eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 3/2

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2018
32 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Bibelkenntnis statt Bibelkunde

2018
Matthias Hopf
Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 3 -2018, Heft 2 Bibelkenntnis statt Bibelkunde Erwägungen zum Umgang mit biblischen Texten in der Integrationsphase des Pfarramts-/ Masterstudiums Matthias Hopf Abstract | This contribution tackles issues surrounding the knowledge and use of biblical texts ( Bibelkunde ) in the run up to the final theological exams. It is proposed that merely knowing abstract details about the structure of biblical books and about certain key passages will not help students much in succeeding at the tests. Instead, students should be equipped by review courses with in-depth familiarity with biblical texts which should, at the same time, be interconnected with other spheres of exegetical knowledge (e. g. compositional or religious history, central theological motives, or form criticism). Several didactic suggestions for successful teaching and for conveying this textual familiarity are made. 1 Die Voraussetzungen Zunächst sind die Rahmenbedingungen für die Bibelkunde in der Integrationsphase etwas näher zu beleuchten. Dabei soll es zunächst um die formalen Voraussetzungen der Bibelkunde in der Integrationsphase gehen, dann um die faktischen Notwendigkeiten und schließlich um die vorliegenden Lernmaterialien. 26 Matthias Hopf 1.1 Die formalen Rahmenbedingungen: Was müsste gewusst werden? Tatsächlich sind innerhalb des modularisierten Studiums durch die Studien- Rahmenordnung 1 seminaristische Veranstaltungen vorgesehen, wie auch immer diese im Detail aussehen oder heißen mögen (‚Repetitorien‘, ‚Integrationsseminare‘ o. ä.). Die Bibelkunde hat dabei als eigenständige Veranstaltung in dieser Schlussphase formal keinen Raum. Sowohl die EKD -Rahmenordnung für die theologische Zwischenprüfung 2 , als auch die örtlichen Studienordnungen verorten die Bibelkunde seit Mitte/ Ende der 1990 er im Grundstudium. Dort ist sie mit einem durchaus ansehnlichen Kontingent an Leistungspunkten ( LP ) ausgestattet - meist zwischen 8 und 12 LP . Punkte für Prüfungen sowie die vorlaufenden Veranstaltungen sind hier jeweils zusammengezählt. 8 LP erhält man in Bochum, Erlangen, Frankfurt, Göttingen, Greifswald, Jena, Mainz und Münster. 10 LP werden in Bonn, Halle, Leipzig und Rostock vergeben, wobei in Bonn 5 LP auf ein ‚angeleitetes Selbststudium‘ entfallen - m. E. ein durchaus vielversprechender Ansatz, den man auch stärker in der Integrationsphase erwägen sollte. Mit 12 LP versehen ist die Bibelkunde schließlich in Hamburg, Heidelberg, Kiel, München, Neuendettelsau, Tübingen und Wuppertal/ Bethel. Ausnahmen von diesem Spektrum bilden nur Marburg mit 6 LP am unteren Ende sowie Berlin mit 13 LP am oberen Ende (sofern man die explizite Bibelkunde sowie die Grundkurse zusammenzählt). 3 Gleichwohl zeigt sich an dieser Spannbreite, dass der Bibelkunde an den verschiedenen Orten offensichtlich ein je unterschiedlich großer Stellenwert zukommt. Auch darüber, was inhaltlich zu verlangen ist, dürften die Meinungen von Ort zu Ort sehr auseinander gehen. Das schlägt sich bspw. darin nieder, dass der Umfang der Prüfungen erheblich variiert: Es existiert nahezu alles zwischen kurzen mündlichen Prüfungen und essayistischen Klausuren. 4 Diese Varianz liegt aber bereits in der relativen Vagheit der Rahmenvorgaben begründet. Der Evangelische Fakultätentag hat in seiner Richtlinie von 2011 prinzipiell nur den „Gesamtüberblick über Inhalt und Aufbau der biblischen Bücher“ als Gegenstand der Prüfung vorgegeben, wenngleich in den örtlichen Prüfungsordnungen „ergänzend grundlegende biblische Themen und Motive“ 1 Vgl. Nr. 6 in der Ordnung (Rat der EKD, Studiengang). Inwieweit und in welcher Form solche Veranstaltungen an den jeweiligen Standorten angeboten werden, müsste separat untersucht werden. 2 Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 8 der ZP-Rahmenordnung (Rat der EKD, Zwischenprüfung). 3 Diese Daten wurden im Frühjahr 2018 den Websites der jeweiligen Ausbildungsstätten entnommen. 4 Vgl. dazu auch die Linksammlung zu den Prüfungsvorgaben der Fakultäten und Hochschulen (soweit sie online auffindbar sind) am Ende dieses Beitrags. Bibelkenntnis statt Bibelkunde 27 als zusätzliche Inhalte vorgesehen sein können. 5 Dies lässt einen großen Interpretationsspielraum zu, der an den verschiedenen Ausbildungsorten sehr unterschiedlich genutzt wird. Daneben wird durch die Rahmenrichtlinien des Fakultätentags die Setzung von individuellen Schwerpunkten ermöglicht. Explizit ist dies nach meiner Durchsicht zwar nur selten in den Prüfungsordnungen zu finden, faktisch allerdings dürften durch mündliche Absprachen o. ä. nahezu überall gewisse Schwerpunktsetzungen existieren. Eine Ausnahme im Reigen der Prüfungsordnungen bilden wiederum Bonn sowie Wuppertal, die jeweils sehr detaillierte Schwerpunktsetzungen vornehmen. Dort werden klare Vorgaben für die Kenntnis bestimmter Textbereiche gemacht. Zudem ist ein Kanon auswendig zu beherrschender Bibelstellen fixiert. Ob man dies befürwortet oder nicht, Fakt ist, dass dieser vorgegebene Textbestand einem ‚gefühlten Kanon‘ von erwartbarem Examenswissen ziemlich nahe kommen dürfte, selbst wenn dies in Ermangelung klarer Vorgaben innerhalb der landeskirchlichen und universitären Prüfungsordnungen für das Erste Examen/ Diplom nicht wirklich verifizierbar ist. Wer sich aber in den durch Bonn und Wuppertal umrissenen Textbereichen auskennt und die genannten Stellen präsent hat, sollte m. E. gute Voraussetzungen für jegliches Examen mitbringen. Jedenfalls dürfte es in aller Regel in der Bibelkunde primär um die Gliederungen der wichtigeren biblischen Bücher sowie um eine Reihe inhaltlich zentraler Stellen gehen, was ’mal mehr und ’mal weniger mit Elementen der Theologie des AT / NT und/ oder Einleitungswissen garniert ist. 5 Vgl. Evang.-theol. Fakultätentag, Richtlinien. Matthias Hopf, * 1976, Dr. theol., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für alttestamentliche Wissenschaft und altorientalische Religionsgeschichte an der Universität Zürich. Promoviert wurde er 2014 mit einer Arbeit über das Hohelied an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau. In dieser Zeit konnte er in insgesamt neun Integrationsseminaren/ Repetitorien sowie vielen weiteren Hochschulveranstaltungen umfangreiche Lehrerfahrungen im Umgang mit Examenskandidatinnen und -kandidaten sammeln. 28 Matthias Hopf 1.2 Die sachlichen Notwendigkeiten: Was ist sinnvoll zu wissen? Die Frage ist jedoch ohnehin, ob der von den Rahmenrichtlinien verlangte ‚Gesamtüberblick‘ für die Integrationsphase so überhaupt erstrebenswert ist. Zumindest wird das Wissen um den bloßen Aufriss biblischer Bücher sowie um bestimmte Bibelstellen alleine m. E. nur bedingt weiterhelfen. 6 Wichtiger scheint mir, ‚Wissensnetze‘ inhaltlicher Prägung aufzubauen - bspw. zu bestimmten Motiven oder Topoi die zentralen Stellen und die wesentlichen Inhalte derselben parat zu haben. Das kommt natürlich wiederum einem Kanon von auswendig zu lernenden Passagen recht nahe. Doch geht es dabei weniger um das bloße Wissen der Stellen als vielmehr um eine inhaltliche Durchdringung. Mit anderen Worten: Die Bibelkunde muss für das Examen mit anderen Wissensbereichen (nicht nur) der exegetischen Fächer verknüpft werden - ob diese nun jeweils eher motivgeschichtlicher, gattungskritischer, literarkritischer, religionsgeschichtlicher oder anderer Natur sind. Um die Theologie des AT oder Einleitungswissen wirklich zu beherrschen, werden also gedankliche Querverbindungen zum jeweiligen bibelkundlichen Textmaterial benötigt. Das jedoch zielt weniger auf ein herkömmliches Bibelkundewissen, als vielmehr auf eine Bibel kenntnis . 7 Damit soll nicht in Abrede gestellt sein, dass man in der Prüfungssituation bei der Nennung einer Bibelstelle grob wissen sollte, in welchem Kontext diese zu verorten ist. Doch selbst so ein ‚Aufriss-Wissen‘ scheint mir für das Examen eher inhaltlich ausgerichtet sein zu müssen als geleitet von der Frage nach mehr oder weniger abstrakten und auswendig gewussten Gliederungen. Kurzum: Es ist entscheidend, dass das ‚Skelett‘ eher abstrakten bibelkundlichen Wissens für das Examen mit inhaltlichem Leben gefüllt wird. Es geht nach meinem Dafürhalten in der Integrationsphase mithin im Wortsinne um die Integration der verschiedenen Wissensstränge zu einem großen Wissensnetz. 6 Die Problematik des Hiatus zwischen universitären Anforderungen und kirchlichen Erwartungshaltungen bzgl. der Fähigkeiten zukünftiger Pfarrerinnen und Pfarrer wäre hier noch ein zusätzliches weites Feld. Expliziert werden die Anforderungen der Praxis nur in sehr wenigen Bibelkunde-Prüfungsordnungen wie jenen von Bonn und Wuppertal/ Bethel. 7 Eine solche kontext-verbindende Textkenntnis bzw. der Aufbau eines solchen Wissens- Netzes würde auch der von Gerstenmaier/ Mandl, Wissenserwerb, 875 und 879 , skizzierten Forderung nach Einbindung von Wissen in multiple Kontexte und Perspektiven entsprechen. Bibelkenntnis statt Bibelkunde 29 1.3 Das Lehr-/ Lernmaterial: Welche Hilfsmittel gibt es? An diesem Punkt weist ein Trend auf dem Markt der Bibelkunde-Bücher m. E. in die richtige Richtung: Die Lehrwerke stellen den ‚klassischen‘ Übersichten über die einzelnen Bücher zunehmend thematisch ausgerichtete Abschnitte zur Seite. Dies fällt von Werk zu Werk unterschiedlich aus. Für das AT bspw. stellt die Bibelkunde von Matthias Augustin und Jürgen Kegler eine solche inhaltliche Orientierung in Form tabellarischer Übersichten bereit. 8 Hinzu kommen innerhalb der Buchbeschreibungen „Arbeitsvorschläge“, die weitere thematische Querverbindungen eröffnen. Manfred Oeming beschreitet ebenfalls den letzteren Weg, indem er an die Vorstellung der Bücher einen Hauptteil B mit 90 Arbeitsfragen anschließt. 9 Didaktisch nachteilig erscheint allerdings in beiden Fällen, dass die Musterantworten sofort im Anschluss an die Fragestellung dargeboten werden, was kaum förderlich für die eigenständige Erarbeitung der jeweiligen Problemstellungen sein dürfte - insofern erscheint die Titulierung der Bereiche als „Fragen“ eher als frag würdig . Deutlich umfangreicher in der Darstellung schließlich sind die „Thema-Kapitel“ bei Martin Rösel, die entsprechend auch größere inhaltliche Substanz aufweisen und nicht alleine motivliche Aspekte behandeln, sondern ein sehr breites Spektrum exegetisch interessanter Fragestellungen abdecken. 10 Im NT zeigt sich ein vergleichbares Bild: Insbesondere die Bibelkunde von David Bienert enthält einen sehr umfänglichen „Querschnitts“-Teil, der u. a. wichtige Personen und theologische Themen des NT vorstellt. 11 Hinzu kommen verschiedene Arbeitsfragen (wobei erneut das Problem der sofortigen Beantwortung derselben vorliegt), die z. T. ebenfalls größere Bögen schlagen. Klaus- Michael Bull bietet in seiner Bibelkunde einen seitenmäßig recht breiten, inhaltlich aber etwas schmaleren Abschnitt zu ntl. Themen. 12 Ansonsten verfolgt Bull eine etwas andere Strategie, da er weniger auf Arbeitsfragen setzt, sondern lieber in gut leserlichem nacherzählenden Stil die jeweiligen Bücher beschreibt, 8 Vgl. Augustin/ Kegler, Bibelkunde, 341 - 403 . Damit sind knapp 15 % des Gesamtumfangs den thematischen Übersichten gewidmet. Das inzwischen bei Gütersloh aus dem Programm genommene Werk ist per print-on-demand beim Fromm-Verlag erhältlich. 9 Vgl. Oeming, Bibelkunde, 73 - 110 . Diese rund 40 Seiten entsprechen ca. einem Drittel des Gesamt-umfangs. 10 Vgl. Rösel, Bibelkunde, 119 - 197 . Das stellt wie bei Oeming ca. ein Drittel des Gesamtumfangs dar. Allerdings ist der Teil mit knapp 80 Seiten deutlich breiter angelegt. In der elektronischen Fassung der Bibelkunde von Rösel/ Bull kommt noch weiteres Fragenmaterial hinzu. 11 Vgl. Bienert, Bibelkunde, 249 - 319 . Das entspricht gut 20 % des Gesamtumfangs. 12 Vgl. Bull, Bibelkunde, 160 - 199 . Das stellt knapp 20 % des Gesamtumfangs dar. Hinzu kommt allerdings noch ein gut sechsseitiges Glossar ( 200 - 206 ), was bei Bienert leider fehlt. 30 Matthias Hopf was v. a. ‚Schmöker-Fans‘ zugutekommen dürfte. Es fragt sich allerdings, inwieweit ein solcher Ansatz wirklich zur studentischen Eigenarbeit und -lektüre beiträgt - zur Notwendigkeit dessen weiter unten noch mehr. Kurz erwähnt sei noch die Bibelkunde von Lukas Bormann, 13 die in ihrer gesamtbiblischen Anlage die Tradition älterer Werke wie z. B. jenes von Claus Westermann fortführt. 14 Notgedrungen geht dies jedoch mit einer erheblichen Reduktion auf wesentliche Elemente wie Gliederungen und wenige inhaltliche Aspekte einher, weswegen buchübergreifende thematische Überblicke o. ä. hier kaum vorkommen. 15 An diesem Überblick zeigt sich: Prinzipiell ist die ‚Marktlage‘ im Bereich der Bibelkunde-Werke äußerst erfreulich, da auch hinsichtlich der Ausführlichkeit von knappem (Oeming) bzw. mittlerem Umfang (Rösel bzw. Bull) bis hin zu sehr ausführlichen Bänden (Augustin/ Kegler bzw. Bienert) nahezu alles vorhanden ist.Hinzu kommen computergestützte Formate, wobei v. a. die Elektronische Bibelkunde von Rösel zu nennen ist sowie die Online-Beigaben zur Bibelkunde von Bormann, 16 da sonstige elektronische Angebote von ausreichender Qualität bis dato eher Mangelware sind. 17 Zu erwähnen sind schließlich auch die bibelkundlichen Abrisse in den verschiedenen Einleitungen, die vermutlich die literarischen Hauptbezugsgrößen 13 Vgl. Bormann, Bibelkunde sowie die Online-Beigaben zu dem Buch unter der URL https: / / bibelkunde.utb.de/ startseite/ . 14 Vgl. Westermann, Abriß; diese wird nach einer Überarbeitung durch Ahuis nach wie vor fortgeführt als Westermann/ Ahuis, Bibelkunde. 15 Dies gilt in noch stärkerem Umfang für Wick, Bibelkunde, dessen ntl. Bibelkunde weitestgehend aus Tabellen besteht, die nur durch knappe Erläuterungstexte zu den einzelnen Büchern ergänzt werden. Hier sind in der Integrationsphase m. E. die älteren Werke von Helmut Merkel und Klaus Berger vorzuziehen. Merkel, Bibelkunde, 256 - 266 , enthält immerhin 11 Seiten mit Fragen, die wohl überlegt und im positiven Sinne spielerisch gestaltet sind. Preuß/ Berger, Bibelkunde, 475 - 527 , bietet zwar rund 50 gesamtbiblisch ausgerichtete Seiten mit Stichwort-Verweisen, Arbeitsfragen etc. (knapp 10 % des Gesamtumfangs dieses zweibändigen Werks), die in ihrer tabellarischen Anlage aber wenig lesefreundlich sind. Zudem wäre es schön, wenn hier über die bloßen Stellenangaben hinaus etwas mehr Hintergrundinformationen dargestellt würden. Entsprechend scheinen mir - insbesondere aufgrund des Fehlens breiter thematischer Überblicke - die in dieser Anmerkung genannten Lehrbücher für die Integrationsphase weniger empfehlenswert zu sein. 16 Vgl. Bormann, UTB Bibelkunde. 17 An der Bergischen Universität Wuppertal wird ein elektronischer Moodle-Kurs verwendet. Zu Zielsetzung und Konzept vgl. den Beitrag zur Bibelkunde als eLearning-Modul in diesem Heft. Ansonsten sei noch das Online-Angebot von Axel Wiemer, Bibelkunde, erwähnt, das jedoch eher als unterhaltsames Quiz für zwischendurch anzusehen ist. Wie groß der Lerneffekt desselben ist, scheint mir fraglich. Bibelkenntnis statt Bibelkunde 31 für das Lernen auf das Examen darstellen. Allerdings sind diese in ihrer ’mal größeren, ’mal geringeren Ausführlichkeit unter didaktischen Gesichtspunkten nicht immer optimal angelegt. Nicht selten schwanken sie zwischen den Extremen bloßer tabellarischer Übersichten 18 oder übermäßiger Detailfülle an textanalytischen oder literargeschichtlichen Beobachtungen. 19 Ein Hauptproblem aller dieser Werke scheint mir jedoch zu sein, dass sie umfassend enzyklopädisch angelegt sind und bestenfalls durch die Breite der Darstellung gewisse Priorisierungen vornehmen. Auch wenn das natürlich in der Sache und im Genre selbst begründet liegt, suggeriert diese Anlage doch, dass alles ‚gewusst werden muss‘ - was meiner Einschätzung nach für das Examen so kaum zutreffen dürfte. 20 Einzig die thematisch orientierten Abschnitte der Bibelkunde-Lehrwerke schaffen hier eine gewisse Abhilfe, da sie das bibelkundliche Wissen strukturieren und systematisieren. Gerade dieser Trend ist m. E. höchst begrüßenswert v. a. im Hinblick auf die Verwendbarkeit der Lehrwerke im Rahmen der Examensvorbereitung. 2 Die Situation zu Beginn der Integrationsphase-- einige Problemanzeigen Nach der Darstellung der Rahmenbedingungen ist nun auf einige Beschwernisse hinzuweisen, unter denen die Bibelkunde im Studium insgesamt, wie auch insbesondere in der Integrationsphase zu leiden hat. Diese Problemanzeigen beruhen auf Beobachtungen in meiner eigenen Lehre sowie auf dem Austausch mit Kollegeninnen und Kollegen. Nahezu ein Allgemeinplatz ist es, dass die Bibelkunde unter Studierenden äußerst unbeliebt ist, nicht zuletzt weil sie als reines Auswendiglern-Fach gilt, bei dem sich der inhaltliche Nutzen nur einem Teil der Studierenden wirklich erschließt. Das liegt freilich auch daran, dass trotz bisweilen geringer Vorkennt- 18 So z. B. im Bereich des AT bei Schmitt, Arbeitsbuch, oder im Grunde auch bei Gertz u. a., Grundinformation. Während bei Römer u. a., Einleitung, zwar ebenfalls die Tabellen stark dominieren, sind selbige übersichtlicher und v. a. auch noch durch einige hilfreiche Erläuterungen ergänzt, was bei Gertz u. a. deutlicher knapper ausfällt. Im NT ist dies tendenziell bei Schnelle, Einleitung, der Fall. 19 Vgl. für das AT v. a. Zenger/ Frevel, Einleitung; im NT wären bspw. Ebner/ Schreiber, Einleitung, und Pokorný/ Heckel, Einleitung, zu nennen, aber auch Carson/ Moo, Einleitung, neigt in diese Richtung 20 In aller Regel bestehen ja doch ausgesprochene oder meist unausgesprochene Rahmenangaben bzgl. der prüfungsrelevanten Text- und Themenbereiche, selbst wenn dies manche Prüferinnen und Prüfer nicht zugeben wollen oder nicht gerne sehen. 32 Matthias Hopf nisse 21 der wohl sinnvollste und wichtigste Teil der Arbeit gerne ausgelassen wird: die eigentliche Bibellektüre. Man mag dies als die studientechnischen Auswirkungen der Krise des protestantischen Schriftprinzips bezeichnen 22 oder nicht - Fakt ist jedenfalls: In Ermangelung der Primärtext-Lektüre bleiben die (meist in Tabellenform) gelernten Gliederungen abstrakt und ohne inhaltliche Füllung. Das hat jedoch meist zur Folge, dass die Aneignung des Wissens nicht nachhaltig ist. Das einzige, was nachhaltig zurückbleibt, ist häufig eine Abneigung gegenüber der Bibelkunde selbst. Tatsächlich scheint mir nämlich in Examensveranstaltungen eine enorm hohe Motivierung seitens der Lehrperson nötig zu sein, bis Studierende sich wirklich mit den Primärtexten auseinandersetzen. Ungeliebt ist das Fach jedoch in aller Regel nicht nur bei Studierenden, sondern auch unter Dozierenden. Sind die exegetischen Fächer mehrfach besetzt, wird die Bibelkunde gerne als ‚Schwarzer Peter‘ zwischen den Lehrstühlen hin- und hergeschoben. Oder aber die Vermittlung wird per Outsourcing an Lehrbeauftragte vergeben. Dieser Umstand markiert die Diskrepanz zwischen der unhinterfragten Wichtigkeit, biblische Texte zu kennen einerseits und dem faktischen Stellenwert des Faches Bibelkunde innerhalb der Lehre andererseits. Diese Differenz, die auch Studierende bemerken, trägt sicherlich nicht zum Lehr-/ Lern-Erfolg bei. Als eigener Lernbereich spielt Bibelkunde im Hauptstudium eine klar untergeordnete Rolle. Im Idealfall wäre hier der Punkt, an dem das ‚Skelett‘ bibelkundlichen Wissens zumindest ausgewählt und anhand der individuellen Schwerpunktsetzungen mit ‚Fleisch‘ gefüllt wird. 23 Faktisch wird ein bibelkundliches Wissen in der Lehre aber vermutlich einfach stillschweigend voraus- 21 Die Ausnahme bilden i. d. R. Studierende mit einer eher evangelikal geprägten Sozialisation. Vgl. zu den geringer werdenden biblischen Vorkenntnissen auch die luzide Darstellung des Problemkomplexes bei Stein, Chance, 110 f.; dazu die Ausführungen bei Fischer/ Wagner, Verstehen, 8 , inkl. dem interessanten Hinweis auf die Kompetenzerwartung „Kenntnis grundlegender biblischer Geschichten“ innerhalb des österreichischen Lehramtsstudiums (vgl. Fischer/ Wagner, Verstehen, 8 Anm. 17 ). 22 Es scheint, dass Schlag, Ausbildung, 53 , in diese Richtung denkt, wenn er nicht ohne kritischen Unterton feststellt, dass im Pfarramt „nicht mehr in erster Linie eine besondere Gelehrtheit gefragt oder gar eine explizite biblisch-theologische Inhaltlichkeit erwünscht zu sein scheint, sondern eher eine lebenskundige Dialogfähigkeit, nicht selten gar eine Art spirituelle Inszenierungsfunktion gefragt ist.“ Zum Schriftprinzip insgesamt vgl. u. a. Lauster, Prinzip (v. a. seine luzide Darstellung der gegenwärtigen Diskussion, 401 - 439 ). 23 Angesichts der Gesamtfülle der abzuarbeitenden Module im Hauptstudium ist dieses ausgewählte Arbeiten ohnehin nicht selten wirklich äußerst exemplarisch. Viele Studierende belegen nur das eine notwendige Hauptseminar pro Fach (nur selten sind Aufbaumodule so flexibel angelegt, dass auch mehrere Hauptseminare bspw. statt einer vertiefenden Vorlesung eingebracht werden können). Bibelkenntnis statt Bibelkunde 33 gesetzt und nicht mehr separat thematisiert - was im Sinne eines kontinuierlichen Lernens und Vertiefens eigentlich fatal ist. 24 Letztlich müsste ja nun das Wissen um abstrakte Rahmendaten einer lebendigen Anschauung weichen. Es ist jedoch zu fragen, wie viele Bibelstellen aus einer für eine Veranstaltung zu lesenden Sekundärliteratur wirklich nachgeschlagen werden. 25 Interessant und vermutlich aufschlussreich wäre im Übrigen eine belastbare empirische Studie zum Umgang mit der Bibel im Theologiestudium, die nicht nur der Quantität desselben, sondern auch den Kontexten, den Motivationen dazu etc. nachgeht. Entsprechend stellt sich die Situation beim Eintritt in die Integrationsphase meiner Erfahrung nach häufig wie folgt dar: Wenn Studierende in Repetitorien oder vergleichbare Veranstaltungen kommen, ist leider nur ein begrenztes Vorwissen vorhanden, auf dem aufgebaut werden kann - das gilt für alle Wissensbereiche, in besonderem Maße jedoch für die Bibelkunde. Hier rächt sich vielleicht auch, dass das Biblicum in aller Regel vor geraumer Zeit abgelegt wurde und das Hauptstudium das Wissen selbst im Idealfall nur exemplarisch vertieft. In der Integrationsphase müssten nun die mehr oder weniger großen Lücken geschlossen werden. Es ist vor diesem Hintergrund durchaus verständlich, dass die Studierenden hoffen, in der Examensveranstaltung ein beherrschbares ‚kanonisches Wissen‘ vermittelt zu bekommen - selbst wenn das in dieser Form kaum möglich ist. Erschwerend kommt hinzu, dass hinter der Hoffnung nicht selten auch die Angst steht vor der Unüberschaubarkeit des Faches, vor der Menge der Inhalte, vor den alten Sprachen etc. Kurz: Es bestehen erhebliche Unsicherheiten aufgrund der mangelnden Vertrautheit mit dem Stoff. Das liegt natürlich mitunter daran, dass meiner Erfahrung nach in Examensveranstaltungen i. d. R. weniger das obere Drittel im Leistungsspektrum zu finden ist. Diese Studierenden ziehen es meist vor, eigenständig zu lernen. Es bleibt abzuwarten, wie sich dies in der 24 Die Ausführungen von Huebenthal, Zauber, 26 - 28 , über konstante und über einen langen Zeitraum hinweg entwickelte exegetische Fähigkeiten können hier analog angewandt werden, selbst wenn ich die konkreten didaktischen Umsetzungen Huebenthals jenseits ihrer Problemanzeigen so nicht teilen würde. Vgl. dazu aber auch die Forderung nach Anwendung von Wissen bei Gerstenmaier/ Mandl, Wissenserwerb, 867 . 25 Das wird freilich durch ein nicht selten zu beobachtendes Übermaß an Eifer im Angeben von Vergleichsstellen in der Literatur nicht gerade erleichtert. Eine sinnvolle Reduktion auf wirklich wichtige Stellen wäre hier vielleicht zielführender. Allerdings liegt diese Problematik wohl schlicht im Genre-Unterschied zwischen Lehr-Literatur und Forschungs- Literatur begründet. Gerade in Hauptseminaren muss ja zwangsläufig mit letzterer gearbeitet werden. 34 Matthias Hopf weiteren Implementierung des modularisierten Studiums durch verpflichtende Veranstaltungsformate verändern wird. 26 Interessanterweise führt die beschriebene Unsicherheit bei den Studierenden meist dazu, das Heil in der Sekundärliteratur zu suchen - weil viele wohl meinen, dort die nötigen Zusammenfassungen zu finden, die alles bewältigbarer machen. 27 Die Auseinandersetzung mit den Primärtexten kommt demgegenüber recht kurz. Inwieweit hierbei auch der Nachhall einer Bibelkundeabneigung eine Rolle spielt, darüber kann nur spekuliert werden. Um die Hauptprobleme zusammenzufassen: Die Bibelkunde bzw. der gesamte Umgang mit biblischen Texten leidet unter einem enorm schlechten Image. Damit korreliert der faktisch geringe Stellenwert der Bibelkunde bei Lehrenden wie Studierenden. Das letzte Element im Teufelskreis ist dann die große Abstraktheit bzw. mangelnde Lebendigkeit der bibelkundlichen Inhalte, was das bestehende Image zementiert und Unsicherheiten nicht zuletzt angesichts der großen Stoffmenge hervorbringt. 3 Wege zu einer Stärkung der Bibelkenntnis Wie ist diesem Problemkomplex zu begegnen? Meiner Lehrerfahrung nach muss sehr basal angesetzt werden: bei den Befindlichkeiten der Studierenden. Zunächst muss eventuellen Ängsten und Überforderungsgefühlen begegnet werden, um die Studierenden dann sachlich strukturiert anzuleiten, ihr Glück durch verstärkte Bibellektüre und anwendungsorientierten Umgang mit den Texten selbst in die Hand zu nehmen. Diese vier Schritte möchte ich im Folgenden kurz erläutern. 3.1 Abbau von Abneigungen und Ängsten Zunächst ist es m. E. essentiell, Ängste und Abneigungen gegenüber der Bibelkunde und damit auch gegenüber dem Umgang mit biblischen Texten abzubauen. Hierzu ist in der Examensphase insbesondere einer zu abstrakten Behandlung der biblischen Passagen entgegenzuwirken. Es hilft bspw. kaum jemandem, wenn Bibelstellen einfach genannt werden. Sie sollten nach Möglichkeit auch 26 Es ist jedoch durchaus denkbar, dass die in der Studien-Rahmenordnung geforderten seminaristischen Veranstaltungen (vgl. Rat der EKD, Studiengang, Nr. 6 ) nach dem Vorbild des angeleiteten Selbststudiums modelliert werden, wie es z. B. in Bonn in Teilen schon vorgesehen ist. In diesem Fall würde sich wohl nicht viel zur gegenwärtigen Situation verändern. 27 Vgl. dazu auch die Beobachtungen von Huebenthal, Zauber, 21 . Bibelkenntnis statt Bibelkunde 35 textlich wahrgenommen werden. Ein Problem ist dabei, dass Lehrende die zentralen Stellen in aller Regel gut kennen und entsprechend in einer gewissen Betriebsblindheit vergessen, dass das bei Studierenden vielleicht nicht der Fall ist. 28 Darum muss auch die akademische Lehre in der Integrationsphase immer einen starken Zug zu konkreten Texten aufweisen 29 - dazu gleich noch mehr. Es scheint mir zudem wichtig, den Zugang zu den biblischen Texten möglichst niedrigschwellig zu gestalten. 30 Dazu kann man erwägen, punktuell auch eher spielerische Elemente in die Lehre zu integrieren, sofern es mit dem eigenen Lehrstil zu vereinbaren ist. Der Vorteil solcher - vielleicht auf den ersten Blick ‚albern‘ anmutenden - Methoden ist schlicht, dass dadurch zentralen Einsichten konstruktivistischer Modelle zum Wissenserwerb Rechnung getragen wird. Diese Modelle haben anhand verschiedener Untersuchungen gezeigt, dass Lernen insbesondere dann gelingt, wenn folgende Rahmenbedingungen stimmen: a) authentische und situierte Anwendung von Lösungsansätzen auf konkrete Problemstellungen, b) Anwendung des Wissens in multiplen Kontexten und c) aus multiplen Perspektiven sowie schließlich d) Einbindung des Wissens in soziale Kontexte. 31 In je unterschiedlicher Ausprägung sind diese Rahmenbedingungen gerade bei Methodenelementen wie Quiz- oder Memory-Spielen, ‚Lernliedern‘, symbol-, bild- oder schaubildgestützten Lernmaterialen etc. in hohem Maße gegeben. 32 28 Vgl. auch die Problemanzeige zum exegetischen Methodenrepertoire bei Huebenthal, Zauber, 27 f. 29 Es ließe sich natürlich ebenso fragen, inwieweit schon in den Bibelkundeveranstaltungen im Grundstudium stärker auf die Texte selbst einzugehen wäre und nicht nur auf die abstrakten Meta-Angaben, aus denen die Bibelkunde meist besteht. 30 Ähnlich auch Stein, Chance, 112 . 31 Vgl. Gerstenmaier/ Mandl, Wissenserwerb, 879 , sowie den Beitrag insgesamt. 32 Der eine oder die andere mag dennoch einwenden, dass spielerisches Arbeiten in der universitären Ausbildung nichts verloren hat, weil das nicht deren Niveau entspreche. Schlag, Ausbildung, würde solche Methoden wohl als „zu stark strukturierte und programmatisch auf ‚Outcome‘ setzende Ausbildungskonzepte“ ( 57 ) ablehnen. Dabei wird gar nicht in Abrede gestellt, dass „sich religiöse Erschließungsvorgänge […] immer auch ‚von sich aus‘ ereignen“ ( 55 ); vgl. dazu bspw. nur die dezidiert individuelle Prägung des Wissenserwerbs nach Gerstenmaier/ Mandl, Wissenserwerb, 874 f. In der Tat kann ich als Lehrperson bestenfalls möglichst gute Rahmenbedingungen für Lehr-/ Lern-Prozesse herstellen, wozu meiner Erfahrung nach spielerische Methoden aber hervorragend geeignet sind. Zudem ist m. E. bereits dann viel gewonnen, wenn sich auch nur eine Studentin/ ein Student durch eine ‚alberne‘ Methode im Examen an den spielerisch erlernten Stoff erinnert. 36 Matthias Hopf Im Übrigen gehören digitale Lernformen wie die Elektronische Bibelkunde ebenfalls hierher - selbst wenn noch ein stärkerer Ausbau von Smartphone- und Tablet-Angeboten wünschenswert wäre. Die Nutzung von IT -Medien dürfte nämlich den Rezeptions- und Lerngewohnheiten der heutigen Studierenden deutlich stärker entsprechen. Darauf ist gleich noch einmal zurückzukommen. 3.2 Betonung der Beherrschbarkeit Zum Abbau von Ängsten und Abneigungen ist es m. E. weiterhin hilfreich, die Beherrschbarkeit des Stoffes stärker herauszustellen. Das heißt allerdings auch, Beispielstellen - etwa für Gattungsformulare o. ä. - nicht unbedingt enzyklopädisch und vollständig anzugeben, 33 da eine übergroße Zahl von Bibelstellen eher abschreckend wirkt. Luzider und einprägsamer ist, bspw. ein Gattungsformular an einem konkreten Text zu behandeln, oder besser noch, es selbständig erarbeiten zu lassen. Dies gilt analog für andere Themenbereiche. Die Beherrschbarkeit kann zudem durch die Präsentation von Strategien zur Deduktion vermittelt werden. Indem ‚Anker- oder Scharnierstellen‘, die im Idealfall auch textlich behandelt wurden, als Ausgangspunkt verwendet werden, kann über die narrative oder argumentative Abfolge viel erschlossen werden. Auch dies läuft letztlich auf eine sinnvolle Reduktion auf das Wesentliche hinaus. Ein Vorteil eines solchen Vorgehens ist aber nicht nur die gesteigerte Beherrschbarkeit. Dadurch, dass für eine erfolgreiche Anwendung solcher Deduktionen auch ein inhaltlicher Überblick nötig ist, aktivieren diese Strategien Studierende darin, sich mit den textlichen Stoffen näher zu beschäftigen. Hier einige Beispiele für diese ‚Ankerstellen-Deduktion‘: Ausgehend von der Erzählung vom Linsengericht in Gen 25 , der Himmelsleiter-Episode in Gen 28 und der Jabboq-Perikope in Gen 32 kann nahezu der gesamte Jakobzyklus nachvollzogen werden, sofern man den Handlungsverlauf grundlegend kennt: Das ‚Linsengericht‘ schließt unmittelbar an die Geburtsgeschichte an. Gen 28 ist die logische Folge aus der Flucht vor Esau nach dem Segens-Betrug in Gen 27 . (Quer dazu liegt freilich der ‚Isaak-Exkurs‘ in Gen 26 .) Es folgt der längere Abschnitt über den Aufstieg zu Reichtum bei Laban in Haran. Der nächste ‚Ankerpunkt‘ ist dann die Jabboq-Perikope in Gen 32 , welche auf den Abschied von Laban (Gen 31 ) folgt und paradigmatisch für die Rückkehr zum Bruder steht, 33 Erwägenswert wäre ohnehin u. U. der Versuch, eine stärkere Kanonisierung des im Examen Erwartbaren anzustreben, wie dies in manchen Landeskirchen und an einigen Ausbildungsorten der Fall ist. Vgl. dazu bspw. die Vorgaben für die Bibelkundeprüfungen in Bonn und Wuppertal/ Bethel. Selbst für Abiturprüfungen wurden inzwischen ja weit reichende deutschlandweite Standards eingeführt. Bibelkenntnis statt Bibelkunde 37 inkl. der Angst vor der Begegnung (ersten Kapitelhälfte von Gen 32 ) und dem Wiedersehen in Gen 33 . In ähnlicher Weise könnte man das Buch Exodus mit den Kern-Stellen Ex 3 f.; 7 ; 14 ; 20 ; 21 - 24 und 32 f. weitgehend umreißen: Vor der Gottes-Vorstellung am Sinai (Ex 3 f.) wird die Kindheit und ‚Jugend‘ von Mose beschrieben. Relativ kurz nach dieser theologisch zentralen Stelle beginnt in Kapitel 7 die Plagenerzählung, die sich weitestgehend bis zum Auszug erstreckt. Dieser wird durch die nächste ‚Ankerstelle‘ des Schilfmeerdurchzugs in Ex 14 abgeschlossen. Es folgt die erste Wüstenwanderung bis zur Ankunft am Sinai, wo der Dekalog (Ex 20 ) und das Bundesbuch (Ex 21 - 24 ) gegeben werden. Schließlich teilt die Episode zum Goldenen Kalb (Ex 32 f.) die Planung und den Bau der Stiftshütte in zwei Hälften. Als Beispiel für das Neue Testament könnte man den Römerbrief anbringen: Durch die Kenntnis von Röm 4 ; 5 sowie 9 - 11 ist m. E. bereits die grundlegende argumentative Struktur des Briefs in weiten Teilen erfassbar. So schließt die bekannte Stelle über Abraham den ersten längeren Gedankengang des Briefes ab, während die folgende Passage über Adam und Christus in Röm 5 den nächsten eröffnet. Dieser wiederum reicht bis kurz vor den prägnanten Israel-Zyklus in Röm 9 - 11 , worauf sich die Paränese ab Röm 12 anschließt. Dass derartige Zusammenfassungen holzschnittartig sind, liegt in der Natur der Sache. Dennoch ist mit einer solchen Ankerstellen-Methodik eine Orientierung in einem mehrere Kapitel umfassenden Textbereich relativ leicht zu bewerkstelligen. 3.3 Stärkung der Bibellektüre Wie zum Schluss des letzten Abschnitts deutlich wurde, ist eines der wichtigsten Ziele ohnehin die Verstärkung der eigenen Bibellektüre - gerade wenn man Alexander Deegs Ausführungen zum Pastor legens ernstnimmt. 34 Meiner Erfahrung nach kann die Lektüre schon durch verschiedene kleinere Teilelemente unterstützt werden. Ein Baustein war in meinen Veranstaltungen die Einführung von Listen mit einem überschaubaren Korpus an Leseempfehlungen, die bewusst nicht enzyklopädisch, sondern exemplarisch-paradigmatisch angelegt sind. 35 Für den kleinen Teilbereich ‚prophetische Rede-Gattungen‘ deckt bspw. folgende Liste schon das Wichtigste ab: 34 Vgl. Deeg, Pastor, insbesondere 424 , wo er die Bibellektüre im Anschluss an Roland Barthes zum obersten Bildungsziel erklärt, wenngleich ihm dabei das gesamte Theologiestudium vom ersten Semester an vor Augen steht und nicht nur die Integrationsphase. 35 Hier hilft es vielleicht, sich selbst daran zu erinnern, dass die Adressaten/ -innen nicht die Fachkollegen/ -innen sind, die ein solches Vorgehen womöglich als unvollständig be- 38 Matthias Hopf • Am 3 , 10 - 11 (prophetisches Gerichtswort) • Am 5 , 4 (prophetischer Mahnspruch) • Jes 40 , 27 - 31 (Disputationswort) • Jes 41 , 8 - 13 (prophetische Heilszusage; Erzväter bei Jesaja) • Jes 1 , 4 (prophetisches Wehewort) Diese insgesamt 15 Verse sind innerhalb kürzester Zeit les- und erfassbar, was erneut v. a. den niederschwelligen Zugang zu den Texten befördert. Gleichzeitig nehmen Studierende in der Lektüre wesentliche Passagen des corpus propheticum im Primärtext wahr. Faktisch ist eine solche Liste substanziell nichts anderes als die entsprechende Aufzählung in den einschlägigen Lehrwerken, aus denen die Studierenden sich die angegebenen Stellen ebenfalls entnehmen könnten. Meine Erfahrung ist jedoch, dass alleine die Überschrift Lese-Empfehlung kombiniert mit einer kurzen nachfolgenden inhaltlichen Charakterisierung viel bewirkt. Noch niederschwelliger wäre ein elektronisches Angebot vergleichbar mit der Elektronischen Bibelkunde . 36 Entscheidend wäre, dass durch einen einfachen Klick die jeweiligen Stellen im Primärtext auf den Bildschirm geholt werden können. Im Idealfall und für heutige Studierende vermutlich besonders attraktiv wäre eine technische Lösung innerhalb einer Smartphone-/ Tablet-App. Ein solches Produkt wird derzeit von Martin Rösel für den Markt vorbereitet. 37 Eine Gefahr sei bezüglich elektronischer Angebote aber noch benannt: Das Lesen an Bildschirmen scheint einigen Untersuchungen zufolge zu einer gewissen Oberflächlichkeit zu neigen. 38 Andererseits gibt es Hinweise, dass für Lesen von Papier einfach mehr Zeit investiert wird, während Bildschirm-Lesen schneller abgeschlossen wird. 39 Das könnte schlicht auf unterschiedliche Lesegewohnmängeln würden, sondern Studierende, die im Gegenteil höchst dankbar über derartige Zuspitzungen sind. 36 Vgl. Rösel/ Bull, Elektronische Bibelkunde. Leider ist bei diesem Produkt aus der Bibel- Digital-Reihe m. E. die Lesefreundlichkeit aufgrund der Verwendung der mfChi-Engine nicht allzu hoch. 37 Das sonstige Angebot ist gegenwärtig relativ überschaubar bis nahezu nicht-existent! Alternativ zu einer Tablet-/ Smartphone-Portierung wäre auch ein Wiki-Format erwägenswert, das von mehreren Dozierenden gemeinsam aufgebaut werden könnte und in der technischen Handhabung einfacher wäre als HTML. Zudem ist dieses Format den Studierenden über ihren Umgang mit Wikipedia vertraut. Vgl. dazu auch Heilmann, E-Learning, v. a. 86 - 95 . Vorteil eines solchen Formats wäre schließlich noch, dass es weitgehend plattformunabhängig wäre. 38 Vgl. die Forschungsüberblicke und Untersuchungen bei Mangen u. a., Reading, und Ackerman/ Goldsmith, Regulation. 39 Vgl. Ackerman/ Goldsmith, Regulation; aufgegriffen auch von Mangen u. a., Reading, 66 , wo explizit das Desiderat weiterer Untersuchung zum Einfluss von Studierzeiten formuliert wird. Bibelkenntnis statt Bibelkunde 39 heiten von Papier bzw. Bildschirm hinweisen. Entsprechend müsste dafür Sorge getragen werden, dass auch in elektronischen Lernsettings ein ‚verweilendes Lesen‘ gewährleistet ist, bspw. durch beigefügte Arbeitsaufgaben. Damit sind wir allerdings schon beim nächsten Aspekt. 3.4 Aktivierung zur Eigenarbeit Alles Beschriebene zielt letztlich auf den didaktisch wichtigsten Punkt ab: die stärkere Aktivierung der Studierenden zur Eigenarbeit. Diese Erkenntnis steht m. E. auch im Hintergrund, wenn in Examensveranstaltungen landauf, landab so gerne auf die Methodik des Entwurfs von Klausurgliederungen o. ä. zurückgegriffen wird: Indem Studierende daran gehen, das Material eigenständig zu bearbeiten, stärken sie ihre eigenen Kompetenzen. 40 Nur wäre derartiges Arbeiten gezielt auf Primärtexte zu richten. Hier gilt mithin analog, was Rydryck/ Schneider für das Sprachenlernen benannt haben: „Erwerb und Erweiterung von Sprachkompetenz kann nicht ohne konkreten Sprachgebrauch erzielt werden.“ 41 Im Bereich der Bibelkunde kann das etwa heißen, selbstständig Grob-Gliederungen biblischer Bücher anhand von deutschen Übersetzungen anzufertigen und diese erst in einem zweiten Schritt mit jenen in einschlägigen Bibelkundewerken abzugleichen und/ oder die verschiedenen Gliederungsvorschläge der Studierenden in der Veranstaltung zu diskutieren. 42 Ähnliches gilt für einen Bereich, der gerade für das Examen noch wichtiger ist als die Frage nach den Aufrissen der Bücher: themenbzw. sachbezogene Zusammenstellungen von Bibelstellen. Derartige Darstellungen sind verstärkt in den Lehrwerken zu finden (s. o.). Entsprechend könnte man bspw. die Arbeitsaufgabe stellen, zentrale Bibelstellen zum Motiv ‚Segen‘, zu wichtigen Stationen der Geschichte Israels, zum Abendmahl u. v. m. zusammenzusuchen - ob anhand von Querverweisen in deutschen Übersetzungen, vermittels (Computer-) Konkordanzen, theologischen Wörterbüchern oder anderer Sekundärliteratur. Je näher die Studierenden dabei freilich an den biblischen Texten arbeiten, desto besser. 43 40 Vgl. dazu auch die Ausführungen bei Gerstenmaier/ Mandl, Wissenserwerb, 867 f. 41 Rydryck/ Schneider, Übersetzen, 82 ; ähnlich auch Köhlmoos, Fontes, 36 f. 42 Denkbar wäre auch, im Falle zentraler Einzeltexte die von Hoegen-Rohls, Schritt, beschriebene Methode der Verssegmentierung einzusetzen. 43 Falls verstärkt auf Sekundärliteratur zurückgegriffen werden sollte, müsste sichergestellt sein, dass auch die Primärtexte wahrgenommen werden - bspw. dadurch, dass in der Aufgabenstellung die Erstellung eines Textblattes wichtiger biblischer Texte mitverlangt wird. 40 Matthias Hopf Als eine weitere Aktivierungsform hat sich in meinen Integrationsseminaren die Anfertigung von Kurzexegesen durch jeweils ein bis drei Studierende in Vorbereitung auf die jeweils nächste Sitzung enorm bewährt. Dabei habe ich darauf geachtet, dass die zu exegesierenden Texte a) zum Thema der jeweiligen Sitzung passen, 44 b) möglichst zentrale Passagen dieses Themenbereichs darstellen, c) einen Umfang von ca. 4 - 7 Versen haben und d) im Idealfall schon einmal Inhalt einer Examensklausur waren. 45 Die zu erstellende Kurzexegese soll alle exegetischen Methoden abdecken, soweit sie sinnvoll anwendbar sind. Sie ist allerdings nach Möglichkeit unter Examensbedingungen anzufertigen, also mit beschränkten Hilfsmitteln (entsprechend der gültigen Prüfungsordnung) sowie unter Zeitdruck. Zudem gebe ich vor, dass die Ergebnisse auf eine DIN -A 4 -Seite passen und innerhalb von zehn Minuten den Kommilitoninnen und Kommilitonen vorgestellt werden müssen. Im Anschluss an diese Präsentation in der Seminarsitzung folgen eine Aussprache im Plenum 46 sowie einige Kommentare und Tipps von meiner Seite. 47 Die Erfahrung zeigt, dass dadurch erstens die (im Hauptstudium leider oft etwas vernachlässigte) Kompetenz der klassischen Exegese geschult wird. Durch diese Methode wird dabei insbesondere deutlich, wie Exegesen in unterschiedlichen biblischen Textbereichen im Hinblick auf das Vorgehen, den Umfang wie den Inhalt sinnvoll durchgeführt werden können. Zweitens lernen die Studierenden sowohl anhand der eigenen Kurzexegese wie auch der von anderen zentrale Texte intensiv kennen. Durch die Exegese gewinnt Bibelkunde also erheblich an Tiefe und Lebendigkeit 48 und es entstehen in der Auseinander- 44 So habe ich etwa Dtn 30 , 15 - 18 im Bereich ‚Dtn/ DtrG‘ verwendet oder Jes 6 , 8 - 10 im Bereich ‚Prophetie - Jesaja‘, um nur zwei Beispiele zu nennen. 45 Dies ist meist der Fall, wenn die Punkte a bis c erfüllt sind. Zum Hintergrund sei zudem auf Folgendes verwiesen: In den Examensklausuren der für die meisten meiner Studierenden zuständigen Evang.-Luth. Kirche in Bayern werden gegenwärtig Übersetzung und Exegese eines bestimmten biblischen Textes sowie eine essayistische Ausarbeitung zu einem passenden Thema verlangt. 46 Oft handelt es sich dabei nur um Rückfragen der Kommilitoninnen und Kommilitonen. Eine echte exegetische Diskussion im Plenum entsteht meiner Erfahrung nach nur in Ausnahmefällen. Über ein Semester hinweg ist aber zu beobachten, dass die Diskursfreude tendenziell zunimmt, was auf eine zunehmende ‚Sattelfestigkeit‘ hindeutet. 47 Ggf. weise ich darauf hin, welche Arbeitsschritte im Hinblick auf diesen speziellen Text kürzer gefasst werden sollten bzw. welche zentralen Aspekte noch gefehlt haben. Ich versuche dadurch auch zu zeigen, dass eine Exegese von Text zu Text je unterschiedlich ausfallen wird, damit die Studierenden eine gewisse Flexibilität im Umgang mit den Methodenschritten erlernen. 48 Dies wirkt letztlich auch einer „Sterilität der Exegese“ (Lauster, Prinzip, 464 ) entgegen. Bibelkenntnis statt Bibelkunde 41 setzung mit den bearbeiteten zentralen Texten wichtige Orientierungs- und Ankerpunkte für die Aneignung weiterer biblischer/ bibelkundlicher Inhalte. Drittens ist schließlich nicht zu vernachlässigen, dass in dieser Arbeitsform zur selbständigen Erarbeitung auch die eigenständige Darstellung eingeübt wird. Dieses Auf-den-Punkt-Bringen biblisch-exegetischer Sachverhalte mit eigenen Worten fällt Studierenden erfahrungsgemäß nicht immer leicht. Entsprechend muss die Wiedergabe sowohl der biblischen Inhalte, wie auch der exegetischen Erkenntnisse dazu schlicht trainiert werden. Das Ziel dieser Aktivierung der Eigenarbeit muss letztlich sein, den Kompetenzüberschritt vom bibelkundlichen Wissen mindestens zu den Taxonomiestufen des Verstehens und Anwendens 49 zu vollziehen bzw. zu festigen. Idealiter sollte dieser Kompetenzüberschritt zumindest exemplarisch für Teilbereiche des AT bzw. NT natürlich schon im Hauptstudium erfolgt sein. 50 Wie aber oben bereits beschrieben, ist das leider nicht immer der Fall, weil die nötige Praxis fehlt. Und selbst unter optimalen Bedingungen steht in der Integrationsphase immer noch eines an: die im Hauptstudium an ausgewählten Textpassagen erworbenen Kompetenzen auf das gesamte Korpus des AT / NT auszudehnen 51 - oder zumindest auf die examensrelevanten Bereiche, die je nach Prüfungsordnung und -gepflogenheiten variieren. Um dies zu erreichen, ist es nötig, das bibelkundliche Wissen, wie weiter oben ausgeführt, mit anderen Teilbereichen der exegetischen Fächer zu vernetzen. 52 Einige Beispiele hierfür wurden bereits vorgestellt, wenn von themenbezogener Bibelkunde bzw. den Kurzexegesen die Rede war. Im besten Fall sollte dabei aber auch eine ‚hermeneutische Tiefenschärfe‘ im Umgang mit zentralen biblischen Stellen angestrebt werden. Als Beispiel hierfür möchte ich zum Schluss noch kurz eine Anwendungsmöglichkeit präsentieren: Ein Kernproblem für die Frage nach den Pentateuch- Theorien - meiner Erfahrung nach ein Angstthema bei Studierendenden - ist 49 Vgl. die Zusammenfassung der Taxonomiestufen bei Bloom u. a., Taxonomie, 217 - 223 . 50 Ebenso sollte im Idealfall auch schon im vorherigen Studium die Haltung eingeübt worden sein, die Deeg, Pastor, 424 , wie folgt beschreibt: „Das Studium der Theologie müsste zum Lesen in seinen verschiedensten Formen motivieren, zu lebenslanger Neugier, zum historisch-philologischen Eros genauso wie zum literarisch-stilistischen.“ Dies sollte die bleibende Aufgabe allen Lehrens sein: die Studierenden zu einer solchen Haltung zu verlocken. 51 Vgl. dazu auch das Plädoyer zugunsten realistischerer Erwartungshaltungen im Verlauf des Studiums bei Huebenthal, Zauber, 26 - 28 . 52 Dies würde auch einem Verstehen des Nutzens der einzelnen exegetischen Methodenschritte zugutekommen, wie es Wagner, Proseminar, 64 , eigentlich für das Proseminar anmahnt - meiner Wahrnehmung nach ist dies aber nahezu analog auf die Integrationsphase übertragbar. 42 Matthias Hopf bekanntlich der Übergang vom Buch Genesis zum Buch Exodus. 53 Zentrale Aspekte der Modellbildungen können wunderbar mit Studierenden erarbeitet und diskutiert werden, wenn man sich die insgesamt neun Rückverweise auf die Erzväter im Buch Exodus vornimmt (Ex 2 , 24 ; 3 , 6 . 15 . 16 ; 4 , 5 ; 6 , 3 . 8 ; 32 , 13 ; 33 , 1 ). Ein Arbeitsauftrag hierzu (ob für die Sitzung selbst oder eher für die Heimarbeit) könnte so aussehen, dass sich die Studierenden in einer ersten eigenständigen Wahrnehmung der Bibelstellen in ihren Kontexten an einer diachronen Verhältnisbestimmung versuchen. Leitfragen könnten sein: In welchem größeren Textbereich befindet sich die Stelle? Wie eng bzw. lose sind die Stellen in ihren Kontext eingebunden? Gibt es stilistische Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten zwischen den neun Stellen? Dann könnten die eigenen Ergebnisse unter Zuhilfenahme einschlägiger (Kommentar-)Literatur 54 mit den üblichen kompositionsgeschichtlichen Zuordnungen abgeglichen werden. Nach Sammlung von Argumenten der literarischen Zuordnung müsste abschließend - und nun sicherlich innerhalb einer seminaristischen Sitzung - diskutiert werden, was für oder was gegen eine frühe literarische Brücke zwischen Gen und Ex spricht. Wichtig ist in einer solchen Diskussion aber weniger, eine ‚mehrheitskonforme‘ oder persönliche Meinung zu etablieren, sondern das Für und Wider zu diskutieren, um die Studierenden stärker mit den Formen und Denkwegen des fachlichen Diskurses vertraut zu machen. In jedem Fall kennen die Studierenden im Anschluss die zentralen ‚Brücken-Stellen‘ zwischen Gen und Ex textlich und haben sich auch zu diesen die beschriebene ‚hermeneutische Tiefenschärfe‘ erarbeitet. Ein Grundproblem dieses Vorgehens sei aber noch benannt: Leider kommt in Repetitorien o. ä. aus Zeitgründen derart intensives Arbeiten oft zu kurz. Eigentlich lässt die Stoffmenge in aller Regel kaum zu, so lange bei so wenigen Bibelstellen zu verweilen. Dennoch ist prinzipiell auch in der Integrationsphase das intensive exemplarische Arbeiten dem enzyklopädischen, aber oberflächlichen Besprechen vorzuziehen. Der Grund ist simpel: Die Aneignung zusätzlicher Wissensbereiche als Grundlage für das Examen in Form der Lektüre von Lehrwerken können Studierende gut in Eigenarbeit leisten, angeleitete Einübung in Verstehen, Anwenden und Analysieren 55 aber erheblich schwerer. 53 Analoge Beispiele aus dem ntl. Bereich ließen sich mit Leichtigkeit anbringen, man denke etwa nur an das Synoptische Problem. 54 Einen schönen Überblick über wichtige Argumente bietet in diesem Fall bspw. auch Pietsch, Abschied. 55 Vgl. dazu nochmals die Zusammenfassung der Taxonomiestufen bei Bloom u. a., Taxonomie, 217 - 223 . Bibelkenntnis statt Bibelkunde 43 4 Das Ziel: Bibelkenntnis Insgesamt gilt also: Der Umgang, oder genauer die intensive Auseinandersetzung mit konkreten biblischen Texten (durchaus auch gestützt durch Sekundärliteratur) trägt viel mehr aus für das Verständnis exegetischer Probleme als das bloße Lesen der üblichen Lehrwerke (ob der Bibelkunde, der Einleitungswissenschaft o. ä.) und ein darauf aufbauendes Lernen, das nur auf Wissen und nicht auf Wissensanwendung setzt. Das heißt jedoch auch, dass die Studierenden selbst in der Integrationsphase nicht allein gelassen werden dürfen. Das beschriebene Arbeiten am Text muss einen eigenen Platz innerhalb der vom modularisierten Studium vorgesehenen Integrationsveranstaltungen haben. Erste Schritte auf diesem Weg sind die Vermittlung positiver und niederschwelliger Zugänge zu den biblischen Texten sowie das Aufzeigen, dass der Stoff beherrschbar ist. Erst dadurch werden die Studierenden m. E. frei, sich intensiv mit den Primärtexten auseinanderzusetzen, weil sie die Hemmnisse von Angst und Überforderung ablegen können. Diese ersten Schritte müssen dann aber in intensivere Bibellektüre, in ein Vertraut-Werden mit zentralen Passagen münden sowie ein Verstehen, wie diese zentralen Stellen mit den exegetischen Fragestellungen zusammenhängen und wie die exegetischen Methoden darauf reagieren. Nur dann dürfte das eigentliche Ziel erreicht werden, die Studierenden umfassend und gut auf das Examen vorzubereiten. Meiner Ansicht sollte das Examen in den biblischen Fächern nämlich nicht einfach nur aus 60 % Bibel kunde bestehen, sondern wirkliche Bibel kenntnis abprüfen. Anhang Im Folgenden findet sich eine Liste mit Links zu den Prüfungsordnungen, Richtlinien bzw. Merkblättern für Bibelkunde an den verschiedenen Ausbildungsorten, soweit eine Recherche in den öffentlich zugänglichen Bereichen der jeweiligen Websites sie zu Tage fördern konnte. 56 • Bochum: http: / / www.ev.rub.de/ mam/ karle/ downloads/ ordnung_zum_biblicum.pdf 56 Diese Suche war ergebnislos bei den Universitäten Berlin, Greifswald, Halle, Hamburg, Heidelberg, Kiel, Leipzig, Marburg, Münster. Das schließt nicht aus, dass nicht doch irgendwo die Unterlagen zu finden sind - evtl. etwas versteckter bzw. in einem Passwortgeschützten Bereich (etwa Moodle o. ä.). Nur war die intensive Suche in den öffentlichen Bereichen nicht von Erfolg gekrönt. 44 Matthias Hopf • Bonn: https: / / www.ev-theol.uni-bonn.de/ studium/ ordnungen/ po_bibelkunde_ 2013 _amtbek_ 1310 .pdf • Erlangen: https: / / www.zuv.fau.de/ universitaet/ organisation/ recht/ studiensatzungen/ THEOL/ StPO_Evangelische-Theologie_NEU.pdf • Frankfurt: https: / / www.uni-frankfurt.de/ 47995038/ bibelkunde_anmeldung_ merkblatt_2014.pdf • Göttingen: 57 http: / / www.theologie-studieren.de/ damfiles/ default/ theologiestudieren/ theologie-studieren/ themen/ mittendrin/ Bisherige-Pruefungsbestimmungen-von-2005-1fc6f00157d8ee3eb5e8d351b1e07fcf.pdf • Jena: http: / / www.theologie.uni-jena.de/ thefakmedia/ Studium/ Formulare/ Bibelkunde/ Bibelkundepr%C3%BCfungsordnung+der+Theologischen+Fakult%C3%A4t.pdf • Mainz: http: / / www.ev.theologie.uni-mainz.de/ Dateien/ PO_Bibelkundepruefung.pdf • München: http: / / www.evtheol.uni-muenchen.de/ studium_alt/ pruefungen/ pruefungsord/ biblicum_ordnung.pdf • Neuendettelsau: http: / / augustana.de/ fileadmin/ user_upload/ dokumente/ ordnungen/ Bibelkundepruefung2017.pdf • Rostock AT : https: / / www.theologie.uni-rostock.de/ fileadmin/ uni-rostock/ Alle_THF/ THF/ Studium/ Studiengaenge/ Magisterstudiengang_Evangelische_ Theologie__Pfarramt_/ Bibelkunde_Merkblatt.pdf • Rostock NT : https: / / www.theologie.uni-rostock.de/ fileadmin/ uni-rostock/ Alle_THF/ THF/ Studium/ Studiengaenge/ Diplomstudiengang__auslaufend_/ Hinweise_Bibelkundepruefung_2016_NT.pdf • Tübingen: http: / / www.uni-tuebingen.de/ index.php? eID=tx_securedownloads&p=37415&u=0&g=0&t=1523616166&hash=3d9aa507a7003f50c4b50 48016e206fe93e06582&file=/ fileadmin/ Uni_Tuebingen/ Fakultaeten/ Evang- Theol/ downloads/ pruefungsordnungen/ ab_WS10-11_Pruefungsordnungen/ 1._Theol._Dienstpruefung/ BibelkundepruefungRichtlinien_Beschluss_ Sitzung_FV_29-11-2011.pdf • Wuppertal/ Bethel: https: / / www.kiho-wb.de/ wp-content/ uploads/ 2015/ 01/ Bibelkundepr%C3%BCfung-aktuell.pdf 57 Unterlagen der Föderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. 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