eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 4/1

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2019
41 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Jürgen van Oorschot (Hg.): Mensch. Themen der Theologie 11, Tübingen 2018 (UTB 4763), 281 Seiten, ISBN 978-3.8252-4763-8

2019
Ute Neumann-Gorsolke
Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 4 -2019, Heft 1 Rezensionen Jürgen van Oorschot (Hg.): Mensch. Themen der Theologie 11, Tübingen 2018 (UTB 4763), 281 Seiten, ISBN 978-3.8252-4763-8 rezensiert von Ute Neumann-Gorsolke 1 Zum Buch Der 11. Band aus der Reihe Themen der Theologie , die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Schlüsselthemen der Theologie in verständlicher Art darzustellen, widmet sich einem zentralen Thema heutigen wissenschaftlichen Diskurses: dem Menschen. Entsprechend dem Konzept der Reihe wird die Frage nach dem Menschen in der klassischen Abfolge der theologischen Disziplinen dargeboten, ergänzt durch ein Kapitel zur Religionspsychologie. Die einzelnen Kapitel sind von Fachautoren verfasst. Gerahmt und thematisch zusammengehalten werden die Beiträge durch die Einführung Der Mensch im Gefüge der Welten und die abschließende Zusammenschau Relation und Kontext anthropologischer Pragmatik und Reflexion vom Herausgeber Jürgen van Oorschot. Die Beiträge bilden die anthropologische Perspektive des jeweiligen theologischen Fachs ab und setzen eigene Schwerpunkte, wobei „die Fragen nach gemeinsamen und differenten Leitperspektiven anthropologischer Rechenschaft Zielpunkt waren“ (S. 5). Als Leitperspektiven werden drei Fragen benannt: „In welcher sprachlichen Gestalt wird vom Menschen geredet? Welche Funktion hat die jeweilige Rede vom Menschen? Und in welchen Bezügen wird der Mensch vorgeführt und verstanden? “ (S. 6). Neben der jeweils fachwissenschaftlichen Perspektive ist die interdisziplinäre und gesamttheologische Verständigung erklärtes Ziel des Bandes. Daher nennt die Einführung sachliche Schwerpunkte, Rezensionen 110 rezensiert von Ute Neumann-Gorsolke die sich in unterschiedlicher Weise in den Beiträgen wiederfinden: 1. Handeln und Ethik; 2. Endlichkeit, Tod, Sünde; 3. Glaube, Erkennen, Wissen und Gewissheit; 4. Macht und Herrschaft; 5 Leib, Seele und Geist; 6. Körper und Leib. Die fachwissenschaftlichen Kapitel folgen jeweils eigenen Gliederungsprinzipien. Der mit Aspekte impliziter Anthropologien im Alten Testament überschriebene Beitrag von Jürgen van Oorschot ist thematisch orientiert; die einzelnen Abschnitte bringen neben der Sprache (1) überwiegend den Menschen in seiner Bezogenheit auf Gott in den Blick: Der handelnde und verantwortliche Mensch - Tora und Recht (2); Homo faber und homo absconditus (3); Des Menschen Macht und Gottes Herrschaft (4); Der sterbliche und der sündige Mensch (5) und Der Körper Gottes und der Körper des Menschen (6). Diese Themen werden im jeweiligen relevanten alttestamentlichen Traditionskontext dargestellt und Entwicklungslinien angedeutet. Christof Landmesser betont in seinem neutestamentlichen Beitrag, dass der Christusglaube allen neutestamentlichen Schriften gemein sei, sie jedoch alle unterschiedlichen Schwerpunkte in ihren anthropologischen Aussagen hätten. Diese stellt er schwerpunktmäßig in den einzelnen synoptischen Evangelien ( der bedürftige Mensch ) sowie der Apostelgeschichte und besonders differenziert in der Theologie des Paulus dar, indem er sachorientiert zuerst den Menschen außerhalb des Christusglaubens ( Der verlorene Mensch ) und dann den durch Christus befreiten Menschen ( Der erlöste Mensch ) thematisiert. Das Johannesevangelium und weitere Texte werden nur kurz behandelt. Der kirchen- und theologiegeschichtliche Abschnitt von Ulrich Volp nennt als relevante anthropologische Leitthemen „die Würde des Menschen; der Mensch als Ebenbild Gottes; das Leib-Seele-Problem und vor allem die Frage nach Freiheit und Unfreiheit coram Deo sowie Gnade und Erwählung des Menschen“ (S. 105) und skizziert im Gang durch die kirchengeschichtlichen Epochen (Alte Kirche, Mittelalter, Reformation, Aufklärung und Pietismus) die unterschiedlichen Gewichtungen dieser Themen. Michael Moxter stellt in seinem systematisch-theologischen Beitrag das durch Renaissance und Aufklärung veränderte Selbstverständnis des Menschen im 19./ 20. Jahrhundert an den Anfang, betont aber, dass es „für den christlichen Glauben unverzichtbar und für die humane Selbstverständigung auch nicht unerheblich“ sei, „die Phänomene menschlichen Lebens theologisch zu betrachten und zu begreifen“ (S. 143). Seine Darstellung ist thematisch gegliedert und folgt vier Schwerpunkten: 1. Sprachlichkeit (Transformation der Logos-Anthropologie); 2. Negativität (Sünde als Selbstentfremdung); 3. Sozialität (Zusammenleben in kulturellen Ordnungen); und 4. Leiblichkeit. In seinem kurzen Beitrag konstatiert Christian Albrecht zunächst, dass es keine „disziplinenspezifische Anthropologie“ in der Praktischen Theologie gibt, sondern der Rekurs auf den Menschen auf die „Aufmerksamkeit auf reale und als empirisch wahrnehmbar geltende Aspekte“ (S. 187) Rezensionen 111 zielt. Daher fokussiert sich Albrecht auf „die Frage nach der Funktion der Rede vom Menschen in den einschlägigen praktisch-theologischen Texten“ (S. 188). und konkretisiert dies in 1. Historischer Perspektive ; einer 2. Thematischen Bestandsaufnahme und einer 3. Disziplinenspezifischen Konkretion am Beispiel der Seelsorgelehre . Der differenziert gegliederte Beitrag von Lars Allolio-Näcke zur Religionspsychologie „verbindet die Frage nach dem Menschen und das Verständnis des Faches Religionspsychologie mit einer Theorie der religiösen Entwicklung“ (S. 13). Der akademischen „Mainstream-Psychologie“, die „keine leiblichen Phänomene und nur wenige affektive Phänomene untersuche, weil sie die Leib-Seele-Problematik zugunsten des Bewusstseins entschieden hat“ (S. 245), setzt er eine kulturpsychologische Religionspsychologie entgegen, in der „Raum für Subjektivität, Emotionen, leibliches Wissen sowie eine Theorie des menschlichen Spezifikums“ (S. 246) sei: Sprache und Sozialität. Beides ist die Voraussetzung, dass der Mensch sich selbst transzendieren kann und „ihm der relationale Zugang zu einer möglichen Existenz jenseits des Diesseitigen möglich“ (S. 246) ist. Die Religiosität des Menschen wird als „eine notwendige und bereichernde Dimension menschlichen Daseins“ (247 f.) erkannt. Die abschließende Zusammenschau hebt Konvergenzen der einzelnen Fachbeiträge hervor und macht die jeweiligen Schwerpunkte deutlich, so dass anthropologische Felder für erneute Debatten markiert werden. 2 Zur Didaktik und Methode Dem Konzept der Themen der Theologie entsprechend weist der Band Mensch eine klare Struktur auf, die der klassischen Abfolge der theologischen Fächer, ergänzt durch die Religionspsychologie, verpflichtet ist. Die Vielstimmigkeit theologischen Redens vom Menschen wird so augenscheinlich und eröffnet dem Leser/ der Leserin einerseits den Zugang zu anthropologischen Schwerpunkten der verschiedenen theologischen Einzeldisziplinen und andererseits eine die Einzeldisziplinen übergreifende Perspektive. Zu bedauern ist, dass die Sicht des Menschen in frühjüdischen Texten und Qumran sowie der Stoa und der antiken griechischen Philosophie nur im Zusammenhang der Literaturhinweise für das vertiefende Studium vorkommt, jedoch nicht mit eigenen Beiträgen in diesem Band vertreten ist. Das hätte u. a. für das Verhältnis von alttestamentlicher und neutestamentlicher Anthropologie neue Perspektiven eröffnet. Für den interdisziplinären Zugang sind die Rahmenkapitel, Einführung und die abschließende Zusammenschau, bedeutsam und hilfreich: Die Einführung benennt die gemeinsamen Leitlinien und sachlichen Schwerpunkte der Beiträge 112 rezensiert von Ute Neumann-Gorsolke und ordnet sie konkreten Stichworten zu, die auch in den Kapitelgliederungen wieder zu finden sind, wie z. B. Sprache . Die Zusammenschau am Schluss führt unter den Überschriften 1. Relation und Kontext , 2. Sprache , 3. Leib, Seele, Geist - oder die Verkörperung und Leiblichkeit des Menschen , und 4. Homo absconditus zentrale Einsichten der Einzelbeiträge zusammen und füllt den interdisziplinären Diskurs inhaltlich. Die einzelnen Kapitel weisen dem Fach entsprechend unterschiedliche Gliederungsprinzipien auf, die jeweils die sachlichen Schwerpunkte zum Ausdruck bringen, allerdings auch eine - vielleicht zu Recht! - schnelle vergleichende Orientierung erschweren. Eine Zusammenfassung des Beitrags findet sich nur für das Alte Testament, das Neue Testament (die Überschrift zeigt dies jedoch nicht eindeutig! ) und die Religionspsychologie. Einheitlich schließt dagegen jedes Kapitel mit einem Quellen- und Literaturverzeichnis ab, z. T. werden sogar Titel zum vertiefenden Lernen angeführt. Ein umfangreiches Namens- und Sachregister am Schluss ermöglicht, thematische Zusammenhänge selbst herauszuarbeiten. Während hebräische Begriffe in lateinischer Umschrift, wenngleich nicht immer in Übersetzung erscheinen, wird meist die Kenntnis der griechischen Sprache vorausgesetzt, da die Begriffe nicht in Umschrift geboten werden und z. T. auch nicht ins Deutsche übersetzt sind. Das könnte die Lektüre für diejenigen erschweren, die keine Kenntnisse der antiken Sprachen besitzen. 3 Das Buch als Lehr- und Lernbuch Der Themenband Mensch bietet durch die Beiträge aus allen theologischen Fachdisziplinen und der Religionspsychologie eine gute Zusammenschau theologischer Positionen eines gegenwärtig auch in anderen Wissenschaften diskutierten Themas. Die Zusammenstellung bietet die Möglichkeit, sich die anthropologischen Perspektiven der einzelnen Disziplinen anzueignen. Dazu laden auch die angegebene Literatur, insbesondere die zur Vertiefung angeführten Titel, ein. Durch die rahmenden Teile, die Einführung und die Zusammenschau, wird der Fokus gleichfalls auf die interdisziplinäre Perspektive gelegt und auch Gemeinsamkeiten und Differenzen der Einzeldisziplinen werden offenbar. Dadurch wird die Wahrnehmung theologischer Interdisziplinarität geschult und gefördert. Das Sachregister ermöglicht, durch die vielfältigen Schlüsselbegriffe, selbst Verbindungen zwischen den einzelnen Beiträgen resp. Disziplinen herzustellen. Diesen Vorteilen des Themenbandes steht als Nachteil gegenüber, dass die Beiträge notwendigerweise konzise und sprachlich wie thematisch z. T. sehr Rezensionen 113 verdichtet sind, so dass für eine bereichernde Lektüre m. E. mindestens Grundwissen in der jeweiligen Disziplin notwendig ist. Insgesamt ist dies ein Buch ‚zur rechten Zeit‘, das ein aktuelles Thema umfassend behandelt und zu weiteren Diskussionen herausfordert.