eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 3/2

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2018
32 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Interview mit … Martin Rösel

2018
Martin Rösel
Interview mit-… Martin Rösel Steckbrief: Prof. Dr. Martin Rösel Alter: 56 Jahre Familiäres: verheiratet mit einer Lehrerin; 3 Kinder (29, 27 und 15 Jahre) Berufliches: Studium der Evangelischen Theologie in Bonn und Hamburg; Promotion und Habilitation an der Universität Hamburg; 1988-1993 Wiss. Mitarbeiter am Fachbereich Ev. Theologie der Universität Hamburg (Lehrstuhl Klaus Koch), seit 1993 Akademischer Rat/ Oberrat an der Universität Rostock Mitarbeit an verschiedenen Editions- und Übersetzungsprojekten: Biblia Hebraica Quinta, Septuaginta-Deutsch, Revision der Lutherbibel Weitere Forschungsinteressen: Gottesvorstellungen im Alten Testament, Apokalyptik Vorneweg - Blitzlicht - Lehre - Frust oder Lust? Meistens Lust, aber wenn ich gefrustet bin, weil eine Stunde schlecht lief, versuche ich, den Studis beim nächsten Mal wieder mehr Lust auf den Stoff zu machen. - Lehre oder Forschung? Das eine ohne das andere geht nicht - und wäre auch eintönig. - Lieber Erstsemester oder lieber Integrationsphase (früher Examensphase)? Beides hat seine Faszination. Am Anfang das Staunen (und Zweifeln), am Ende des Studiums im Idealfall ein sich abrundendes, umfassendes Bild. Am schönsten ist es, die Studis durch die Phasen des Studiums begleiten zu können. - Neues oder Bewährtes? 1.Thess 5,21 - Referate oder Gruppenarbeit? Gruppenarbeit. Bei Referaten muss ich oft an den armen Eutychus aus Apg 20,9 denken … Herr Rösel, welche Erfahrungen und/ oder Menschen haben Ihre Lehre nachhaltig geprägt bzw. beeinflusst? Ich habe in den 1980ern studiert, in der Zeit der übervollen Unis. Griechischkurs mit 180 Personen, Hauptseminar NT mit 60 etc. Beeindruckt haben mich Lehrer wie Klaus Koch, Wolfgang Grünberg und Henning Paulsen, die trotzdem ihr Fach 114 rezensiert von Susanne Luther mit Begeisterung vertreten haben und sich um persönliche Kontakte zu den Studis bemühten. Sie wollten wissen, was wir wie verstehen, weil es ihnen um die Sache ging. Das war nicht immer didaktisch toll, aber authentisch und enorm motivierend. Didaktisches habe ich vor allem bei meiner Frau gelernt, die Grundschullehrerin ist. Was ist das Grundparadigma Ihrer Lehre; also würden Sie sagen, dass es bei Ihnen eine Grundüberzeugung gibt, die sich durchzieht? Elementarisierung ohne Banalisierung, wenn ich es auf eine knappe Formel bringen soll. Es ist vergleichsweise einfach, zusätzliche Differenzierungsebenen nachzulegen, wenn erst einmal eine Basis des Verstehens gelegt ist. Andersherum ist es schwierig bis unmöglich. Welche Bedeutung hat die Kompetenzorientierung für Ihre Lehre? Theologie verlangt nach der Grundkompetenz der Sprachfähigkeit. Die Studis sollten nach meinem Eindruck authentisch auskunftsfähig über die Grundurkunde des christlichen Glaubens sein, dies sowohl in den unterschiedlichen Kontexten, in denen sie wirken werden, als auch zur Selbstvergewisserung. Davon leiten sich dann die anderen Kompetenzen ab. Oft wirkt es so, dass die Lehre an unseren Hochschulen eher stiefmütterlich im Gegensatz zur Forschung behandelt wird. Beschreiben Sie Ihren Weg Forschung und Lehre miteinander zu verknüpfen. Wo sehen Sie Potentiale für Synergieeffekte zwischen diesen beiden Bereichen? Ein konkretes Beispiel: Ich wähle gerne die Themen eigener Vortrags- oder Publikationsvorhaben als Seminarthema. Das zwingt mich dazu, die Dinge von Grund auf zu bedenken und gleichzeitig meine Überlegungen so zu formulieren, dass sie auch Studierenden verständlich sind. Deren Rückfragen entlarven in der Regel wunde Punkte. Begleitend zur Revision der Lutherbibel habe ich verschiedene interdisziplinäre Seminare mit Germanisten oder Übersetzungswissenschaftlern gemacht, diese haben unmittelbar für die Revision Frucht getragen. Aber ich gebe gerne zu, dass das nicht bei allen Themen möglich ist. Diese Ausgabe von Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an beschäftigt sich mit der Bibelkunde als Gegenstand akademischen Unterrichts. Sie haben sich diesem Thema mit Lehrbuch und Online-Kurs in zwei Fassungen gewidmet. Welche Zielgruppen hatten Sie vor Augen, als Sie diese unterschiedlichen Formate schufen, und welche Aspekte möchten Sie mit den unterschiedlichen Angeboten jeweils betonen? Das Buch ist entstanden, als ich in Rostock erstmals Bibelkunde für eine Studierendengruppe unterrichten musste, die nahezu kein kirchliches oder biblisches Grundwissen hatte. Die zu der Zeit gängigen Lehrbücher setzten aber durchgängig Hintergrundwissen aus einer kirchlichen Sozialisation voraus, so dass sie den Studis oft unverständlich waren. Und: Das Buch sollte auch thematisch Querschnitte bieten, damit deutlich wird, warum es sich lohnt, die biblischen Texte zu kennen. Daher die Thema-Kapitel im zweiten Teil des Buches. Interview mit-… Martin Rösel 115 Die CD und der Online-Kurs sind aus hochschuldidaktischen Projekten hervorgegangen und zielten auf neue Lesegewohnheiten durch das Internet. Sie reagieren auf Beobachtungen beim Umgang der Studis mit dem Buch: Wer liest schon die Verse nach, die in der Bibelkunde als wichtig angegeben sind, wer sucht z. B. Bethel oder Babylon im Atlas, wer macht sich klar, wann Alexander gegen die Perser siegte, wer holt den Duden, um terminus ad quem nachzuschlagen …? Mit den elektronischen Medien konnten die verschiedenen Materialien und Informationen leicht kombiniert werden. Die Erfahrung zeigt, dass die Nutzerinnen und Nutzer (oft ohne es zu merken) mehr lernen, weil sie sich von Link zu Link weiterklicken. Eigentlich wollten sie nur Amos vorbereiten, aber am Ende sind sie in einem Thema/ Kapitel angekommen … Später kam dann noch die Lernzielkontrolle mit nahezu 1000 Fragen in verschiedenen Schwierigkeitsstufen dazu. Wer das ernsthaft durcharbeitet, kann eigentlich nicht mehr durch die Prüfung fallen. Diese Lernzielkontrolle wird es demnächst auch als App für die Generation Smartphone geben. Als Zielgruppe waren immer Studierende (Lehr- und Pfaramt) in Anfangssemestern im Blick. Es zeigte sich aber, dass die Materialen auch zum Wiederholen in höheren Semestern gerne benutzt werden. Viele nutzen offenbar Buch und elektronische Versionen parallel - eine interessante Erkenntnis, dass diese unterschiedlichen Zugänge komplementär sind. Zum Schluss: Was würden Sie den Kollegen und Kolleginnen mit Blick auf die eigene Lehre gerne mitgeben? Keine fertigen Konzepte, nur Beispiele für Kontrollfragen: Würde ich als Student meine morgige Einheit gut finden? Warum erreiche ich die Reihe hinten links nicht? Welches war die beste, welches die schwächste Stunde des Semesters? Kann ich nicht einfach die Studis fragen, mit welchen Konzepten sie gute, motivierende Erfahrungen gemacht haben?