eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 3/1

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2018
31 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Markus Lau/Nils Neumann (Hg.): Das biblische Methodenseminar, Göttingen 2017 (utb 4612), 364 Seiten, kartoniert, ISBN 978-3-8252-4612- 9, € 34,99, ISBN (PDF eBook) 978-3-8385-4612-4, € 27,99

2018
Adriana Zimmermann
Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 3 - 2018, Heft 1 Markus Lau/ Nils Neumann (Hg.): Das biblische Methodenseminar, Göttingen 2017 (utb 4612), 364 Seiten, kartoniert, ISBN 978-3-8252-4612- 9, € 34,99, ISBN ( PDF eBook) 978-3-8385-4612-4, € 27,99 rezensiert von Adriana Zimmermann 1 Zum Buch „Neue Methodenbücher zur biblischen Exegese bedürfen angesichts des Überangebots von entsprechenden Publikationen auf dem Buchmarkt eigentlich einer Rechtfertigung. Nicht so bei diesem Buch. Denn sein inhaltliches Profil und sein Anliegen sind neu.“ (5) Diese knappe Zusammenfassung der Lage auf dem Buchmarkt der exegetischen Methodenbücher und der gleichzeitige Anspruch, dennoch etwas Neues zu bieten, steht am Beginn des 2017 erschienenen Buches Das biblische Methodenseminar , herausgegeben von Markus Lau und Nils Neumann. Der innovative Charakter des Buches besteht im Vergleich zu anderen Methodenbüchern des Faches darin, dass es sich an Lehrende von alt- und neutestamentlichen Methodenseminaren richtet, und nicht - wie sonst üblich - an Studierende der Theologie und/ oder der Religionswissenschaft. Es setzt sich zum Ziel, „didaktisch reflektierte, kreative und in der Praxis erprobte Anregungen für die konkrete Gestaltung von biblischen Methodenseminaren zu liefern“ ( 5 ) und versteht sich folglich als ein Handbuch für den universitären Unterricht. Das Buch ist in Zusammenarbeit eines Autorenkollektivs von acht Autorinnen und Autoren (Stephanie Feder, Anne Kruse, Markus Lau, Hanna-Maria Mehring, Nils Neumann, Hildegard Scherer, Christian Schramm, Thimo Zirpel) entstanden. Es ist in vier größere Abschnitte gegliedert, die jeweils aus Kapiteln zu den einzelnen Methoden der biblischen Exegese bestehen: 1 . Methoden der Textkonstituierung (Textkritik, Textabgrenzung und Kontexteinordnung, 112 Rezensionen Übersetzungsvergleich), 2 . Textorientierte Methoden: Synchrone Perspektiven (Linguistische Analyse, Analyse von Gliederung und Komposition, Aktantenanalyse, Analyse der Charakterisierung, Analyse der Erzählperspektiven, Analyse der Raumkonstruktionen und Pragmatische Analyse), 3 . Textorientierte Methoden: Diachrone Perspektiven (Synoptischer Vergleich, Literarkritik, Gattungskritik und Sitz im Leben, Redaktionskritik, Motivkritik) und 4 . Rezeptionsorientierte Zugänge (Feministische Exegese und geschlechtersensible Zugänge zur Bibel, Postkoloniale Exegese, Tiefenpsychologische Exegese und Intermedialität). 2 Zur Didaktik Der Aufbau des Buches orientiert sich an einem möglichen Verlauf eines Semesters. Für ein Semester ist allerdings die präsentierte Stoffmenge viel zu hoch, was den Autorinnen und Autoren durchaus bewusst ist ( 15 ). Die einzelnen Unterrichtsentwürfe sind bis auf wenige Ausnahmen sitzungsfüllend und einige würden in der vorgeschlagenen Form und in ihrem Umfang erfahrungsgemäß auch mehr als eine Seminarsitzung beanspruchen. Würde man alle im Buch präsentierten Kapiteln/ Methoden berücksichtigen wollen, bräuchte man (einschließlich der Einstiegs- und Abschlusssitzung) mindestens 21 Seminarsitzungen. Die Lehrperson muss folglich je nach eigener Gewichtung der einzelnen Methodenschritte Schwerpunkte setzen und eine Auswahl treffen bzw. die vorgeschlagenen Unterrichtsabläufe kürzen und miteinander kombinieren. Dazu werden die Benutzer des Buches sogar ausdrücklich eingeladen, denn es soll laut der Aussage des Autorenkollektivs als eine Art Baukasten verstanden werden, aus dem man je nach Bedarf die für die jeweilige Lehr-/ Lern-Situation hilfreichen Bausteine auswählen kann ( 15 f.). Die Methodenreihenfolge entspricht der gängigen Herangehensweise bei der methodisch geleiteten Bibelauslegung: Zunächst wird die Frage geklärt, was der zu untersuchende Text ist (Methodenblock zur Textkonstitution), dann wird der Text zunächst mit Hilfe synchroner und anschließend mittels diachroner Methoden untersucht. Im letzten Schritt wendet man sich hermeneutischen Ansätzen der Textauslegung zu. Die einzelnen Kapitel werden nach dem gleichen Prinzip gegliedert: Als Erstes wird eine allgemeine Einleitung in die jeweilige Methode geboten, gefolgt von der Formulierung möglicher Lernziele und einer (sehr) elementaren Bibliographie zur Methode. Es folgen jeweils ein alt- und ein neutestamentlicher Anwendungsbereich mit Bibeltextvorschlägen, an denen die Methode exemplarisch angewendet wird; diese werden „Bausteine“ genannt. Sie gliedern sich Rezensionen 113 ebenfalls nach einem einheitlichen Muster: Zunächst werden die Voraussetzungen auf Seiten der Lernenden genannt. Dann folgen Vorschläge und Hinweise zur Einstiegsphase in die Sitzung, die Erarbeitungs- und Vertiefungsphase mit konkreten Textbeispielen sowie die Abschlussphase der Seminarsitzung mit Ergebnissicherung und Auswertung. Die Bausteine schließen jeweils mit einer kurzen Bibliographie zu den behandelten Bibeltexten. Zuletzt werden der Ertrag zur Methode zusammengefasst und i. d. R. noch alternative Ideen zur Gestaltung der Seminarsitzung aufgeführt. Zu den obersten Zielen, die die vorgestellten Unterrichtseinheiten verfolgen, gehören die Kompetenzentwicklung und die mit ihr eng verbundene Lernmotivation auf Seiten der Lernenden. Dem entspricht die Gestaltung der einzelnen Unterrichtsentwürfe, die v. a. durch ausführliche Gruppenarbeitsphasen geprägt sind und allgemein die aktive Einbindung der Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer in das Seminargeschehen fördern wollen. Diese Zielsetzung wird in den einzelnen Bausteinen durch eine Reihe von didaktischen Mitteln verfolgt: klassische Gruppenarbeit, Expertenteambildung, Gruppenpuzzle, Einsatz von modernen Medien, Bezugsherstellung zur Lebenswelt der Studierenden mit Hilfe von aktuellen Beispielen aus Kunst, Film, Literatur und Kultur u. ä. m. Das Buch ist übersichtlich gestaltet. Dank der einheitlichen Gliederung der einzelnen Kapitel findet man sich schnell zurecht. Im Anhang sind einige Materialanhänge zu den Unterrichtsbeispielen zu finden, auf die in den Kapiteln jeweils verwiesen wird. Eine übersichtsartige Auflistung von Materialien und Hilfsmitteln, die man für den jeweiligen Unterrichtsvorschlag braucht, ist hingegen leider nicht enthalten. Zudem fallen die Bibliographien zu den einzelnen Bibeltexten recht kurz aus. Bei der Lektüre der Unterrichtsentwürfe fiel wiederholt auf, dass die präsentierten Vorschläge für die Einstiegsphase relativ viel Zeit in Anspruch nehmen, was die Frage aufwirft, ob der didaktische Ertrag den Zeitaufwand rechtfertigt. Allgemein fehlen leider Angaben dazu, wie viel Zeit man für die einzelnen Unterrichtsphasen einplanen sollte. 3 Zur Methodik Das größte methodische Problem des Buches ergibt sich aus dem Dilemma, das jedem Lehrenden eines Methodenseminars wohl bekannt ist: Wie vermittelt man theoretisches Wissen zu den Methoden der Bibelauslegung, ohne dabei die Seminare zu theorielastig zu gestalten, sondern genügend Zeit für die praktische Anwendung des theoretischen Instrumentariums an konkreten Bibeltexten zu gewährleisten? 114 Rezensionen Dem vorliegenden Buch merkt man an, dass dies keine einfache Aufgabe ist. So wird in den einzelnen Kapiteln eine kurze Einleitung in die Methoden geboten, bevor man zu praktischen Anwendungsbereichen, die im Fokus des Buches stehen, fortschreitet. Es ist zwar nachvollziehbar, dass man aufgrund des Formats und der Zielsetzung des Buches keine detaillierte Darstellung der divergierenden methodischen Ansätze oder eine ausführliche Reflexion der Methodendiskussion erwarten kann. Dass man auf diese um der Knappheit und der Komplexitätsreduktion willen aber so gut wie ganz verzichtet, gehört zu den Schwachstellen des Buches. Nicht alle präsentierten methodischen Ansätze sind schließlich so konsensartig und kontroversfrei, wie es ihre Darstellung im Buch suggeriert. Angesichts des begrenzten Raums wäre eine Möglichkeit, diesem Problem trotzdem Rechnung zu tragen, eine erweiterte Bibliographie zu den Methoden, die die verschiedenen Ansätze aufführen (und idealerweise auch kategorisieren) würde, gewesen. An dieser Stelle seien zwei Beispiele zur Illustration genannt: Im Kapitel Gattungskritik und Sitz im Leben wird in der Einleitung zur Methode ( 203 - 208 ) die ältere Formgeschichte, repräsentiert durch H. Gunkel und R. Bultmann, vorgestellt. Dass die Annahme einer ‚reinen Form‘ in der mündlichen Überlieferungsstufe aus verschiedenen Gründen problematisch ist, muss hier nicht weiter erörtert werden und wird auch im vorliegenden Buch angedeutet. Umso erstaunlicher ist es, dass die grundlegende Kritik Klaus Bergers an der älteren Formgeschichte und sein Ansatz der Gattungsbestimmung nur an schriftlichen Texten und anhand der antiken Textgattungen - also die sog. neuere Formgeschichte - nicht erwähnt werden (auch nicht in der Bibliographie zur Methode). Dass wir über die mündlichen Vorstufen von Texten so gut wie keine methodisch gesicherten Aussagen treffen können, geht aus diesem Kapitel leider nicht klar hervor. Kühn wird in den Lernzielen ( 207 ) u. a. formuliert: „[die Studierenden] schärfen ihr diachrones Denken, da sie begründete Annahmen darüber formulieren können, welche Entwicklung eine Perikope im Stadium der Mündlichkeit durchlaufen hat“. Ein zweites Beispiel findet sich im Kapitel Synoptischer Vergleich ( 176 - 179 ). Hier wird zunächst das Synoptische Problem kurz thematisiert und im Anschluss daran die Zwei-Quellen-Theorie als das prominenteste Lösungsmodell für dieses vorgestellt. Dabei kann man hier das gleiche Phänomen wie in der einschlägigen Einleitungsliteratur zum Neuen Testament und in den Methodenbüchern zur neutestamentlichen Exegese beobachten: Die Zwei-Quellen- Theorie wird hier wie dort als das Modell mit dem größten Erklärungspotential dargestellt und trotz der bekannten Schwachstellen, die ihre Gültigkeit in Frage stellen (am prominentesten und für das Modell gleichsam fatal sind die sog. ‚minor agreements‘), wird sie auch weiterhin als Grundlage für alle weiteren Rezensionen 115 Überlegungen verwendet. Dass es auch interessante alternative Erklärungsmodelle 1 gibt, deren Diskussion und beispielhafte Anwendung im Seminar für die Studierenden spannend und gerade im Hinblick auf die auch im vorliegenden Buch angesprochene Kritik an der Zwei-Quellen-Theorie zugleich erhellend sein können, wird leider gar nicht berücksichtigt. Wie diese zwei Beispiele stellvertretend zeigen, stehen oftmals nicht nur methodische, sondern auch theologische Vorannahmen im Hintergrund der einzelnen Entwürfe, die nicht (mehr) reflektiert werden, die aber das Ergebnis der jeweiligen Textanalyse maßgeblich beeinflussen. Eine solche Reflexion gehört aber zu den wesentlichen Anforderungen nicht nur an gute wissenschaftliche Arbeit, sondern auch an gute Lehre in unserem Fach. Ein Mindestmaß an ihr muss man folglich auch von den Methodenbüchern des Faches erwarten können, selbst wenn es sich - wie bei dem vorliegenden Buch - um Publikationen handelt, die einen anders gelagerten Fokus besitzen. Eine reflektierte, kritische Auseinandersetzung mit den Methoden sollen schließlich die Studierenden in den biblischen Methodenseminaren ebenfalls zumindest kennenlernen, im Idealfall auch selbst aktiv betreiben, denn sie trägt zu der Entwicklung der Kernkompetenz der Theologie als Wissenschaft - des kritischen Denkens und Hinterfragens - wesentlich bei. Das Fehlen einer solchen kritischen Auseinandersetzung rächt sich spätestens bei der studentischen Arbeit mit der Forschungsliteratur, denn ohne einen geschulten Blick kann man die im Hintergrund stehenden und häufig nicht explizit thematisierten methodischen Annahmen der einzelnen Ansätze nicht erkennen, geschweige denn einordnen, um sich dazu begründet positionieren zu können. Diese Kompetenzen müssen aber v. a. zu Beginn des Studiums erlernt, eingeübt bzw. weiterentwickelt werden. Dafür ist ein Methodenseminar ein besonders gut geeigneter Ort. Eine stärkere Fokussierung auf diese Aspekte der Lernkompetenzen wäre daher durchaus wünschenswert gewesen. 1 Hier seien exemplarisch nur zwei genannt: Die Benutzungshypothese mit Markus-Priorität (vgl. bspw. Goodacre, Mark: The Case against Q. Studies in Markan Priority and the Synoptic Problem, Harrisburg 2002 ) sowie das neueste Modell mit der Annahme der Priorität des marcionitischen Evangeliums (Mcn) vor den kanonischen Evangelien und der literarischen Beziehungen zwischen diesen (eine kombinierte Vorlage- und Benutzungshypothese) von M. Klinghardt (vgl. Klinghardt, Matthias: Das älteste Evangelium und die Entstehung der kanonischen Evangelien, 2 Bde. [TANZ 60] , Tübingen 2015 ). 116 Rezensionen 4 Fazit Das vorliegende Buch eignet sich gut als das, als was es im Vorwort und in der Einleitung beschrieben wird - als Ideengeber und Baukasten für die Gestaltung biblischer Methodenseminare, aus dem man je nach Bedarf entweder ganze Unterrichtsentwürfe oder einzelne Teile dieser übernehmen und im eigenen Unterricht verwenden kann. Es ist ein wünschenswerter Schritt hin zu mehr didaktischer Reflexion und zu einem Austausch über hochschuldidaktische Herausforderungen, Lehr-/ Lernmethoden und Zielsetzungen des akademischen Unterrichts in den exegetischen Fächern.