eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 3/1

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2018
31 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Ad Fontes. Aber wie?

2018
Melanie Köhlmoos
Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 3 - 2018, Heft 1 Ad Fontes. Aber wie? Zur Lage der Alten Sprachen im Studium der Evangelischen Theologie Melanie Köhlmoos Abstract | This essay deals with the conditions of language acquisition in German universities. By law, it is required that a student who aims for a Master of Divinity must know Hebrew, Greek, and Latin before starting course work at university. However, most secondary schools in Germany do not possess a curriculum for Classical philology. Hence Faculties of Theology offer language courses which are more or less desintegrated into the study as a whole. The author discusses several aspects of this problem. 1 Die Problematik: Sachliches Zentrum, curriculare Peripherie Das Studium der Evangelischen Theologie verlangt von einem großen Teil der Studierenden eine umfangreiche Fremdsprachenkompetenz. In den Studiengängen mit Abschlussziel Pfarramt, Magister Theologiae und Diplom wird die Prüfung in drei Sprachen gefordert: Hebräisch, Griechisch und Latein. 1 . Für die Lehramtsstudiengänge ist die Situation derzeit komplex. Der gültige Beschluss des Evangelisch-Theologischen Fakultätentages von 2002 sieht für Studierende 1 Vgl. Rahmenordnung für den Studiengang Evangelische Theologie (Pfarramt/ Diplom/ Magister Theologiae) vom 26 ./ 27 . März 2009 . 26 Melanie Köhlmoos des gymnasialen Lehramts zwei Sprachen vor. 2 Bei den weiteren Lehramtsstudiengängen sind Sprachkenntnisse wünschenswert, aber keine Pflichtanteile. Diese Wertschätzung der Alten Sprachen für die Evangelische Theologie gehört zu den Traditionsbeständen des Fachs, besitzt aber nicht nur akademische Gründe. Der fachkompetente Umgang mit den Quellen des Glaubens und der Theologie unterscheidet in der Logik und Tradition der Theologie den ‚Profi‘ vom ‚Amateur‘. Für Studierende des Pfarramts gilt nach wie vor, dass nur der- oder diejenige das „Evangelium rein predigen und die Sakramente gemäß dem Evangelium reichen“ 3 kann, der den Ausgangstext verstehen und auslegen kann. Für Lehrkräfte, die künftige Pfarrerinnen und Pfarrer ausbilden und vorbereiten, gilt dies entsprechend auch. 4 Die Formulierung der EKD lautet: „Sachlich steht hinter der Breite der Fächer das, was nach evangelischer Ansicht das Wesen des christlichen Glaubens zu bestimmen hilft. Weder lässt sich verzichten auf die Reflexion der Begründung noch der Geschichte, noch der gegenwärtigen Gestalt von Kirche und ihren Aufgaben.“ 5 Die Alten Sprachen gehören somit nicht nur zu den wissenschaftlichen Standards eines Studiums der Evangelischen Theologie (wie Akkadisch für die Altorientalistik), sondern zum Profil des Fachs (wie Arabisch für die Islamische Theologie). Pfarrerinnen und Lehrer sollen ihre Verkündigung also stets als Übersetzung gestalten, die Gestalt und Gehalt des Ausgangstextes kompetent in die Gegenwart überträgt. Die sachgemäße Erschließung quellensprachlicher Texte ist eine der Grundkompetenzen Evangelischer Pfarramtskandidaten und -kandidatinnen und wird daher noch im Zweiten Examen gefordert. 6 Dieser sachlichen Position der Sprachen im Zentrum der Evangelischen Theologie entspricht aber nun keineswegs ihr Stellenwert im Studium. Eher ist das Gegenteil der Fall. Verräterisch ist bereits die Konvention, das Studium nach 2 Beschluss des Evangelisch-Theologischen Fakultätentages 2002 , zit. nach: Stellungnahme der gemischten Kommission der EKD zur Reform des Theologiestudiums zu den Sprachanforderungen in den Lehramtsstudiengängen einstimmig verabschiedet auf der Sitzung der Gemischten Kommission am 5 . 9 . 2008 , 8 f. „Im Blick auf die Sprachenanforderungen für das Lehramt an Gymnasien bzw. in der Sekundarstufe II besteht im Bereich der EKD relative Einheitlichkeit, nämlich Latein- und Griechischkenntnisse im Umfang des Latinums* (Wo das Landesrecht dies vorschreibt, tritt an die Stelle des Latinums ausnahmsweise das Hebraicum) und des Graecums.“ 3 Vgl. CA VII. Deutsch in: VELKD; Glaube, 64 . Für die reformierten Kirchen vgl. entsprechend Zweites Helvetisches Bekenntnis Kap. XXVIII. 4 Im Zweiten Helvetischen Bekenntnis werden die Lehrer ( doctores ) sogar noch unter die kirchlichen Funktionsträger gezählt. 5 Positionspapier des Ev.-Theol. Fakultätentages vom 8 . Oktober 1994 , zit. nach: EKD, Studium, 18 . 6 Vgl. Käbisch, Latinum, 151 . Ad Fontes. Aber wie? 27 Hebraicum , Graecum und Latinum als ‚sprachfrei‘ zu bezeichnen. In dieser Phase kommen die erworbenen Sprachkenntnisse ja gerade zur Anwendung (oder sollten es zumindest). Ein weiteres Problem ist die Staffelung der Sprachanforderung nach Studiengängen: Dass Lehramtskandidaten und -kandidatinnen reduzierte Sprachkenntnisse erwerben, trägt eine Ungleichbehandlung späterer ‚Profis‘ der Theologie ein, die der Sache eigentlich nicht angemessen ist. Die größte Herausforderung für die Alten Sprachen im Studium der Evangelischen Theologie liegt indes in ihrer curricularen Position: Nach den einschlägigen Studien- und Prüfungsordnungen ist die zertifizierte Kenntnis von Hebräisch, Griechisch und Latein eine Voraussetzung des Studiums. Mit anderen Worten: Wer Evangelische Theologie studieren will, muss die drei Sprachen können. Demzufolge ist die Phase der Sprachkurse eigentlich noch nicht wirklich Teil des Studiums. Damit steht man vor einer merkwürdigen Ausgangssituation: Was sachlich eigentlich im Zentrum des Fachs steht, wird curricular in die Peripherie verlegt: der Erwerb einer bestimmten Sprachkompetenz. Den Konsequenzen dieses Sachverhalts ist im Folgenden nachzugehen. 2 Sprachen als Voraussetzung des S tudiums Wie bereits erwähnt, gilt die - wie immer geartete - Beherrschung der drei Alten Sprachen zu den Voraussetzungen eines Studiums der Evangelischen Theologie. Das setzt seinerseits voraus, dass es die Möglichkeit geben muss, diese Sprachen vor dem Studium zu lernen. Der Ort dafür ist die Schule. Die an den Universitäten angebotenen Sprachkurse mindestens für Hebräisch und Griechisch verstehen sich als eine Art ‚Brückenkurs‘, in dem nachgeholt wird, Melanie Köhlmoos, * 1966, Dr. theol., ist Professorin für Altes Testament, Goethe-Universität Frankfurt a. M. Sie lehrte alttestamentliche Exegese an unterschiedlichen Standorten und mit unterschiedlichen Lerngruppen (Kirchliche Hochschule Bethel, Universität Bielefeld, Universität Kassel, Universität München, Universität Frankfurt). Sie bietet regelmäßig als Referentin Fortbildungen für Pfarrer und Pfarrerinnen sowie Religionslehrkräfte in verschiedenen Landeskirchen an. 2013 gewann sie den 1822-Hochschulpreis für exzellente Lehre in Frankfurt. 28 Melanie Köhlmoos was in der Schule ‚verpasst‘ wurde. 7 Bereits hier ergibt sich jedoch ein Ungleichgewicht: Während Griechisch und Latein noch überall ordentliches Lehrfach des Gymnasiums sind, ist das für Hebräisch nur noch in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg der Fall. Holen die Graecums- und Latinumskurse also etwas nach, was ein Schüler oder eine Schülerin prinzipiell hätte lernen können, so sind die Hebraicumskurse für alle etwas völlig Neues. D. h. kaum jemand, eigentlich niemand, der oder die Theologie studieren will, hat die Chance, schon die eigene Schulbildung darauf auszurichten. In einem programmatischen Aufsatz wies Ina Willi-Plein schon 1991 (! ) darauf hin, dass das Curriculum der Evangelischen Theologie hinsichtlich des Spracherwerbs „schulische Verhältnisse voraus[setzt], die es nicht mehr gibt“ 8 . Ob die Sprachanforderungen - wie oft gemutmaßt wird - in größerem Umfang Studierwillige vom Studium abhalten, vermag ich nicht zu beurteilen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Konstruktion ‚Sprachen als Voraussetzung des Studiums‘ seitens der Kirchen und der Universitäten - vorsichtig ausgedrückt - eine bedauernswerte Kontaktarmut zu den Schulen zeigt. Hebräisch ist nur in zwei Bundesländern noch ordentliches Lehrfach. 9 Griechisch ist als Schulfach zwar in allen Bundesländern vorgesehen, das Angebot ist jedoch kaum flächendeckend. Die Bundesländer und Schulen drücken mit ihren Lehrplänen u. a. aus, was sie für derart bildungsträchtig oder berufspraktisch wünschenswert halten, dass schon die Schule darin einführt. Hier ist das Angebot bemerkenswert breit und reicht von Astronomie bis Niederländisch. 10 Es wäre wünschenswert, dass die Kirchen hier aktiver würden. Unter dieser Prämisse, dass die Alten Sprachen nicht Teil des Studiums sind, sondern seine Voraussetzung, gestaltet sich nun auch der aktuelle Sprachunter- 7 EKD, Studium, 11 : „Latein wird an den Universitäten im Allgemeinen innerhalb der Klassischen Philologie angeboten, Griechisch und Hebräisch an den theologischen Fakultäten/ Fachbereichen. Wer keine der drei Sprachen auf dem Gymnasium gelernt hat, für den sind die Sprachkurse an den Kirchlichen Hochschulen sowie den meisten theologischen Fakultäten besonders zu empfehlen, denn viele Kurse finden in der vorlesungsfreien Zeit statt.“ 8 Willi-Plein, Schrift, 1 f. 9 Die Universität Münster bietet sogar einen Studiengang für Hebräischlehrer und -lehrerinnen: https: / / www.uni-muenster.de/ EvTheol/ studium/ abschluesse/ weitere/ studienganghebraeisch.html. 10 Betrachtet man die Lehrpläne der Gymnasien in den Bundesländern (Abrufbar unter https: / / www.lehrer-online.de/ fokusthemen/ dossier/ do/ lehrplaene-der-bundeslaender/ . Letzter Zugriff: 12 . 01 . 2018 ), dann wird ein erfreulich breites Fächerangebot sichtbar, das jedoch wohl auch durch Initiative von Interessengruppen außerhalb der Schule zustande kommt. Das gilt nicht nur für die oben genannten Fächer, sondern z. B. auch für Polnisch (Mecklenburg-Vorpommern), Ernährungslehre (Nordrhein-Westfalen), Rechtskunde (Sachsen-Anhalt) und Neuhebräisch (Berlin). Ad Fontes. Aber wie? 29 richt. Soweit ich sehen konnte, ist ein eindeutiges Ziel des bibelsprachlichen Unterrichts nirgendwo in öffentlich zugänglichen Modulhandbüchern oder Curricula differenziert festgelegt. Der Marburger Master-Studiengang sowie einige Lehramtsstudiengänge bilden dabei die Ausnahme. Die Tatsache, dass in den Sprachkursen eine notwendige Studienvoraussetzung - schnellstmöglich - nachgeholt wird, macht eine differenzierte und reflektierte Zielbestimmung offenbar obsolet: Der Sprachunterricht ist der Gegenstand von Prüfungsordnungen, nicht jedoch von (hochschuldidaktischer) Reflexion. Damit ist das generelle Ziel des Unterrichts festgelegt: Man lernt Hebräisch und/ oder Griechisch, um Prüfungen zu bestehen bzw. um zu bestimmten Seminaren zugelassen zu werden. Unabhängig davon, wie sich der Unterricht konkret gestaltet, vermittelt diese Praxis eine problematische Botschaft: Sprachenerwerb zielt auf ein abprüfbares ‚Können‘, das man schnellstmöglich erwirbt. David Käbisch weist darauf hin, dass der aktuelle Sprachunterricht im Theologiestudium ebenfalls weit von den derzeit gültigen schulischen Standards abweicht. Der altsprachliche Unterrricht ist inzwischen auf Kompetenzen ausgerichtet, wohingegen die Universitätskurse nach wie vor eine klassiche Wortschatz- und Grammatikarbeit darstellen. 11 Hier konvergieren die beiden Probleme: Wenn Sprachkenntnis zur Voraussetzung des Evangelischen Theologiestudiums gehört, muss sie schnellstmöglich erworben werden, so dass für den echten Kompetenzerwerb keine Zeit ist: Die Rahmenordnung für das Evangelische Theologiestudium veranschlagt für die drei Sprachmodule zwei Semester. 12 Dass es in dieser kurzen Zeit kaum möglich ist, auch nur in einer Sprache die gültigen Prüfungsanforderungen für das Abitur zu erreichen, 13 versteht sich von selbst. Ina Willi-Plein resümmierte 1991 : „Das Hebraicum ‚bringt man hinter sich‘; danach hat man offenbar nichts mehr vor sich, was das Hebräische betrifft. Der hebräische Text in der theologischen Abschlussprüfung kann dann nur noch als Schikane empfunden werden.“ 14 Und ähnlich stellt David Käbisch 2013 fest: 11 Käbisch, Latinum, bes. 153 - 158 . 12 Rahmenordnung für den Studiengang Evangelische Theologie (Pfarramt/ Diplom/ Magister Theologiae) vom 26 ./ 27 . März 2009 . 13 Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Latein. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 1 . Februar 1980 i. d. F. vom 10 . Februar 2005 , 5 : „Im Fach Latein werden vor allem Lesekompetenz, Sprach- und Textreflexion sowie interpretatorische Fähigkeiten geschult.“ Für Griechisch gilt Ähnliches. 14 Willi-Plein, Schrift, 2 . 30 Melanie Köhlmoos „Es handelt sich dabei in der Regel um Kurse, die ein Minimum an Formenlehre und Syntax vermitteln, um in möglichst kurzer Zeit die ‚Ciceroklausur‘ bestehen und mit dem ‚richtigen‘ Studium beginnen zu können.“ 15 Wie viel Studienmotivation beim derzeitgen Sprachenlernen verloren geht, untersuchte Thomas Heller 2011 empirisch. 16 Dass es darüber hinaus nur selten gelingt, dass die Studierenden Sprach kompetenz erwerben, darüber wird häufig geklagt. Es kann kein Zweifel bestehen, dass die Sprachdozenten und -dozentinnen hervorragende Arbeit leisten und ihre Aufgaben erfüllen. Gleichwohl ist die herkömmliche Position der Kirchen und der Universitäten zum Thema ‚Sprachen‘ veraltet und verschenkt im Blick auf die Studierenden wesentliches Potential. Erfahrungsgemäß ist der Unterricht erfolgreich und nachhaltig, der transparent über seine Ziele Auskunft gibt. Wegweisend und vorbildlich sind in dieser Hinsicht die Initiativen der Universitäten Mainz und Hamburg, die die Ziele und Inhalte des Griechischunterrichts (für Lehramtsstudierende) öffentlich zugänglich machen. 17 Auch der Marburger Master-Studiengang für das Pfarramt tut dies. 18 Das sollte auch für die Pfarramts-Sprachkurse gelten. Selbst wenn in ihnen ‚nur‘ eine Voraussetzung nachgeholt wird, ist nicht einzusehen, warum nur in diesen Kursen ein Unterricht stattfinden sollte, der sich aufs Bestehen von Prüfungen konzentriert. Wenn die Fakultäten ihrem Selbstverständnis nach eine Lücke schließen, die die Schule hinterlies, sollten sie sich hier auch der Schule anpassen und ihre Lehr-/ Lernziele transparent kommunizieren. Der Wunsch ist daher, dass Modulbeauftragte und Studienkommissionen sich mit den Anforderungen und Zielen der Sprachkurse auseinandersetzen. Das Ziel sollte sein, dass in diesem Zusammenhang eindeutige Kompetenzen und Qualifikationsziele in Studienordnungen und Modulhandbüchern kommuniziert werden. Die Lehrbücher und Lehrpläne für Griechisch und Latein bieten hier gutes Material. 19 Für Hebräisch ist es noch zu entwickeln. Doch auch bei den Kirchen als potentielle Arbeitgeber der Studierenden besteht hier noch Nachholbedarf. Die Informationsbroschüre der EKD Studium der Evangelischen 15 Käbisch, Latinum, 146 f. 16 Heller, Studienerfolg, 231 (berechnet nach der Rangkorrelation nach Spearman). 17 S. dazu https: / / www.ev.theologie.uni-mainz.de/ Dateien/ FAQ_Studierende_Ev_Theologie. pdf. Letzter Zugriff: 12 . 01 . 2018 . Die Universität Hamburg hat sich dem inzwischen angeschlossen. 18 https: / / www.uni-marburg.de/ fb05/ studium/ studiengaenge/ ma-theologie/ studium/ studienaufbau/ moduluebersicht. Letzter Zugriff: 09 . 01 . 2018 . 19 Vgl. die einschlägigen Lehrplänre: https: / / www.lehrer-online.de/ fokusthemen/ dossier/ do/ lehrplaene-der-bundeslaender, sowie die bei Käbisch, Latinum, 161 f., genannte Literatur. Ad Fontes. Aber wie? 31 Theologie zur Vorbereitung auf den Pfarrberuf von 2008 formuliert zum Thema ‚Sprachen‘ pauschal: „Das Erlernen der Alten Sprachen steht am Anfang und sollte innerhalb des Grundstudiums möglichst konzentriert erfolgen. Nach Maßgabe der jeweiligen staatlichen bzw. kirchlichen Prüfungsordnung sind ein Latinum , ein Graecum und das Hebraicum nachzuweisen.“ 20 Indes wird bei keiner Teildisziplin erwähnt, dass sie an und mit den Quellensprachen arbeitet: „Zum Studium des Alten Testaments sind Hebräisch-Kenntnisse nötig. Im Mittelpunkt steht die Auslegung ausgewählter Schriften (z. B. Genesis aus dem Pentateuch, Jesaja aus den Prophetenbüchern, Psalmen aus den übrigen Schriften). Außerdem werden die Entstehungsverhältnisse zusammenhängend dargestellt (sogenannte ‚Einleitungsfragen‘) und die Theologie des Alten Testaments sowie die Geschichte Israels behandelt. Unentbehrliche Hilfswissenschaft ist die Biblische Archäologie , die die Religions- und Kulturgeschichte des Alten Orients mitberücksichtigt. „Für das Neue Testament ist Griechisch erforderlich. Auch hier steht im Mittelpunkt die Auslegung der einzelnen Schriften (Evangelien und Apostelgeschichte, Paulusbriefe, sonstige Briefe und Schriften). Die Einleitungsfragen, die Theologie des Neuen Testaments und die Geschichte des Urchristentums werden auch hier im Zusammenhang behandelt. Unverzichtbar ist die Kenntnis der hellenistisch-römischen Umwelt und des antiken Judentums. Beim Studium der Kirchengeschichte, für das Latein erforderlich ist, ist zu unterscheiden zwischen der Geschichte der Kirche als Institution, die eingebettet ist in die Erforschung des Christentums in allen seinen historischen Erscheinungsformen (Kirchengeschichte im engeren Sinn), und der Entwicklung der Theologie (Dogmen- oder Theologiegeschichte). Darum wird das Fachgebiet bisweilen in seiner Gesamtheit auch als Historische Theologie bezeichnet. Es wird im Allgemeinen in folgende Epochen unterteilt: Alte Kirche, Mittelalter, Reformation und Gegenreformation, neuere und neueste Kirchengeschichte (18./ 19. bzw. 20. Jahrhundert).“ 21 Zwar wird in allen drei Disziplinen auf die Notwendigkeit der Sprachkenntnisse hingewiesen, dass und wie sie bei den Inhalten auch zum Einsatz kommen, bleibt offen. Für die tatsächliche Wertigkeit der Sprachen für das Studium wäre es ausgesprochen sinnvoll, noch einmal zu sagen, dass die Auslegung am Ausgangstext vollzogen wird und dass man in der Kirchengeschichte durchaus auch Griechischkenntnisse benötigt. Dass auch die Systematische Theologie mit Quellentexten arbeitet, wird in der Broschüre nicht einmal erwähnt. Damit 20 EKD, Studium, 11 . 21 EKD, Studium, 7 . 32 Melanie Köhlmoos gibt die Informationsbroschüre von 2008 einen Bereich auf, der durch den Beschluss des Fakultätentages von 2002 22 bereits abgesteckt wurde. 3 Sprachen als ‚Lektoratsfächer‘ „‚Hebräisch ist ein klassisches Lektoratsfach‘, d. h. es ist kein Fach für einen wissenschaftlichen Lehrauftrag eines habilitierten Dozenten.“ 23 Auch an dieser Wahrnehmung Ina Willi-Pleins veränderte sich seit 1991 nichts Wesentliches. Die Lehrkräfte für Hebräisch (und Griechisch) bleiben unabhängig von ihrem akademischen Grad (unter ihnen sind einige Habilitierte) Angehörige des sog. Mittelbaus, häufig auf der Position des Akademischen Rates/ der Akademischen Rätin. 24 Auch diese Konstruktion verdankt sich der curricularen Position der Alten Sprachen im Fach Evangelische Theologie. Sie hat besondere dienstrechtliche Konsequenzen bei sich, die sich indes auf den Unterricht und die Unterrichtenden auswirken. Positiv ist zu bewerten, dass die Sprachenstellen in aller Regel Teil der fakultären/ universitären Stellenpläne sind, d. h. sie sind planungssicher vorhanden. Wo sie die Gestalt der Akademischen Ratsstelle annehmen, sind sie sogar unbefristet und häufig noch Beamtenstellen. Das ist eine in jeder Hinsicht privilegierte Position, an der sich die Bedeutung der Sprachen für die Theologie material und personell ausdrückt. 25 Die Dozenten und Dozentinnen sind durch diese Konstruktion in aller Regel lange im Amt und schaffen eine wünschenswerte Kontinuität des Angebots. Die Praxis ist unbedingt beizubehalten. Sprachdozenturen sind Hochdeputatsstellen bzw. Stellen mit Lehrschwerpunkt von 10 und mehr SWS . Auch dies ist sinnvoll und sachgemäß, denn kein Sprachunterricht lässt sich mit einer Stundenzahl von weniger als 8 SWS durchführen. Der Vorteil ist, dass Sprachdozenten und -dozentinnen sich bewusst und aufmerksam der Lehre widmen. Im Blick auf die Fachbereichspolitik ist dies nicht gering zu veranschlagen. Unter den gegenwärtigen Umständen sind Studierende der Theologie mindestens drei Semester lang fast ausschließlich mit den Sprachen beschäftigt, und dies in der Anfangsphase des Studiums, die in jeder Hinsicht eine schwierige Umbruchssituation darstellt. Wenn sie in dieser 22 Beschluss des Ev.-Theol. Fakultätentages von 2002 , zit. nach Stellungnahme der Gemischten Kommission, Anhang, 6 f. 23 Willi-Plein, Schrift, 1 . 24 Gleichzeitig ist festzuhalten, dass die Semitistik an den entsprechenden Lehrstühlen (Kiel, Basel) zugunsten der Literaturwissenschaft stärker aus dem Fokus gerät. 25 Im Vergleich dazu: An vielen neusprachlichen Instituten werden die notwendigen Sprachkurse im Rahmen von Lehraufträgen oder der Titellehre von Privatdozenten angeboten. Ad Fontes. Aber wie? 33 Zeit - wie es ganz überwiegend der Fall ist - eine mentorartige Bezugsperson haben, leisten die Sprachdozentinnen und -dozenten einen ganz wesentlichen Beitrag zur allgemeinen Studienkompetenz, der gar nicht hoch genug veranschlagt werden kann. Der Nachteil der Hochdeputatsstellen ist jedoch, dass auf ihnen nur wenig Zeit für anderes bleibt, und das heißt vor allem: für Forschung. 26 Die Zahl derer, die sich auf einer Sprachdozentur habilitieren, ist gering, und die Zahl derer, die es von einer Sprachdozentur auf einen Lehrstuhl ‚schaffen‘, sogar noch geringer. Die von der Habilitation erwartete Qualifikation in der Breite des Fachs in Lehre und Forschung ist auf diesen Stellen nur sehr selten zu leisten. Umgekehrt - und hier greift wieder die eigenartige Haltung der Theologie gegenüber den Sprachen - wird die oft hervorragende Qualifikation der Sprachdozierenden in der Philologie und den damit verbundenen Fragestellungen nicht hinreichend als ausreichend für eine Professur im Alten oder Neuen Testament gewürdigt. Diese Lage hat durchaus Auswirkungen auf den Unterricht bzw. auf das Studium. Nicht nur, dass Theologiestudierende von Anfang an den Eindruck bekommen müssen, dass Sprachenlernen ein merkwürdiges Ritual ist, das vor allem in Prüfungsvorbereitung besteht; es wird ihnen auch noch vermittelt, dass der Unterricht von nicht vollwertigen Mitgliedern des Kollegiums abgehalten wird. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn - wie im Hebraicum regelhaft der Fall - die Prüfung nicht vom Dozenten oder der Dozentin abgenommen wird, sondern vom Professor oder der Professorin. Auf diesen Weg bleibt der Spracherwerb aus der Sicht der Studierenden im ‚Vorhof der Heiden‘ und nur eine rätselhafte Vorstufe zum ‚Eigentlichen‘. Eine wie immer geartete ‚Aufwertung‘ bzw. verstärkte Integration der Sprachdozierenden in den Fachbereich ist dringend wünschenswert. 4 Alte Sprachen und theologische Praxis Um noch einmal zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Der Sprachunterricht soll die Studierenden in die Lage versetzen, biblische und theologische Quellentexte selbständig und kritisch zu lesen und sach- und fachkompetent mit der wissenschaftlichen Sekundärliteratur umzugehen. Das Lernen der Alten Sprachen ist also der erste Schritt in der Exegese, gewissermaßen ‚Verstehen von Anfang an‘. Natürlich sollte sich die altsprachliche Kompetenz von Evangelischen 26 In jenen (gar nicht so seltenen) Fällen, in denen Sprachdozenten und -dozentinnen zusätzlich zum Lehr- und Prüfungsaufwand noch zusätzlich dauerhaft in der akademischen Selbstverwaltung tätig sind (gelegentlich sogar als Studiendekanin oder Studiendekan), ist der Freiraum für selbständige Forschung noch geringer. 34 Melanie Köhlmoos Theologinnen und Theologen nicht darauf beschränken, in den exegetischen Fächern zu reüssieren. Zum evangelischen Profil gehört eben auch und sogar hauptsächlich, in jeder Disziplin das biblische Zeugnis zu übersetzen. Die faktische Position der Sprachen an der Peripherie des Studiums trägt nicht eben dazu bei, oder etwas zugespitzt gesagt: Sprachkompetenz bewirkt im Studium der Evangelischen Theologie noch lange keine Sprachfähigkeit. Faktisch ist das Theologiestudium auf weite Strecken davon geprägt, dass in Lehre und Forschung mit Übersetzungen gearbeitet wird. Zwar gilt in der christlichen Theologie (anders als in Judentum und Islam), dass eine theologisch gültige Aussage auch aus einer Übersetzung der Schrift abgeleitet werden kann. Doch muss auch diese Übersetzung - von möglichst vielen und in möglichst vielen Kontexten! - kritisch befragbar sein. Eine ‚heilige Übersetzung‘ gibt es eben nicht. 27 In der Systematischen und der Praktischen Theologie sowie in der neueren Kirchengeschichte wird in aller Regel auf der Basis bereits vorhandener Bibelübersetzungen gelehrt und geforscht. Hier steckt ein immenses theologisches Problem, denn es wird vernachlässigt, welche Wandlungen theologische Aussagen, Konzepte und Vorstellungen vom ‚Urtext‘ bis zu ihrer christlichen Rezeption im 21 . Jh. durchmachten. 28 Ein instruktives Beispiel für die „unerledigte Problematik“ 29 der christlichen - besonders evangelischen - Hermeneutik der Übersetzung leistet die Diskussion um die Vaterunser-Bitte καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν (Lk 11 , 4 par). Sie wurde im Dezember 2017 von Papst Franziskus ausgelöst, der die herkömmliche Übersetzung ‚Und führe uns nicht in Versuchung‘, als unangemessen kennzeichnete: „Die Vaterunser-Bitte ‚und führe uns nicht in Versuchung‘ ist in dieser Formulierung ‚keine gute Übersetzung‘. Das hat Papst Franziskus beanstandet. Es sei nicht Gott, der den Menschen in Versuchung stürze, um dann zuzusehen, wie er falle, sagte der Papst. ‚Ein Vater tut so etwas nicht: ein Vater hilft, sofort wieder aufzustehen. Wer dich in Versuchung führt, ist Satan‘, so Franziskus.“ 30 Das Beispiel soll hier nicht als konfessionelle Polemik verstanden werden, so als wüssten die Evangelischen es besser. Das Gegenteil ist der Fall, besonders in dieser Hinsicht. Welche Schwierigkeiten auch in der Evangelischen Theologie 27 Zu diesem Problem vgl. Willi-Plein, Schrift, 3 . 28 Vgl. hierzu ausführlich Käbisch, Latinum, 29 Willi-Plein, Schrift, 3 . 30 http: / / de.radiovaticana.va/ news/ 2017/ 12/ 06/ franziskus_bem%C3%A4ngelt_vaterunser- %C3%BCbersetzung/ 1353215. Letzter Zugriff: 12 . 01 . 2018 . Ad Fontes. Aber wie? 35 mit diesem Text bestehen, diskutierte Uwe Birnstein bereits 2010 ausführlich. 31 Eine sachgemäße Auseinandersetzung um diesen schwerigen Text sollte doch immer zunächst bei Reflexionen über den inkriminierten Begriff, seinen Kontext und seine Rezeption einsetzen, in diesem Fall für πειρασμόs. Und dabei ist nicht nur entscheidend, welche Konnotationen sowohl der griechische Begriff, als auch sein Kontext haben. Es lohnt sich durchaus, im Bewusstsein zu haben, dass in der Septuaginta πειράζω das Äquivalent zum hebräischen ה ָ סּ ִ נ darstellt, was ‚prüfen‘ bedeutet. Auch neutestamentlich ist der Gebrauch belegt. Ob es sich also um eine ‚Versuchung‘ oder um eine ‚Prüfung‘ handelt, die uns Gott ersparen möge, sollte ein theologisch ausgebildeter Mensch zunächst einmal reflektieren. In der Diskussion ging es hingegen um eine Übersetzung und die Frage, wie diese zu einem bestimmten Gottesbild passt. Öffentlich geäußert haben sich der katholische Neutestamentler Thomas Söding (Bochum), 32 der Frankfurter Althistoriker Hartmut Leppin 33 und Margot Käßmann. 34 Dabei wurde durchgehend deutlich, dass theologische Urteile ohne Quellenkenntnis zu einem problematischen „Präsentismus“ 35 führen können - der Anpassung einer Quellenaussage an die derzeit gültige Meinung unter Vernachlässigung möglicher Anstößigkeiten. Was ‚Versuchung‘ genau ist, muss zum (philologisch und theologisch verantworteten) Grundwissen von Theologen und Theologinnen gehören. Wenn sich aber der Umgang mit den Bibelsprachen im Evangelischen Theologiestudium nicht darauf beschränken würde, einige Male unter Prüfungsbedingungen Abschnitte aus der Genesis oder den Evangelien hinreichend kohärent zu übersetzen und die Verbformen zu analysieren und danach entweder mit einer Übersetzung zu arbeiten oder die Sprachkenntnisse in exegetischen Spezialseminaren in kleinem und kleinstem Kreis zu vertiefen, käme es zu solchen Unsachgemäßheiten 36 wie dem päpstlichen Vorstoß nicht. Vor dem anderen Extrem allerdings warnt Ina Willi-Plein: 31 http: / / www.deutschlandfunkkultur.de/ der-gott-der-in-versuchung-fuehrt.1278. de.html? dram: ar-ticle_id=192552. Letzter Zugriff: 12 . 01 . 2018 . 32 http: / / de.radiovaticana.va/ news/ 2017/ 12/ 08/ d_%E2%80%9Ef%C3%BChre_uns_nicht_in_ versuchung%E2%80%9C_ist_pr%C3%A4zise_%C3%BCbersetzung/ 1353652. Letzter Zugriff: 12 . 01 . 2018 . 33 FAZ, 13 . 12 . 2017 , 13 . 34 Bild am Sonntag, 10 . 12 . 2017 . 35 Leppin, FAZ. 36 Leppin weist in dem FAZ-Artikel darauf hin, dass Franziskus‘ Sicht bereits von Marcion vorgelegt wurde. Aber auch eine so zweifelhafte Gruppierung wie die Freien Christen für den Christus der Bergpredigt vertreten diese Ansicht (Vgl. https: / / www.theologe.de/ vaterunser.htm. Letzter Zugriff: 12 . 01 . 2018 ). 36 Melanie Köhlmoos „Doch ist gerade bei solchen Anlässen die Gefahr groß, dass Hebraisten sozusagen als ‚Hebräisch-Gurus‘ auftreten, die über den sprachlichen Umgang mit der ‚Ursprache‘ wie über eine theologische Wunderwaffe verfügen. Die diskussionstötende Auskunft, es stehe nicht nur geschrieben, sondern ‚eigentlich‘ heiße es ganz anders, muss nicht falsch sein, sollte aber in den Gesamtkontext der Theologie einbezogen werden können. Doch wie kann es zum Dialog zwischen Sprachwissenschaft und Theologie im engeren Sinne kommen, wenn er nicht v. a. auf der Ebene der Ausbildung von Theologie Studierenden […] und deren Weiterbildung eingeübt wird und immer wieder stattfindet? “ 37 5 Zusammenfassung und Perspektiven Die Diskussion um die Vaterunser-Bitte mag eine innerchristliche Quisquilie sein, die verhältnismäßig wenig Konsequenzen hervorruft. Welche Wahrnehmungen theologischer Quellentexte gesellschaftsverändernd sind, lässt sich nicht voraussagen, und es ändert sich auch immer wieder. Bis dahin muss den Quellentexten aber grundsätzlich zugetraut werden, dass sie scheinbar Gültiges in Frage stellen können. Auf lange Sicht kann die Universitätstheologie im Verein mit Kirchen und Schulen von den Studiengängen der Islamischen Theologie lernen: Die Einübung in die Quellensprachen gehört nicht in irgendwelche ‚Brückenkurse‘, sondern ins Studium. Studiumspolitische Einwände gelten hier nicht: Die Universitäten, die Islamische Theologie als Studiengang anbieten, lassen sich von der Notwendigkeit eines langen und aufwendigen Arabisch-Studiums meist mühelos überzeugen. Nur vollzieht sich dies eben nicht losgelöst vom restlichen Studium, sondern ist ein Teil davon. Wünschenswert wäre eine Reform des Studiums der Evangelischen Theologie, die den Sprachenerwerb sinnvoll in das Studium integriert - auch um den Preis, dass ein Hebraicum und ein Graecum erst verhältnismäßig spät abgelegt werden würden. Für die Beibehaltung der herkömmlichen Praxis gibt es eigentlich keinen erkennbaren Grund. Ein Sprachenstudium, das als gestuftes Modul mit dem regulären Studium verbunden ist, ließe Raum, auch Lehramtsstudierende zumindest in Grundzügen mit Grammatik, Syntax und Semantik der Bibelsprachen vertraut zu machen - was seinerseits einer Verbesserung des schulischen Religionsunterrichts dienen könnte. Einen Vorstoß in diese Richtung macht der - wohl nicht zufällig sehr erfolgreiche und sehr gefragte - Marburger Masterstudiengang: „Hebräische und griechische Sprachkenntnisse sind keine Voraussetzung für die Zulassung zum Masterstudiengang Ev. Theologie. Im Modul 2.1 Einführung in die Exegese 37 Willi-Plein, Schrift, 6 . Ad Fontes. Aber wie? 37 des Alten Testaments und des Neuen Testaments wird in die biblischen Sprachen Hebräisch und Griechisch eingeführt. Im biblischen Hebräisch werden sog. funktionale Sprachkenntnisse erworben, die befähigen, Übersetzungen von alttestamentlichen Texten mit Hilfsmitteln nachvollziehen und alttestamentliche Fachliteratur verstehen zu können. Die vermittelten griechischen Sprachkenntnisse befähigen zur Übersetzung leichter neutestamentlicher Texte im Original. Das Erlernen der Sprachen erfolgt in enger Verknüpfung mit der Einführung in die biblische Exegese.“ In Fakultätentag und Kirche ist dieses Modell (leider) bislang nicht konsensfähig, doch es scheint mir der am ehesten gangbare Weg für die nähere Zukunft. Das muss nicht zwangsläufig auf eine Reduzierung der Sprachen im Studium hinauslaufen. Im Gegenteil: Aus dem Schulunterricht wissen wir alle, dass man Sprachkompetenz nicht einfach erwirbt und sie dann ‚besitzt‘. Wer aus dem Hebraicum kommt, kann noch lange nicht Kohelet übersetzen. Statt jedoch Sprachdozierende in Lektüre-Übungen zu binden, wäre ein integratives Curriculum anzuzielen, in dem Spracherwerb und weitere Kompetenzen konvergieren. Bei sinnvoller Planung ließe sich damit - zumindest in Grenzen - die aufwendige und schwierige Trennung von Studiengruppen in ‚Sprachkundige‘ und ‚-unkundige‘ aufheben. Auch Lehramtsstudierende sollten in die Lage versetzt werden, einen Kommentar und/ oder einen Wörterbuchartikel bearbeiten zu können. Ein solches Konzept könnte auch einen weiteren Aspekt enthalten: Es könnten die Deputate der Lehrenden so aufgebrochen werden, dass Exegeten in Veranstaltungen der Systematischen oder der Praktischen Theologie eingebunden werden, um die biblischen Texte zu übersetzen und exegetisch zu bearbeiten (und umgekehrt). Bis dahin sollten wenigstens folgende Anregungen berücksichtigt werden: 1. Die inhaltlichen und methodischen Ziele - möglichst auch angezielten Kompetenzen - der Sprachkurse sollten auf den Webseiten der Fachbereiche, in den Vorlesungsverzeichnissen und Modulhandbüchern öffentlich zugänglich sein. Dabei sollte der Nutzen der Sprachkurse von den Erfordernissen der Prüfung möglichst freigehalten werden. 2. Wünschenswert wäre es auf jeden Fall, wenn die exegetischen Institute, vor allem die alttestamentlichen, gemeinsam ein Kompetenzmodell für den Hebräischunterricht entwürfen. Bislang ist mir keines bekannt. Eine Auseinandersetzung mit einem kompetenzorientierten altsprachlichen Unterricht ist aber für das Profil exegetischer Institute ausgesprochen hilfreich. 38 38 Im alttestamentlichen Seminar der Goethe-Universität Frankfurt ist das Bayerische Kompetenzmodell das perspektivische Modell (https: / / www.isb.bayern.de/ download/ 11923/ bayerisches_kompetenzmodell_alte_sprachen.pdf. Letzter Zugriff: 12 . 01 . 2018 ). 38 Melanie Köhlmoos 3. Ebenfalls wünschenswert ist eine ‚Aufwertung‘ der Sprachdozenten und -dozentinnen. Wo dies von der Struktur des Instituts her möglich ist, sollte ihnen Gelegenheit für forschungsorientierte Seminare oder Vorlesungen gegeben werden, die im besten Falle auch modulfähig sind. 4. In Examensprüfungen sollten sich die prüfenden Professorinnen und Professoren im Vorwege darüber verständigen, was genau die Auseinandersetzung mit dem Bibeltext leisten soll (und wie sie zu bewerten ist). 5. In allen Veranstaltungen sollte der Ausgangstext auch materialiter so präsent wie möglich sein. Ina Willi-Plein schlägt als einfaches (aber durchaus hilfreiches) Mittel das „deutliche Benutzen der Biblia Hebraica“ 39 vor. Weitere probate Methoden sind das Anschreiben hebräischer und/ oder griechischer Wörter oder Wendungen an die Tafel, die Verwendung von Umschrift (für Nicht-Sprachler), das gelegentliche Vorlesen. Gute Erfahrungen habe ich in gemischten Seminaren damit gemacht, Sprachkundige den entsprechenden Text vorlesen zu lassen und seine philologische Erschließung vorzuführen. 6. Vielleicht schon utopisch, aber bestimmt sinnvoll wäre es, wenn Kolleginnen und Kollegen aus den nicht exegetischen Fächern gelegentlich den Vorsitz bei Sprachprüfungen übernähmen. Literatur Heller, Thomas: Studienerfolg im Theologiestudium. Exemplarische Befunde einer deutschlandweiten Panelstudie zur Identifizierung und Quantifizierung persönlicher Bedingungsfaktoren des Studienerfolgs bis zum fünften Semester bei Studierenden der Evangelischen Theologie (Pfarr-/ Lehramtsstudiengänge), Jena 2011. Käbisch, David: Das Latinum schaffe ich nie…‘. Überlegungen zu einer Didaktik der alten Sprachen für Theologiestudierende, in: Heller, Thomas/ Wermke, Michael (Hg.): Universitäre Religionslehrerbildung zwischen Berufsfeld- und Wissenschaftsbezug, Leipzig 2013, 146-162. Kirchenamt der Evagelischen Kirche in Deutschland, Studium der Evangelischen Theologie zur Vorbereitung auf den Pfarrberuf ( EKD -Texte 28), Hannover 2008. VELKD (Hg.): Unser Glaube. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Ausgabe für die Gemeinde. Im Auftrag der VELKD herausgegeben vom Lutherischen Kirchenamt. Bearbeitet von Horst-Georg Pöhlmann, Gütersloh 3 1991. Willi-Plein, Ina: Heilige Schrift oder Heilige Übersetzung - Zur theologischen Relevanz hebraistischer Forschung und Lehre, in: Willi-Plein, Ina: Sprache als Schlüssel. Gesammelte Aufsätze zum Alten Testament, hg. von Michael Pietsch und Tilmann Präckel, Neukirchen-Vluyn 2002, 1-10. http: / / de.radiovaticana.va/ news/ 2017/ 12/ 06/ franziskus_bem%C3%A4ngelt_vaterunser- %C3%BCbersetzung/ 1353215. Letzter Zugriff: 12. 01. 2018. 39 Willi-Plein, Schrift, 10 . Ad Fontes. Aber wie? 39 http: / / de.radiovaticana.va/ news/ 2017/ 12/ 08/ d_%E2%80%9Ef%C3%BChre_uns_nicht_in_ versuchung%E2%80%9C_ist_pr%C3%A4zise_%C3%BCbersetzung/ 1353652. Letzter Zugriff: 12. 01. 2018. http: / / www.deutschlandfunkkultur.de/ der-gott-der-in-versuchung-fuehrt.1278. de.html? dram: ar-ticle_id=192552. Letzter Zugriff: 12. 01. 2018. https: / / www.ev.theologie.uni-mainz.de/ Dateien/ FAQ_Studierende_Ev_Theologie.pdf. Letzter Zugriff: 12. 01. 2018. https: / / www.isb.bayern.de/ download/ 11923/ bayerisches_kompetenzmodell_alte_sprachen.pdf. Letzter Zugriff: 12. 01. 2018. https: / / www.lehrer-online.de/ fokusthemen/ dossier/ do/ lehrplaene-der-bundeslaender/ . Letzter Zugriff: 12. 01. 2018. https: / / www.theologe.de/ vaterunser.htm. Letzter Zugriff: 12. 01. 2018. https: / / www.uni-marburg.de/ fb05/ studium/ studiengaenge/ ma-theologie/ studium/ studienaufbau/ moduluebersicht. Letzter Zugriff: 09. 01. 2018.