eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 3/1

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2018
31 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Interview mit … Aaron Schart

2018
Aaron Schart
Interview mit-… Aaron Schart Steckbrief: Aaron Schart Geboren: 1957 Familiäres: verheiratet; 3 Kinder Studium: Ev. Theologie für das Pfarramt in Berlin, München, Wien und Tübingen. 1 . und 2 . Kirchliches Examen; 5 Jahre im kirchlichen Dienst. 1989 Promotion zum Dr. theol. an der LMU München; 1996 Habilitation an der Philipps-Universität Marburg. Seit 1999 Professor für Altes Testament und Neues Testament an der Universität Duisburg-Essen. Seit 2017 Vorstand der Konferenz der Institute für Evangelische Theologie. Vorneweg - Blitzlicht - Lehre - Frust oder Lust? Die Arbeit mit Studierenden, die Spaß haben und Kompetenz entwickeln, um mit der Bibel theologisch ertragreich zu arbeiten, gehört zu den schönsten Seiten meines Berufes. - Lehre oder Forschung? Lehre ist am befriedigendsten und für die Studierenden am spannendsten, wenn sie mit der eigenen Forschung verknüpft ist. - Lieber Erstsemester oder lieber Integrationsphase (früher Examensphase)? Jede Phase hat ihre schönen Seiten. Am liebsten arbeite ich aber am ursprachlichen Text, was naturgemäß erst höhere Semester schätzen können. - Neues oder Bewährtes? Die Mischung macht’s. In der Regel ist mir das Bewährte lieber. - Referate oder Gruppenarbeit? Gruppenarbeit mache ich gar nicht, weil sie meistens nicht recht funktioniert. Referate halte ich für wichtig, setze ich auch ein, obwohl für die eigentlich notwendige Betreuung häufig die Zeit fehlt. 118 Interview Welche Erfahrungen und/ oder Menschen haben Ihre Lehre nachhaltig geprägt bzw. beeinflusst? Meine eigenen akademischen Lehrer, die mich begeistern konnten, sind nach wie vor mein Ideal. Ansonsten beeinflusst mich das positive Feedback von Studierenden, seien es gute Prüfungsleistungen, seien es Sitzungen, in denen ich spüre, dass der Nerv der Studierenden getroffen ist. Was ist das Grundparadigma Ihrer Lehre; also würden Sie sagen, dass es bei Ihnen eine Grundüberzeugung gibt, die sich durchzieht? Ganz klassisch aufklärerisch: Ich versuche meine Lehre so auszurichten, dass die Studierenden lernen, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen, mit der historisch-kritisch erschlossenen Bibel als normierendem Maßstab umzugehen. Welche Bedeutung hat die Kompetenzorientierung für Ihre Lehre? Kompetenzgewinn ist mir wichtig. Kompetenz ist bei mir auch zentraler Gegenstand der Prüfung. Die wichtigste Kompetenz ist mir die methodologische Kompetenz. Das habe ich im eigenen Studium schon so erlebt, ist also nichts Neues, wie manche Studienreformer heute meinen. Seit man aber begann, die Kompetenzgegen die Wahrheitsfrage auszuspielen und auf letztere immer mehr verzichtet, verkommt der Kompetenzbegriff zur Verfahrenstechnik. Oft wirkt es so, dass die Lehre an unseren Hochschulen eher stiefmütterlich im Gegensatz zur Forschung behandelt wird. Herr Schart, beschreiben Sie Ihren Weg, Forschung und Lehre miteinander zu verknüpfen. Wo sehen Sie Potentiale für Synergieeffekte zwischen diesen beiden Bereichen? Wenn es das Modulhandbuch erlaubt, kann ich gelegentlich Veranstaltungen nach dem ausrichten, woran ich gerade forsche. Am meisten Synergie sehe ich bei Hausarbeiten, bei denen die Prüflinge ihre Expertise aus ihrem zweiten (oft auch ersten) Fach einbringen, z. B. aus der Physik, Chemie oder der Kunst; dann lerne ich selbst etwas dazu. Diese Ausgabe setzt sicht mit der Frage nach Spracherwerb auseinander. Sie unterrichten seit vielen Jahren an einer Universität, an der nur wenige Studierende biblische Sprachen erlernen. Welche Bedeutung besitzen die Sprachen in den von Ihnen angebotenen Veranstaltungen und wie bringen Sie diese dort zur Geltung? Dass die Sprachen für die ernsthafte historisch-kritische Bibelwissenschaft unverzichtbar sind, ist selbstevident. Die Frage im Rahmen des Lehramtsstudiums ist natürlich, wie viel Sprachstudium man sinnvoller Weise in einem ohnehin schon knappen Bibelstudium unterbringen kann. Ich selbst verlange von allen Studierenden vom ersten Semester an, dass sie sich ein paar Interview 119 originalsprachliche Grundbegriffe im SBL -Zeichensatz (Download unter: https: / / www.sbl-site.org/ educational/ biblicalfonts.aspx) einprägen (der erste Begriff ist der Gottesname). In allen Studiengängen schließt sich im 2 . Semester, als Teil einer Einführung in das AT , eine sehr oberflächliche Einführung in die Anfangsgründe des Hebräischen an. Auf dem MA -Level werden, wenn es die Personalkapazität erlaubt, für Studierende mit Graecum oder Hebraicum eigene Lehrveranstaltungen angeboten, in denen in jeder Sitzung auch ein Textabschnitt gemeinsam übersetzt wird. Vielfach gelingt es, deutlich zu machen, dass diese Arbeit die Diskussion vertieft und belebt, auch wenn ein unmittelbarer Nutzen für den Religionsunterricht nicht immer erkennbar erscheint. Herr Schart, die letzte Ausgabe von VvAa befasste sich mit aktuellen Ansätzen der Digitalisierung in der Exegese. Welchen Gewinn und welche Chancen sehen Sie durch den digitalen Zugang zu biblischen und nicht-biblischen Texten für Ihre Forschung und für Ihre Lehre? Der ‚digitale Zugang‘ ist ein riesiger Schritt vorwärts und ich arbeite, so gut ich kann, daran mit, diesen voranzubringen. Ich nenne exemplarisch nur drei Bereiche: Für einen Standort wie Essen mit sehr begrenzten Bibliotheksmitteln ist es äußerst positiv, wenn man auf Fachmedien frei im Internet zugreifen kann (z. B. wibilex.de, YouTube, Bilddatenbanken, Videos, Animationen von Ausgrabungsergebnissen). Software wie BibleWorks, Logos, Accordance u. a. ermöglichen neue Dimensionen der Arbeit am Bibeltext. Plattformen wie Moodle erlauben ungeahnte Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Kursverwaltung, auch über Kontinente hinweg. Zum Schluss: Was würden Sie den Kollegen und Kolleginnen mit Blick auf die eigene Lehre gerne mitgeben? Nach einigen Evaluationszyklen stellte ich fest, dass es nichts bringt, zwanghaft irgendwelche Lehrformen, die gerade propagiert werden, anwenden zu wollen. Es gilt die eigenen Stärken zu entdecken und zu entwickeln und das aufzunehmen, was diese weiterbringt.