eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 13/25

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2010
1325 Dronsch Strecker Vogel

Editorial

2010
Stefan Alkier
Kristina Dronsch
Manuel Vogel
Editorial Verständnis charismatischer Geisterfahrung, die Kahl als »Empowerment angesichts der Zerbrechlichkeit menschlicher Existenz« tituliert. Der Beitrag von Richard B. Hays zieht diese kultur-hermeneutische Prämisse dann nach rückwärts - unter Berücksichtigung der Produktionsbedingungen der neutestamentlichen Texte - hin aus und zeigt auf, dass auch die paulinische Rede vom Geist sich nur erschließt, wenn das intertextuelle Repertoire der alttestamentlichen Schriften für die Prozesse der Bedeutungszuschreibung zum paulinischen Verständnis des Geistes fruchtbar gemacht werden. Kristina Dronsch hingegen plausibilisiert ein relationales Geistverständnis, indem sie die johanneische Rede vom Geist über eine ›Topographie‹ erschließt, welche den Raum des Geistes innerhalb der Narration des Evangeliums auslotet. Volker Rabens nimmt in seinem Beitrag die Leserinnen und Leser mit auf eine Reise in die »Geistes-Geschichte« und zeigt anhand der Rede vom Geist in der griechisch-römischen und jüdisch-hellenistischen Literatur nicht nur ein äußerst differenziertes Bild auf, sondern nutzt gewinnbringend den differenzierten Aussagegehalt des Wortes für ein Verständnis des Bedeutungsspektrums von pneuma im Kontext des Neuen Testaments. Vittorio Hösle schließt die Rubrik mit einem tiefgründigen Einblick in die philosophische Interpretation der neutestamentlichen Pneumatologie anhand des deutschen Idealismus, dessen Singularisierung des Geistes besonders bei Hegel maßgeblich ein generelles Verständnis von Geisteswissenschaften ermöglichte, aber für die Theologie zu grundlegenden Verlusten führte. Die Kontroverse zum Thema »Ist die Christologie die Grundlage der Pneumatologie des lukanischen Doppelwerkes? « mag auf den ersten Blick ein wenig fachgelehrt anmuten. Spätestens beim Lesen der Beiträge der Kontroverspartner Odette Mainville und François Vouga wird jedoch schnell deutlich, dass weit mehr auf dem Spiel steht als eine binnenexegetische Fachdiskussion: Denn die Verhältnisbestimmung der Pneumatologie ist zu verstehen als Einweisung in die grundlegende Art und Weise von Theo-Logie innerhalb des Stimmenkanons der biblischen Texte, was beide Autoren mit differierenden Argumenten und kontroversen Zuspitzungen nachdrücklich verdeutlichen. Liebe Leserinnen und Leser, das vorliegende Jubiläumsheft ZNT 25 zum Thema »Geist« geht zurück auf eine gleichnamige Tagung, die vom 19. bis zum 20. Juni 2009 an der Goethe-Universität Frankfurt stattfand. Dass die Tagung stattfinden konnte, ist dem großzügigen finanziellen Engagement der Vereinigung der Freunde und Förderer der Goethe- Universität sowie dem Francke-Verlag zu verdanken. Wir wissen diese Ermöglichung der Tagung in Zeiten knapper finanzieller Mittel, die die Universität und die Verlage gleichermaßen betreffen und die ihre gravierendste Auswirkung in und um den Bereich der Geisteswissenschaften zeigt, mehr als zu schätzen. Dass beide Institutionen ein Tagungsthema gefördert haben, das in den gegenwärtigen Geisteswissenschaften zu einem sehr vernachlässigten, aber dringlich zu klärenden zählt, ist für uns großer Ansporn gewesen, dem Profil der ZNT entsprechend das interdisziplinäre Gespräch der Exegese mit anderen theologischen, philosophischen und kulturwissenschaftlichen Perspektiven auf den »Geist« zu suchen. So ist ein umfangreiches und international hochkarätig besetztes Jubiläumsheft entstanden, das neben den Beiträgen der Referentinnen und Referenten der Tagung auch weitere thematische Beiträge versammelt, die für einen Diskurs des Themas zwischen neutestamentlicher Wissenschaft, Religionswissenschaft, systematischer Theologie, Religionsphilosophie und Philosophie sorgen. Den Autoren sei herzlich gedankt, dass sie mit ihren Beiträgen substantiell das vernachlässigte Thema »Geist« neu belebt haben. In der Rubrik »NT aktuell« führt Christian Strecker minutiös in die Vielstimmigkeit exegetischer Fragestellungen zum Thema »Geist« in neutestamentlicher Perspektive ein und zeigt Linien, Brüche und Transformationen des Themas auf. Werner Kahl eröffnet die Rubrik »Zum Thema«, indem er anhand westafrikanischer pentekostaler Interpretationen des Neuen Testaments zeigt, dass von »Geisterfahrung« nur sinnvoll gesprochen werden kann, wenn die Geisterfahrung in ihre jeweiligen kulturellen und sozialen Bezugssysteme eingebunden wird. Erst die Berücksichtigung der kulturellen Eingebundenheit legt den Blick frei auf ein angemessenes ZNT 25 (13. Jg. 2010) 1 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 1 Editorial 2 ZNT 25 (13. Jg. 2010) Von der Perspektive einer kategorialen Semiotik aus widmen sich die beiden Beiträge in der Rubrik »Hermeneutik und Vermittlung« dem Thema »Geist«. Hermann Deusers Beitrag weist nicht nur mit gewichtigen Gründen ein substanzontologisches Missverständnis des Geistes zugunsten eines relationalen Geistverständnisses auf der Grundlage der kategorialen Semiotik von Charles Sanders Peirce zurück, sondern implementiert unter dem prägnanten Titel »Geistesgegenwart. Pneumatologie und kategoriale Semiotik« ein Verständnis von Geistesgegenwart, dem ein dreigliedriger Erfahrungsbegriff zugrunde liegt. Die Implikationen dieses triadisch konzipierten Erfahrungsbegriffs - so wird beim Lesen seines Beitrages schnell deutlich - sind bisher weder für die Rede vom Geist in neutestamentlichen Zusammenhängen, noch für den gesamten geisteswissenschaftlichen Diskurs hinreichend fruchtbar gemacht worden. In Anknüpfung an das relationale Geistverständnis von Hermann Deuser lotet Stefan Alkier die Möglichkeit der Rede vom »Geist der Schrift« - unter Einbeziehung nichtbiblischer Texte - aus. Dabei entwickelt er vom Standpunkt der Unhintergehbarkeit der Semiose eine Rede vom »Geist der Schrift« in Verbindung mit dem Phänomen der Ergriffenheit, die jenseits konstruktivistischer Beliebigkeit und dogmatisierender Eindeutigkeit »Geist« als eine unverfügbare Wirkkraft versteht, die Neues hervorbringt und das Vorausliegende erschließt. In der Rubrik »Buchreport« wird Ihnen das jüngst erschienene und thematisch passgenaue Buch von Kurt Erlemann mit dem Titel »Unfassbar? Der Heilige Geist im Neuen Testament« vorgestellt. Ihnen, liebe Leserinnen und Leser dieses umfänglichen Jubiläumsheftes, wünschen wir begeisterte und begeisternde Ein- und Ausblicke in das komplexe Thema »Geist«! Stefan Alkier Kristina Dronsch Manuel Vogel In eigener Sache Mit dem vorliegenden Heft ist die ZNT umgezogen: von Frankfurt, wo sie vom ersten Heft an redaktionell betreut wurde, nach Jena, wo sie ein ebenso gutes Zuhause finden soll. An dieser Stelle ist Prof. Dr. Stefan Alkier und Dr. Kristina Dronsch, die über viele Jahre hinweg mit erheblichem persönlichem Einsatz den größten Teil der Arbeit geleistet haben, sehr herzlich zu danken. In ihren Frankfurter Jahren hat sich der ökumenische, internationale und interdisziplinäre Horizont der ZNT stets erweitert. Das ist vor allem den Genannten geschuldet: ihren Ideen wie auch ihrer stets freundlichen Kontaktpflege innerhalb und außerhalb der scientific community, ohne die auch die besten Ideen keine Gestalt gewinnen. Zumal für die Zeit des Übergangs ist es gut zu wissen, dass beide der ZNT erhalten bleiben: Stefan Alkier als einer der drei Hauptherausgeber und Kristina Dronsch im erweiterten Herausgeberkreis. Dass beide mit eigenen Aufsätzen zu diesem Heft Wesentliches beigesteuert haben, nimmt der neue verantwortliche Redakteur als ein schönes Zeichen für ihre bleibende Verbundenheit mit dieser Zeitschrift. Anzumerken bleibt, dass die in Frankfurt frei gewordenen Kapazitäten nun für den neutestamentlichen Teil des Online-Projekts »Wissenschaftliches Bibellexikon« (WiBiLex) unter der Leitung von Prof. Dr. Alkier verwendet werden (www.wibilex.de). Für den Kreis der Herausgeberinnen und Herausgeber Manuel Vogel 008010 ZNT 25 - Inhalt 30.03.2010 16: 34 Uhr Seite 2