eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 2/2

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2017
22 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Faszination Digital Humanities

2017
Kevin Künzl
Fridolin Wegschneider
52 Juan Garcés / Jan Heilmann Sekretariat der Kultusministerkonferenz (Hg�): Bildung in der digitalen Welt� Strategie der Kultusministerkonferenz� Beschluss vom 08�12�2016, Berlin 2016� https: / / www� kmk.org/ fileadmin/ Dateien/ pdf/ PresseUndAktuelles/ 2016/ Bildung_digitale_Welt_ Webversion.pdf, letzter Zugriff am 04.07.2017. Spencer, Matthew u. a.: The Greek Vorlage of the Syra Harclensis: A Comparative Study on Method in Exploring Textual Genealogy, TC 7 (2002), http: / / rosetta�reltech� org/ TC/ vol07/ vol07�html, letzter Zugriff am 12.07.2017. Spencer, Matthew u� a�: Representing Multiple Pathways of Textual Flow in the Greek Manuscripts of the Letter of James Using Reduced Median Networks, Computers and the Humanities 38 (2004), 1-14� Vergari, Romina: Aspects of Polysemy in Biblical Greek. A Preliminary Study for a New Lexicographical Resource, in: Clivaz, Claire u� a� (Hg�): Digital Humanities in Biblical, Early Jewish and Early Christian Studies (Scholarly Communication 2), Leiden 2014, 191-229� Wachtel, Klaus: The Coherence-Based Genealogical Method: A New Way to Reconstruct the Text of the Greek New Testament, in: Kloppenborg, John S�/ Newman, Judith H� (Hg�): Editing the Bible� Assessing the Task Past and Present (SBL�RBS 69), Atlanta, GA 2012, 123-138� Walters, Patricia: The Assumed Authorial Unity of Luke and Acts� A Reassessment of the Evidence (SNTS�MS 145), Cambridge 2009� Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2 - 2017, Heft 2 Faszination Digital Humanities Was benötigen Studierende in ihrer bibelwissenschaftlichen Ausbildung? Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider Abstract | This contribution explores the didactical potential of Digital Humanities for academic education in Biblical Studies� Arguing from the perspective of undergraduate und graduate students, it is suggested that digital resources and tools can help foster student engagement and orientation towards exegetical expertise from the very beginning on� After an introduction which assesses the current role of digital resources in the didactics of Biblical Studies, the potentials are illustrated by drawing on ancient language education, textual criticism, Bible survey, and exegesis with digital corpus analysis� The authors conclude that the use of digital resources can at least partly compensate the growing lack of familiarity with the Bible and ancient languages among students and, likewise, enable them to partake in research-oriented and self-regulated learning much easier� Instead of being a bonus, the possibilities offered by digital tools need to become a basic part of teaching Biblical Studies� Ducunt volentem fata, nolentem trahunt! 1 Durch die Digitalisierung verändert sich Lehre allgemein, die universitäre im Speziellen� Im Zuge der Digital Humanities gilt es, Lehr-/ Lernkonzepte zu überdenken und zu überprüfen, was und wie Studierende heute am besten lernen sollten� Diese Fragen in ihrer wechselseitigen Beziehung leiten unsere Über- 1 Sen� epist� 107,11,5� 54 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider legungen zur bibelwissenschaftlichen Hochschuldidaktik� Im ersten Heft der vorliegenden Zeitschrift beschreiben die Herausgeber Stefan Fischer und Thomas Wagner die veränderten Bedingungen, unter denen heute Theologie studiert wird. Ein Aspekt dabei ist das veränderte Vorwissen: „Die in früheren Generationen durch das Sprachenstudium in humanistischen Gymnasien schon vor dem Studium vorhandene Kenntnis biblischer Ursprachen sowie […] bereits vor dem Studium erworbene Kenntnis der Texte des Alten und des Neuen Testaments sind bei vielen Studierenden kaum oder gar nicht mehr vorhanden�“ 2 Außerdem haben sich Lesebzw� Lernprozesse verändert: „Informationsaufnahme erfolgt vermehrt über digitale Medien, die eine Kombination von kurzen Texten sowie von Bild- und Filmsequenzen anbieten�“ 3 Dadurch gehe die Kompetenz verloren, „[…] sich Sinngehalte längerer Textpassagen zu erschließen“, 4 so die Autoren� Studierenden falle es immer schwerer, längere Zeit zuzuhören oder zu lesen� Unabhängig davon, ob man diese Beobachtung teilt, begrüßen wir den daraus resultierenden Impuls: „Hier steht die Hochschuldidaktik vor der großen Aufgabe, Lehr-/ Lernprozesse den Verstehensmöglichkeiten der Studierenden anzupassen und dabei die klassischen Formen universitärer Lehre weiterzuentwickeln�“ 5 Dieser Herausforderung muss, so der Ansatz unserer Überlegungen, durch sinnvollen Einsatz der ‚Neuen Medien‘ begegnet werden� 6 Bevor wir unter dieser Prämisse im Hauptteil des vorliegenden Beitrags auf verschiedene Bereiche der Fachausbildung eingehen, in denen die Digital Humanities u� E� ein besonderes Innovationspotential bieten, wird im Folgenden zunächst die aktuelle Vermittlungssituation kurz anhand typischer Einführungsliteratur beleuchtet� 1 Stand der Dinge und Zielsetzung Blickt man in einige gängige exegetische Methodenbücher, die für viele Studierende als Grundlage in Proseminar und Selbststudium dienen, zeigt sich, dass die Möglichkeiten digitaler Medien noch längst nicht zum Standardrepertoire 2 Fischer/ Wagner, Verstehen, 8. 3 Fischer/ Wagner, Verstehen, 10. 4 Fischer/ Wagner, Verstehen, 10. 5 Fischer/ Wagner, Verstehen, 10f. 6 Statt von ‚E-Learning‘ wird dabei inzwischen immer häufiger von ‚Blended Learning‘ gesprochen, vgl� Iberer, E-Learning� Generell ist es wichtig, dass bereits existierende Online-Ressourcen schlichtweg bekannt gemacht und weitergegeben werden� Gerber bspw� bietet eine umfangreiche Tabelle mit digitalen Hilfsmitteln für Theologie und Religionswissenschaften, vgl� Gerber, Digital Humanities, 7� Auch der Abschnitt Elektronische Hilfsmittel bei Ebner/ Heininger ist hervorzuheben, vgl� Ebner/ Heininger, Exegese, 422-425� Faszination Digital Humanities 55 dessen gehören, womit Studierende der Theologie von Anfang an vertraut gemacht werden� Die Methodenbücher haben gemein, 7 dass sie die Möglichkeiten, die durch die Digital Humanities Einzug in die Exegese halten, v� a� als Bonus betrachten, auf den man zurückgreifen kann , wenn man mit dem ‚Erprobten‘ durch ist. Bei Finnern/ Rüggemeier finden sich dabei noch die innovativsten Positionen. Sie bieten einen Abschnitt, in dem explizit auf die Vorzüge elektronischer Textsammlungen im Vergleich zu gedruckten Konkordanzen u. ä. hingewiesen wird� 8 Im Kapitel Themenanalyse stellen sie das Tool „Bibelclouds“ 9 vor und betonen, dass elektronische Hilfsmittel die Identifizierung von Schlüsselbegriffen enorm erleichtern können. 10 Schließlich äußern sie sich überaus kritisch zu gedruckter Kommentarliteratur, die sie als „[…] reformbedürftig, gerade im digitalen Zeitalter“ bezeichnen� Durch die Möglichkeit, Forschungsdaten online in Datenbanken zu veröffentlichen, sei es „[…] hochgradig unöko- 7 Becker, Exegese; Ebner/ Heininger, Exegese; Egger/ Wick, Methodenlehre; Erlemann/ Wagner, Leitfaden; Finnern/ Rüggemeier, Methoden; Schnelle, Einführung� 8 Vgl. Finnern/ Rüggemeier, Methoden, 146; so auch Ebner/ Heininger, Exegese, 422 9 Abrufbar unter https: / / www.bibelclouds.de/ , letzter Zugriff 14.07.2017. Inwiefern dieses Tool wirklich für den akademischen Bereich anwendbar ist, sei dahingestellt� Das Potential digitaler Textanalysen illustriert es allemal� 10 Vgl. Finnern/ Rüggemeier, Methoden, 273f. Kevin Künzl *1990, studiert Ev� Theologie, Gräzistik und Anglistik an der TU Dresden und ist dort als Studentische Hilfskraft am Institut für Evangelische Theologie (Professur für Biblische Theologie) tätig� Zudem ist er Mitglied des Wissenschaftlichen Netzwerkes „Mahl und Text“ (DFG)� Fridolin Wegscheider *1992, studiert Ev� Theologie und Germanistik an der TU Dresden und arbeitet dort am Institut für Ev� Theologie (Professur für Biblische Theologie) als Studentische Hilfskraft und Tutor� 56 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider nomisch, wenn jeder für jeden Anlass die Exegese/ Textauslegung erneut durchführen muss oder aus dem Textkommentar eines anderen die für ihn relevanten Informationen herausfiltern muss“ 11 � Am anderen Ende der Innovationsskala bietet Schnelle zwar ein ganzes Kapitel zum Thema Internet als Hilfsmittel, sieht darin aber nicht viel mehr als die erleichterte Verfügbarkeit von Informationen durch E-Books, Blogs etc�, und weniger mögliche Implikationen für die exegetische Arbeit generell� 12 Stets präsent erscheint die Befürchtung, dass „[…] der Fokus auf die eigene Fragestellung und wertvolle Zeit durch zielloses Surfen im Internet verlorengehen“ und dass das Internet „[…] den strengen Maßstäben wissenschaftlicher Nachprüfbarkeit […]“ 13 möglicherweise nicht genügen könne� Derartige Äußerungen zeigen v. a., dass die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Wissenschaft oft noch immer in den Mustern der alten Medien gedacht werden� Allerdings sind die Digital Humanities nicht nur eine Erweiterung dessen, was schon da ist� Sie verändern die Spielregeln und ermöglichen neue Ansätze, die früher überhaupt nicht denkbar gewesen wären� 14 In der Forschung bricht sich diese Erkenntnis langsam Bahn� Wenn aber Studierende auf die Zukunft und nicht auf die Vergangenheit hin ausgebildet werden sollen, ist es an der Zeit, die Chancen der Digital Humanities grundlegend für die Hochschuldidaktik fruchtbar zu machen� Gerade in den exegetischen Fächern gibt es dafür aus unserer Sicht vielversprechende Ansatzpunkte, um einiges neu zu durchdenken und vielleicht sogar völlig neu zu konzipieren� Vor diesem Hintergrund beleuchten wir im Folgenden vier Bereiche, in denen die Digital Humanities große didaktische Potentiale bieten könnten: Ausbildung in den alten Sprachen, Bibelkunde, Textkritik und Exegese mit Methoden der Corpusanalyse� Dabei haben wir nicht die Absicht, ausgefeilte didaktische 11 Finnern/ Rüggemeier, Methoden, 300� 12 Vgl. Schnelle, Einführung, 30-35. 13 Schnelle, Einführung, 31. Beide Ängste laufen indes ins Leere. ‚Verlorengehen‘ ist bei klassischer Recherche von Buch zu Buch ebenso gut möglich wie bei der Verwendung digitaler Medien� In Bezug auf wissenschaftliche Nachprüfbarkeit bietet das Internet sogar weitaus größere Chancen als Printmedien, da theoretisch nicht nur das Endprodukt, sondern auch alle auf dem Weg dorthin entstandenen Forschungsdaten publiziert werden können� 14 Patrick Sahle illustriert den Gegensatz zwischen den Möglichkeiten der ‚alten‘ und ‚neuen‘ Medien in einem Beitrag zu digitalen Texteditionen: Diese funktionieren innerhalb digitaler Paradigmen , d� h� sie haben Eigenschaften, die sich in einer gedruckten Edition nicht nachbilden ließen� Gescannte Bücher hingegen sind an die Spielregeln des analogen Mediums gebunden� Sie sind keine digitalen Editionen, weil sie „[…] von ihrer Methode, ihren Inhalten und ihren Nutzungsformen her in der Denkwelt des Buchdrucks gefangen bleiben“ (Sahle, Edition, 239)� Faszination Digital Humanities 57 Konzepte zu präsentieren, sondern wollen aus studentischer Perspektive einige streitbare Anregungen bieten� 2 Anregungen zur Einbindung der Digital Humanities in die bibelwissenschaftliche Hochschuldidaktik 2.1 Sprachausbildung als Basis für exegetische Kompetenz Das Beherrschen der klassischen tres linguae sacrae , Hebräisch, Griechisch und Latein, bildet seit jeher eine Grundvoraussetzung für die theologische Arbeit gerade in den exegetischen Fächern� Wie bereits eingangs erwähnt, ist es dabei längst keine neue Entwicklung mehr, dass immer mehr Studierende ihr Theologiestudium gänzlich ohne Vorkenntnisse in den alten Sprachen beginnen� Während Latein mit über 600�000 Lernenden noch immer die dritthäufigste Fremdsprache an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland ist, liegt die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die Altgriechisch erlernen, bei unter 11�000 - Tendenz bei beiden Sprachen stark fallend� 15 Diese Entwicklung zu bewerten, ist nicht Thema dieses Beitrags; ihre Folge ist allerdings, dass für die überwiegende Zahl der Studienanfänger erst einmal Sprachkurse den Stundenplan ausfüllen, die in der Regel mit staatlichen Examina abzuschließen sind� Dass Hebraicum, Graecum und Latinum in volltheologischen Studiengängen erworben werden müssen, steht für uns ebenso außer Frage, wie die generelle Wichtigkeit der alten Sprachen für die Exegese� Neu zu durchdenken wäre u� E� aber der Umgang mit ihnen in Studiengängen mit reduziertem fachwissenschaftlichem Anteil� Allem voran betrifft dies die Lehramtsstudiengänge, die mittlerweile an fast allen theologischen Fakultäten und Instituten die höchste Zahl der Studierenden stellen� In diesen Studiengängen zeichnet sich die Tendenz ab, die Sprachanforderungen immer weiter zu reduzieren und manchmal sogar vollständig abzuschaffen. Bei den aktuell vielerorts praktizierten Formen altsprachlicher Ausbildung ist dieses Vorgehen durchaus nachvollziehbar, da die Art der Ausbildung unter den Rahmenbedingungen, die diese Studiengänge bieten, nicht zielführend ist. Zum einen wird von den Studierenden häufig kein Nutzen der Sprachausbildung für die spätere berufliche Praxis gesehen; zum anderen scheint im Studium oft nicht deutlich genug spürbar zu werden, welcher Gewinn aus der Beschäftigung mit den Texten in ihren Ausgangssprachen eigentlich er- 15 Vgl. Statistisches Bundesamt, Unterricht. Die Daten beziehen sich auf das Schuljahr 2015/ 16; Hebräisch wird nicht separat aufgeführt, sondern fließt nur in die Kategorie „Sonstige Sprachen“ ein� 58 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider wächst� Beiden Problemen könnte man u� E� durch eine Neukonzeption der altsprachlichen Ausbildung entgegentreten, die dann denkbar wird, wenn die Möglichkeiten der Digital Humanities essentiell in das didaktische Konzept implementiert werden� Dies würde es erlauben, schon beim Erlernen der Sprachen den Fokus auf exegetische Kompetenzen zu richten� Die Kernkompetenz, die Studierende u� E� beim Erlernen der alten Sprachen ausbilden sollten, ist, die antiken Zeugnisse in den jeweiligen Quellensprachen in Hinblick auf exegetische Fragestellungen selbstständig erfassen zu können� 16 Dies beinhaltet u. a. ein Verständnis für semantische und syntaktische Aspekte zu entwickeln, die in Übersetzungen oft nicht vermittelbar sind; auch die Sensibilisierung für Ambiguitäten spielt eine große Rolle� Der Weg zu einer solchen Kompetenz gestaltet sich in den Augen vieler indes unendlich steinig, wenig effizient und kaum zielorientiert. Unter Einbindung von Ressourcen der Digital Humanities wäre es allerdings möglich, den Weg deutlich einfacher beschreitbar zu machen� Denn die klassischen Barrieren, mit denen etliche sich konfrontiert sehen und die viel Zeit kosten, sind v� a� das langwierige Auswendiglernen von Formen und Vokabeln. Kann man diese stumpfen Aktivitäten, provokant gefragt, nicht einfach dem Computer überlassen und sich dem Wesentlichen zuwenden? Grundsätzlich ist dies aus unserer Sicht zu bejahen� Denn indem man Software wie BibleWorks , Accordance und Logos von Beginn an in eine Form der Sprachausbildung einbindet, die sich an exegetischen Fragestellungen orientiert und diese in den Vordergrund rückt, wäre es möglich, Studierende bereits sehr früh selbstgesteuert an originalsprachlichen Texten arbeiten zu lassen� Durch die Nutzung morphologisch und syntaktisch ausgezeichneter Texte, die direkt mit Wörterbüchern, Grammatiken und diversen Übersetzungen verknüpft sind, könnte das Wesentliche, nämlich das selbstständige Erfassen der originalsprachlichen Texte in Hinblick auf exegetische Fragestellungen zum Zentrum schon während der Sprachausbildung werden� Sprachenlernen wäre von Beginn an mit Aspekten des forschenden und entdeckenden Lernens verknüpft� 17 Lehr- 16 Beschluss 6 des Evangelisch-theologischen Fakultätentages 2008 spricht davon, „[…] den Spracherwerb der Studierenden kompetenzorientiert und auf die Anforderungen des jeweiligen Berufsfeldes bezogen zu gestalten und die Integration der Sprachverwendung in das Studium zu verstärken“, und ist damit auf einer ähnlichen Linie wie die hier skizzierte Position� In Übereinstimmung mit z� B� Markschies meinen wir aber, dass die alleinige Orientierung an der beruflichen Praxis zu kurz greift für eine Lehramtsausbildung, die an deutschen Universitäten angesiedelt ist, vgl� Markschies, Sprachen� 17 Zum Konzept Forschendes Lernen verknüpft mit digitalen Medien vgl� Dürnberger u� a�, Lernen, 210f� Die Autorinnen weisen in ihrem Artikel mit Recht auf die Gefahr der Überforderung der Lernenden hin, vgl� Dürnberger u� a�, Lernen, 214; Seufert/ Käser, Wikis, 170� Hier liegt u� E� eine große Herausforderung des dargestellten Konzepts� Einer Über- Faszination Digital Humanities 59 kräfte hätten durch den Einsatz der digitalen Hilfsmittel schon früh im Prozess die Möglichkeit, in die Rolle des Impulsgebers und Moderators zu wechseln� Grammatik- und Vokabelwissen würden vorwiegend neben der Textlektüre her und durch diese angeregt erworben� Methodenkompetenz im Umgang mit digitalen Hilfsmitteln wäre in einem solchen Konzept kein ‚Extra‘ mehr, sondern selbstverständlicher Teil der alltäglichen Studienarbeit in der Exegese� Die Befürchtung, das ‚solide Faktenwissen‘ könne bei solchen Ansätzen ins Hintertreffen geraten, ist unbegründet. Lediglich die Paukerei würde weniger im Mittelpunkt stehen. Anstelle dessen wird es möglich, sich mehr dem Verstehen von Sprachstrukturen als dem Auswendiglernen zuzuwenden� Grammatische Kategorien und Syntax müssen dabei immer noch als Basis gelernt und verstanden werden� 18 Die digitalen Werkzeuge ersetzen nicht das Gehirn, sondern sie schaffen mehr Freiraum, um sich mit weiterführenden Fragestellungen befassen zu können� Gerade in Studiengängen wie denen des Lehramts, in denen es mitunter nur sehr wenige exegetische Veranstaltungen gibt, könnten solche Konzepte u� E� die Lernerfolge enorm vergrößern� Das Ziel kann und muss nicht sein, sich einen Text allein mit einer einsprachigen Ausgabe und einem Wörterbuch erarbeiten zu können� Dafür reicht in diesen Studiengängen weder die Zeit, noch ist eine solche Arbeitsweise zeitgemäß� Stattdessen sollte das Ziel darin liegen, unter Verwendung digitaler Hilfsmittel kompetent mit einem hebräischen, griechischen, oder lateinischen Text umgehen zu können� Anstatt über volle Studienordnungen zu klagen, die keine Zeit für eine ‚ordentliche‘ Sprachausbildung lassen, wäre die Umsetzung von didaktischen Konzepten wie dem hier skizzierten zu forcieren oder wenigstens produktiv zu diskutieren� 2.2 Bibelkunde verstehen statt pauken In der Hochschuldidaktik der Bibelwissenschaften gehört die Bibelkunde zur Wissensbasis, die, wie die alten Sprachen, am Anfang des Studiums gelernt werden soll� Insbesondere durch die eingangs beschriebenen Entwicklungen in Kultur und Gesellschaft stehen Studierende der Theologie inzwischen häufig vor dem Problem, weder die biblischen Geschichten, noch deren Textgrundlage zu kennen� Dies bedeutet, dass es zumindest in der Theorie notwendig forderung lässt sich nur mit flexibler Begleitung durch die Lehrkräfte und eingewobenen Phasen gemeinsamer Grundlagenaneignung effektiv entgegenwirken, vgl. Warren, Teaching, 311f� 18 Die generelle Wichtigkeit einer soliden Wissensbasis in den exegetischen Fächern betont auch Huebenthal, Schriftauslegung, 30-32� Die große Frage, die durch die Digital Humanities erneut aufgeworfen wird, ist jedoch, worin diese Basis sinnvollerweise bestehen sollte� 60 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider wäre, zu Beginn des Studiums die Bibel möglichst komplett durchzuarbeiten, um unabhängig von Forschung und Exegese zuvorderst den Gegenstand kennenzulernen� Lehramtsstudierende z� B� belegen neben der Theologie noch ein weiteres Fach sowie die Bildungs- und Erziehungswissenschaft� Dabei fehlt der Fokus oder die Zeit, sich einer einzelnen Disziplin so ausführlich zu widmen, es sei denn, ein besonderes Interesse motiviert zusätzlich� Studierende müssen sich entscheiden, wie viel Zeit und Aufwand sie für welches Fach investieren wollen und können� Eine Schlüsselfrage in diesem Zusammenhang ist immer wieder die Relevanz für die spätere berufliche Praxis. Dabei fällt die Bibelkunde oftmals etwas ab, ein Kreislauf, der sich negativ verstärkt. Wenig Vorkenntnisse führen zu verhältnismäßig wenig Auseinandersetzung, was wiederum im Beruf weitergetragen wird und bei der nächsten Generation wenig Vorkenntnisse verursacht� Das Anliegen der Hochschuldidaktik sollte sein, diesem Prozess entgegenzuwirken, da eine große Einigkeit darüber besteht, dass Bibelkunde für theologische Berufe unverzichtbar ist� Die Digital Humanities bieten diesbezüglich einige didaktische Potentiale, die zumindest an vielen Hochschulen und Universitäten noch nicht ausgeschöpft werden� Die Bibelkunde stellt didaktisch vor allem vor zwei Herausforderungen: (1) Eine große Menge an Wissen bzw� Text muss kompakt vermittelt werden� (2) Die Textinhalte und -bedeutungen erschließen sich nicht ohne eine Kenntnis des entsprechenden Umfelds und der Kulturgeschichte� Es ist zwar möglich, stur auswendig zu lernen, dass in Jes 7 das Immanuels-Zeichen steht. Ein nachhaltiges Verständnis dieser Stelle ist aber ohne ein Wissen um das Prinzip von prophetischen Zeichenhandlungen und den historischen Kontext des syrisch-ephraimitischen Kriegs nicht möglich� Für die Didaktik bedeutet das einerseits, dass Wissensgrundlagen zum basalen Verständnis des Gegenstands geschaffen werden müssen, z. B. die Behandlung der Geschichte Israels als Grundlage für die Auseinandersetzung mit Texten aus dem Alten Testament� 19 Andererseits ist die zentrale Aufgabe sinnvoll zu reduzieren� Denn angesichts der Tatsache, dass wenig bekannt ist, muss die zumutbare Breite nochmals verringert werden� Diese Aufgabe stellt sich bezüglich der Textauswahl und der jeweiligen Tiefe der Auseinandersetzung� Für den Umgang mit der Bibel wurden im Laufe der Zeit viele Hilfsmittel entwickelt, so auch viele digitale� Es gibt klassische Bibelkunde-Publikationen, die als E-Books digital zur Verfügung stehen. 20 Einen Schritt weiter geht z� B� die Plattform bibelwissenschaft.de � Hier wird eine ursprünglich als Buch publizierte 19 Vgl. Huebenthal, Schriftauslegung, 30f. 20 Etliche grundlegende Studienliteratur findet sich z. B. im Online-Angebot von UTB (https: / / www.utb-studi-e-book.de, letzter Zugriff: 14.07.2017), so auch Axel Wiemers Lernkarten zur Bibelkunde � Faszination Digital Humanities 61 Bibelkunde (in Auszügen) als Website präsentiert� 21 Die Funktionsweise der gesamten Website, auf der sich nicht nur diese Bibelkunde finden lässt, basiert auf dem Prinzip von Wikis. Verschiedene Artikel werden in einem Beziehungsnetz verbunden, was eine Lektüre mit relativ fein bestimmbarem Umfang ermöglicht� Je nach Interesse und Notwendigkeit können überschaubare Informationen hinzugezogen oder ignoriert werden� Außerdem entwickelt sich dieses Netz aus Informationen immer weiter� Es wird entsprechend dem Stand der Forschung aktualisiert und ergänzt. Das ist ein zentraler Vorzug von Online-Angeboten im Gegensatz zu Printmedien oder systembasierter Software� Digitale Bibelausgaben sind hingegen immer noch häufig nur über CD-Rom verfügbar. 22 Dieses Format ist im Zuge der technischen Entwicklung nicht mehr zeitgemäß� Aktualisierungen sind umständlich und oft mit zusätzlichen Kosten verbunden� Eine weitere Hürde stellt die eingeschränkte Kompatibilität mit verschiedenen Betriebssystemen dar� Sind nun die Möglichkeiten der Digital Humanities sinnvoll und notwendig für die Bibelkunde? Ja! Gerade, weil didaktische Reduktion z� B� in Form von Textauswahl und Schwerpunktsetzung notwendig ist, entscheidet die aktuelle Forschungsperspektive über Form und Umfang der Bibelkunde� Diesem Anspruch können digitale Formen und v� a� Online-Angebote besser gerecht werden� Für Studierende sind sie inzwischen leichter zugänglich und erschwinglicher als Bücher oder o� g� systembasierte Software� Beim Lernen von Bibelkunde kann der Austausch mit Mitstudierenden und das gegenseitige Abfragen sehr förderlich sein� Dazu ist es theoretisch nicht notwendig, digitale Hilfsmittel zu nutzen, allerdings können sie das gemeinsame Lernen erheblich erleichtern� Bibelkunde-Apps für das schnelle Abfragen unterwegs und ohne notwendige Vorbereitung von Lernmaterialen sind ausgesprochen praktisch und im universitären Gebrauch u� W� noch kaum verbreitet� Hier liegt ein Potential der Hochschuldidaktik, verstärkt an den Lernenden orientiert zu unterrichten, in deren Lebenswelt die ‚Neuen Medien‘ die Medien sind� 23 Zudem kann mittels der Digital Humanities auch bei der Bibelkunde selbstgesteuertes Lernen angeregt werden. Die Veranschaulichung durch Bilder und Gemälde oder Hinweise auf literarische Bezüge, wie sie Lernprogramme oder Wikis bieten, können das Lernen von Bibelkunde in erheblichem Maße erleichtern� 21 Vgl. http: / / www.bibelwissenschaft.de/ bibelkunde (letzter Zugriff: 14.07.2017). 22 Vgl. https: / / www.die-bibel.de/ shop/ bibelausgaben/ digitale-bibelausgaben (letzter Zugriff: 14�07�2017)� 23 Vgl. Scholz, Bibeldidaktik, 262-271; Iberer, E-Learning, 24. 62 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider 2.3 Ad fontes: Handschriftenarbeit und Textkritik Die Textkritik spielt im Kanon der exegetischen Methoden eine ambivalente Rolle� Da sie den auszulegenden Text und damit die Grundlage der ganzen Disziplin konstituiert, füllt sie typischerweise das erste Kapitel der Methodenbücher und steht am Beginn des exegetischen Proseminars� Es steht im Kontrast zu dieser essentiellen Stellung, dass für etliche Studierende die oberflächliche Begegnung mit der Textkritik im Proseminar die erste und zugleich letzte ist� Dafür mag es insbesondere zwei Gründe geben: Einerseits mutet die Textkritik häufig wie ein ‚unüberschaubares Ungeheuer‘ an, dem man sich nur nach jahrelanger Spezialausbildung überhaupt zaghaft nähern sollte� Andererseits bildet die Arbeit mit Handschriften einen großen Teil des textkritischen Geschäfts, aber der Zugriff auf diese gehüteten Schätze ist in der Regel nur an privilegierten Orten möglich sowie den ‚Spezialisten‘ vorbehalten� Unter den Vorzeichen der Digital Humanities gibt es allerdings in diesem Bereich tiefgreifende Veränderungen alter Selbstverständlichkeiten, die sich auch auf die Didaktik auswirken können und sollten. Eine grundsätzliche Veränderung besteht darin, dass Handschriften vom Bibliothekstresor in den Seminarraum geholt werden können - selbstverständlich nicht materialiter , sondern in Form von Digitalisaten, die heute von allen bedeutenden biblischen Handschriften online zugänglich sind� Obgleich diese Digitalisate den Zugang zum Original nicht vollständig ersetzen können, 24 stellen sie eine absolut innovative Lernressource dar� Die Buchstabenkombinationen im Apparat des Novum Testamentum Graece verlieren ihre Abstraktheit, wenn die Varianten, die sie ausdrücken, tatsächlich in den Handschriften wahrgenommen werden können� Durch den Zugang zu den Quellen gewinnt die Textkritik an Nachvollziehbarkeit und kann von der Trockenübung plötzlich zu etwas Faszinierendem für Studierende werden, das zum Entdecken und Erforschen einlädt� Damit steht im Zusammenhang, dass der Status der Textkritik als exklusives Feld für ‚Spezialisten‘ durch die Digital Humanities teilweise relativiert werden kann� Diese Erfahrung konnten wir selbst im Rahmen eines Hauptseminars am Institut für Evangelische Theologie der TU Dresden machen, in dem ein Teil des Dresdner Codex Boernerianus transkribiert wurde� 25 Gerade aus Studierendensicht war es eine bereichernde Erfahrung zu erkennen, dass das Lesen und Transkribieren einer Handschrift kein Hexenwerk, sondern mit etwas Einarbei- 24 Der Grund dafür liegt darin, dass Bilder, auch wenn sie digital mit noch so vielen Metadaten versehen sind, doch immer Bilder bleiben� Eine perfekte Übertragung aller am analogen Objekt wahrnehmbaren Eigenschaften in die digitale Sphäre ist nicht möglich� 25 Ausführlich wird dieses Seminar im vorliegenden Heft im Beitrag von Tobias Flemming thematisiert� Faszination Digital Humanities 63 tung (je nach Handschrift) schnell erlernbar ist� Das Transkribieren erfolgte in einer webbasierten Umgebung des Instituts für neutestamentliche Textforschung , wobei automatisch der Basistext des Novum Testamentum Graece vorgeladen werden konnte. Dieser musste nur anhand des Manuskripts modifiziert werden, was den Prozess nochmals einsteigerfreundlicher gestaltete� Da noch kein digitales Transkript des Codex Boernerianus vorlag (bzw� auch jetzt noch nicht vollständig vorliegt), war unsere Arbeit außerdem ein effektiver Beitrag zur Erstellung der Editio Critica Maior � Dabei bot sich uns die Chance, einen Einblick in die (digitale! ) Arbeitsweise eines solchen Großprojektes zu bekommen und selbst Teil davon zu werden, was wegen der digitalen Arbeitsumgebung sogar völlig abgekoppelt vom Projektstandort Münster möglich war� Man mag einwenden, dass die Arbeit an Handschriften doch sehr speziell sei und zu viele Aspekte beinhalte, die sonst kaum eine Rolle für die Exegese spielen, sondern eher als Aufgabe für ‚Hilfswissenschaften‘ wie Paläographie und Kodikologie zu gelten haben� Dieser Einwand greift jedoch zu kurz: Die Handschriften sind die Grundlage für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem biblischen Text, weshalb Basiswissen im Umgang mit ihnen u� E� eine Rolle in den exegetischen Fächern spielen muss � Der Text der Bibel ist weder in der Biblia Hebraica noch im Novum Testamentum Graece überliefert, sondern in tausenden Manuskripten aus der Antike bis ins Mittelalter und die frühe Neuzeit� Das grundlegende Bewusstsein für diesen Umstand kann durch eine Didaktik der Textkritik, die Gebrauch von den Möglichkeiten der Digital Humanities macht, in nachhaltigerer Weise als bisher geschärft werden� Es gibt keine Ausrede mehr, die rechtfertigen könnte, didaktisch erst bei den kritischen Textausgaben anzusetzen� Zum ersten Mal gibt es für alle und an jedem Ort die Chance, ad fontes zu gehen� Der Erwerb von Basiskenntnissen über den Aufbau von Handschriften und Paläographie hält nicht von exegetischen Fragestellungen ab, sondern ist eine zusätzliche Lernchance, die von großer Relevanz ist, wenn man sich mit der Frage nach dem Ursprung unserer Texte befassen möchte� Schon im Proseminar wäre es denkbar, durch digitale Hilfsmittel hinter die textkritischen Ausgaben zurückzugehen� Ein im Seminar durchexerziertes textkritisches Beispiel muss nicht mehr nur anhand des Apparats behandelt werden, sondern kann durch den Vergleich von Handschriften illustriert und damit konkretisiert werden� Die Formel ‚Erleben statt Erlernen‘, wie Scholz sie für seine Bibeldidaktik im Zeichen der ‚Neuen Medien‘ prägt, könnte auch für die Didaktik der Textkritik fruchtbar gemacht werden� 26 So würde man die materielle Basis der Disziplin neu ins Bewusstsein rücken und zugleich eine kritischere und differenziertere Grundhaltung gegenüber den rekonstruierten 26 Vgl. Scholz, Bibeldidaktik, 251f. 64 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider Texten fördern, deren Zustandekommen zu oft unhinterfragt bleibt� Die Digital Humanities können an dieser Stelle dazu beitragen, unter den Studierenden ein tieferes Verständnis von dem zu schaffen, worauf jede weitere exegetische Arbeit erst fußt� 2.4 Exegese 2.0 - Die Bibel als Corpus In der exegetischen Wissenschaft werden digitale Hilfsmittel schon verschiedentlich eingesetzt. Angefangen beim digitalen Zugriff auf die Texte in verschiedenen Sprachen und Übersetzungen bietet Software wie BibleWorks , Accordance oder Logos allerdings noch weitere Funktionen� Wie schon im Abschnitt zur Sprachausbildung angedeutet, können Texte morphologisch und syntaktisch analysiert werden� Wörterbücher, Lexika, textkritische Apparate und zuweilen sogar Kommentarliteratur sind verschiedentlich eingebunden� Im Studium werden diese Hilfsmittel allerdings, wenn überhaupt, nur ergänzend genutzt� Die klassische Arbeitsweise mit Büchern und Zeitschriften herrscht vor� Gerade für eine innovative und individuelle Auseinandersetzung mit dem Bibeltext wäre eine geschulte Nutzung der technischen Möglichkeiten aber ertragreich� Bestimmte Fragestellungen ergeben sich erst aus einer computergestützten Analyse bzw� werden durch eine solche bearbeitbar� Mittels Corpusanalyse können bspw� grammatische Konstruktionen oder Wortverbindungen im Text des Neuen Testaments mit anderen Texten des frühen Christentums verglichen werden� Anhand dieser Forschungsdaten können nicht nur Fragen der Textkritik, sondern z� B� auch der Form- und Gattungskritik bearbeitet werden� Es wäre wünschenswert, Studierenden einige dieser Werkzeuge (kostenlos) zur Verfügung zu stellen, da dies eine bessere Anteilhabe am Forschungsprozess bewirken könnte� 27 Studierende hätten vermehrt das Gefühl, wirklich selbst etwas herauszufinden und forschend tätig zu sein, weil sie durch die Hilfsmittel besser eigene Fragen und Antworten entwickeln könnten� 28 Dazu ist es notwendig, bestimmte Programme zu beherrschen und deren Funktionsprinzip zu verstehen. V. a. müssen diese Programme jedoch zugänglich sein. Hier bedarf es eines besseren Austauschs� Im Zuge von Open Source und Open Access ist es längst überfällig, dass bestimmte Hilfsmittel, wie z� B� morphologische und syntaktische Analysen von griechischen oder hebräischen Texten, Studierenden zur Verfügung stehen. Im Rahmen des exegetischen Proseminars müssten Hilfsmittel, z� B� Perseus Digital Library , vorgestellt und die Anwendung dieser geübt werden� Anstatt, dass veraltete Forschungsergebnisse aus Kommentarwälzern 27 Vgl. Gerber, Digital Humanities, 5. 28 Vgl. die Beobachtungen in Warren, Teaching, 310. Faszination Digital Humanities 65 abgeschrieben werden, sollten Studierende herausgefordert werden, mehr selbstständig zu denken und zu forschen� Die Digital Humanities erleichtern solche Prozesse� Forschungsergebnisse könnten zumindest fakultätsintern gesammelt und ausgetauscht werden� In Form von Wikis ist dies ausgesprochen praktisch möglich� 29 Studierende müssten zumindest basale Programmierkenntnisse erwerben, um maschinenlesbare Texte produzieren bzw� umwandeln zu können (XML und HTML)� 30 Eine sachgemäße Verwendung von Unicode gerade im Umgang mit alten Sprachen ist hier außerdem notwendig� 31 Die Produktion von Texten und das Aufbereiten von Forschungsdaten geschieht heutzutage digital und dabei sollten entsprechende Standards bekannt sein und angewandt werden� Unter heutigen Voraussetzungen ist die zu überblickende Textmenge für die exegetische Arbeit eine große Herausforderung, der eine nicht digital gestützte Arbeitsweise längst nicht mehr gewachsen ist� Angefangen bei Datenbanken bis hin zur Schlagwortsuchen im Volltext ist es für eine fundierte Exegese notwendig, auf technische Hilfsmittel zurückzugreifen� Digitale Werkzeuge strukturieren die Datenmasse vor und machen sie analysierbar� Die patristische Literatur bspw. kann mittels dieser Instrumente effektiver und umfangreicher in die exegetische Arbeit eingebunden werden. Die Quellen finden sich nicht ausschließlich vorausgewählt in der bereits bestehenden Literatur zu einem bestimmten Thema, sondern stehen digital im Internet zur Verfügung. Kaum überprüfte Forschungspositionen können durch neue Quellenbelege hinterfragt oder fundiert werden� Die Gefahr, dass immer nur die gleichen Belege voneinander abgeschrieben werden (möglicherweise auch noch falsch), könnte damit verringert werden� Dem Anspruch, möglichst alle Quellen selbst einzusehen, der Studierende zumindest anfangs schnell überfordert, kann durch geschulte Nutzung digitaler Werkzeuge (wieder) entsprochen werden� Professionalität im Umgang mit Technik auszubilden, gehört zunehmend zu einer erfolgreichen wissenschaftlichen Karriere dazu� Zukünftig wird das zentrale Format für (kleine) wissenschaftliche Publikationen das Schreiben in einem Blog sein. Wissenschaft geschieht hier öffentlich und im direkten Austausch. Durch Linkstrukturen, Offenlegung und Bereitstellung der verwendeten Hilfsmittel sowie Kommentarfunktionen kann gerade auch die exegetische Arbeit profitieren. Sinn und Ziel sollte es sein, den analytischen Zugang zum Bibeltext zu vereinfachen und Forschungsergebnisse anschaulich und nachvollziehbar zu veröffentlichen. 29 Vgl. Warren, Teaching, 313; Heilmann, E-Learning; Seufert/ Käser, Wikis. 30 Für ein Umsetzungsbeispiel vgl� Warren, Teaching, 314� 31 Unicode dient der eindeutigen Zuweisung eines jeden Zeichens zu einem digitalen Code� 66 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider 3 Fazit und Ausblick Was benötigen Studierende heute in ihrer bibelwissenschaftlichen Ausbildung? Welche Inhalte sollten vermittelt werden? Wie sollten sie vermittelt werden? In unseren Überlegungen haben wir verschiedene Ansatzmöglichkeiten, aber v� a� Notwendigkeiten aufgezeigt� Die generelle Einbindung digitaler Technik in Lehr-/ Lernprozesse halten wir für selbstverständlich� Allerdings sollten zukünftig auch inhaltliche Aspekte, z� B� der Erwerb basaler Programmierkenntnisse, die formale Ebene ergänzen. Eingangs haben wir auf generationsbedingte Veränderungen hingewiesen, z. B. vermehrt fehlende Vorkenntnisse. Wir möchten das Bewusstsein dafür stärken, dass digitale Hilfsmittel hier innovativ zum Ausgleich beitragen können. Sie können das Fehlen von Vorkenntnissen in vielerlei Hinsicht kompensieren und den Einstieg in die forschungsorientierte Exegese erleichtern und beschleunigen� Kompetenzorientierung als allgemeine Anforderung an die Hochschuldidaktik schlägt sich z� B� in der Diskussion um das Lernen der alten Sprachen nieder� Der Fokus sollte u� E� darauf liegen, ein Arbeiten mit digitalen Hilfsmitteln am Quellentext, also in den Ausgangssprachen und ggf� sogar an Digitalisaten von Handschriften, zu fördern� Dies kann einen bedeutenden Beitrag dazu leisten, die zentrale Zielsetzung bibelwissenschaftlicher Ausbildung, nämlich „[…] Studierenden den Zugang zu eigenständigen, wissenschaftlich verantworteten theologischen Positionen auf Basis des Textstudiums zu ermöglichen“ 32 , effizienter zu erreichen. Die Nutzung der ‚Neuen Medien‘ sollte keine Ergänzung, sondern eine Grundlage der exegetischen Ausbildung darstellen� Dafür ist es notwendig, sich mit den Digital Humanities auseinanderzusetzen und auf dieser Basis die Lehre weiterzuentwickeln, anstatt uneinsichtig an veralteten Ansprüchen und traditioneller Mediennutzung festzuhalten bis Generationswechsel diesen Prozess schließlich erzwingen� Ducunt volentem fata, nolentem trahunt! Literatur Becker, Uwe: Exegese des Alten Testaments� Ein Methoden und Arbeitsbuch (UTB 2664), Stuttgart 4 2015� Dürnberger, Hannah u� a�: Forschendes Lernen� Konzeptuelle Grundlagen und Potenziale digitaler Medien, in: Köhler, Thomas/ Neumann, Jörg (Hg�): Wissensgemeinschaften. Digitale Medien - Öffnung und Offenheit in Forschung und Lehre (Medien in der Wissenschaft 60), Münster 2011, 209-219� Ebner, Martin/ Heininger, Bernhard: Exegese des Neuen Testaments� Ein Arbeitsbuch für Lehre und Praxis (UTB 2677), Paderborn 3 2015� 32 Fischer/ Wagner, Verstehen, 15.