eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 2/2

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2017
22 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Blogs im akademischen Unterricht der Geisteswissenschaften

2017
Anja Swidsinski
Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2 - 2017, Heft 2 Lehr-/ Lernbeispiele Blogs im akademischen Unterricht der Geisteswissenschaften Anja Swidsinski 1 Didaktische Herausforderung und Ziele Nicht jede technische Innovation eignet sich für die Lehre, genauso, wie nicht jeder akademische Trend nachhaltig in die jeweilige Fachkultur eingeht� Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass Wissenschaftskommunikation in digitalen Medien eine immer größere Rolle sowohl im Universitätsbetrieb, als auch für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen spielt� Als Illustration sei der deutsche Ableger des Blogportals hypotheses�org 1 genannt, der über 400 akademische Blogs verzeichnet 2 und nicht zuletzt deswegen als Publikationsorgan ernst zu nehmen ist, weil die Einträge über die Deutsche Nationalbibliothek eine ISSN (eine internationale Standardnummer für fortlaufende Publikationen 3 ) erwerben können, mit der sie über Bibliothekskataloge auffindbar sind. 4 Es ist die Aufgabe der Lehre, die Studierenden für neuere Entwicklungen im Fach zu sensibilisieren� Gleichzeitig ist es ihre Aufgabe, sie zur Teilhabe daran zu befähigen� Beide Aufgabenbereiche, die Sensibilisierung sowie die Be- 1 OpenEdition: hypotheses� Blogportal für die Geistes- und Sozialwissenschaften� www� de.hypotheses.org. Letzter Zugriff am 06.07.2017. 2 DHI Paris, Bloggen� 3 Zu den International Standard Serial Numbers (ISSN) vgl� International Centre, ISSN� 4 König, ISSN� 82 Lehr-/ Lernbeispiele fähigung der Studierenden zu Wissenschaftskommunikation standen im Vordergrund eines Lehr-/ Lernprojekts, das akademisches Bloggen als zentrale Methode einsetzte� Ein erstes Ziel der Verwendung von Blogs war es, den Studierenden einen Einblick in die Produktionsbedingungen eines Wissenschaftsblogs zu geben 5 � Ein zweiter didaktischer Schwerpunkt war es, die Studierenden dazu zu befähigen, eigene Blog-Einträge zu verfassen und somit selbst Wissenschaftskommunikation zu betreiben 6 � 2 Einbettung in die Lehrveranstaltung Das Lehr-/ Lernprojekt Bloggen war Teil des Projektseminars ‚Wissenschaftskommunikation‘, das begleitend zur ‚Langen GenderLeseNacht‘ 7 (einer interdisziplinären Zusammenarbeit mehrerer Fakultäten der TU Dresden) in den WS 2014 und 2015 stattfand� Das Seminar besaß die Doppelfunktion, einerseits ein inhaltlich und didaktisch eigenständiges Programm anzubieten und andererseits die LeseNacht zu komplementieren, indem im Rahmen des Seminars ein begleitendes Rahmenprogramm für die Lesung produziert wurde� Beide Funktionen waren eng mit dem Hauptziel, theoretische sowie praktische Aspekte von Wissenschaftskommunikation zu vermitteln, verknüpft� Die Seminarstruktur erlaubte es einerseits, Formen von Wissenschaftskommunikation abstrakt zu thematisieren, gleichzeitig ergab sich durch den Projektcharakter des Seminars die Notwendigkeit, das Gelernte anzuwenden, um Produkte zu erstellen� Die methodische Entscheidung, Blogs einzusetzen, stand im engen Zusammenhang mit den oben genannten Zielen, da Blogs, wie oben schon beschrieben, zunehmend eine Rolle in der Wissenschaftskommunikation spielen� Wichtig ist, dass eine Methode nicht nur innovatives Beiwerk darstellt, sondern mit den avisierten Lernergebnissen der Veranstaltung sowie den geplanten Prüfungsformen abgestimmt ist� Dieses ‚constructive alignment‘ 8 von Zielen, Methoden und Prüfung stellte sich im aktuellen Lehr-/ Lernbeispiel wie folgt dar: 5 Dieses Lernziel entspricht dem Bereich ‚Wissen und Verstehen‘ des Kompetenzmodells im aktuellen Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse. HRK, Qulifikationsrahmen� 6 Dieser Schwerpunkt entspricht dem Bereich ‚Kommunikation und Kooperation‘ des Kompetenzmodells im aktuellen Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse. Ebd� 7 Höhnisch, GeschlechterGeschichten� 8 Zum Konzept constructive alignment vgl� Biggs/ Tang, Teaching� Lehr-/ Lernbeispiele 83 Das Ziel, die Produktionsbedingungen von Wissenschaftskommunikation theoretisch zu reflektieren, wurde verfolgt, indem die Studierenden sich in der ersten Sitzung mit der spezifischen Struktur von Blogs beschäftigten, indem sie aus verschiedenen Quellen 9 eine Übersicht der typischen Komponenten von Blogs erstellen sollten� In diesem Zusammenhang wurde diskutiert, welche dieser Komponenten den diskursiven Traditionen der Fachkultur ent- (Kommentarfunktion, Verlinkungen) bzw. widersprechen (Bilder). Das zweite Ziel, das Wissen über Wissenschaftskommunikation praktisch zu erproben, wurde von Anfang an methodisch umgesetzt, indem die Studierenden angehalten wurden, ab der ersten inhaltlichen Sitzung selbst Blog-Einträge zu verfassen. Um die Studierenden nicht zu überfordern und eventuelle Ängste gegenüber der neuen Arbeitsform abzubauen, war die Vorgabe, für den ersten Blog-Eintrag nur einzelne Komponenten von Blogs (provokante Überschrift zum Text, Verbindung von Inhalt und Bild bzw. von Inhalt und Verlinkung auf andere Quellen) als Schwerpunkt der Blogartikel in den Mittelpunkt zu rücken� Dabei bestand die Möglichkeit, gezielt Negativbeispiele zu erstellen� Im Verlauf des Semesters wurden von Seiten der Seminarleitung in jeder Sitzung zunehmend komplexere Artikelangebote formaler oder inhaltlicher Art gemacht, die eng mit anderen Komponenten des Seminars verknüpft waren und somit gezielt zur Übung bestimmter Textsorten (Thesendarstellung, Rezension, Autorvignette) eingesetzt werden konnten� Diese wurden jeweils am Anfang der Sitzung kommuniziert, so dass die Studierenden in deren Verlauf überlegen konnten, welche der besprochenen Inhalte sie gerne im Blog verschriftlichen würden� Über die Artikelvorschläge seitens der Seminarleitung konnten sowohl Inhalt als auch Ausführlichkeit der Artikel gesteuert und somit dem Arbeitsaufkommen im Seminar insgesamt angepasst werden� Dabei wurden gezielt Arbeitsaufträge kleineren Umfangs vorgeschlagen, um damit die Angst vor dem neuen Medium bzw� der Textsorte und den Mehraufwand zu verringern� Die Artikel wurden regemäßig im Seminar diskutiert� Die begrenzte Präsenzzeit im Seminar konnte entlastet werden, weil die Artikel im Vorfeld gelesen und digital mittels der Rückmeldefunktion der Sternchenvergabe (von 1-5) bewertet wurden� Die Kriterien für diese Diskussionen waren aus den gemeinsamen theoretischen Überlegungen über die Komponenten von Blogs und den gleichzeitig unabdingbaren Anforderungen an die Wissenschaftlichkeit der Artikel erwachsen� Durch diese Bewertungsaufgabe fand schon während des Semesters ein Transfer von der theoretischen auf die praktische Ebene statt� Um den methodischen Einsatz von Blogs auch bei der Frage der Bewertung von Studienleistungen zu berücksichtigen, wurden die Artikel als Teil der Prü- 9 Vgl. z. B. Geldschläger, Blog. 84 Lehr-/ Lernbeispiele fungsleistung verankert� Als Teil des abschließenden Portfolios 10 sollte ein selbst verfasster Blog-Artikel eingereicht werden, der in Bezug auf die im Seminar entwickelten Kriterien zu kommentieren war. Dies eröffnete den Studierenden die (explizit kommunizierte) Möglichkeit, auch einen wenig gelungenen Artikel einzureichen� Die Leistung konnte also entweder mit stärkerem Schwerpunkt auf der kommunikativen Leistung des Blogeintrags oder auf der Wiedergabe von Kriterienwissen (und dessen Anwendung) erbracht werden� Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf den Einsatz von Blogs im Projektseminar ‚Wissenschaftskommunikation‘ sagen, dass diese Methode sowohl mit den Seminarzielen als auch mit den Bewertungsformen eng verzahnt war� Diese Verzahnung wurde den Seminarteilnehmern von Anfang an deutlich kommuniziert, so dass die Möglichkeit, die Blogartikel als kleine Übungsformen vor dem Erbringen größerer Leistungen zu nutzen bzw� auch die Freiheit, mehrere Artikel zu schreiben und nur einen daraus auszuwählen, auch als Motivationsfaktoren fungierten� Die genannten Faktoren sind auch von den Studierenden in den Evaluationen positiv hervorgehoben worden� Ein anderer wichtiger Faktor für die Studierenden war die mit der Auseinandersetzung mit Blogs verbundene Berufsfeldorientierung� Das Kennenlernen und Ausprobieren einer in den Geisteswissenschaften immer wichtiger werdenden Arbeitsform kam ihrem Bedürfnis nach Erfahrungen mit der praktischen, berufsfeldbezogenen Anwendung des universitären Wissens entgegen� Schlussendlich ist aus der Perspektive der Lehrenden zu erwähnen, dass ein rein praktischer Gesichtspunkt bei der Entscheidung dafür, mit Blogs zu arbeiten, der Vorteil war, dass Blogs unproblematisch auf Lernplattformen wie OPAL oder Moodle bzw� über Anbieter wie Wordpress 11 angelegt werden können und als digitales Medium relativ wenig Aufwand bereiten-das Einsammeln von gedruckten Studierendenleistungen und deren Verwaltung entfällt, je nach Plattform sind darüber hinaus verschiedene digitale Kommentar- und Rückmeldemöglichkeiten 12 mit den Blogs verknüpft� Nicht zuletzt stellt das Blog eine Arbeitsform dar, die der aktuellen Tendenz, Wissen zunehmend in digitaler Form zur Verfügung zu stellen, näher kommt als herkömmliche Lehr-/ Lern-Settings� 10 Zur Bewertung mit Hilfe von Portfolios vgl� Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik, Lern- Portfolio� 11 Automattic.inc, Wordpress. www.wordpress.com. Letzter Zugriff am 06.07.2017. Bei nicht universitätsgebundenen Anbietern sind jedoch sowohl datenschutztechnische als auch rechtliche Fragen zu bedenken� 12 So z. B. die Bewertung durch die Vergabe von 1-5 Sternchen, die auch gleichzeitig zum Ranken, also Sortieren der Artikel nach Beliebtheit verwendet werden kann�