eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 13/26

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
2010
1326 Dronsch Strecker Vogel

Dalferth, Ingolf U.; Schröter, Jens (Hrsg.) Bibel in gerechter Sprache? Kritik eines misslungenen Versuchs Mohr Siebeck, Tübingen 2007. Broschiert VII, 141 Seiten ISBN: 978-3-16-149448-2 Preis: 14,00 €

2010
Marco Frenschkowski
Buchreport 70 ZNT 26 (13. Jg. 2010) Dalferth, Ingolf U.; Schröter, Jens (Hrsg.) Bibel in gerechter Sprache? Kritik eines misslungenen Versuchs Mohr Siebeck, Tübingen 2007. Broschiert VII, 141 Seiten ISBN: 978-3-16-149448-2 Preis: 14,00 € Allmählich wird es etwas stiller um die »Bibel in gerechter Sprache« (BIGS), und es ist an der Zeit, unaufgeregt zu reflektieren, welchen Ertrag dieses Projekt für Kirche und Gesellschaft gebracht hat bzw. bringt. Dabei ist ernst zu nehmen, dass die Übersetzung sich als offenes, unabgeschlossenes Unternehmen, als Diskussionsgrundlage versteht, auch wenn sie seit Oktober 2006 in Buchform vorliegt. Der vorliegende Aufsatz- und Essayband zum Thema versammelt acht durchgehend kritische Beiträge, die bis auf eine Ausnahme (den Beitrag Andreas Lindemanns) schon früher erschienen waren, z.T. in kirchlicher und säkularer Presse. Beigegeben sind die Stellungnahme des Rates der EKD zur BIGS vom 30./ 31. März 2007 sowie ein nützliches Bibelstellenregister. Jens Schröter fasst in zwei Beiträgen die mittlerweile bekannten Kritikpunkte zusammen, wobei er vor allem übersetzungstheoretische und hermeneutische Gesichtspunkte geltend macht: Die BIGS bewege sich in einer »Grauzone«, die zwischen Übersetzung und Interpretation nicht mehr unterscheidet bzw. die Differenz zwischen ihrem eigenen Anliegen und demjenigen des biblischen Textes durch die Wahl eines biblischen »Grundthemas« Gerechtigkeit als Ausgangspunkt und Kriterium unterlaufe (S. 5). Unstimmigkeiten und »Absurditäten« (S. 6) werden vorgeführt, und eine geradezu erbitterte Kritik löst die »Immunisierungsstrategie« der Übersetzerinnen und Übersetzer aus, Kritiker dadurch mundtot machen zu wollen, dass ihnen Machtinteressen unterstellt werden (S. 9 Anm. 14; vgl. S. 110). Ausführlich werden Beispiele, wie die ohne Frage missglückte Übersetzung der »Antithesen« der Bergpredigt und die nivellierende Wiedergabe des Gottesnamens, diskutiert. Leider wird nur in einer Anmerkung (S. 2 Anm. 6) ausgeführt, dass es durchaus erkennbare Unterschiede in den Übersetzungstheorien und -konzepten der Autorinnen und Autoren gibt. Auch die stereotype Ergänzung femininer Formen u.ä. wird kritisiert, verhindere gerade sie doch eine theologische Sachkritik im Gespräch mit dem Text (S. 19). Schröter spricht auch von einer »kirchenkritischen - um nicht zu sagen: antikirchlichen - Tendenz« (S. 25) der Übersetzung, die damit einen Rückfall hinter das Grundanliegen kritischer Forschung darstelle, durch philologische und historische Präzision einer Instrumentalisierung der Texte zu wehren (S. 26). Melanie Köhlmoos mahnt u.a. größere Sorgfalt in der historischen Rückfrage nach der Lebensrealität von Frauen in antiken Kontexten an: Die BIGS sei hier bekanntlich öfter weitab von der historischen Wirklichkeit (S. 33), wofür historisch nicht bezeugte »Pharisäerinnen« nur ein noch harmloses Beispiel sind. Dadurch könne z.B. nicht mehr wahrgenommen werden, wo der biblische Text selbst aus patriarchalen Strukturen ausbreche (S. 33). Der sprachliche Unterschied zwischen Gottesname, Gottesbezeichnung und Metapher für Gott entfalle in BIGS fast vollständig (S. 37). Textentschärfungen und Umständlichkeiten sowie falsches Pathos werden an Belegen vorgeführt. BIGS wäre damit auch ein Beispiel jener Modernität, die bekanntlich rasch veraltet (was heute die Übersetzungsexperimente der 1960er und 1970er Jahre oft so peinlich wirken lässt, wie man wird ergänzen dürfen). Die BIGS maskiere sich als Übersetzung und sei eben damit ihrem Publikum gegenüber nicht ehrlich (S. 41). Matthias Morgenstern bereichert in einem sehr originellen Beitrag das Gespräch um eine judaistische Perspektive, indem er BIGS u.a. mit Denkstrukturen der jüdischen Kabbala vergleicht und auf eine klischeehafte und verzerrte Sicht auf das Judentum hinweist. So kritisiert er, dass die BIGS gerade nicht mit jüdischen Midraschim verglichen werden könne, die den Text selbst nicht ändern, sondern kommentieren. Weiterhin stelle die durchgehende Suggestion weiblicher Epitheta für Gott die BIGS in gefährliche Nähe der orientalischen Aschera- und Astartekulte, die im AT einer offensiven theologischen Kritik unterzogen werden (S. 55). (Auffällig ist freilich die Zurückhaltung gegenüber dem Begriff »Göttin«, der die logische Konsequenz der BIGS darstellt, aber vermieden wird). »Geradezu bestürzend ist die Unkenntnis der Herausgeber in Hinsicht auf die grundsätzlichen Probleme, die sich in der Neuzeit jüdischen Bibelübersetzungen in den Weg gestellt haben« (S. 55). Dieser Satz Morgensterns träfe BIGS im Mark, ginge er nicht vielleicht doch etwas an der Intention des Werkes vorbei. Die Diskussion wird hier jedenfalls noch sehr intensiv geführt werden müssen, am besten im internationalen Kontext vergleichbarer Projekte. Der gediegene Beitrag von Andreas Lindemann ist in seiner Kritik nicht weniger massiv (vgl. S. 80f. zu Röm 9,32: »nahezu das Gegenteil des von Paulus Gesagten«) als die bereits genannten, untermauert diese aber v.a. mit einer großen Fülle von Textdiskussionen und bietet überhaupt sehr viel mehr Detailarbeit als die anderen Aufsätze des Bandes. Auch er nimmt neben dem Hinweis auf viele historische Unrichtigkeiten Anstoß an der Selbstinszenierung der BIGS als einem kirchengeschichtlichen Großereignis. In seiner Einzeldiskussion orientiert sich Lindemann an größeren Texteinheiten und vermeidet dadurch die Gefahr einer bloßen Kuriositätensammlung. Viele 074910 ZNT 26 - Inhalt 08.10.10 16: 01 Uhr Seite 70 Buchreport ZNT 26 (13. Jg. 2010) 71 Beobachtungen verdienen Beachtung über die Debatte zur BIGS hinaus; manches korrigiert auch unpräzise Vorwürfe früherer Kritiker (vgl. S. 68f. zum männlichen Teufel). Thomas Söding beginnt als einziger Kritiker mit der Frage, ob die BIGS denn auch gute Seiten habe (S. 89). Freilich fällt ihm dazu dann nicht sehr viel ein. Neben den nun schon wohlbekannten Angriffspunkten unterstreicht Söding v.a. den politischen Charakter der Übersetzung. Seine Kritik gipfelt in der Aussage »schlechte Sprache ist Ausdruck schlechter Theologie« (S. 94), ein Satz, der doch wohl über sein Ziel hinausschießen dürfte. Rhetorische Brillianz ist Södings Kritik nicht abzusprechen: »In der ›Bibel in gerechter Sprache‹ herrscht ausgerechnet beim Gottesnamen babylonische Sprachverwirrung und nicht pfingstliche Vielsprachigkeit« (S. 95f.). Und er fragt, ob man dann nicht gleich »eine neue Bibel schreiben« solle (S. 96), und die BIGS etwa ein »Kulttext von Frauengruppen« bzw. ein »Alibi von Männern mit schlechtem Gewissen« (S. 97) werden könne. Solche pauschalen Formulierungen lassen sich gut zitieren, sie sind aber doch weit weniger hilfreich als A. Lindemanns textnahe Einzelkritik. Es folgt ein zweiter Beitrag Jens Schröters, der einige Punkte seiner Gesamtsicht schärfer herausarbeitet, sowie ein kurzer Text Ingolf Dalferths, der u.a. der BIGS das Recht bestreitet, sich auf M. Luthers Übersetzungskonzepte zu berufen. Tatsächlich sei die BIGS in lutherischen Kategorien gedacht »schwärmerisch« (S. 113 u. 119), was sich in Texterweiterungen, Textumdeutungen, Texterfindungen und Textentstellungen manifestiere. Die BIGS traue »den Lesern gar nichts zu« (S. 114), sondern schreibe ihnen unablässig vor, wie sie verstehen sollten. Andererseits werde jede Bestimmtheit der Gottesbezeichnungen zerstört. Hermann Barth und Christoph Kähler in einem gemeinsam verantworteten Beitrag nehmen noch einmal die grelle Inszenierung der BIGS (u.a. durch den Kirchenpräsidenten der EKHN) kritisch in den Blick (S. 121), und wiederholen dann die bekannten Angriffspunkte. Abgeschlossen wird die Zusammenstellung wie erwähnt von einem Abdruck der ablehnenden Stellungnahme des Rates der EKD, der offenbar als Paukenschlag am Schluss gedacht ist. Betrachtet man den vorliegenden Band als Ganzes, ist die partielle Austauschbarkeit der Beiträge auffällig. Die angemahnten Kritikpunkte sind weithin identisch, und auch vielen bekannten »abschreckenden« Beispielen begegnet man passim. Durchgehend wird der »Bibel in gerechter Sprache« vorgehalten, dass sie Übersetzung und kritischen Kommentar vermischt. Oder um es schlichter zu sagen: Die BIGS übersetzt sehr häufig nicht, was im Text steht, sondern wovon die Übersetzerinnen und Übersetzer gerne hätten, dass es im Text stehe. Um die Kritik an einem Punkt weiterzuführen: H. Barth und C. Kähler sprechen im Anschluss an M. Köhlmoos davon, dass die BIGS eine Sonderbibel für eine Sondergemeinschaft sei (S. 130). Ich habe andernorts darauf hingewiesen, dass sich gerade im christlich-jüdischen Gespräch Ansätze einer Konfessionsbildung mit eigenem Soziolekt beobachten lassen (»Religion im Rhein-Main-Gebiet«, erscheint 2011). Neben einer kritischen Würdigung der BIGS muss die Frage eine größere Rolle spielen, was hier in theologiegeschichtlichen Kategorien genau geschieht. Offenbar entstehen in der gegenwärtigen deutschen Exegese Sprachkulturen, die gegenseitig nur noch wenig vermittelbar sind. Was die Debatte vielleicht entlasten und bereichern könnte, wäre eine weitere Reflexion darüber, wie die Aufgabe einer inklusiven Sprache überhaupt anzugehen ist (sicher falsch M. Köhlmoos S. 31, die Sache sei »nicht anders zu lösen«). Im Amerikanischen, in dem vergleichbare Projekte schon lange vorliegen, meint »inclusive language« gleichzeitig neben dem geschlechtergerechten Anliegen den Versuch, rassistische, kolonialistische und andere unerwünschte Relikte aus der Sprache herauszubringen. Die konkreten Lösungen sehen hier allerdings völlig anders aus als im Deutschen. So werden bei uns weibliche Formen von Berufsbezeichnungen kultiviert, während diese im Amerikanischen mittlerweile dagegen gerade als politisch unkorrekt gelten: actress für »Schauspielerin« ist verpönt; als korrekt gilt actor oder performer. Es ist ja in der Tat kurios, dass im Deutschen gerade derivierte Formen (also solche, welche das »Weibliche« sprachlogisch als vom »Männlichen« abgeleitetes qualifizieren) das Anliegen einer »gerechten« Sprache aufnehmen sollen. Dazu wäre schon linguistisch vieles zu sagen. Die Today’s New International Version, ein Vorbild der BIGS und bereits Anfang 2005 erschienen, ist in Sachen »inclusive language« insgesamt stilsicherer und zurückhaltender. Auch ein Vergleich mit jüdischen Übersetzungen ist lehrreich. Die Fragestellungen postkolonialer (nicht eurozentrischer) Exegese spielen in Deutschland noch eine vergleichsweise geringe Rolle, was die Wiedergabe mancher theologischer Begriffe tangiert, die wir nur mit Mühe anders als durch die Brillen unserer (etwa reformatorischen) Tradition lesen können, usw. Manche historische Kuriositäten und Absurditäten der Übersetzung ließen sich sicher ohne Verlust ausmerzen. Fügen wir ihnen noch ein Beispiel hinzu! In Ezechiel 1,10 nehmen die Übersetzerinnen Anstoß an den Tierwesen um Gottes Thron. So wird aus dem Löwen des Textes eine Löwin (was im Hebräischen bekanntlich ein anderes Wort wäre), aus dem so aufdringlich männlichen Stier ein Rind (ditto) und aus dem Machtsymbol Adler ein - Geier. Da muss jeder weitere Kommentar verstummen. Schwieriger dürfte es mit den israelkritischen Passagen stehen. Hier greift der Vorwurf besonders deutlich, dass die Übersetzung anachronistisch eine Sensibilität in die Vergangenheit projiziert, die erst in einem schmerzvollen Prozess im 20. Jh. gewachsen ist. Man erinnert sich an Friedrich Nietzsches berühmtes, eigentlich antisemitisch gemeintes Wort: Gott wurde nicht einfach Mensch, »Gott selbst - ward Jude« (in »Also sprach Zarathustra«). Eine Übersetzung muss es aushalten, dass ein Text moderne schmerzliche Erfahrungen eben noch nicht voraussetzt. Vielfache Kritik hat auch der Beliebigkeit suggerierende Umgang mit dem Gottesnamen ausgelöst. Hierzu wäre weiter auszuholen als es eine Rezension leisten kann, und verschiedene Vorfragen wären anzusprechen. Man kann immer wieder lesen, dass Juden den Gottesnamen aus Respekt in neutestamentlicher Zeit nicht mehr ausgesprochen hätten. Ganz so einfach ist es historisch freilich nicht. Zwar ist die Ersetzung von Jahwe durch Kyrios in der Septuaginta schon vorchristlich, aber das ist Theologen- 074910 ZNT 26 - Inhalt 22.09.10 14: 14 Uhr Seite 71 Buchreport 72 ZNT 26 (13. Jg. 2010) sprache und nicht unbedingt volkstümlich. Wir wissen aus verschiedenen Indizien, dass der Gottesname in der frühen Kaiserzeit durchaus noch ausgesprochen wurde, u.a. deshalb, weil Kirchenväter wie Clemens Alexandrinus die korrekte Aussprache kennen, und nicht zuletzt aus dem umfänglichen Corpus magischer Texte aus Ägypten, in denen griechisch IAO u.ä. neben Helios der häufigste Gottesname überhaupt ist (vgl. für Details meinen RAC- Art. »Magie«). Die Ersetzung des Gottesnamens durch Adonaj und Kyrios soll Gott vor allem als Willen beschreiben, der sich in der Geschichte durchsetzt. Gott als Kyrios ist kein kosmischer Sklavenhalter, sondern ein Wille, der seine Pläne auch gegen die Mächte des Bösen durchzusetzen vermag. Insofern scheinen mir die Widerstände in der BIGS gegen die Lutherische und eben auch jüdische Wiedergabe des Gottesnamens mit »Herr« nicht wirklich angemessen (vgl. zu den historischen Fragen wiederum meinen RAC- Artikel zur Sache, hier s.v. »Kyrios«). Ein letztes Detail sei kurz angesprochen. Zu Röm 8,26f. schreibt die Übersetzerin Claudia Janssen: »In unserer Ohnmacht steht uns die Geistkraft bei, wenn wir keine Kraft mehr haben, wie es nötig wäre. Die Geistkraft selbst tritt für uns ein mit wortlosem Stöhnen. Gott kennt unsere Herzensanliegen und versteht, wofür die Geistkraft sich einsetzt, weil sie im Sinne Gottes für die heiligen Geschwister eintritt.« Die Übersetzerin begründet ihre Übersetzung u.a. damit, dass »Gottes Geist keine Person ist, sondern Dynamik, schöpferische Lebenskraft, die befreiend wirkt.« Außerdem habe im Hebräischen ruach »Geist« bekanntlich weibliches Geschlecht, so dass - auch wenn griechisch pneuma ein Neutrum ist - doch ein feminines Wort bevorzugt werden sollte, weil eben ein alttestamentlichhebräisches Konzept hinter dem Heiligen Geist stehe. Nun ist zwar der Hinweis auf den weiblichen Charakter von ruach (bzw. aram. rucha) nach wie vor im kirchlichen Kontext nicht selbstverständlich und daher sachlich wichtig (weshalb z.B. die aram.-syrischen Kirchen viele traditionelle weibliche Metaphern für den Geist besitzen). Aber »Geistkraft« für den Heiligen Geist scheint mir außerordentlich misslich. Der Geist wird hier weniger weiblich akzentuiert, sondern eher in ein esoterisches Fluidum, eben eine Kraft, aufgelöst, was er nicht ist. Wenn die Übersetzerin dazu noch begründet, dass der Geist eben keine Person sei, so stellt sie sich damit außerhalb der systematischen Tradition aller christlichen Kirchen, die gerade die Personalität des Heiligen Geistes immer wieder betont haben, der eben keine abstrakte Kraft sei. Nun kann man einwenden, dass ein systematisches Argument für die biblische Sprache nicht ausschlaggebend sein kann. Das ist zutreffend. Aber auch in der Bibel, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament, ist der Hl. Geist eben der Geist des personalen Gottes, dessen der Schöpfung zugewandte, sie durchdringende Seite, seine Immanenz. Und die Personalität des Geistes wird ja z.B. auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er etwa in Apg 13,2 in erster Person von sich selbst spricht. Wenn der Apostel Paulus die römischen Christinnen und Christen nach der Lutherübersetzung »von Gott, unserem Vater, und dem Herren Jesus Christus« grüßt, dann sagt C. Janssens Neuübersetzung hier: »von Gott, unserem Ursprung, und von Christus Jesus, zu dem wir gehören«. Die patriarchale Vatermetapher wird vermieden, dafür geht dann aber doch auch der personale Zug verloren: Ein Ursprung ist etwas anderes als ein geschlechtsneutraler Vater. Die Herrschaftsmetapher (Jesus Christus, unser Herr), die sicher auch eine Zugehörigkeit ausdrücken soll, wird durch eine abstrakte Zugehörigkeitsformel ersetzt: »zu dem wir gehören«. Mir scheint der theologische Preis für eine solche »politisch korrekte« Verkürzung wesentlicher Grundanliegen der Segens- und Grußformel unangemessen hoch. Dies ist nicht allein eine theologische Frage. Nach einer Einsicht schon von Wilhelm Bousset wird Glaube umso blutleerer, je abstrakter die Redeweise von Gott wird (Die Religion des Judentums im späthellenistischen Zeitalter. 3. Aufl. Tübingen 1926, 316). Beim Hören wird jedenfalls für mich hier weniger eine patriarachale Männlichkeit Gottes überwunden als eher die elementare Personalität Gottes in ein Gottesprinzip oder eine Gottesidee hinein aufgelöst. Zu einer Gottesidee aber kann ich nicht beten. Wenn wir die BIGS ohne Aufregung und nüchtern analysieren wollen, ist es hilfreich, in die Geschichte der Bibelübersetzungen zu schauen. Wie wurden solche Probleme früher gelöst? Hat es solche Verschiebungen, solche Bemühungen, die Bibel theologisch unanstößig zu machen, auch früher schon gegeben? Die Antwort heißt selbstverständlich ja. Schon die Septuaginta nimmt sich erstaunliche Freiheiten im Umgang mit dem Text. Vor allem ist aber an die aramäischen Targume zu denken und ihren souveränen Umgang mit den Anthropomorphismen der Hebräischen Bibel. Uns machen diese weniger Kummer, weil wir sie als poetische Redeweise erkennen, aber für antike Juden und Christen waren sie nicht weniger anstößig als es patriachal-androzentrische Sprache für uns ist. Die Targume weisen hier ein breites Spektrum der Textbearbeitung auf, stehen jedoch immer nur neben dem hebräischen Text, nie an seiner Stelle. Um noch einmal auf die hier angezeigte Sammlung kritischer Stimmen zur BIGS zu kommen. Was ich an dem vorliegenden Band bei aller Zustimmung vermisse, ist Freundlichkeit. Hinter der »Bibel in gerechter Sprache« stehen nicht nur manche grundsätzlich legitimen theologischen Anliegen, es steht hinter ihr auch eine vielfache Leidensgeschichte. Was an Kritik vorgebracht wird, scheint mir im Allgemeinen zutreffend und notwendig. Aber wie sollen wir, die wir an dem Projekt nicht beteiligt waren, diese Kritik nun vorbringen? Vielleicht mit etwas mehr Freundlichkeit, vielleicht mit etwas Humor, wie es im vorliegenden Band nur der katholische Theologe Thomas Söding versucht. Ich möchte eine persönliche Erfahrung erzählen, die mich ein Stück weit mit der »Bibel in gerechter Sprache« versöhnt hat, trotz aller deutlichen Kritik, die ich teile. Ein guter und kluger jüdischer Freund, durchaus einem traditionsbewussten und stolzen Judentum verbunden, hatte sich mit ihr beschäftigt. Wir kamen darüber ausführlich ins Gespräch, und er sagte mir: »Darauf habe ich seit Jahren gewartet. Darauf haben wir Juden seit Jahren gewartet.« Wir sprachen über einzelne Stellen, die er mir in großer Begeisterung vorführte. Zuweilen erfüllt die Übersetzung nämlich doch genau das, was sie sollte: Türen des Gesprächs zu öffnen. Marco Frenschkowski 074910 ZNT 26 - Inhalt 22.09.10 14: 14 Uhr Seite 72