhaltlichen Ebene einher. Dem gilt es nun nachzugehen. 3. Traditions- und religionsgeschichtliche Zugänge »Die Geistaussagen des Neuen Testaments sind entscheidend geprägt von der alttestamentlich-jüdischen Tradition.« 19 Mit diesem Satz eröffnet Ferdinand Hahn seine Ausführungen über das Wirken des heiligen Geistes (Pneumatologie) im zweiten Band seiner Theologie des Neuen Testaments. Hahn bringt hier eine in der ntl. Forschung weithin geteilte Grundeinsicht zum Ausdruck. Gemäß dieser Einsicht beginnen zahlreiche exegetische Studien mit mehr oder weniger ausführlichen Darlegungen zur Bedeutung des Geistes (ruach, pneuma) im Alten Testament und im frühjüdischen Schrifttum, um auf diese Weise Voraussetzungen und Anknüpfungspunkte der pneumatologischen Aussagen im Neuen Testament abzuklären. 20 Das inhaltliche Profil der besagten atl.-frühjüdischen Tradition ist allerdings strittig. Kontrovers diskutiert werden v.a. zwei Themen: das vermeintliche jüdische »Dogma« des erloschenen Geistes und die Bedeutung des sog. »spirit of prophecy«. Beide Debatten werden im Folgenden kurz vorgestellt. Es folgt eine Sichtung der Diskussion über die Bedeutung griechisch-römischer Pneumavorstellungen und deren Relevanz für das Verständnis der ntl. Geistaussagen. Christian Strecker studierte Evangelische Theologie in Neuendettelsau, Hamburg, Heidelberg und Tübingen. Promotion (1996) und Habilitation (2003) an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau, seit 2003 Privatdozent ebendort; Vertretungsprofessuren in Heidelberg (2005-2006; 2008/ 09), München (2006/ 07), Mainz (2007) und Neuendettelsau (2004; 2009). Forschungsschwerpunkte: Paulusexegese, historische Jesusforschung, kulturwissenschaftliche Exegese. Christian Strecker 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 5 Neues Testament aktuell 6 ZNT 25 (13. Jg. 2010) 3.1 Das sog. »Dogma des erloschenen Geistes« Bis in die jüngere Zeit hinein begegnet man in der Forschungsliteratur der Auffassung, die frühchristlichen Geistaussagen müssten vor dem Hintergrund einer im damaligen Judentum angeblich weit verbreiteten Vorstellung verstanden werden, der zufolge mit den letzten Schriftpropheten das Wirken des Geistes erloschen und die Prophetie zu einem Ende gekommen sei. Gott rede seither nur noch vermittels der vergleichsweise inferioren bat qol (»Tochter einer Stimme«, himmlische Stimme) und werde den Geist allererst in der Endzeit wieder ausgießen. 21 Obgleich diese häufig unter dem Etikett »Dogma des erloschenen Geistes« firmierende Vorstellung in literarisch verfestigter Form erst im rabbinischen Schrifttum auftaucht, 22 wird postuliert, sie sei im Judentum im Kern bereits deutlich früher vorherrschend gewesen. Dies gelte ungeachtet der Tatsache, dass für die jüdische Welt etwa des 1. Jh.’s n.Chr., also die ntl. Zeit, bei Josephus diverse pneumatische bzw. prophetische Phänomene bezeugt sind. 23 Die frühe Verbreitung der besagten Vorstellung sieht man durch Bekundungen in Ps 74,9; Sach 13,2-6; Dan 3,38 (Th); 1Makk 4,46; 9,27; 14,41; syrBar 85,3; Josephus Ap 1,37-41 und eine mutmaßlich in tSot 13,2-4 verarbeitete ältere Tradition belegt. Im Neuen Testament meint man sie im Hintergrund u.a. von Mk 1,8; 3,28f.; Joh 7,39; Apg 2,17- 21; 19,2; 2Kor 3,16-18; Gal 3,14; Eph 2,22; 3,5 und Hebr 6,4 ausmachen zu können. 24 Die frühchristlichen Geistaussagen indizierten demnach die im Rahmen des »Dogmas des erloschenen Geistes« propagierte endzeitliche Wiederkehr des Geistes. Die dargelegte Sicht der Dinge hat inzwischen jedoch deutlich an Überzeugungskraft verloren. So konnte insbesondere John R. Levison überzeugend darlegen, dass die oben angeführten Belege nicht stichhaltig sind. Nach einer genauen Sichtung der Texte gelangt er zu dem Ergebnis, dass diese zwar die vorübergehende Absenz von Propheten/ Prophetie als Krisensymptom, aber nicht das Erlöschen des Geistes als epochalen Allgemeinzustand thematisieren. 25 Bei dem besagten frühjüdischen »Dogma des erloschenen Geistes« dürfte es sich folglich eher um ein nachträgliches wissenschaftliches Konstrukt denn um eine Voraussetzung der frühchristlichen Geistaussagen handeln. 3.2 Der »Geist der Prophetie« Ungeachtet der eben dargelegten Debatte gilt vielen Exegeten und Exegetinnen das atl.-jüdische Konzept des »Geistes der Prophetie« (»spirit of prophecy«) 26 als maßgeblicher Ausgangspunkt der frühchristlichen Geistaussagen, insbesondere der lukanischen Geisttheologie. Wie jedoch das genannte Konzept inhaltlich genauer zu fassen und mit den ntl. Aussagen zu korrelieren ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Strittig ist zumal, ob sich die Wirkung des »Geistes der Prophetie« nach jüdischem Verständnis in Manifestationen der inspirierten Rede, der Offenbarung und der Vermittlung von Weisheit erschöpfte oder ob man dem Geist der Prophetie im Judentum weithin auch charismatische, ethische und soteriologische Potenz zuschrieb. Beide Positionen ziehen unterschiedliche Bewertungen der ntl. Geistaussagen nach sich. Wichtige Protagonisten der beiden Positionen sind Eduard Schweizer und Robert P. Menzies auf der einen sowie Max Turner und Matthias Wenk auf der anderen Seite. In Eduard Schweizers 1959 erschienenem ThWNT-Artikel zur Bedeutung des Geistes im Neuen Testament heißt es: »Lukas teilt also mit dem Judentum die Anschauung, daß Geist im Wesentlichen Geist der Prophetie ist. Das hindert ihn, einerseits die charismata iamaton (Gnadengaben zu Heilungen), andererseits stärker ethisch geprägte Wirkungen wie das Gemeinschaftsleben der Urgemeinde direkt auf das pneuma zurückzuführen.« 27 Schweizer ist offenkundig der Auffassung, dass das Wirken des Geistes in der damaligen jüdischen Tradition im Kern auf die Befähigung zur prophetischen Rede beschränkt war. Dass Lk das pneuma in seinem Doppelwerk weder mit Wundertaten noch mit ethischem Handeln verband, sieht er just in der Übernahme dieser jüdischen Geistvorstellung begründet. Darüber hinaus postuliert Schweizer, Lk habe an keiner Stelle in seinen Schriften das Heil auf den Geist zurückgeführt, dem pneuma also keine soteriologische Bedeutung zugemessen, was er gleichfalls mit dessen gezielter Orientierung an der besagten jüdischen Geistvorstellung erklärt. 28 In seiner 1991 unter dem Titel »The Development of Early Christian Pneumatology« publizierten Studie führte Robert P. Menzies Schweizers Thesen weiter aus. Menzies sucht darin zunächst nochmals den Nachweis zu führen, dass die »Gott rede seither nur noch vermittels der vergleichsweise inferioren bat qol (›Tochter einer Stimme‹, himmlische Stimme) und werde den Geist allererst in der Endzeit wieder ausgießen.« 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 6 Christian Strecker Zugänge zum Unzugänglichen ZNT 25 (13. Jg. 2010) 7 frühjüdische Literatur den Geist weder charismatisch noch soteriologisch deutete, sondern durchweg mit der Erfahrung jener prophetischen Inspiration identifizierte, die diversen herausragenden Individuen als donum superadditum zur Bewältigung bestimmter, von Gott festgesetzter Aufgaben zuteil wurde. Menzies räumt jedoch Ausnahmen ein: Zumindest in der Weisheit Salomos (bes. 9,9-18) und den Hodajot von Qumran (1QH) werde die Gabe des Geistes abweichend vom Üblichen als Quelle moralischen bzw. gottgewollten Lebens und als soteriologische Notwendigkeit greifbar. 29 Vor diesem Hintergrund entwickelt Menzies die These, im frühesten Christentum hätten sich unabhängig voneinander drei differente Geistkonzepte herausgebildet: zum einen die durch das Damaskuserlebnis inspirierte und unter dem Einfluss der eben genannten jüdischen pneumatologischen Sondertradition (Weish, 1QH) ausgeformte soteriologische Pneumatologie des Paulus, in welcher dem Geist laut Menzies erstmals im frühen Christentum soteriologische Funktion zukam, die aber in den nichtpln. Teilen der frühen Kirche ohne Resonanz blieb; zum zweiten die konsequent in der klassischen jüdischen Tradition verankerte prophetische Pneumatologie des Lukas, welche die Verleihung des Geistes jenseits soteriologischer und charismatischer Implikationen primär als prophetische Befähigung zur Bezeugung Christi im Rahmen der Mission fasste; und drittens die charismatische Pneumatologie der übrigen, bei Mk und Mt sowie in der Logienquelle verarbeiteten frühen christlichen Tradition, die wie Lk durch die jüdische Vorstellung des Geistes der Prophetie geprägt war, den Geist aber, den Spuren Jesus folgend, darüber hinaus als Quelle wunderwirkender Kraft profilierte. 30 Die dargelegten Thesen von Schweizer und Menzies blieben nicht ohne Widerspruch. Namentlich Max Turner wandte sich in mehreren Publikationen gegen die Verengung der frühjüdischen Geistvorstellung auf die kognitiven Momente der Offenbarung, Weisheitsvermittlung und inspirierten Rede. 31 Turner betont, es widerspreche dem Quellenbefund, die frühjüdischen Geistvorstellungen in ein eng definiertes Konzept des »Geistes der Prophetie« zu pressen, aus dem charismatische Machttaten und ethische Effekte rundweg ausgeschlossen seien. Mit Blick auf die charismatische Dimension macht Turner geltend, dass die Septuaginta den Geist mehrfach als Quelle diverser Wunder- und Krafttaten ausweise (Ri 14,6.19; 15,14; 3Kön 18,12; 4Kön 2,16; Ez 2,2; 3,12 u.ö.), dass der Geist im 2Bar (21,4; 23,5) und 4Esr (6,39-41) als Wundermacht der Schöpfung und der Auferstehung erscheine und dass im Liber Antiquitatum Biblicarum (27,9f.; 36,2), bei Josephus (Ant 8,408) wie auch in der sich an Jes 11,1- 4 festmachenden frühjüdischen messianischen Tradition (1Hen 49,2f.; PsSal 17,37; 1QSb 5,24f.; 4Q521 u.ö.) ein charismatisches Verständnis des Geistes greifbar werde. Mit Blick auf die ethische Dimension beruft sich Turner u.a. auf die lebenstransformierende Kraft des Geistes in den Qumranschriften, aber auch auf die Rede vom Geist im Kontext der Thematisierung von Gerechtigkeit in der schon erwähnten, an Jes 11,1-4 anknüpfenden messianischen Tradition (PsSal 17,37; 18,7; 1Hen 49,2f.; 62,1f. u.ö.). Matthias Wenk, ein Schüler Turners, stellte die ethische und auch soteriologische Dimension des Geistes im Frühjudentum in einer neuerlichen Sichtung des jüdischen Quellenmaterials in seiner Dissertation zum lukanischen Geistverständnis nochmals nachdrücklich heraus. 32 Turner und Wenk zeigten in ihren Arbeiten dergestalt überzeugend auf, dass es nicht angeht, dem im Frühjudentum primär prophetisch geprägten Geist charismatische und ethische Qualitäten abzusprechen und frühjüdische Aussagen über die soteriologische Funktion des Geistes als Sonderfall zu deklarieren, um das Wirken des Geistes so ganz auf die Übermittlung von Weisheit, Offenbarung und inspirierter Rede im Sinne eines donum superadditum zu reduzieren. Damit schufen sie die Grundlage für eine deutlich breitere Verankerung der ntl. Pneumatologien im frühjüdischen Geistverständnis. Allerdings sei notiert, dass Turner just das autoritative geistinspirierte Predigen im lukanischen Werk, das Schweizer und Menzies als entscheidenden Reflex des jüdischen Verständnisses des Geistes der Prophetie ausmachten, nicht im Frühjudentum vorgebildet sieht. 33 3.3 Griechisch-römischer Geist In vielfältiger Weise ist auch in der griechisch-römischen Literatur vom pneuma (bzw. spiritus) die Rede. Eine detaillierte Darstellung der griechisch-römischen Pneumavorstellungen ist an dieser Stelle nicht möglich. 34 In aller Kürze sei aber darauf verwiesen, dass die stoische Philosophie dem pneuma eine wichtige Rolle in der Kosmologie und Anthropologie zuschrieb. Man bestimmte das pneuma dort als in stofflicher Hinsicht tragendes Prinzip der gesamten materiellen Wirklichkeit und aller Lebensäußerungen des Menschen (Chrysipp, fr 473; Alexander Aphrodisiensis, De mixtione 216,14). 35 Der letztgenannte anthropologische Gesichtspunkt spielte auch in der antiken Medizin eine wichtige Rolle. Ärzte definierten das pneuma als elementare Lebenssubstanz des Menschen, dessen Zen- 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 7 Neues Testament aktuell 8 ZNT 25 (13. Jg. 2010) trum sie je nach Schulzugehörigkeit auf unterschiedliche Weise im Gehirn bzw. im Herzen verorteten. 36 Neben der Deutung als generelles Lebensprinzip in allen Dingen und Menschen konnte das pneuma speziell auch mit dem Phänomen der Inspirationen in Verbindung gebracht werden. Dies gilt im Besonderen für Pythia, die Priesterin in Delphi, deren Orakeltätigkeit man auf ein mantisches pneuma zurückführte. Dabei dachte man offenbar weniger an eine direkte ekstatische Eingebung denn an eine materielle, gasförmige Substanz, die angeblich aus der Erde hervortrat und zur Inspiration der Priesterin führte (Plutarch, DefOrac 432D; Strabon, Geogr 9,3,5; Cicero, Divin 1,79.115). 37 Nicht unerwähnt darf bleiben, dass die Stoa das Wesen Gottes als pneuma bestimmte (Aëtios 1,7,33; Origenes, Cels 6,71,4-12). Vor diesem Hintergrund konnte Seneca die Vorstellung der Immanenz Gottes im Menschen (»Gott ist dir nahe, er ist mit dir, ist in dir«) mit folgender bemerkenswerter Aussage kommentieren: sacer intra nos spiritus sedet (EpMor 41,1f.: »ein heiliger Geist wohnt in uns«). 38 Griechisch-römische Pneumavorstellungen dieser und anderer Art wurden auf unterschiedliche Weise in der jüdischen Literatur rezipiert, sei es, dass man sie rundweg übernahm, sei es, dass man sie implizit aufgriff, sie modifizierte oder auch kritisch reflektierte und abwies. In mehreren Beiträgen ist John R. Levison diesen vielfältigen Verarbeitungen in den jüdischen Schriften des 1. Jh.s n.Chr. nachgegangen, 39 und zwar speziell unter Rekurs auf Aussagen über den Geist und die Inspiration bei Philon, Josephus und Pseudo-Philon (Liber Antiquitatum Biblicarum). Levison ermittelt in den Texten der jüdischen Autoren jeweils äußerst komplexe eklektische Synthesen aus jüdisch-biblischen Geistvorstellungen auf der einen und griechisch-römischen Geistkonzeptionen philosophischer und volkstümlicher Prägung auf der anderen Seite. Er gelangt dergestalt zu der Überzeugung, dass es im 1. Jh. n.Chr. kein einheitliches, vermeintlich typisch jüdisches Geistkonzept gab. Kennzeichnend sei vielmehr die Koexistenz verschiedenster, z.T. inkompatibler jüdischer und nichtjüdischer pneuma- und Inspirationsvorstellungen, die selbst im Schriftenkorpus ein und desselben jüdischen Autors begegne. Es drängt sich die Frage auf, ob eine solche hybride, d.h. aus Mischungen entstandene Pneumatologie auch bei ntl. Autoren zu veranschlagen ist. 40 Inwieweit und in welcher Form sind dementsprechend griechisch-römische Vorstellungen in die Pneumatologien ntl. Schriften eingeflossen und/ oder als damaliger Rezeptionshintergrund der Texte ernst zu nehmen? Eine Extremposition, nämlich die einseitige Betonung griechisch-römischer Einflüsse, vertrat während des ersten Viertels des 20. Jh.s Hans Leisegang. Er behauptete zunächst mit Blick auf Philon, dieser verdanke seine Pneumavorstellungen nicht jüdischer Tradition, sondern gänzlich der Philosophie seiner Zeit, die angeblich bestrebt war, einen alten, durch die hellenistischen Mysterienkulte neu belebten Volksglauben durch die Verbindung mit platonischen und stoischen Philosophemen den Gebildeten annehmbar zu machen. Weiter postulierte er, in der solcherweise gänzlich griechisch geprägten philonischen Pneumatologie würden die wichtigsten Bestandteile der vom Christentum weiter ausgebauten »Spekulation vom Heiligen Geist« greifbar. 41 Mit großer Konsequenz verankerte er die Geistaussagen der synoptischen Evangelien demgemäß nicht in der atl.-jüdischen Tradition, sondern in der griechischen Vorstellungswelt der Mystik und korrelierte, um nur ein Beispiel zu nennen, die jungfräuliche Zeugung Jesu (geistbedingte Zeugung eines Kindes) mit Vorstellungen der griechischen Mystik und Mantik (geistbedingte Zeugung von Ideen). 42 Mit solch gewagten Konstruktionen und der völligen Ausblendung der Relevanz atl.-jüdischer Traditionen stieß Leisegang zu Recht auf Ablehnung. 43 Namentlich die in seinen Studien vorausgesetzte hermetische Abschottung jüdischer und griechischer Vorstellungswelten hat sich mit Blick auf die fragliche Zeit als historisch nicht haltbar erwiesen. 44 Gerade deshalb aber stellt sich die Frage nach der Bedeutsamkeit griechisch-römischer Auffassungen über das pneuma für ein angemessenes Verständnis der jüdisch geprägten frühchristlichen Geistvorstellungen umso mehr. Monika Christoph etwa zieht in ihrer rezeptionstheoretisch angelegten Dissertation über Röm 8 ausführlich griechisch-römische Geistkonzepte als »geistesgeschichtliche Assoziationskulisse« der paulinischen Aussagen heran. Im Sinne einer kommunikativen Strategie habe der Apostel die Ausführungen über das pneuma offen und anschlussfähig gehalten, um so auch den nichtjüdischen Adressaten die Möglichkeit zu bieten, diese mit ihrem Kulturwissen und ihren Erfahrungen anzureichern, was die Aufnahmebereitschaft für die paulinische Botschaft befördert hätte. 45 Terence Paige führt indes die Spannungen zwischen Paulus und den Korinthern bezüglich der Bedeutung des Geistes und der Geistgaben auf eine von den Korinthern missverständlich vollzogene Gleichsetzung des die Gemein- »sacer intra nos spiritus sedet« 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 8 Christian Strecker Zugänge zum Unzugänglichen ZNT 25 (13. Jg. 2010) 9 schaft befördernden pneuma Gottes mit der griechischen, individualistisch geprägten daimon-Vorstellung zurück. 46 Deutlich weiter gehen einige Exegeten, die postulieren, der Apostel selbst sei griechisch-römischen Vorstellungen gefolgt und habe das pneuma als materielle Entität verstanden. Nach Dale B. Martin war antiken Menschen die uns vertraute Vorstellung von Immaterialität noch fremd, sei doch die Idee einer Dualität von Materialität und Immaterialität erst mit René Descartes aufgekommen. Dementsprechend habe Paulus, wenn er vom pneuma spreche, eine stoffliche Größe im Blick. 47 Troels Engberg-Pedersen weist zwar die erstgenannte These Martins unter Verweis auf Platon zurück, folgt aber Martin im Grundsatz: pneuma markiere bei Paulus tatsächlich eine materielle Entität, die aus den im Himmel zu verortenden kosmischen Elementen Feuer und Luft zusammengesetzt sei, während sarx physische Körper auf der Erde bezeichne, die i.W. aus den beiden übrigen Elementen, Wasser und Erde, bestünden (z.T. aber auch aus Feuer und Luft). Paulus habe seine apokalyptische Weltsicht dergestalt mit Vorstellungen aus der zeitgenössischen philosophischen Kosmologie angereichert. 48 Nach Troy W. Martin spiegeln sich in den paulinischen Geistaussagen konkrete physiologische Vorstellungen der antiken Medizin. Der Empfang des pneuma erfolge hier wie dort über den Mund-Nasen-Raum (Verkündigung), die Poren der Haut (Wassertaufe) oder das Verdauungssystem (Eucharistie). Pneuma gewähre hier wie dort Antrieb, Rationalität, Gesundheit und Leben. 49 Selbstverständlich fehlt es diesbezüglich nicht an kritischen Stimmen. Namentlich Volker Rabens lehnt Thesen, die bei Paulus eine manifeste Materialität des pneuma ausmachen, nachdrücklich ab. 50 Christopher Forbes problematisiert überdies die in der Forschung weithin etablierte Rückführung der in Korinth praktizierten Geistphänomene der Glossolalie und der Prophetie auf griechisch-römische Volksreligiosität, indem er zahlreiche Differenzen herausarbeitet. 51 Hier rückt freilich bereits die religionsphänomenologische Ebene in den Blick. Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich die komplexe religionsgeschichtliche Debatte weiter entwickelt. 4. Religionsphänomenologische und -psychologische Zugänge »Wer am Worte haftet, kann das Leben nicht sehen.« 52 Mit dieser Mahnung richtete sich Hermann Gunkel vor nunmehr über einem Jahrhundert gegen die von ihm als »Fundamentalfehler« erachtete exegetische Praxis, den Begriff pneuma zu untersuchen, ohne die dahinterstehenden pneumatischen Erlebnisse zu beachten. In seiner 1888 in erster und 1909 in dritter Auflage veröffentlichten Studie »Die Wirkungen des heiligen Geistes« ging es ihm dementsprechend darum, die tatsächlichen Erfahrungen des Geistes in der sog. apostolischen Zeit und speziell bei Paulus zu erhellen, und zwar »gegenüber den Modernisierungen ungeschichtlich denkender und rationalistisch beeinflußter Exegeten, die von den ›Wirkungen‹ des pneuma nichts wissen und den ›Geist‹ nur zu einer Abstraktion machen.« 53 Gunkel stellte heraus: »Wir haben es in der Urgemeinde gar nicht mit einer Lehre vom heiligen Geist und seinen Wirkungen zu tun [...] Es handelt sich hier nicht um einen Glaubenssatz [...], sondern es handelt sich dabei um ganz concrete, allen in die Augen fallende Tatsachen, welche Gegenstand täglicher Erfahrung waren, und die man ohne weitere Ueberlegung unmittelbar als geistgewirkt empfand. Diese Erscheinungen machen das Vorhandensein des Geistes in den Augen der Urgemeinde zu einer Tatsache, an der zu zweifeln unmöglich ist.« 54 Vor diesem Hintergrund wies Gunkel den Auslegern gar die Aufgabe zu, sie müssten sich, um die ntl. Geistaussagen angemessen verstehen zu können, auf irgendeinem Weg in den Stand setzen, die tiefen inneren Erfahrungen der frühchristlichen Pneumatiker nachzuempfinden. 55 Den Geist definierte Gunkel dabei als »[d]ie übernatürliche Kraft Gottes, welche im Menschen und durch den Menschen Wunder wirkt«. 56 Für ihn ergab sich daher, dass nur derjenige die pneuma-Lehre etwa des Paulus angemessen verstehe, »der in die Weltanschauung des Supranaturalismus sich hineindenken kann und will«. 57 Gunkels nachdrückliche Akzentuierung der religiösen Erfahrung war bahnbrechend. Bald führten andere Exegeten seinen religionsphänomenologischen Ansatz fort. So ging Heinrich Weinel 1899 den »Wirkungen des Geistes« in der sog. nachapostolischen Zeit nach. Paul Volz widmete sich 1910 den im Alten Testament und der jüdischen Literatur bezeugten Geistwirkungen. 58 Bis heute findet Gunkels 1979 ins Englische übertragene Arbeit als Meilenstein der Erforschung frühchristlicher Geistaussagen Beachtung. Allerdings drängte der Siegeszug der Dialektischen Theologie bzw. der Kerygmatheologie und die Dominanz formgeschichtlicher Fragestellungen das Thema religiöser Geisterfahrungen zwischenzeitlich ins Abseits. Ab den 1970er Jahren erwachte das Interesse an den Geisterfahrungen der frühen Christusgläubigen jedoch von Neuem. Den Startschuss gab James D.G. Dunn. In seiner 1975 publizierten Studie »Jesus and the Spirit« 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 9 Neues Testament aktuell 10 ZNT 25 (13. Jg. 2010) ging er den im Neuen Testament reflektierten religiösen und charismatischen Erfahrungen Jesu und der ersten Generation der Christusgläubigen detailliert nach, und zwar - wie er im Vorwort schreibt - in der Überzeugung, »that religious experience is a vitally important dimension of man’s experience of reality«. 59 Mit Blick auf die religiösen Erfahrungen Jesu stellte Dunn heraus, dieser habe sich selbst in einzigartiger Weise als Gottes Sohn und als mit dem eschatologischen Geist gesalbt verstanden. Dieses Selbstbewusstsein habe Jesus gewonnen, weil er im Gebet Gott als Vater erfahren habe und weil er bei seinen öffentlichen Auftritten die effektive Kraft zu heilen und zu exorzieren wie auch die Inspiration zur Verkündigung des Evangeliums als Manifestation des endzeitlichen Geistes Gottes erlebt habe. Auch die frühesten christusgläubigen Gemeinden seien durch und durch charismatisch und enthusiastisch geprägt gewesen. Als Quelle der vielfältigen Geisterfahrungen und -wirkungen hätten sie Jesus erlebt. Ebenso besaßen das Leben des Apostels Paulus und seiner Gemeinden wie auch seine Theologie Dunn zufolge insgesamt eine diversen religiösen Erfahrungen aufruhende pneumatische Prägung. Auch Gordon Fee hebt in seiner 1994 unter dem Titel »God’s Empowering Presence« erschienenen umfangreichen Monographie zur paulinischen Pneumatologie nachdrücklich hervor, der Geist sei für Paulus primär erfahrene Realität gewesen. 60 Die paulinischen Geistaussagen ankerten zwar im Alten Testament und der jüdischen Literatur, doch gehe die Erfahrung des Geistes der besagten literarischen Verankerung voraus. 61 Fee zufolge fasste Paulus den Geist als persönliche Präsenz Gottes auf, und zwar Gottes als einer dreieinigen Realität. Fee bindet dergestalt den Erfahrungsaspekt in eine eminent theologisch-trinitarische Perspektive ein. Auf gänzlich andere Weise unterstreichen Luke Timothy Johnson und John Ashton die Bedeutung religiöser Erfahrungen. 62 Johnson rekurriert auf Edmund Husserls Phänomenologie und Joachim Wachs Definition religiöser Erfahrung, um auf dieser Grundlage die frühchristlichen Phänomene der Taufe, der Glossolalie und der Mahlpraktiken neu zu erhellen. Ashton zieht das auf Geisterfahrungen und ekstatische Kontakte mit Geistern fokussierte religionswissenschaftliche Modell des Schamanismus heran, um Paulus auf neue Weise als Konvertiten, Mystiker, Apostel, Propheten, Charismatiker und Geistbesessenen zu deuten. Verwiesen sei ferner auf Larry W. Hurtado. Er sieht in geistgewirkt erlebten religiösen Erfahrungen einen maßgeblichen Faktor der entscheidenden religiösen Innovation des frühen Christentums, nämlich der im Umfeld des jüdischen Monotheismus überraschend früh aufgekommenen kultischen Verehrung Jesu. 63 Zu nennen ist ferner die 2006 erschienene Studie »Holy Spirit and Religious Experience in Christian Literature ca. AD 90-200« von John Eifion Morgan-Wynne. 64 Die ehedem bei James Dunn abgefasste Dissertation stellt ein update der oben erwähnten Untersuchung von Heinrich Weinel dar. Sie sichtet und erörtert die in der dritten bis fünften christusgläubigen Generation fortbestehende Präsenz von Geisterfahrungen in unterschiedlichen geographischen Räumen (Syrien, Kleinasien, Griechenland, Rom, Südgallien, Nordafrika und Ägypten). Die besagten Geisterfahrungen unterteilt Morgan-Wynne in drei Hauptkategorien, nämlich erstens »God’s presence«, worunter er ekstatische Ergriffenheit, Empfindungen des Numinosen u.ä. zusammenfasst, zweitens »divine illumination«, worunter er Erfahrungen subsumiert, die zu einem tieferen Verständnis der göttlichen Absichten mit Blick auf ein Individuum oder Gemeinschaften führten, und drittens »divine power«, worunter er Phänomene der Bestärkung im ethischen Verhalten und der Entwicklung des Charakters versteht. Ausführlich widmet sich Gerd Theißen in seiner 2007 publizierten »Psychologie des Urchristentums« der »spirituellen Dimension der urchristlichen Religion«. 65 Pneuma sei der Begriff, den das Urchristentum für die ihm eigenen religiösen Erfahrungen geprägt habe. Die Gestalt und Bedeutung der urchristlichen Geisterfahrungen fasst Theißen wie folgt zusammen: »Pneuma begegnet in zwei Varianten: als ständige Ausstattung aller Christen und als Einbruch einer irrationalen Macht in das Leben, d.h. als normal- und grenzreligiöses Phänomen. Der Begriff hat drei Dimensionen: Er bezeichnet eine Kontaktaufnahme mit Gott, die durch Gott selbst ermöglicht wird. Er ist die Kraft der Gemeinschaft, durch die sich Menschen so eng verbunden fühlen wie Glieder eines Leibes. Und er ist Motivation zu einem neuen ethischen Leben.« 66 Die Vielgestaltigkeit der spirituellen Dimension des frühchristlichen Lebens entfaltet Theißen ausführlich und profund unter den Überschriften religiöse Wahrnehmung (Transparenz und Vision), religiöse Emotionen (Furcht und Freude), religiöses Sprechen (Beten und Glossolalie), religiöse Veränderung (Umkehr und Konversion) und religiöse Bindung (Wort- und Wunderglaube). Zu guter Letzt sei Clint Tibbs jüngst erschienene Spezialstudie zu den »Wer am Worte haftet, kann das Leben nicht sehen.« 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 10 Christian Strecker Zugänge zum Unzugänglichen ZNT 25 (13. Jg. 2010) 11 in 1Kor 12 und 14 beschriebenen Geisterfahrungen erwähnt, die explizit einen erfahrungsbezogenen Ansatz verfolgt. Tibbs postuliert, Paulus thematisiere in den genannten Kapiteln eine über menschliche Medien vollzogene Kommunikation mit der Geisterwelt. 67 Angesichts all dieser erfahrungsorientierten Untersuchungen der ntl. Geistaussagen ist Gunkels Monographie, die diesen Zugang eröffnete, mit Recht als »watershed publication« zu bezeichnen. 68 Kritik an Gunkel und der phänomenologischen Deutung der ntl. Geisterfahrungen insgesamt blieb freilich nicht aus. So betont Anthony C. Thiselton mit Blick auf die paulinischen Ausführungen zu den Charismen in 1Kor 12 und 14, es wäre verfehlt, hier den Fokus auf die religiöse Erfahrung zu legen »rather than on the generosity of God’s sovereign gift of himself in a variety of ways«. 69 Die gründlichste Kritik an Gunkels phänomenologischem Deutungsansatz formulierte Friedrich Wilhelm Horn in seiner 1992 unter dem Titel »Das Angeld des Geistes« publizierten Habilitationsschrift. Neben exegetischen Einwürfen und berechtigten Anfragen an Gunkels Plädoyer, man müsse sich in den Pneumatiker einfühlen, 70 formulierte Horn folgenden prinzipiellen Einwand gegen die phänomenologische Deutung der ntl. Geistaussagen: Er moniert, dass bei diesem Ansatz mit einem verfehlten positivistischen Erfahrungsbegriff gearbeitet werde. Es sei generell problematisch, von der Aussageebene auf die Erfahrungsebene zu schließen. Dabei bleibe die Interdependenz von Wahrnehmung und Interpretation unberücksichtigt. Ein positivistischer Einsatz bei den Tatsachen verbiete sich mithin, weil es keine uninterpretierte Erfahrung gäbe. Horn gelangt so zu der These, dass die in den pln. Schriften wiederholt formulierte »Behauptung des Geistbesitzes primär eine theoretische Folgerung urchristlicher Theologie« 71 sei, die sich just aus jener besagten Interdependenz von Wahrnehmung und Deutung ergebe. Horn räumt folglich nicht der Erfahrung, sondern der theologischen Lehre den Primat ein. In der Tat ist Vorsicht geboten, wenn man von ntl. Texten ungebrochen auf dahinterliegende Erfahrungswelten zurückschließen will, werden dergestalt doch leicht literarische, theologische, apologetische und andere Motive der vermeintlichen Tatsachenberichte ausgeblendet. Hinzu kommt, dass Erfahrungen zweifelsohne nicht einfach rundweg von ihrer Deutung respektive einem sie tragenden Diskurs zu trennen sind. Das Verhältnis von »Erfahrung« und »Deutung/ Diskurs« ist indes mit komplexen philosophischen Problemen verbunden, die hier nicht erörtert werden können. Man wird aber fragen müssen, ob Horns Relativierung der Tragweite frühchristlicher Geisterfahrungen zugunsten einer Betonung der theoretischen Dimension nicht doch überakzentuiert ist. So fällt es schwer, etwa die pln. Aussagen in 1Thess 1,5 und Gal 3,1-5 als i.W. theologische Bekundungen jenseits konkreter Geisterfahrungen zu verstehen. Auf dieser Linie wies Volker Rabens in einer detaillierten Replik darauf hin, dass zwar bestimmte religiös-dogmatische Aussagen, etwa: »Gott ist omnipräsent«, selbstverständlich ohne Erfahrungsbezug formuliert werden könnten, dass aber die theologische Behauptung der persönlichen Widerfahrnis eines bestimmten Vorgangs oder Ereignisses bei gleichzeitigem Fehlen eines entsprechenden persönlichen Erlebens problematisch sei. Zudem lasse sich die frühchristliche Überzeugung, der endzeitliche Geist sei ausgegossen worden, letztlich nur schwer von entsprechenden Machterweisen und Geistgaben abkoppeln und rundweg auf die Formulierung religiöser Theorie reduzieren. 72 Ein besonnener phänomenologischer, erfahrungsbezogener Zugang zu den ntl. Geistaussagen ist daher durchaus sinnvoll und angezeigt. 73 Sozialgeschichtliche und kulturanthropologische Studien unterstreichen dies auf ihre Weise. 5. Sozialgeschichtliche und kulturanthropologische Zugänge Sozialgeschichtliche und kulturanthropologische Zugänge erweitern den Kanon der klassischen Methoden der ntl. Wissenschaft dahingehend, dass sie gezielt den komplexen sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Faktoren nachgehen, die die Welt der biblischen Texte bzw. deren Autoren und Rezipienten maßgeblich prägten. 74 Hier öffnet sich ein äußerst weites Untersuchungsfeld. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die Besprechung einiger ausgewählter Thesen zur dämonischen Besessenheit im Neuen Testament, 75 nämlich deren Deutung als symbolische Akte politischen Widerstands, als veränderte Bewusstseinszustände und als Performanzen. Etliche sozialgeschichtliche Studien weisen den im Neuen Testament mehrfach bezeugten Fällen dämonischer Besessenheit und den Exorzismen Jesu eine emi- »In der Tat ist Vorsicht geboten, wenn man von ntl. Texten ungebrochen auf dahinterliegende Erfahrungswelten zurückschließen will« 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 11 Neues Testament aktuell 12 ZNT 25 (13. Jg. 2010) nent politische Bedeutung zu. Dies geschieht zumeist auf der Grundlage strukturfunktionalistischer Überlegungen, wie sie klassisch Ioan M. Lewis in seiner 1971 in erster und 2003 in dritter Auflage erschienenen Studie »Ecstatic Religion« formulierte. 76 Lewis unterscheidet darin zwischen peripherer und zentraler Besessenheit. Unter peripherer Besessenheit versteht er eine Form des indirekten Widerstands unterdrückter Gruppen (vor allem von Frauen) gegen die Mächtigen, die deren Überlegenheit indes nicht wirklich bedroht. Geprägt wird sie von marginalen Geistern, die der Moral der Gesellschaft entgegenstehen. Zentrale Besessenheit begegnet hingegen im Rahmen der offiziellen Verehrung von Göttern oder auch Ahnen, die die öffentliche Moral verkörpern und/ oder stützen. In beiden Fällen wird Besessenheit gezielt auf das Moment der Funktionalität innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung hin betrachtet. Auf dieser Linie deuten nicht wenige sozialgeschichtliche Exegeten die im Neuen Testament geschilderten Besessenheitsfälle und Exorzismen Jesu im Sinne peripherer Besessenheit als symbolisches politisches Protestverhalten gegen die damals herrschende koloniale Unterdrückung Palästinas durch die Römer bzw. als subversive Praxis der sozial Marginalisierten. Vertreter dieser Position sind John Dominic Crossan, Richard A. Horsley, Paul W. Hollenbach, Santiago Guijarro und hierzulande Gerd Theißen. 77 Auf die unterschiedlichen Akzente, die die Genannten in ihren Auslegungen setzen, kann hier nicht näher eingegangen werden. Selbstverständlich ist dieser Deutungsansatz nicht unumstritten. Kritiker werfen u.a. ein, die Grundvoraussetzung dieses Erklärungsmodells habe damals nicht vorgelegen, nämlich eine massive politische Unterdrückung der Bevölkerung, 78 eine These, die freilich ihrerseits umstritten ist. 79 Ein anderer, in der jüngeren Exegese wiederholt beschrittener Weg zur Deutung der besagten Phänomene ist die Heranziehung der von Erika Bourguignon entwickelten Theorie veränderter Bewusstseinszustände (altered states of consciousness = ASC). Den Ausgangspunkt dieser Theorie bildet eine breit angelegte statistische Untersuchung, die Bourguignon in den Jahren 1963-1968 an der Ohio State University leitete. Auf der Basis des »Human Relations Area File«, einer umfangreichen Sammlung ethnographischen Datenmaterials, wurden in der Studie 488 Gesellschaften, die sich über alle Erdteile erstrecken, auf das Vorkommen von mehr oder weniger institutionell geprägten veränderten Bewusstseinszuständen hin untersucht. Es ergab sich, dass in 437 der überprüften Gesellschaften ein mehr oder weniger offizieller Umgang mit veränderten Bewusstseinszuständen nachweisbar war, wobei 251 Gesellschaften diese Zustände mit Besessenheit von Geistern in Verbindung brachten. Angesichts dieser großen Verbreitung gelangte Bourguignon zu der Überzeugung, veränderte Bewusstseinszustände seien als ein »psychophysisches Vermögen der Spezies« zu verstehen, dessen Nutzung, Institutionalisierung und Prägung kulturbedingt wäre. Auf dieser Grundlage entwickelte sie eine Typologie der kulturellen Klassifizierung bzw. Interpretation der besagten Bewusstseinszustände, die zwischen Besessenheitstrance und Trance als den beiden große Typen der altered states of consciousness unterscheidet. 80 In der Exegese arbeitet John J. Pilch seit geraumer Zeit mit diesem Modell. 81 Unterschiedliche Anwendung speziell auf die ntl. Fälle der Geistbesessenheit finden sich u.a. bei Stevan L. Davies 82 und John Dominic Crossan. Letzterer koppelt das Modell mit dem oben erläuterten politischen Erklärungsansatz. 83 Kritische Stimmen fehlen freilich auch hier nicht. So wird u.a. eingewendet, die exegetische Applikation der Theorie veränderter Bewusstseinszustände projiziere letztlich moderne, individualistisch geprägte psychologische Vorstellungen auf antike Texte und sei daher verfehlt. 84 Vor dem Hintergrund einer generellen Problematisierung sowohl strukturfunktionalistischer wie auch psychologischer und mit dem ASC-Modell arbeitender Deutungen schlägt Christian Strecker vor, die im Neuen Testament berichteten Fälle von Besessenheit als Performanzen zu verstehen. Besessenheit sei ein performatives Interaktionsgeschehen, das einem geprägten kulturellen Muster aufruhe. Die Besessenen aktivierten in dramatischer Form coram publico jenes Rollenmuster, das in ihrer Gesellschaft als Indiz für Besessenheit galt. Die performance des Musters bringe dabei im Sinne eines performativen effet de réel die dämonische Wirklichkeit hervor. Die Exorzismen Jesu deutet Strecker vor diesem Hintergrund als transformances, d.h. »Etliche sozialgeschichtliche Studien weisen den im Neuen Testament mehrfach bezeugten Fällen dämonischer Besessenheit und den Exorzismen Jesu eine eminent politische Bedeutung zu.« »Die performance des Musters bringe dabei im Sinne eines performativen effet de réel die dämonische Wirklichkeit hervor.« 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 12 Christian Strecker Zugänge zum Unzugänglichen ZNT 25 (13. Jg. 2010) 13 als performative Aufsprengung der besagten dämonischen Wirklichkeit, kraft derer die Identität der Besessenen neu konstituiert, die Platzordnung in der sozialen Arena neu geregelt und die kosmische Ordnung proleptisch neu etabliert werde (Anbruch der Basileia). 85 6. Redaktionskritische Zugänge Die komplexesten Geisttheologien des Neuen Testaments finden sich in den Protopaulinen, im lukanischen Doppelwerk und im johanneischen Schrifttum. Das Gros der ntl. Untersuchungen zum Thema »Geist« ist dem jeweils spezifischen Profil meist einer dieser drei großen Pneumatologien gewidmet. Dies spiegelt sich auch in diesem Heft wider. 86 Es ist nicht möglich, in diesem Überblicksartikel auch nur annähernd der Breite und Vielfalt der Forschungen über die drei Geisttheologien gerecht zu werden. Im Folgenden können nur wenige ausgewählte Fragestellungen, Kontroversen und Positionen kurz angerissen werden. Einige Aspekte kamen bereits in den voranstehenden Darlegungen zur Sprache. Zu Paulus: Seit Langem ist die Frage nach der Eigenart der paulinischen Pneumatologie im Verhältnis zur vorpaulinischen Tradition Gegenstand einer breiten Debatte. 87 Umstritten ist zumal, ob die soteriologische Akzentuierung der Geistaussagen in den Protopaulinen gänzlich auf den Apostel selbst zurückgeht. Robert P. Menzies bejaht dies. Er postuliert, in der vorpaulinischen Pneumatologie sei dem Geist noch keine soteriologische Signifikanz zugekommen. Eine solche begegne erstmals bei Paulus, wobei der früheste Beleg, nämlich 1Kor 2,6-16, zeige, dass der Apostel sich diesbezüglich auf Weish 9,9-18 bzw. entsprechende weisheitliche Traditionen stützte. 88 Menzies wendet sich mit dieser These namentlich gegen Johannes Sijko Vos, der behauptet hatte, bereits in der vorpaulinischen Gemeinde seien Vorstellungen über die Heilsbedeutung des Geistes etabliert gewesen. 89 Max Turner macht indes gegen Menzies geltend, dass die soteriologische Dimension der paulinischen Pneumatologie bereits in 1Thess 4,8 (und 1,4.5.8) und nicht erst in 1Kor 2,6-16 greifbar werde, dass diese dort in der Prophetie Ezechiels und nicht in der Weisheit ankere und dass dem Apostel durchaus Vorstellungen über die Heilsbedeutung des Geistes vorgegeben waren, was sich an dem von Friedrich Wilhelm Horn 90 herausgearbeiteten vorpaulinischen pneumatologischen Formelgut ablesen lasse. 91 Wie auch immer man zu diesen Thesen stehen mag, die Frage nach der Eigenart und Originalität der paulinischen Pneumatologie erfordert in jedem Fall eine Sichtung und Bewertung der möglichen Ausgangspunkte und Hintergründe des paulinischen Geistverständnisses. Dazu zählen neben der vielgestaltigen vorpaulinischen Tradition und diversen atl.-jüdischen Aussagen über den Geist auch Geisterfahrungen des Apostels und v.a. sein Damaskuserlebnis. All diese Faktoren werden in der Forschung auf sehr unterschiedliche Weise kombiniert und gewichtet, um vor diesem Hintergrund das spezifische Profil der paulinischen Pneumatologie zu erhellen. 92 Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Frage einer möglichen Entwicklung des paulinischen Geistverständnisses. Der diesbezüglich profilierteste Vorschlag stammt von Friedrich Wilhelm Horn. Er postuliert eine Entwicklung in drei Stufen, nämlich von der Frühphase im 1Thess über die Auseinandersetzung mit dem pneumatischen Enthusiasmus im 1Kor bis hin zur Auseinandersetzung mit der judenchristlichen Gegenmission im 2Kor, Gal und Phil. 93 An dieses Entwicklungsmodell wurden selbstredend zahlreiche Anfragen gerichtet. 94 Über die bisher genannten grundsätzlichen Fragestellungen hinaus sind schließlich zahlreiche Einzelprobleme der paulinischen Pneumatologie in der Diskussion, seien es die religionsgeschichtliche Herkunft und die Bedeutung der Antithese von sarx und pneuma, 95 das Verhältnis von Geist und Gesetz, 96 die Rolle des Geistes in der Ethik, 97 die Bestimmung des Verhältnisses des Geistes zum Selbst der Glaubenden 98 u.a.m. Zu Lukas: Auch die Geistaussagen im lukanischen Doppelwerk werfen Fragen auf und sind Gegenstand vieler Kontroversen. 99 Unter Punkt 3.2 wurde die Debatte über das Profil des jüdischen »Geistes der Prophetie«, den maßgeblichen traditionsgeschichtlichen Hintergrund der lukanischen Pneumatologie, bereits dargelegt. An diese Debatte knüpft eine der meistdiskutierten Schlüsselfragen an: Schreibt Lukas dem Geistempfang soteriologische Relevanz bzw. Heilsnotwendigkeit zu oder versteht er die Geistverleihung lediglich als ein donum superadditum, das bereits errettete Christusgläubige für bestimmte Aufgaben zurüstet, v.a. für das Christuszeugnis in der Mission? Auffällig ist, dass Lukas das Heil an keiner Stelle in seinem Werk ex- »Schreibt Lukas dem Geistempfang soteriologische Relevanz bzw. Heilsnotwendigkeit zu oder versteht er die Geistverleihung lediglich als ein donum superadditum [...]? « 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 13 Neues Testament aktuell 14 ZNT 25 (13. Jg. 2010) so als Zurüstung für eine missionarische Aufgabe, die soteriologisch bedeutsam sei. Die volle Umsetzung der Aufgabe werde bei Lukas indes erst mit der Erhöhung Jesu und der Geistverleihung an Pfingsten möglich. Die Missionare erhielten nun vom Erhöhten den Geist der Prophetie als Kraft für die Mission, alle Christen aber als Gabe für den Aufbau der messianischen Gemeinschaft, 105 in der sich jenes neue Leben in der Anbetung Gottes ereigne, das Rettung bedeute und zur endgültigen Rettung hinführe. 106 Eine weitere Debatte kreist um die Frage, ob im lukanischen Werk Veränderungen im Wirken des Geistes vorausgesetzt sind, die verschiedene Heilsepochen markieren. Heinrich von Baer, Hans Conzelmann und James D.G. Dunn bejahen dies und eruieren bei Lukas ein Drei-Epochen- Schema (Zeit Israels, Zeit Jesu, Zeit der Kirche). 107 Andere negieren ein in der Pneumatologie ankerndes Denken in Heilsepochen bei Lukas rundweg. 108 Zu Johannes: Schließlich stellen auch die Geistaussagen der johanneischen Literatur eine exegetische Herausforderung dar. Dies gilt zumal für das Evangelium. Die dort begegnenden pneuma-Aussagen lassen sich in drei Kategorien untergliedern, nämlich vorösterliche Geistaussagen (1,32f.; 3,5-8.34; 4,23f.; 6,63; 7,39; 11,33; 13,21), Ausführungen über den Geistparakleten in den Abschiedsreden (14,16f.26; 15,26f.; 16,7b- 11.13-15) und die Angaben in 19,30 und 20,22. Diese Texte aufeinander abzustimmen, sie in ein mehr oder weniger kohärentes Ganzes einzubinden und dabei das Verhältnis zwischen Geist und Christus genau abzuklären, ist angesichts der vielfältigen Deutungsmöglichkeiten der Aussagen und Begriffe - dies gilt v.a. für den Begriff parakletos 109 - wie auch in Anbetracht der komplexen literarkritischen Fragen, die das Evangelium aufwirft, eine schwierige Aufgabe. Die exegetischen Ausdeutungen der johanneischen Pneumatologie sind dementsprechend vielgestaltig. Felix Porsch etwa erblickt im offenbarenden Wort den hermeneutischen Schlüssel. Die Geistgabe komme bei Johannes als Wortgeschehen zu stehen. Jesus gebe den Geist in seinem Wort. Diese Geistgabe vollziehe sich in zwei Stufen, zum einen im offenbarenden Wort des irdischen Jesus (Joh 3,34; 6,63), zum anderen in der Übermittlung des Geistes nach Jesu Verherrlichung (Joh 20,22). Sinn und Zweck der letztgenannten Übermittlung sei es, Jesu offenbarendes Wort vollauf zu erschließen und zu vertiefen, eine Aufgabe, der sich am Ende der Geistparaklet annehme, worin sich die entsprechenden Verheißungen in den Abschiedsreden erfüllten. 110 Gary M. Burge erschließt die johanneischen Geistaussagen indes konsequent über die Christologie. plizit auf den Geist zurückführt oder direkt an das pneuma bindet. Heilsvorgänge wie die Sündenvergebung oder Wundertätigkeiten stehen bei ihm zumindest in keinem direkten Kausalnexus zum Geistempfang. 100 Andererseits will bedacht sein, dass Lukas den Geistempfang keineswegs nur auf bestimmte missionarische Funktionsträger beschränkt, sondern ihn bei allen Christusgläubigen voraussetzt. In der Forschung begegnen diesbezüglich drei Grundpositionen: 1) James D.G. Dunn argumentiert in seiner 1970 erschienenen Studie »Baptism in the Holy Spirit«, die Geistgabe bilde im lukanischen Werk - wie im frühen Christentum überhaupt - das zentrale Element bzw. den Höhepunkt im Prozess der Christwerdung (»conversion-initiation«). Der Geist initiiere die Glaubenden bei Lukas in das neue Zeitalter, vermittle ihnen das Leben des neuen Bundes und besitze insofern unabdingbar soteriologische Relevanz. Diese im und mit dem Pfingstereignis angestoßene Dynamik sei in der Herabkunft des Geistes auf Jesus bei der Jordantaufe, die den epochalen Eintritt Jesu in das neue Zeitalter und den neuen Bund markiere, archetypisch vorgebildet. 101 In einem jüngeren Beitrag sucht Dunn die soteriologische Relevanz des Geistempfangs konkret an Lk 1,35; Apg 2,38; 10,43-48; 11,14-18; 15,7-9 zu belegen. 102 Er vermag damit aber nur bedingt zu überzeugen. 103 2) Gegen Dunn wandten und wenden pentekostale Exegeten ein, er vollziehe eine unzulässige Angleichung der lukanischen Pneumatologie an die paulinische. Im lukanischen Werk werde der Eintritt in den Bund qua Sündenvergebung nämlich klar von der Gabe des Geistes unterschieden. Letztere diene allein der göttlichen Zurüstung für kirchliche Aufgaben, v.a. für das missionarische Zeugnis, und besitze eben kein soteriologisches Gewicht. Die Jünger erhielten den Geist mithin nicht für sich, also für ihre Rettung und ihr spirituelles Leben, sondern für andere, wie der bereits mehrfach erwähnte Robert P. Menzies, einer der wichtigsten Protagonisten pentekostaler Exegese, betont. 104 3) Max Turner nimmt eine Mittelposition ein. Er tut dies, indem er die soteriologische Dimension der Geistverleihung im lukanischen Werk in eine spezifische heilsgeschichtliche Perspektive einbindet und sie nicht auf das Moment individuellen Heils reduziert. Im lukanischen Werk sei die Schaffung eines neuen Gottesvolkes im Blick. Der jüdische »Geist der Prophetie« erschiene dabei als jene Kraft, die Jesus am Jordan empfing, um Israel in einer Art neuem Exodusgeschehen zu reinigen und wiederherzustellen, was Rettung und ethische Erneuerung einschließe. Der Geist diene 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 14 Christian Strecker Zugänge zum Unzugänglichen ZNT 25 (13. Jg. 2010) 15 Er postuliert eine christozentrische Fundierung der johanneischen Pneumatologie. Johannes konzeptualisiere den Geist als integralen Bestandteil der Person Jesu, der mit seinem Tod bzw. seiner Verherrlichung freigegeben werde. Den Geist zu empfangen bedeute Jesus zu empfangen. Geisterfahrung sei Jesuserfahrung. Die wesentliche Funktion des Geistes bestehe daher in der Ermöglichung der Gemeinschaft mit Christus. Johannes bestimme den Parakleten dementsprechend als christus praesens in der johanneischen Gemeinschaft. Der pneumatisch geprägten johanneischen Gemeinschaft habe der geistgesalbte Christus dabei als Modell gedient. 111 Cornelis Bennema erschließt die johanneische Pneumatologie über die Soteriologie, die er i.W. als weisheitlich geprägt beschreibt. Der Geist schaffe und erhalte als »cognitive agent« eine rettende Beziehung zwischen den Glaubenden und dem Vater wie dem Sohn, und er tue dies durch die Vermittlung lebensspendender, rettender Weisheit, deren Quelle (»source«) Jesus selbst sei. Diese soteriologisch notwendige Weisheitsvermittlung des Geistes vollziehe sich bei Johannes auf je unterschiedliche Weise, sowohl während des irdischen Wirkens Jesu wie auch nach seinem Fortgang. Hier wie dort fungiere der Geist als »power of Saving W/ wisdom«, wobei »Wisdom« (groß geschrieben) für Jesus als inkarnierte Weisheit und »wisdom« (klein geschrieben) für rettendes (kognitives) Wissen steht. 112 Christina Hoegen-Rohls akzentuiert konsequent die nachösterliche Geisterfahrung der Glaubenden als maßgeblichen Deutehorizont johanneischer Theologie (namentlich der Christologie, Gottesauffassung, Ekklesiologie und Eschatologie). Das JohEv stelle eine »Konzeption im Rückblick« dar, welche die nachösterliche Realität in die Darstellung des vorösterlichen Geschehens integriere. Die zentrale nachösterliche Heilserfahrung bestehe bei Johannes darin, »[d]as vorösterliche Wort Jesu nachösterlich durch das vergegenwärtigende und erschließende Wirken des Geistes nachvollzogen und verstanden zu haben« und »das nachösterliche Wort des Postexistenten in der Verkündigung des Geistes mitvollziehen und erkennen zu können«. 113 Tricia Gates Brown erhellt die johanneische Pneumatologie gezielt vor dem Hintergrund der Rolle von Mittlern (broker) im Kontext antik-mediterraner Patron-Klienten-Beziehungen. Der irdische Jesus trete bei Johannes als broker zwischen Gott (dem Patron) und den Gläubigen (den Klienten) auf. Der außerhalb der Abschiedsreden erwähnte Geist verbinde dabei als göttlicher Geist den broker Jesus mit dem göttlichen Bereich und verleihe ihm Legitimität. Jesus vermittle diesen Geist den an ihn Glaubenden weiter, wodurch diese neu geboren und vollauf der Wohltaten Gottes als Patron teilhaftig würden. Bei dem Parakleten der Abschiedsreden handle es sich indes nicht um den christus praesens, sondern um einen weiteren, Jesus subordinierten broker, der nach Jesu Fortgang den Gläubigen Zugang zum verherrlichten Jesus eröffne, der seinerseits weiterhin als broker den Zugang zum Patron Gott und seinen Wohltaten ermögliche. 114 Keine der dargelegten Thesen konnte sich auf breiter Ebene etablieren. Dies liegt nicht zuletzt an dem großen Interpretationsspielraum, den wichtige johanneische Geistaussagen bieten. Ein flüchtiger Blick auf Joh 19,30 und 20,22 soll dies wenigstens andeuten. In Joh 19,30 heißt es über den Moment des Todes Jesu am Kreuz: »er übergab den Geist«. Liegt hier eine Umschreibung des Sterbens Jesu vor? Oder ist die in 7,39 angekündigte Geistgabe an die Christusgläubigen im Blick? Sollte Letzteres der Fall sein, wie verhält sich diese Geistgabe dann zu dem in Joh 20,22 thematisierten Geistempfang der Jünger? 115 Und wie ist Joh 20,22 für sich zu verstehen? Wird hier überhaupt ein realer Geistempfang beschrieben oder geht es um eine Verheißung? Ist Ersteres der Fall, welche Bedeutung kommt dieser Geistvermittlung dann zu? Geht es um die Einlösung der Parakletverheißung? Es fällt allerdings auf, dass in Joh 20,22 weder die Bedingung für das Kommen des Geistparakleten gegeben ist, nämlich der Weggang Jesu (vgl. Joh 16,7; nach 20,22 folgen weitere Begegnungen mit dem Auferstandenen), noch werden im Folgenden die in den Abschiedsreden verheißenen Aktivitäten des Parakleten als eingelöst beschrieben. Bildet der in Joh 20,22 erwähnte Geistempfang der Jünger also eine Vorstufe des erst später folgenden Kommens des Geistparakleten? Sollte dies der Fall sein, wie ist dann die Gabe des Geistes in zwei Schritten näherhin zu verstehen? 116 7. Schlussüberlegungen Es ließen sich selbstverständlich noch weitere Zugänge besprechen. Hierzu zählen narratologische Deutungsansätze, mit denen man insbesondere die lukanischen Geistaussagen deutet. 117 Auch systematisch-theologische Vorstellungen und konfessionelle Prägungen spielen eine wichtige Rolle. Dies zeigt sich zumal bei der Kontroverse über die Frage, ob und inwiefern es angemessen ist, aus den ntl. Geistaussagen, insbesondere den paulinischen und johanneischen, trinitarisches Denken zu erheben. 118 Deutliche konfessionelle Diffe- 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 15 Neues Testament aktuell 16 ZNT 25 (13. Jg. 2010) renzen werden bei der Auslegung der vielgestaltigen lukanischen Angaben zum Verhältnis von Taufe und Geistverleihung greifbar. 119 Pentekostale Exegeten sehen hier die Unterscheidung zwischen Taufe und Geistgabe begründet, 120 James D.G. Dunn pocht vor dem Hintergrund seiner These eines umfassenden Prozesses der Christwerdung (»conversion-initiation«) dagegen auf die prinzipielle Zusammengehörigkeit von Taufe und Geistgabe auch im lukanischen Werk, 121 und katholische Exegeten wie Nikolaus Adler suchten ehedem aus der Samariaperikope (Apg 8,14-17) das Sakrament der Firmung abzuleiten, eine These, die heute kaum mehr vertreten wird. 122 Auf all diese Debatten kann hier nicht mehr eingegangen werden. Auch so dürfte zur Genüge deutlich geworden sein, dass die vielgestaltige ntl. Rede vom Geist ein Thema ist, das die exegetische Forschung ungeachtet der eingangs erwähnten Reserve Bultmanns aus unterschiedlichsten Perspektiven durchaus erkenntnisfördernd zu beleuchten weiß. Allerdings entzieht es sich in seiner Komplexität allen totalisierenden Zugriffen. Die in der ntl. Forschung eröffneten Zugänge zum Thema »Geist« sind insofern Zugänge zu einem in letzter Konsequenz Unzugänglichen. Darin reflektiert sich in gewisser Weise die theologische Bestimmung des Geistes, Zugänge zu Gott/ Christus zu öffnen und dabei doch die letzte Unzugänglichkeit Gottes zu wahren. Anmerkungen 1 R. Bultmann, Neues Testament und Mythologie. Das Problem der Entmythologisierung der neutestamentlichen Verkündigung. Nachdruck der 1941 erschienenen Fassung, hg. v. E. Jüngel, München 1985, 17f. (dort z.T. kursiviert). 2 Vgl. B.E. Hinze/ D.L. Dabney, Introduction, in: dies. (Hg.), Advents of the Spirit. An Introduction to the Current Study of Pneumatology, Milwaukee 2001, 11-34: bes. 17-22. 3 Vgl. dazu nur die einschlägigen Sammelartikel »Pfingstbewegung/ Pfingstkirchen« und »Charismatische Bewegung« in der RGG 4 . 4 Vgl. nur J. Moltmann, Der Geist des Lebens. Eine ganzheitliche Pneumatologie, München 1991; M. Welker, Gottes Geist. Theologie des Heiligen Geistes, Neukirchen-Vluyn 1992; s. ferner U. Körtner/ A. Klein (Hg.), Die Wirklichkeit des Geistes. Konzeptionen und Phänomene des Geistes in Philosophie und Theologie der Gegenwart, Neukirchen-Vluyn 2006. 5 Näheres zum Thema im Allgemeinen bei A. Faivre, Esoterik im Überblick. Geheime Geschichte des abendländischen Denkens, Freiburg 2001; K. von Stuckrad, Was ist Esoterik? Kleine Geschichte des geheimen Wissens, München 2004. 6 Vgl. zum Gehirn-Geist-Problem nur G.M. Edelman/ G. Tononi, Gehirn und Geist. Wie aus Materie Bewusstsein entsteht, München 2002; s. auch kritisch zum Thema P. Janich, Kein neues Menschenbild. Zur Sprache der Hirnforschung, Frankfurt a.M. 2009. 7 Vgl. z.B. R. Penrose, Schatten des Geistes. Wege zu einer neuen Physik des Bewusstseins, Heidelberg 1995; R. Kurzweil, The Age of Spiritual Machines. When Computers Exceed Human Intelligence, New York 2000. 8 Vgl. nur die freilich umstrittenen Thesen bei J. Searle, Geist. Eine Einführung, Frankfurt a.M. 2006. 9 Vgl. J. Derrida, Marx’ Gespenster. Der Staat der Schuld, die Trauerarbeit und die neue Internationale, Frankfurt a.M. 2004. Jahre zuvor äußerte sich Derrida bereits zum Gebrauch und Nichtgebrauch des Geistbegriffs im Werk Heideggers; vgl. ders., Vom Geist. Heidegger und die Frage, Frankfurt a.M. 1992. 10 G. Vattimo, Jenseits des Christentums. Gibt es eine Welt ohne Gott? München/ Wien 2004, 76. 11 Vgl. nur H.P. Duerr, Traumzeit. Über die Grenze zwischen Wildnis und Zivilisation, Frankfurt a.M. 1985; ders. (Hg.), Der Wissenschaftler und das Irrationale. Beiträge aus Ethnologie und Anthropologie, Philosophie und Psychologie, 4 Bde., Frankfurt a.M. 1985; K.-P. Köpping/ U. Rao (Hg.), Im Rausch des Rituals. Gestaltung und Transformation der Wirklichkeit in körperlicher Performanz, Münster u.a. 2000. 12 Ausführliche Forschungsüberblicke mit unterschiedlichen Schwerpunkten bieten u.a. R.P. Menzies, The Development of Early Christian Pneumatology with Special Reference to Luke-Acts (JSNT.S 54), Sheffield 1991, 18- 47; F. Bovon, Luke the Theologian. Fifty-Five Years of Research (1950-2005), Waco 2 2006, 225-272.536-541; J. Schröter, Actaforschung seit 1982. V. Theologische Einzelthemen, ThR 73 (2008), 150-196, bes.: 160-167; M. Turner, Power from on High. The Spirit in Israel’s Restoration and Witness in Luke-Acts, Sheffield 1996, 38-79; M. Wenk, Community-Forming Power. The Socio-Ethical Role of the Spirit in Luke-Acts, Sheffield 2000, 13-44; J. Hur, A Dynamic Reading of the Holy Spirit in Luke-Acts (JSNT.S 211), Sheffield 2001, 14- 26; T. Gates Brown, Spirit in the Writings of John. Johannine Pneumatology in Social-Scientific Perspective (JSNT.S 253), London/ New York 2003, 62-74; M. Fatehi, The Spirit’s Relation to the Risen Lord in Paul. An Examination of Its Christological Implications (WUNT II/ 128), Tübingen 2000, 23-45; F. Philipp, The Origins of Pauline Pneumatology. The Eschatological Bestowal of the Spirit upon Gentiles in Judaism and in the Early Development of Paul’s Theology (WUNT II/ 194), Tübingen 2005, 3-25; M. Christoph, Pneuma und neues Sein der Glaubenden. Studien zur Semantik und Pragmatik der Rede von Pneuma in Röm 8, Frankfurt a.M. 2005, 11-27; C. Tibbs, Religious Experience of the Pneuma. Communication with the Spirit World in 1 Corinthians 12 and 14 (WUNT II/ 230), Tübingen 2007, 77-108; V. Rabens, The Holy Spirit and Ethics in Paul. Transformation and Empowering for Religious-Ethical Life (WUNT II), Tübingen 2010. 13 Gesamtdarstellungen der komplexen Rolle des Geistes 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 16 Christian Strecker Zugänge zum Unzugänglichen ZNT 25 (13. Jg. 2010) 17 im Neuen Testament und frühen Christentum bieten M.-A. Chevallier, Souffle de Dieu. Le Saint-Esprit dans le Nouveau Testament, Bd. 1-2, Paris 1978.1990; J.D.G. Dunn, Jesus and the Spirit. A Study of the Religious and Charismatic Experience of Jesus and the First Christians as Reflected in the New Testament, London 1975; G. Montague, The Holy Spirit. Growth of a Biblical Tradition, New York u.a. 1976; J.E. Morgan-Wynne, Holy Spirit and Religious Experience in Christian Literature ca. AD 90-200, Milton-Keynes/ Waynesboro 2006; M. Turner, The Holy Spirit and Spiritual Gifts. In the New Testament Church and Today, Peabody 1998; G.N. Stanton u.a. (Hg.), The Holy Spirit and Christian Origins, FS J.D.G. Dunn, Grand Rapids/ Cambridge 2004; s. ferner J.D.G. Dunn, The Christ and the Spirit II: Pneumatology, Grand Rapids/ Cambridge 1998. Vgl. jetzt auch K. Erlemann, Unfassbar? Der Heilige Geist im Neuen Testament, Neukirchen-Vluyn 2010 und M. Ebner u.a. (Hg.), Heiliger Geist, JBTh 24 (2009). Die Studie von F. Dünzl, Pneuma. Funktionen des theologischen Begriffs in frühchristlicher Literatur (JAC.E 30), Münster 2000 beschränkt sich auf die frühchristliche Literatur im 2. Jh. n.Chr., ohne auf späte ntl. Schriften einzugehen. 14 Vgl. zur folgenden Zusammenfassung den schematischen Überblick bei M.E. Isaacs, The Concept of the Spirit. A Study of Pneuma in Hellenistic Judaism and its Bearing on the New Testament, London 1976, 154-156 und die Ausführungen bei F. Hahn, Theologie des Neuen Testaments II, Tübingen 2002, 262-288; s. auch G. Montague, The Fire in the Word. The Holy Spirit in Scripture, in: B.E. Hinze/ D.L. Dabney (Hg.), Advents of the Spirit, Milwaukee 2001, 35-65. 15 Die im Folgenden in Klammern hinzugefügten Belegstellen beanspruchen keine Vollständigkeit. 16 Vgl. J.D.G. Dunn, Geist/ Heiliger Geist. III. Neues Testament, RGG 4 III (2000), 565-567: 565. 17 Hahn, Theologie II, 267. 18 »Spektrologie« meint die Lehre von Gespenstern, Geistern und Phantomen. Der Begriff stammt von J. Derrida (vgl. Spectres de Marx, Paris 1993, 173.178 Anm. 1). Er wird hier jenseits jener komplexen philosophischen Implikationen gebraucht, die dem Gebrauch des Begriffs bei Derrida immanent sind. 19 Hahn, Theologie II, 262; vgl. ders., Das biblische Verständnis des Heiligen Geistes. Soteriologische Funktion und »Personalität« des Heiligen Geistes, in: C. Heitmann/ H. Mühlen (Hg.), Erfahrung und Theologie des Heiligen Geistes, Hamburg/ München 1974, 131-147: 131. 20 Vgl. nur Montague, Holy Spirit, 3-124; Turner, Holy Spirit, 3-20; Menzies, Development, 52-112; Wenk, Power, 54-118; Hur, Reading, 37-86; Philipp, Origins, 32-120; Fatehi, Relation, 47-163; C.S. Keener, The Spirit in the Gospels and Acts. Divine Purity and Power, Peabody 1997, 6-48; J.S. Vos, Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur paulinischen Pneumatologie, Assen 1973, 34-73; J.W. Yates, The Spirit and Creation in Paul (WUNT II/ 251), Tübingen 2008, 24-84; s. ferner G.D. Fee, God’s Empowering Presence. The Holy Spirit in the Letters of Paul, Peabody 1994, 904-917. J. Breck, Spirit of Truth. The Holy Spirit in Johannine Tradition, Bd. I: The Origins of Johannine Pneumatology, Crestwood 1991 berücksichtigt zumindest am Rand auch den klassischen griechischen Gebrauch von pneuma. 21 Vgl. nur Fee, Presence, 914f.; Keener, Spirit, 13-16; F.W. Horn, Das Angeld des Geistes. Studien zur paulinischen Pneumatologie (FRLANT 154), Göttingen 1992, 26- 36; V.H. Matthews, Art. »Holy Spirit«, ABD III (1992), 261-280: 263f.; Menzies, Development, 92-96; s. ferner B.D. Sommer, Did the Prophecy Cease? Evaluating a Reevaluation, JBL 115 (1996), 31-47; vgl. zur älteren Forschung nur J. Jeremias, Neutestamentliche Theologie I: Die Verkündigung Jesu, Gütersloh 3 1979, 84-86. 22 Vgl. dazu P. Schäfer, Die Vorstellung vom Heiligen Geist in der rabbinischen Literatur (StANT 28), München 1972, 89-115. Zur Diskussion über die möglichen Gründe der Verfestigung der Vorstellung vgl. Horn, Angeld, 35f. 23 Belege bei Horn, Angeld, 33f. 24 Vgl. Jeremias, Theologie I, 86; Horn, Angeld, 31f. 25 Vgl. J.R. Levison, Did the Spirit Withdraw from Israel? An Evaluation of the Earliest Jewish Data, NTS 43 (1997), 35-57; s. auch Turner, Holy Spirit, 190-192. Die nichtrabbinischen Textstellen wurden bereits von R. Meyer, R. Leivestad, D.E. Aune und F.E. Greenspahn hinsichtlich ihrer Beweiskraft für das besagte Dogma kritisch hinterfragt; s. dazu die Angaben bei Levison, a.a.O., 36 Anm. 13. Horn, Angeld, 28f. sortiert zumindest Ps 74,9; Sach 13,2-6 und Dan 3,38 (Th) als Belege aus, hält aber an dem »Dogma« als einer damals weithin etablierten Theorie fest. 26 Der Gebrauch des Begriffs »Geist der Prophetie« für das vorchristliche Judentum ist freilich insofern anachronistisch, als der Ausdruck erst in den Targumen auf breiter Ebene bezeugt ist. Näheres bei Turner, Power, 86.87f.89f.; Hur, Reading, 25 Anm. 35. 27 E. Schweizer, Art. pneuma ktl. E. Neues Testament, ThWNT VI (1959), 394-449: 407. 28 Vgl. Schweizer, pneuma, 410 mit Anm. 524. 29 Vgl. zum voranstehend Gesagten insgesamt Menzies, Development, 52-112. 30 Vgl. Menzies, Development, bes. 47-49.316-318. 31 Vgl. zum Folgenden Turner, Holy Spirit, 15-20; ders., Power, 82-183. Die nachstehenden Ausführungen bieten lediglich eine Auswahl der Textbesprechungen Turners, der auch Targumim und rabbinische Texte berücksichtigt. 32 Vgl. Wenk, Power, bes. 66-111.117f.; s. auch Keener, Spirit, 6.8-10 über den »Spirit of purification (the ethical function of the Spirit)«. 33 Vgl. Turner, Power, 101-103. Turner betont, dass der Geist der Prophetie im Frühjudentum als Macht begegne, durch die der Charismatiker Weisheit oder Offenbarung erhalte, nicht aber, wie im Christentum, als Macht, durch die er die Offenbarung kommuniziere (vgl. ebd., 102). Das Evangelium ist mithin nicht nur inspirierte, sondern auch inspirierende Rede. 34 Vgl. zum Folgenden und für eine erste Orientierung G. Verbeke, Art. Geist. II. Pneuma, HWP III (1974), 157- 162; A.A. Long/ D.N. Sedley, Die hellenistischen Philo- 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 17 Neues Testament aktuell 18 ZNT 25 (13. Jg. 2010) sophen. Texte und Kommentare, Stuttgart 2000, 342f.; T. Paige, Who Believes in »Spirit«? Pneuma in Pagan Usage and Implications for the Gentile Christian Mission, HTR 95 (2002), 417-436, bes. 420-433 sowie ausführlich H. Kleinknecht, Art. pneuma ktl. A. pneuma im Griechischen, ThWNT VI (1959), 333-357. 35 Vgl. bereits Anaximenes: »Wie unsere Seele, die Luft ist, uns beherrschend zusammenhält, so umfasst auch die ganze Weltordnung Hauch (pneuma) und Luft« (Diehls/ Kranz I, 95). 36 Näheres dazu in aller Kürze bei C. Oser-Grote, Art. Pneuma, in: K-H. Leven (Hg.), Antike Medizin, München 2005, 717f. 37 So Paige, Who Believes, 427-430; anders akzentuiert H.- J. Klauck, Die religiöse Umwelt des Urchristentums I, Stuttgart u.a. 1995, 153-155. 38 Auch die menschliche Vernunft gründete bei den Stoikern im göttlichen Geist; vgl. Seneca, EpMor 66,12. 39 Vgl. zum Folgenden J.R. Levison, The Spirit in First Century Judaism, Leiden 1997; ders., The Pluriform Foundation of Christian Pneumatology, in: B.E. Hinze/ D.L. Dabney (Hg.), Advents of the Spirit, Milwaukee 2001, 66-84. 40 Levison bejaht dies und verweist dazu auf den Pfingstbericht in Apg 2; vgl. Levison, Foundation, 73-84. 41 Vgl. H. Leisegang, Der Heilige Geist. Das Wesen und Werden der mystisch-intuitiven Erkenntnis in der Philosophie und Religion der Griechen, Leipzig/ Berlin 1919, bes. 241. 42 Vgl. H. Leisegang, Pneuma Hagion. Der Ursprung des Geistbegriffs der synoptischen Evangelien aus der griechischen Mystik, Leipzig 1922, 14-72. 43 Vgl. Horn, Angeld, 23f. Anm. 29; s. auch Paige, Who Believes, 420; Turner, Power, 26-29. 44 Wegweisend war und ist diesbezüglich die Untersuchung von M. Hengel, Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Bewegung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jh.s v.Chr. (WUNT 10), Tübingen 3 1988. 45 Vgl. Christoph, Pneuma. 46 Vgl. Paige, Who Believes, 435. 47 Vgl. D.B. Martin, The Corinthian Body, New Haven/ London 1995, bes. 3-15.21-25.127f.168-174. 48 Vgl. insgesamt T. Engberg-Pedersen, The Material Spirit. Cosmology and Ethics in Paul, NTS 55 (2009), 179- 197; zur besagten Kritik an Martin s. ebd., 182 Anm. 18. 49 Vgl. T.W. Martin, Paul’s Pneumatological Statements and Ancient Medical Texts, in: J. Fotopoulos (Hg.), The New Testament and Early Christian Literature in Greco- Roman Context, FS D.E. Aune (NT.S 122), Leiden 2006, 105-126. 50 Vgl. Rabens, Holy Spirit; s. auch den Beitrag in diesem Heft. 51 Vgl. Chr. Forbes, Prophecy and Inspired Speech in Early Christianity and Its Hellenistic Environment (WUNT 2/ 75), Tübingen 1995. 52 H. Gunkel, Die Wirkungen des Heiligen Geistes nach der populären Anschauung der apostolischen Zeit und der Lehre des Apostels Paulus. Eine biblisch-theologische Studie, Göttingen 3 1909, VI (pneuma dort in griechischen Lettern). 53 Gunkel, Wirkungen, III. 54 Gunkel, Wirkungen, 4 (»Lehre« dort gesperrt). 55 Vgl. Gunkel, Wirkungen, II.57. 56 Gunkel, Wirkungen, 23 (dort gesperrt). 57 Gunkel, Wirkungen, 101. 58 Vgl. H. Weinel, Die Wirkungen des Geistes und der Geister im nachapostolischen Zeitalter bis auf Irenäus, Leipzig/ Tübingen 1899; P. Volz, Der Geist Gottes und die verwandten Erscheinungen im Alten Testament und im anschließenden Judentum, Tübingen 1910. Weitere frühe erfahrungsorientierte Studien von H.B. Swete, E.H. Zaugg, H.W. Robinson und P.G.S. Hopwood bespricht Tibbs, Experience, 86-93. 59 Vgl. J.D.G. Dunn, Jesus and the Spirit, IX. 60 Fee, Presence, XXI: »For Paul the Spirit was an experienced reality«; vgl. auch ebd., 897. 61 Vgl. Fee, Presence, 915. 62 Vgl. L.T. Johnson, Religious Experience in Earliest Christianity, Minneapolis 1998; J. Ashton, The Religion of Paul the Apostle, New Haven/ London 2000. 63 Vgl. L. Hurtado, Religious Experience and Religious Innovation in the New Testament, in: ders., How on Earth Did Jesus Become a God, Grand Rapids 2005, 179-204; ders., Lord Jesus Christ. Devotion to Jesus in Earliest Christianity, Grand Rapids/ Cambridge 2003, 64-74. 64 Vgl. Anm. 13. 65 Vgl. G. Theißen, Erleben und Verhalten der ersten Christen. Eine Psychologie des Urchristentums, Gütersloh 2007, 111-250.541-545.564ff. 66 Theißen, Erleben, 541. 67 Tibbs, Experience, bes. 147ff. 68 So Hurtado, Experience, 181. 69 A.C. Thiselton, The First Epistle to the Corinthians. A Commentary on the Greek Text (NIGTC), Grand Rapids u.a. 2000, 98. 70 Vgl. Horn, Angeld, 14.21f.; zur Kritik an exegetischen Einzelergebnissen Gunkels s. Turner, Power, 24-26. 71 Horn, Angeld, 15. 72 Vgl. V. Rabens, The Development of Pauline Pneumatology. A Response to F.W. Horn, BZ 43 (1999), 161-79: 173; s. grundsätzlich auch J.D.G. Dunn, The Theology of Paul the Apostle, London/ New York 1998, 426-434. 73 Vgl. zum Thema jetzt grundsätzlich F. Flannery u.a. (Hg.), Experientia I: Inquiry into Religious Experience in Early Judaism and Christianity, Leiden/ Boston 2008. 74 Näheres dazu bei Chr. Strecker, Die liminale Theologie des Paulus. Zugänge zur paulinischen Theologie aus kulturanthropologischer Perspektive (FRLANT 185), Göttingen 1999, 13-39. 75 Böse Geister werden im Neuen Testament als daimonia (Mt 8,31: daimones) bezeichnet, können aber auch pneumata genannt werden (Übersicht bei Tibbs, Experience, 311f.). Letzteres geht auf die Übersetzung von ruach mit pneuma in der L XX zurück, die eine Anwendung des griech. Terminus auf personhafte Geistwesen eröffnete; Näheres bei Tibbs, Experience 59f. Anm. 186. 76 Vgl. I.M. Lewis, Ecstatic Religion. A Study of Shamanism and Spirit Possession, London 3 2003. 77 Vgl. J.D. Crossan, Der historische Jesus, München 1994, 417ff.; ders., Jesus. Ein revolutionäres Leben, München 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 18 Christian Strecker Zugänge zum Unzugänglichen ZNT 25 (13. Jg. 2010) 19 1996, 121ff.; P.W. Hollenbach, Help for Interpreting Jesus’ Exorcisms, SBL Seminar Papers 1993, 119-128; R.A. Horsley, Jesus and the Spiral of Violence. Popular Jewish Resistance in Roman Palestine, San Francisco 1987, 188-190; ders., »My Name is Legion«. Spirit Possession and Exorcism in Roman Palestine, in: F. Flannery u.a. (Hg.), Experientia I, Leiden/ Boston 2008, 41-58; S. Guijarro, Die politische Wirkung der Exorzismen Jesu - Gesellschaftliche Reaktionen und Verteidigungsstrategien in der Beelzebul-Kontroverse, in: W. Stegemann u.a. (Hg.), Jesus in neuen Kontexten, Stuttgart 2002, 64-74; G. Theißen, Urchristliche Wundergeschichten. Ein Beitrag zur formgeschichtlichen Erforschung der synoptischen Evangelien (StUNT 8), Gütersloh 6 1990, bes. 229ff. 78 Vgl. S.L. Davies, Jesus the Healer. Possession, Trance, and the Origins of Christianity, New York 1995, 80f., der sich diesbezüglich auf E.P. Sanders beruft und Besessenheit ebd., 81ff. seinerseits statt auf politische auf familiäre Konflikte zurückführt. 79 Die Bewertungen der politischen, sozialen und ökonomischen Situation in Galiläa und Judäa zur Zeit Jesu gehen in der Forschung auseinander. Einerseits postuliert man eine manifeste Krise (so G. Theißen, Die Jesusbewegung. Sozialgeschichte einer Revolution der Werte, Gütersloh 2004, bes. 131-241; R.A. Horsley, Galilee. History, Politics, People, Valley Forge 1995) andererseits eine, gemessen an den üblichen Verhältnissen im Imperium Romanum, relativ normale und stabile Situation (so E.P. Sanders, Sohn Gottes. Eine historische Biographie Jesu, Stuttgart 1996, 33ff.). 80 Vgl. zum Gesagten insgesamt E. Bourguignon (Hg.), Religion, Altered States of Consciousness, and Social Change, Columbus 1973; dies., Possession, San Francisco 1976. 81 Vgl. nur J.J. Pilch, Visions in Revelation and Alternate Consciousness. A Perspective from Cultural Anthropology, Listening 28 (1993), 231-244; ders., Altered States of Consciousness. A ›Kitbashed‹ Model, BTB 26 (1996), 133-138; s. zum Thema generell auch S. Vollenweider, Außergewöhnliche Bewusstseinszustände und die urchristliche Religion, EvTh 65 (2005), 103-117. 82 Vgl. Davies, Jesus, 22ff. 83 Vgl. Crossan, Leben, 119ff. 84 So Horsley, Name, 41f. Neben dieser Fundamentalkritik begegnen auch Einzelkritiken. So problematisiert etwa Brown, Spirit, 205-208 die Anwendung des ASC-Modells speziell auf den johanneischen Geistparakleten, stellt aber die exegetische Verwertbarkeit des Modells grundsätzlich nicht infrage. 85 Vgl. Chr. Strecker, Jesus und die Besessenen. Zum Umgang mit Alterität im Neuen Testament am Beispiel der Exorzismen Jesu, in: W. Stegemann u.a. (Hg.), Jesus in neuen Kontexten, Stuttgart 2002, 53-63. 86 Vgl. die Beiträge von Richard B. Hays zu Paulus und Kristina Dronsch zu Johannes sowie die Kontroverse zwischen Odette Mainville und François Vouga über Lukas in diesem Heft. 87 Vgl. zur älteren Forschungsgeschichte Vos, Untersuchungen, 1-25. 88 Vgl. Menzies, Development, bes. 282-315. 89 Vgl. Vos, Untersuchungen, bes. 144f. 90 Vgl. Horn, Angeld, 62-65. 91 Vgl. Turner, Holy Spirit, 108. 92 Als ein Beispiel sei die jüngere These von Finny Philipp herausgegriffen. Danach gründete das Geistverständnis des Apostels in dem Glauben, dass Gott den Nichtjuden den Geist abseits der Tora gespendet habe. Diese Überzeugung gründe primär in seinem Damaskuserlebnis und sekundär in seinen Erfahrungen als Missionar der Antiochenischen Gemeinde; vgl. Philipp, Origins, bes. 27f.225-227. 93 Vgl. Horn, Angeld, 119-383. 94 Vgl. nur Rabens, Development, 174-179; Turner, Holy Spirit, 105-107; A.J.M. Wedderburn, Pauline Pneumatology and Pauline Theology, in: Stanton u.a. (Hg.), Holy Spirit, 144-156: 145-148. 95 Vgl. nur W.B. Russell III, The Flesh/ Spirit Conflict in Galatians, Lanham u.a. 1997; J. Frey, Die paulinische Antithese von »Fleisch« und »Geist« und die palästinischjüdische Weisheitstradition, ZNW 90 (1999), 45-77, bes. 46-48 (Forschungsüberblick). 96 Vgl. E. Reinmuth, Geist und Gesetz. Studien zu Voraussetzungen und Inhalt der paulinischen Paränese, Berlin 1985; J.A. Bretone, The Law and the Spirit. Experience of the Spirit and Displacement of the Law in Romans 8,1-16, New York 2005. 97 Vgl. Rabens, Holy Spirit (mit Forschungsüberblick); A. Munzinger, Discerning the Spirits. Theological and Ethical Hermeneutics in Paul (MSSNTS 140), Cambridge 2007. 98 Vgl. S. Vollenweider, Der Geist Gottes als Selbst der Glaubenden. Überlegungen zu einem ontologischen Problem in der paulinischen Anthropologie, ZThK 93 (1996), 163-192; Chr. Landmesser, Der Geist und die christliche Existenz. Anmerkungen zur paulinischen Pneumatologie im Anschluß an Röm 8,1-11, in: Körtner/ Klein (Hg.), Wirklichkeit, 129-152. 99 Vgl. die Fragen bei Bovon, Luke, 230 und die kurze Sichtung der Debatten bei Hur, Reading, 23-26. 100 So Schweizer, Art. pneuma, 410; F. Avemarie, Die Tauferzählungen der Apostelgeschichte. Theologie und Geschichte (WUNT 139), Tübingen 2002, 161. Turner, Power, 430 postuliert indes unter Verweis auf Lk 1,35; 4,18-25; 7,21f.; Apg 10,38 eine Verbindung von Geist und Machttaten. 101 Vgl. J.D.G. Dunn, Baptism in the Holy Spirit. A Re- Examination of the New Testament Teaching on the Gift of the Spirit in Relation to Pentcostalism Today, London 1970, bes. 31f.40ff. 102 Vgl. J.D.G. Dunn, Baptism in the Spirit: A Response to Pentecostal Scholarship on Luke-Acts, in: ders., The Christ and the Spirit II: Pneumatology, Grand Rapids/ Cambridge 1998, 222-241. 103 Vgl. die kritischen Ausführungen bei Avemarie, Tauferzählungen, 149-152. 104 Vgl. Menzies, Development, 114-279, bes. 207; s. ferner mit je eigenen Akzenten R. Stronstad, The Charismatic Theology of St. Luke, Peabody 1984; H.M. Ervin, Conversion-Initiation and the Baptism in the Holy Spirit, 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 19 Neues Testament aktuell 20 ZNT 25 (13. Jg. 2010) Peabody 1984; J.B. Shelton, Mighty in Word and Deed. The Role of the Holy Spirit in Luke-Acts, Peabody 1991; s. auch Y. Cho, Spirit and Kingdom in the Writings of Luke an Paul, Milton Keynes 2005. M.W. Mittelstadt, The Spirit and Suffering in Luke-Acts. Implications for a Pentecostal Pneumatology, London/ New York 2004 erweitert als pentekostaler Exeget die Perspektive, indem er das Wirken des Geistes zumal auch im Kontext leidvoller Anfeindungen herausstellt. 105 Die gemeinschaftsfördernde Dynamis des lukanischen Geistes arbeitet Wenk, Power, genauer heraus. 106 Vgl. insgesamt Turner, Power, bes. 428-438; ders., Holy Spirit, 21-56; ders., The Spirit and Salvation in Luke- Acts, in: Stanton u.a. (Hg.), Holy Spirit, 103-116. Anfragen an Turner finden sich bei Avemarie, Tauferzählungen, 154 mit Anm. 129, der selbst eine anders ausgerichtete Mittelposition entwickelt; vgl. ebd., 149.160-164. 107 Vgl. H.v. Baer, Der Heilige Geist in den Lukasschriften (BWANT 39), Stuttgart 1926; H. Conzelmann, Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas (BHTh 17), 6 1977; Dunn, Baptism; zu Unterschieden in den Modellen vgl. Hur, Reading, 15 Anm. 8. 108 Vgl. nur Menzies, Development, 130-134; Shelton, Mighty, 24-26.161 (s. aber 92.118f.). 109 Vgl. dazu nur den Forschungsüberblick bei Brown, Spirit, 180-186. 110 Vgl. F. Porsch, Pneuma und Wort. Ein exegetischer Beitrag zur Pneumatologie des Johannesevangeliums (FTS 16), Frankfurt a.M. 1974. 111 Vgl. G.M. Burge, The Anointed Community. The Holy Spirit in the Johannine Tradition, Grand Rapids 1987. 112 Vgl. C. Bennema, The Power of Saving Wisdom. An Investigation of Spirit and Wisdom in Relation to the Soteriology of the Fourth Gospel (WUNT II/ 148), Tübingen 2002. 113 Chr. Hoegen-Rohls, Der nachösterliche Johannes. Die Abschiedsreden als hermeneutischer Schlüssel zum vierten Evangelium (WUNT II/ 84), Tübingen 1996, 309; vgl. insgesamt ebd., 308-312. 114 Vgl. Brown, Spirit, passim. 115 Vgl. die Darstellung der Forschungsthesen bei F.J. Moloney, The Gospel of John (Sacra Pagina 4), Collegeville 2004, 535. 116 Vgl. zu all diesen Fragen und Thesen Turner, Holy Spirit, 89-100; s. auch M. Turner/ G.M. Burge, The Annointed Community. A Review and Response, EQ 62 (1990), 253-268: 255f. 117 Vgl. W.H. Shepherd Jr., The Narrative Function of the Holy Spirit as a Character in Luke-Acts (SBLDS 147), Atlanta 1994; A. Cornils, Vom Geist Gottes erzählen. Analysen zur Apostelgeschichte (TANZ 44), Tübingen 2006 und Hur, Reading. Näheres zur narratologischen Lukasforschung bei Mittelstadt, Spirit, 10 und U. Eisen, Die Poetik der Apostelgeschichte. Eine narratologische Studie (NTOA 58), Fribourg/ Göttingen 2006. 118 Vgl. zum Thema allgemein Hahn, Theologie II, 289- 308; Turner, Holy Spirit, 166-176. Eine trinitarisch geprägte Pneumatologie postulieren für Paulus auf unterschiedliche Weise Fee, Presence, 827-829.839-842 u.ö.; Fatehi, Relation, passim; M.J. Gorman, Cruciformity. Paul’s Narrative Spirituality of the Cross, Grand Rapids/ Cambridge 2002, 63-74; J. Maleparampil, The »Trinitarian« Formulae in St. Paul, Frankfurt a.M./ New York 1995 und für Johannes etwa U. Schnelle, Das Evangelium nach Johannes (ThHK 4), Leipzig 3 2004, 203- 206; A.J. Köstenberger/ S.R. Swain, Father, Son and Spirit. The Trinity and John’s Gospel, Downers Grove 2004. Ablehnend äußern sich u.a. Tibbs, Experience, 62-71; Christoph, Pneuma, 188-191. 119 Vgl. dazu den instruktiven Forschungsüberblick bei Avemarie, Tauferzählungen, 129-138. 120 Vgl. die oben in Anm. 104 genannten Autoren. 121 Vgl. Dunn, Baptism, passim. Zu den pentekostalen Repliken vgl. W. Atkinson, Pentecostal Responses to Dunn’s Baptism in the Holy Spirit: Luke-Acts, Journal of Pentecostal Theology 6 (1995), 87-131. 122 Vgl. N. Adler, Taufe und Handauflegung. Eine exegetisch-theologische Untersuchung von Apg 8,14-17 (NTA 19,3), Münster 1951; s. dazu die Kritik bei Turner, Power, 53-55. 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 20