eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 2/2

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2017
22 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Digital Humanities und die Fächer

2017
Patrick Sahle
Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2 - 2017, Heft 2 Digital Humanities und die Fächer Eine schwierige Beziehung? Patrick Sahle Abstract | Although Digital Humanities (DH) has been around for decades now - albeit under the name Humanities Computing for most of those years -, they are still considered a young discipline undergoing a process of formation� Consequently, their status and character are under fierce debate: Are they a discipline, a field of research, or just a set of methods and tools? And what are they about? DH research is triggered by questions from the established disciplines� But it aims at generic solutions and attempts to reflect the transition that humanistic research is subject to under the conditions of the digital� DH is gaining a lot of attention (and funding) these days, leading to a rapidly accelerated development. But what effect does that have on traditional fields of research such as the field of Biblical studies? Are they to be left behind, decoupled and alienated from an increasingly autocentric community of DH? How can we integrate both sides of D and H, reinforce the dialogue and ensure that innovation from DH is fruitful for the evolution of a range of fields from the humanities? Alle reden über Digital Humanities (DH)� 1 Digitalisierung und die digitale Transformation auch der Geisteswissenschaften wird allerorten propagiert� Die Fachforschung sieht sich nicht nur mit der methodischen Herausforderung konfron- 1 Es wird sogar diskutiert, ob es sich dabei um einen Singular oder einen Plural handelt� In diesem Beitrag wird beides verwendet� ‚Das Fach / Feld DH‘ (Singular) und ‚die Digital Humanities‘ (Plural). Damit wird der offenen Diskussion um den Status von DH Rechnung getragen� 8 Patrick Sahle tiert, neue technische Möglichkeiten und analytische Verfahren in die eigenen Ansätze zu integrieren� Inzwischen besteht dazu auch ein gewisser unterschwelliger politischer Druck und manchmal sogar die explizite Vorgabe der Forschungsförderung, dass es eigentlich keine geisteswissenschaftliche Forschung mehr geben könne, die nicht über eine ‚digitale Komponente‘ verfüge� Die digitale Dimension wird zwar durch den Begriff Digital Humanities grundsätzlich abgedeckt, es gibt aber immer noch eine heftige Diskussion darüber, was dieses DH eigentlich genau sein soll, was sein Inhalt, sein Status, seine Grenzen und seine Zukunft sind. Vor allem stellt sich die Frage, ob sich hier ein neues Feld entwickelt, das den bestehenden geisteswissenschaftlichen Fächern zuarbeitet oder sich von ihnen abkoppelt. Wie also das Verhältnis von DH zu H ist und wie DH in die Geisteswissenschaften in Forschung und Lehre integriert werden kann� 1 Digital Humanities Jede Beschreibung von DH fängt mit dem Hinweis an, dass das Feld zwar in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erlebte, deshalb aber nicht ‚neu‘ ist� Computer und später digitale Kommunikations- und Publikationsnetzwerke (das WWW) wurden von Anfang an auch in den Geisteswissenschaften adaptiert und eingesetzt. Von der Sache her besteht DH unter anderen Namen mindestens seit den späten 1940er Jahren� Früher nannte man es Humanities Computing oder hierzulande manchmal auch ‚geisteswissenschaftliche Fachinformatik‘� In den verschiedenen Jahrzehnten hat es verschiedene Wellen und Paradigmen der Nutzung neuer Technologien gegeben, die in den frühen 2000er Jahren zu einer gewissen Konsolidierung führten, die in eine Vereinigung aller Strömungen unter dem weiten Begriff der Digital Humanities mündete� Seit ungefähr 15 Jahren versteht sich das Feld unter diesem Etikett als integrative, globale, alle geisteswissenschaftlichen und weitere umliegende Disziplinen einschließende Gemeinschaft von Forschenden� Die sich bis dahin oft eigenständig entwickelnden Teile Computerlinguistik, Archäoinformatik, Computerphilologie oder historische Fachinformatik haben sich in den letzten Jahren unter dem gemeinsamen Dach angenähert. Eine einfache, konsensuale Definition von DH ist damit allerdings nicht verbunden. Vielmehr ist die anhaltende Formierungsperiode auch von einer breiten Diskussion um Definitionen geprägt, an der sich manche leidenschaftlich beteiligen und von der sich andere bereits genervt abwendeten� 2 2 Siehe hier u. a. Terras, Defining, oder die Webseite www.whatisdigitalhumanities.com ( Jason Heppler, erstellt 2015) mit zuletzt über 800 Definitionsvorschlägen. Digital Humanities und die Fächer 9 Im Kern lässt sich aber wohl ohne großen Widerspruch sagen, dass es bei DH um die Entwicklung, den Einsatz und die kritische Reflexion von digitalen Verfahren im Bereich der Geisteswissenschaften geht. Die DH nehmen die Fragestellungen der Geisteswissenschaften auf und verbinden sie mit Lösungsangeboten aus der Informatik und teilweise auch anderen Fächern - wenn man an fortgeschrittene Bildgebungsverfahren aus dem Ingenieurswesen, an Geoinformationssysteme aus der Geografie, an empirische Verfahren aus den Sozialwissenschaften oder an informationstheoretische Ansätze aus den Library and Information Science denkt� DH ist in doppelter Weise durch Interdisziplinarität gekennzeichnet: Es umfasst vom Anspruch her nicht nur alle geisteswissenschaftlichen Fächer, sondern schlägt auch die Brücke zu anderen Wissenschaftsbereichen� Digital Humanities wird deshalb oft als Brückenfach beschrieben oder als etwas, das durch seine Schnittmengen und eigenständige Aspekte gekennzeichnet ist� Es nimmt die Fragestellungen der Geisteswissenschaften auf, berücksichtigt deren theoretische Grundlagen und ihr methodisches Rüstzeug, ist dann aber an Lösungen interessiert, die auf der inter- oder transdisziplinären Ebene jenseits der konkreten Forschungsfrage verallgemeinert werden können� Aus der Informatik (I) deckt sich DH mit Teilen der angewandten Informatik , wird deshalb manchmal auch als Fachinformatik verstanden und wendet diese auf geisteswissenschaftliche Problemstellungen an� Sie kann damit aber auch Anstöße für neue Entwicklungen in der Informatik geben� Schließlich sind die oft komplexen, von unscharfen Datenstrukturen gekennzeichneten Probleme der Geisteswissenschaften nicht von Natur aus im Fokus einer abstrakten, nicht an Einzelfragen aus den Fachwissenschaften ausgerichteten Informatik� Diese Distanz ist eine der Existenzgründe für Fachinformatiken im Allgemeinen und der Digital Humanities im Besonderen� Patrick Sahle, *1968, ist nach dem Studium der Geschichte, Philosophie und Politik (Köln/ Rom) und der Promotion in Historisch-Kulturwissenschaftlicher Informationsverarbeitung derzeit Apl� Professor für Digital Humanities an der Universität zu Köln� Er betreut u�a� am Cologne Center for eHumanities (CCeH) zahlreiche Forschungsprojekte und an der dort angesiedelten "Koordinierungsstelle DH" digitale Aspekte der Langzeitvorhaben der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste� Daneben ist er Gründungsmitglied im Institut für Dokumentologie und Editorik (IDE)� 10 Patrick Sahle Eine direkte Zusammenarbeit zwischen H und I scheitert häufig am Fehlen einer gemeinsamen Sprache, dem gegenseitigen Unverständnis für Problemstellungen und Lösungsansätze und den divergierenden Interessen� Überspitzt formuliert sind für die Informatik weder die Beantwortung der Fachforschungsfragen, noch unmittelbar einsatzfähige Werkzeuge oder nachhaltig zu betreibende Informationssysteme von Interesse, sondern allein neue informatische Herausforderungen und deren prinzipielle Lösung auf der Ebene von ‚proof of concept‘� 3 Die DH fungieren deshalb als Übersetzungs- und Vermittlungsinstanz, verfügen und pflegen über ihre kontinuierliche Beschäftigung mit den spezifisch geisteswissenschaftlichen Wissensdomänen und Problemlagen aber auch ein eigenes Portfolio an Ansätzen und Lösungskompetenzen� Dies macht nämlich ihren dritten Bereich und ihren Kern aus: Themen, Technologien, Verfahren oder auch Standards, die so weder in den Geisteswissenschaften noch in der Informatik anzutreffen wären. Aus Sicht der Informatik sind sie zu fach(bereichs)spezifisch. Aus Sicht der einzelnen geisteswissenschaftlichen Disziplinen sind sie als technische Problemlösung zu speziell für das Fach und ein Luxus, den man sich kaum leisten kann� Zugleich geht es hier um Ansätze, die nicht nur ein einzelnes Fach betreffen und deshalb auch auf einer Ebene außerhalb der Einzeldisziplin besser aufgehoben sind� Was DH beinhaltet und wie es positioniert ist, beantwortet noch nicht die Frage, was es ist � Ist DH nun ein Set an Methoden und Tools? Ein Forschungsbereich und ein loses Feld? Eine Metadisziplin? Eine Interdisziplin? Ein Dach? Ein ‚Fach‘? Oder vielleicht alles zugleich? Wie so oft werden Begriffe in der 3 Hier werden Vertreterinnen der Informatik offensichtlich widersprechen. Selbstverständlich gibt es auch gelungene Kooperationen und innerhalb des Verbandes DHd (Digital Humanities im deutschsprachigen Raum) eine Arbeitsgemeinschaft für ‚DH und Informatik‘ (http: / / dig-hum�de/ ag-dh-und-informatik), die sich um die Annäherung der Kulturen kümmert� Abb� 1: Digital Humanities als Brückenfach mit Schnittmengen Digital Humanities und die Fächer 11 realen Welt durchaus sinnvoll in einem engeren und in einem weiteren Sinne verwendet. Ausgehend von der Frage, ‚wo fi ndet DH statt? ‘, lässt sich in Bezug auf die Positionierung, die Spezialisierung und die Disziplinierung der Digital Humanities ein 3-Sphären-Modell aufzeichnen� Abb� 2: 3-Sphären-Modell der Digital Humanities Nach diesem Modell fi ndet DH zunächst in jenem Kernbereich statt, in dem es eine eigene Disziplin ist, die zwischen den Fächern steht, zu allen aber die gleiche Distanz besitzt� 4 DH ist dabei genauso ein eigenständiges Fach wie alle anderen auch und verfolgt ganz eigene Fragestellungen. Aus Sicht der DH fi ndet sie in einem äußeren Orbit aber auch in den traditionellen Fächern statt� Schließlich sind es initial die Fachfragen der Disziplinen, die sie antreiben� Und 4 Das Diagramm ist stark vergröbert� Die dargestellten ‚Fächer‘ sind nicht allumfassend, sondern beispielhafte Vertreter. Andere Disziplinen könnten ergänzt und an geeigneter Stelle positioniert werden oder als Teilfächer einzelner oder als Schnittmenge verschiedener Großdisziplinen verstanden werden� Insofern würden verschiedene Menschen auch die Bibelwissenschaften unterschiedlich positionieren, als Teil der Theologie (die selbst hier nicht enthalten ist, aber vielleicht an ähnlicher Stelle wie die Philosophie steht), als Bereich, der Methoden aus verschiedenen Richtungen integriert, oder als eigene Disziplin� Die Positionierung der Fächer signalisiert auch bzw� steht exemplarisch für die unterschiedliche Ausrichtung an verschiedenen Gegenständen: abstrakten Konzepten (Philosophie), Sprache (Linguistik), Texte (Literaturwissenschaften) oder Objekte in ihrer historischen (Geschichte), visuellen (Kunstgeschichte) oder materiellen (Archäologie) Dimension� 12 Patrick Sahle es geht um den Aufbau von methodischen und technischen Lösungen (Werkzeugen), die in den Fächern eingesetzt werden sollen� Hier lebt die Idee von DH als einer vorübergehenden Entwicklung, die in die Fächer zu integrieren ist� Als drittes ist davon ein mittlerer Bereich zu unterscheiden, in dem sich die traditionellen Fächer als ‚transformative‘ oder ‚transformierte‘ Disziplinen zeigen� Bereits seit Jahrzehnten, teilweise also schon mit längerer Tradition als DH selbst, hat sich so z� B� die Computerlinguistik etabliert, die einerseits immer noch linguistische - also fachbezogene - Fragestellungen verfolgt, sich aber andererseits von der allgemeinen oder traditionellen Linguistik abkoppelte und an eigenen Lehrstühlen und Instituten und in eigenen Studiengängen Forschende ausbildet� Diese würden von sich selbst sagen, dass sie zwar Linguisten und damit Geisteswissenschaftler in einem allgemeinen Sinne, aber eigentlich doch Computerlinguisten und damit Fachinformatikerinnen seien� In dieser Weise sind in den letzten Jahren auch für andere Fächer neue Spezialdisziplinen entstanden, die eine ähnliche Stellung zu ihren Ausgangsfächern auf der einen Seite und zu Informatik und DH auf der anderen Seite einnehmen� Ein Ansatz zur Veranschaulichung der drei Sphären kann auch darin liegen, dass man nach der Art von Fragen fragt, mit denen sie sich beschäftigen� Hier könnte zugespitzt gesagt werden: - DH im engeren Sinne beschäftigt sich nicht mit Fachfragen aus den einzelnen Disziplinen, sondern mit Fragen, welche die Geisteswissenschaften (oder wenigstens deren konkrete Forschungsfragen) übergreifen oder die Grundbedingungen, die Praxis und die Reflexion geisteswissenschaftlicher Forschung unter digitalen Bedingungen betreffen. Diese übergreifenden Probleme sind die eigentlichen und eigenen Fachfragen der DH� - DH als Spezialdisziplinen beschäftigen sich zwar mit Fragen aus einem disziplinären Kontext; es sind dann aber Fragen, die man sich traditionell so nicht gestellt hätte� Es sind neue Fragen, die durch die veränderten Informationsbedingungen, Bearbeitungsoptionen und Publikationsmöglichkeiten provoziert werden� - DH als Teil der bestehenden Fächer beschäftigen sich damit, wie man bestehende Fragestellungen mit neuen Werkzeugen und vielleicht auch neuen Methoden effizienter und besser bearbeiten kann. 5 5 Allerdings ist damit auch wieder eine definitorische Grenze aus Sicht der DH im engeren Sinne gezogen und überschritten� DH im engeren Sinne würde sagen, dass es sich beim bloßen Einsatz von reifen Werkzeugen gerade nicht um DH handelt� Beispiele wären hier digitale Recherchestrategien wie Suchmaschinen, Kommunikationsformen wie Mail oder Blog, Standardanwendungen wie Textverarbeitungssysteme oder die Verwendung digitaler Datenformate für Texte oder Bilder� Folgerichtig würde man auf einer DH-Tagung Digital Humanities und die Fächer 13 Digital Humanities als eigenständiges Feld ist in jedem Fall auch für die anderen Sphären eine Leitdisziplin� Seine Formierung lässt sich jenseits aller theoretischen Definitionsversuche schon rein wissenschaftssoziologisch beschreiben. Dabei geht es dann z� B� um eigene Kommunikationsinfrastrukturen (Mailing- Listen, Zeitschriften, Konferenzreihen), verbandsmäßige Organisationsstrukturen, eigene Studiengänge, Institute oder explizite Lehrstühle für Digital Humanities � Institutionalisierung, Professionalisierung und Professoralisierung sind Verfestigungstendenzen, die den DH in ihrem Kern eine Stabilität verleihen, von dem aus sie auf die anderen Bereiche ausstrahlen und ihre Ergebnisse zur Diskussion und zur Nachnutzung stellen� 6 Die doppelte Ausrichtung an den eigenen Fragen (auf der Metaebene) und der Orientierung an den Fragestellungen der Geisteswissenschaften ist in der Praxis kein Widerspruch. Beides fließt zusammen, wenn man nach dem wesentlichen Kern der DH fragt, wie dies z� B� in Arbeitsgruppen zu curricularen Konvergenzen in der DH-Ausbildung erfolgt� Dabei lautet die Antwort dann, dass es bei DH immer wieder um zwei wesentliche Aktivitäten und Kompetenzen geht: ‚Modellierung‘ und ‚Formalisierung‘� Dabei bezeichnet Modellierung das Verstehen von Fragestellungen, die Durchdringung von Wissensdomänen und die Abstraktion beider hinsichtlich ihrer Operationalisierbarkeit für rechnergestützte Ansätze� Formalisierung steht für die Entwicklung, die Anpassung und den Einsatz von Informations- und Softwaresystemen für die Bearbeitung der Fragestellungen auf der Grundlage der Modellierung� Dies ist eine stark kondensierende, abstrakte Formulierung� Das Feld der DH lässt sich aber auch sehr einfach beschreiben: Wer wissen will, um was es bei DH geht, der möge sich die Konferenzen zu DH und die dort präsentierten Beiträge anschauen� Dies kulminiert vor allem in der jährlichen Weltkonferenz Digital Humanities � Hier werden regelmäßig hunderte von Beiträgen eingereicht und einem strikten peer-review-Auswahlprozess unterzogen� Die Summe der Beiträge, die von den Kolleginnen und Kollegen der Fachgemeinschaft anerkannt werden, bildet Jahr für Jahr ein gutes Panorama, was als DH verstanden und dabei als ‚state of the art‘ anerkannt wird� Dadurch, dass alle Beiträge mit Schlagwörtern belegt werden, lassen sich zugleich auch das innere Themenspektrum und seine Veränderungstendenzen ablesen. 7 Dabei weist das auch keine Präsentation von Fachforschungen erwarten, die zwar digitale Verfahren für ihre Fragestellungen einsetzen, darüber hinaus aber keinen übertragbaren Beitrag zur Entwicklung von Methoden oder Techniken liefern� 6 Sahle, Professoralisierung� 7 Scott� B� Weingart wertet die Beiträge zur Weltkonferenz (und anderen regionalen Konferenzen) und ihre Schlagworte seit einigen Jahren auf seinem Blog quantitativ aus und visualisiert und kommentiert die Entwicklungen. Zum Einstieg siehe ‚dh quantified‘ unter http: / / scottbot.net/ dh-quantified. Die Auswertung für 2017 findet man unter http: / / scottbot�net/ submissions-to-dh2017-pt-1� 14 Patrick Sahle Schlagwortsystem selbst wieder mehrere Dimensionen auf: Zum einen gibt es fachübergreifende ‚topics‘ wie ‚text analysis‘ oder ‚visualisation‘; zum anderen werden Beiträge sehr wohl aber auch ‚disciplines‘ zugeordnet, deren Fragestellungen sie verfolgen, wie z� B� ‚historical studies‘, ‚computer science‘ oder ‚literary studies‘� Jedenfalls dürften die ‚volumes of abstracts‘ einen der besten und umfassendsten Einstiegsmöglichkeiten bieten, wenn man verstehen will, worum es in den Digital Humanities eigentlich geht und was die aktuellen Themen, Tendenzen und Diskussionen sind� 2 Digital Humanities im Forschungsprozess DH findet in den Fächern statt. Aber wo findet man es im Forschungsprozess? Dieser wird in letzter Zeit gerne als Forschungszyklus beschrieben, der verschiedene Etappen von der Fragestellung über die Informationserhebung und Auswertung bis hin zur Ergebnispräsentation durchläuft� Dabei ist sein Ende, nämlich die Ergebnisse, zugleich wieder Anstoß und Ausgangspunkt für die weitere Forschung. Dies ist gerade in den Geisteswissenschaften offensichtlich, in denen die produzierte Literatur oft das Rohmaterial für die nächste Frage bildet� In den Modellen von Research Data Life Cycles ist klar, dass alle Schritte im Zyklus durch digitale Daten und Prozesse der Datenverarbeitung abgebildet werden� 8 Daraus folgt die zentrale Behauptung, dass digitale Verfahren und damit auch die DH nicht nur den Bereich der Datenverarbeitung und Analyse betreffen, sondern eben alle Aspekte der Forschung. Das Phänomen der Durchdringung der Forschung durch die Digitalisierung lässt sich auch über eine vertikale und eine horizontale Sicht beschreiben� In einer vertikalen Sicht gibt es im Forschungsprozess aufeinander aufbauende Schichten� Eine Arbeitsgruppe innerhalb des Projekts DARIAH schlug dazu mit TaDiRAH eine hierarchische Taxonomie digitaler Forschungsaktivitäten vor, mit denen diese Schritte beschrieben und weiter untergliedert werden können� 9 Auf der obersten Ebene wird unterschieden: 8 Siehe Puhl u� a�, Research Data LifeCycle� URN: urn: nbn: de: gbv: 7-dariah-2015-4-4 9 Siehe http: / / tadirah�dariah�eu� Digital Humanities und die Fächer 15 Nr. Titel Meine Paraphrase 1 Capture Digitalisierung, Datenerhebung aus gegebenen Objekten oder Wissensbeständen (digitale Repräsentation) 2 Creation Erstellung von Daten (die nicht einfach Dinge repräsentieren) oder Anwendugen 3 Enrichment Datenbearbeitung und Informationsanreicherung 4 Analysis (formale) Datenanalyse 5 Interpretation Modellierung, Kontextualisierung, theoretische Durchdringung 6 Storage Datenspeicherung, -bereitstellung, -archivierung 7 Dissemination Zusammenarbeit, Kommentierung, Verfügbarmachung, Publikation 0 Meta-Activities Bewertung, Fachgemeinschaften, Projektdurchführung, Ausbildung Tab� 1: TaDiRAH-Taxonomie, oberste Ebene Vom grundsätzlichen Ansatz her soll die Taxonomie umfassend sein. Man stellt sich vor, dass es eigentlich keine Forschungsaktivitäten gebe, die nicht mit irgendwelchen digitalen Verfahren korrespondieren würden. Umgekehrt kann damit allen digitalen Ansätzen und Praktiken wiederum ein Platz in einem Forschungsprozess zugewiesen werden, den es so in den Fächern immer schon gab� Dabei sind die expliziten Forschungs aktivitäten wieder eingebettet in eine weitergehende digitale Umwelt� Deshalb geht es auch um die allgemeinen Grundlagen einer ‚computer literacy‘, die Veränderungen durch eine uns umgebende digitale Medienlandschaft und die Reflexion aller Veränderungen auf einer epistemologischen Metaebene� In einer horizontalen Sicht finden sich auf den Schichten des Forschungsprozesses vielfältige und verschiedene Aktivitäten, Ansätze, Methoden und technische Lösungen� Hier gibt es jeweils Baukästen, aus denen man sich nach Bedarf bedienen kann, wobei die Entwicklung auf den einzelnen Schichten bis heute unterschiedlich weit gediehen ist� 10 So gibt es im Bereich ‚capture‘ inzwi- 10 Diese Sicht auf unmittelbar anwendbare Methoden und Werkzeuge werden in der bereits erwähnten TaDiRAH-Taxonomie unter den ‚research techniques‘ gesammelt� Parallel dazu gibt es eine gegliederte Aufstellung von Werkzeugen und Beispielprojekten auch in dem amerikanischen Projekt DIRT - Digital Research Tools unter https: / / dirtdirectory� org - wobei es sich dabei um eine Momentaufnahme aus dem Jahr 2015 handeln dürfte� 16 Patrick Sahle schen reife Standards und etablierte Praktiken: Man weiß heute recht gut, wie Objekte (als materielle Objekte, als visuelle Objekte, als Träger und Instanzen von Texten etc�) digitalisiert werden� Dagegen gibt es im Bereich ‚enrichment‘ derzeit viel Bewegung: Unter dem Stichwort ‚Annotation‘ werden vielfältige Ansätze und Praktiken entwickelt und erprobt, mit denen informationsreichere digitale Repräsentationen entstehen und mit denen auch das Kontextwissen der Forschenden explizit gemacht und in den analytischen Prozess eingebracht werden soll� Der Kern wissenschaftlicher Forschung wird oft in den Bereichen ‚Analyse‘ und ‚Interpretation‘ gesehen� Hier spielen Computer als rechnende Maschinen, die in ihrer algorithmischen Verarbeitung von Information hinsichtlich Menge und Geschwindigkeit dem menschlichen Geist überlegen zu sein scheinen, von Anfang an eine große Rolle� DH steht hier für die Automatisierung und Beschleunigung von Auswertungsverfahren durch entsprechende Softwarewerkzeuge� Diese changieren aber zwischen Nachbildung und Innovation von Methoden� Zum einen sollen sie bewältigbar machen, was theoretisch auch ohne sie schon möglich gewesen ist, zum anderen verschaffen sie aber auch bestimmten Methoden und Betrachtungsweisen eine neue Prominenz und verschieben so den Fokus der Forschung� Neue Werkzeuge können damit auch eine Antriebskraft für Veränderungen der Forschung sein. Ihre inhärente Schieflage liegt aber darin, dass bestimmte Verfahren von ihnen leichter umgesetzt werden können als andere. Dies betrifft offensichtlich jene, die einfach explizit zu machen und quantitativ zu bearbeiten sind� Auf der Strecke bleiben dagegen derzeit noch jene für die Geisteswissenschaften zentralen Verfahren, die unter dem Stichwort Hermeneutik zusammengefasst werden können und zu einer ‚verstehenden Deutung‘ als Kernziel der Forschung führen sollen� Für das Verständnis der DH-Ansätze im Forschungsprozess und ihr Zusammenspiel ist es wichtig, einige Grundprinzipien ‚des Digitalen‘ im Blick zu behalten� Rechnergestützte Arbeiten sind nicht zuletzt deshalb so umfassend, weil die Einfachheit der Herstellung, die Leichtigkeit der Bereitstellung und Verbreitung, die unmittelbare Anschlussfähigkeit und Nachnutzbarkeit auch in anderen Kontexten und damit ihre Vernetzung zur Natur digitaler Daten gehören� Daten spielen auf allen Ebenen eine zentrale Rolle, wechseln diese Ebenen aber auch und verbinden sie damit: die bibliografische Information ist das Rückgrat der Digitalisierung eines Objekts, dessen digitale Repräsentation mit Kontextwissen angereichert wird, das Gegenstand analytischer Auswertung ist, die Voraussetzung einer Interpretation ist, die in einer digitalen Publikation präsentiert wird, deren Daten Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen sind� Digital Humanities und die Fächer 17 3 DH und die Fächer: Problemlagen DH markiert einen Bereich, der sich um die Entwicklung von digitalen Lösungen für die geisteswissenschaftliche Forschung kümmert� Er entfaltet dabei aber auch eine gewisse Eigendynamik, in der das Verhältnis von DH zu H problematisch erscheinen kann� Aus der Erfahrung der letzten Jahrzehnte, besonders aber den Debatten der letzten Jahre heraus, lassen sich einige immer wiederkehrende Diskussionspunkte identifizieren. Das Abgrenzungsproblem : Menschen definieren sich durch das, was sie tun. Die Digital Humanities sind ein Feld, das sich in seiner Spezialisierung, in seiner Konzentration auf Methoden und Technologien und in seinem Interesse an einer fachübergreifenden Metaebene von den speziellen Problemlagen in den Einzelfächern entfernt� Deren Forschungsfragen geben zwar meistens den Anstoß für DH-Entwicklungen, letztlich interessiert sich DH aber für eigene Themen und definiert sich als eigenständige Disziplin gerade nicht über die fachspezifischen Interessen der Geisteswissenschaften� Spezialfächer wie Computerlinguistik oder ‚Digital History‘ stecken in einer doppelten Legitimationsfalle: Auf der einen Seite werden sie gefragt, warum sie sich nicht unter dem Dach einer umfassenden DH einrichten, die ihnen aber oft als zu breit, zu vage und zu wenig konkret erscheint� 11 Auf der anderen Seite müssen sie erklären, warum sie etwas substanziell Anderes sein sollen als die Fächer, aus denen sie hervorgegangen sind und deren Forschungsgegenstände und -interessen sie doch teilen� Da sie es aber zugleich mit konkreten Fachfragen (aus dem Gegenstandsbereich der Ausgangsdisziplinen) zu tun haben und in deren Beantwortung recht erfolgreich sind, scheinen sich diese Fächer oft ganz gut in ihren Nischen einrichten zu können� Der größte Widerstand gegen eine sich verselbstständigende Disziplin DH kommt aus den etablierten Fächern� Hier wird zwar die Notwendigkeit digitaler Verfahren inzwischen weitgehend akzeptiert, den DH wird ein Fachcharakter aber abgesprochen, weil ‚die Entwicklung von Lösungen‘, ‚die Reflexion der Transformation‘ oder ‚die Digitalität der Forschung‘ nicht als ein eigener Forschungsgegenstand anerkannt wird� Den DH wird die Rolle eines Dienstleisters, bestenfalls einer Hilfswissenschaft zugeschrieben, die den Fachwissenschaften zuarbeiten sollen� Erwartet wird, dass die DH einfache und reife Lösungen entwickeln, die von den Geisteswissenschaften unmittelbar genutzt und in ihre alltägliche Forschungspraxis integriert werden können� Damit habe DH seine Aufgabe erfüllt und werde nicht mehr gebraucht� Die oft vorgetragene These 11 Robertson, Differences; Watrall, Archaeology. 18 Patrick Sahle zu Wesen und Zukunft der DH lautet: Da die Wissenschaften ihre Methoden ohnehin beständig fortentwickeln und sie in absehbarer Zeit ohnehin vollständig digital arbeiten würden, sei DH ein Übergangsphänomen, das bald wieder verschwinden werde� 12 Menschen definieren sich auch durch ihre Biografien. Die Ablehnung von DH als eigenständiges Fach fällt auch deshalb leicht, weil die Vertreter einer jungen Disziplin alle aus einer etablierten Disziplin stammen: „Du bist ein Digital Humanist? Nein, Du hast Geschichte studiert und damit bist Du Historiker! “ Damit wäre dann aber grundsätzlich jede Entwicklung des Fächerspektrums in den Wissenschaften ausgeschlossen� Das Abgrenzungsproblem scheint mir durch das oben vorgestellte Angebot des 3-Sphären-Modells insofern entschärft, als dass die Entweder-Oder-Frage der Disziplinarität durch eine Sowohl-Als- Auch-Beschreibung verschiedener Aktivitäts- und damit Identifikationsfelder beantwortet werden kann� Das Entkoppelungsphänomen : DH ist aus Fachfragen der Geisteswissenschaften herausgewachsen und hat den Auftrag, hier geeignete Lösungen und Werkzeuge zu entwickeln� Dabei gehen die DH aber zunehmend eigene Wege und verfolgen ihre eigenen Fragen� Die fachwissenschaftlichen Agenden sind dann eher Auslöser, Sprungbrett und Testfall. Die treibende Kraft der DH, auch und vor allem hinsichtlich ihrer finanziellen Ressourcen, sind kooperative Forschungsprojekte, in denen beide Seiten zusammenarbeiten� Auch wenn hier der Regelfall gar keine gleichgewichtige Zusammenarbeit ist, sondern die DH als kleinerer Partner nur für bestimmte Anteile, nämlich die ‚digitalen Komponenten‘ zuständig ist, muss sie in diesem Bereich den Stand der Kunst einhalten und - weil es sich um Forschung handelt - darüber hinausgehen. Wenn die Vertreter von DH sich als Wissenschaftlerinnen ernst nehmen, dann müssen sie bei allem, was sie tun, auch nach der Innovation im DH-Sinne fragen. Kooperationsprojekte sichern die Verbindung von Geisteswissenschaften und DH, verhindern aber nicht die weitergehende Spezialisierung der DH� In der Zusammenarbeit mit Kollegen aus der (eigentlichen) Informatik besteht das Problem, dass diese sich im Grunde nur für die Entwicklung neuer Algorithmen, für neue formale Lösungen interessieren, bei denen die Fachfragen nur als ‚proof of concept‘ dienen� Dies ist bei der Zusammenarbeit mit DH-Spezialisten nicht ganz so konsequent zu beobachten, in der Tendenz 12 Eine gewisse Rolle spielt hier auch die Ressourcenkonkurrenz� Es besteht der Eindruck, dass immer größere Teile von Budgets in Fakultäten und in der Forschungsförderung den bestehenden Fächern ‚entzogen‘ und ‚den Technikern‘ zugeschoben würden� Damit würden die echten Geisteswissenschaften zugunsten einer fachfremden Kultur der Informatik ausgetrocknet� Digital Humanities und die Fächer 19 aber ähnlich� DH leistet sehr wohl Grundlagenarbeit für die Geisteswissenschaften und hat als ‚angewandte Informatik‘ ein Interesse an Systemen, die dauerhaft in der Praxis funktionieren� Auch hier geht der Blick aber auf die jeweilige Forschungsfront und die Themen, die gerade besonders aktuell und spannend sind� In den Geisteswissenschaften kann dadurch der Eindruck entstehen, bei Kooperationsprojekten zurückzubleiben: Zur Laufzeit gilt das besondere Interesse der DH-Seite eher spezialistischen Herausforderungen und mit dem Ende der Förderung zieht sie zum nächsten Vorhaben weiter, während die Fachforscher mit ihren ‚halb durchgebohrten dicken Brettern‘ allein gelassen werden� 13 Das Kommunikationsproblem: Die Unmöglichkeit der Kommunikation zwischen den ‚zwei Welten‘ ist legendär� Informatik und Geisteswissenschaften sind so unterschiedlich ausgebildet und leben in so unterschiedlichen Sphären, dass sie nicht über eine gemeinsame Sprache verfügen� Gemeinsame 3-Jahres-Projekte, in denen man zwei Jahre brauchte, um die jeweils andere Seite zu verstehen, so dass keine Zeit für produktive Lösungen mehr blieb, sind keine Legende, sondern empirische Wirklichkeit� DH hat darin einen Teil seiner Existenzgrundlage� Es gibt DH, weil man die geisteswissenschaftlichen Begriffswelten und Problemlagen verstehen muss, um hier adäquate Lösungen zu finden. DH wird deshalb manchmal auch über seine Dolmetscherfunktion beschrieben� Ihre Aufgabe läge wesentlich in der wechselseitigen Übersetzung von geisteswissenschaftlichen Problemen in informatische Lösungsangebote� Der grundsätzlichen Nähe von DH und H steht die fortschreitende Spezialisierung und Disziplinierung von DH in gewisser Weise entgegen� Als erstes reduziert sich die gemeinsame Kommunikationsbasis, wenn Digital Humanists nur noch zu ihren eigenen Tagungen gehen und in ihren eigenen Zeitschriften publizieren� Damit die gemeinsame Grundlage nicht verloren geht, sind aber z� B� die spezialisierten Studiengänge in DH in der Regel als Zwei-Fach-BA-Programme mit einem geisteswissenschaftlichen Fach ausgelegt oder setzen als Spezialisierungs-Master ein geisteswissenschaftliches Bachelorstudium voraus� Das Adäquanzproblem : Die DH sind auf H ausgerichtet und liefern passende Methoden und Verfahren. Sie digitalisieren im Grunde die Arbeitsweisen der Geisteswissenschaften, indem sie auf Grundlage ihrer theoretischen Annahmen, in Modellierung ihrer Domänen und Formalisierung ihrer Praktiken für entsprechende digitale Daten, Bearbeitungsroutinen und Auswertungsalgorithmen sorgen� Oder nicht? Auf der Seite 13 Vgl. Lubich, Rant. 20 Patrick Sahle der Geisteswissenschaften wird manchmal das Ausbleiben einfach einsetzbarer Werkzeuge beklagt, die sich unmittelbar an die gelernten Praktiken anschließen� Ihre Vertreter fordern, dass von den DH Lösungen entwickelt würden, die eben nicht den bisherigen Methoden entsprechen, sondern zu einem Umdenken, einer neuen Betrachtungsweise und einem ‚fremden‘ Vorgehen zwingen. Systematisch scheint es eine Tendenz der DH zu geben, positivistischen, quantifizierenden, mathematisch berechenbaren Ansätzen einen starken Vorzug zu geben und keine Unterstützung für die weniger scharfen Prozesse der verstehenden Deutung (Hermeneutik) zu bieten. Damit gehen der Verdacht und manchmal der Vorwurf einher, bei DH handele es sich in Wirklichkeit um einen Angriff auf die Geisteswissenschaften, mit dem diese einer fachfremden Technisierung und einem empiristisch-naturwissenschaftlichen Forschungsdesign unterworfen werden sollten� 14 Dieser Eindruck ist nicht zurückzuweisen, weil er auf grundlegende Bedingungen digitaler Kultur verweist, die durchaus bestehen� Mit digitalen Werkzeugen wird das leichter bearbeitbar, was sich in klaren Beschreibungen explizieren und in Daten übersetzen lässt� Das Werkzeugarsenal hat Präferenzen für bestimmte Rohstoffe und Verfahren, während die Bearbeitung anderer schwierig bleibt und damit zunächst zurückgestellt wird� ‚Big data‘ versus ‚close reading‘, Datenmodelle versus Wissen, Algorithmen versus Verstehen: Während immer mehr Informationen digital aufbereitet werden, immer besser zugänglich sind, immer leichter genutzt werden können und mit immer leistungsfähigeren Verfahren ausgewertet werden, scheinen die Kernprozesse der Geisteswissenschaften, durch wissensbasierte und vielfältige Kontexte berücksichtigende Interpretation Sinn zu erzeugen, in den Hintergrund zu treten� Über die Zielstellungen und die Strategien zur Weiterentwicklung der Geisteswissenschaften mag man streiten� Ein gewisser Wandel der Welt, in der wir leben, ist aber zu konstatieren und aufzunehmen. Digitalisierung betrifft nicht nur ‚die geisteswissenschaftliche Methode‘ im engeren Sinne, sondern umfasst - wie oben bereits beschrieben - alle Bereiche wissenschaftlichen Arbeitens� Dies reicht von den Ausgangsdaten (früher: die Überlieferung, jetzt: deren digitale Repräsentation) über die Systeme der Bereitstellung und Zugänglichkeit, über die eigenen Arbeitsumgebungen, über Analyseverfahren bis hin zur Ergebnisproduktion und ‚Dissemination‘ (Einspeisung in den wissenschaftlichen Diskurs)� Es geht nicht um eine einfache Erweiterung unseres Werkzeugkastens, sondern um eine umfassende Veränderung unserer gesamten Informationsumwelt� Was wir derzeit erleben, ist eine auch epistemologische Trans- 14 Manchmal erscheinen DH-Lösungen auch als methodischer Rückschritt, wenn die Modellierung und Formalisierung nur für einfache Ansätze möglich ist, über die die Geisteswissenschaften konzeptionell und auf der Theorieebene längst hinausgegangen sind� Digital Humanities und die Fächer 21 formation, die allerdings in ihren Auswirkungen noch nicht leicht präzise zu fassen ist. Was wir brauchen, ist ein Bewusstsein für die Veränderungen und für die inhärenten Schieflagen, die neue Technologien mit sich bringen. Gerade die Geisteswissenschaften verfügen über die Kompetenz zur kritischen Beobachtung und Begleitung von informatischen Ansätzen, die niemals objektiv sind, sondern immer schon subjektiv im Sinne von theoriegeladen � In die Digitalisierung (Beschreibung & Analyse) unserer Informationsumwelt gehen immer schon Haltungen und Sichtweisen ein, die partikular sind und in Konkurrenz zu anderen stehen� Dass die Geisteswissenschaften sich mit der Veränderung der Welt auch selbst verändern, ist unausweichlich� Sie müssen dabei aber die ganze Breite der digitalen Transformation der Forschung und deren epistemologischen Schieflagen und Eigendynamiken im Blick behalten, um sicher zu stellen, dass sie sich mit den für sie geeigneten technischen Strukturen und Werkzeugen ausstatten� Das Reformproblem : Theoretisch ist eine Haltung denkbar, die eine scharfe Trennung zwischen DH und H so definiert, dass sich in den Geisteswissenschaften einfach nichts ändern müsste, weil alles Neue und Andere sich in den DH abspielen könnte� Eine solche Haltung extremen Solipsismus‘ würde aber ausschließen, dass sich Wissenschaften durch die Veränderung ihrer Informationsumgebung oder durch das Aufkommen neuer technischer Möglichkeiten selbst auch verändern würden� Und sie würde einen dialogischen Entwicklungsprozess erschweren� Im Prinzip sind die zu beobachtenden Spezialisierungs- und Abspaltungsprozesse ein ganz natürlicher Vorgang. Das Prinzip der Wissenschaft ist das Prinzip der Differenzierung. DH ist hier kein ungewöhnliches Phänomen, sondern etwas, was sich in allen Wissenschaftsbereichen beobachten lässt� Fachinformatiken gibt es überall: Wirtschaftsinformatik, Bioinformatik, Geoinformatik, medizinische Informatik, Chemieinformatik, Medieninformatik etc� Zu fragen und zu unterscheiden ist vielleicht nur, wie das Verhältnis von Spezialdisziplin und allgemeiner Fachforschung ausgestaltet wird und welche Rückwirkungen die Spezialisierungsbewegungen auf die etablierten Fächer haben� Hier mag mit den Geisteswissenschaften ein besonderer Fall vorliegen, gerade weil die neuen Ansätze sich so fundamental von den bisherigen Praktiken zu unterscheiden scheinen� Wenn man aber akzeptiert, dass DH auch eine prinzipielle epistemologische Herausforderung darstellt und zu einer substanziellen Erweiterung des Methodenarsenals sowie des Werkzeugkastens der Geisteswissenschaften führen kann, dann muss die Frage beantwortet werden, wie diese Entwicklungen in den einzelnen Fächern aufgenommen und in sie integriert werden können� Hier gibt 22 Patrick Sahle es wiederum mindestens drei Probleme zu beachten, wobei ich für keines von ihnen einen echten Lösungsvorschlag anbieten kann� Die erste Herausforderung liegt in der inhärenten Perpetuierung etablierter Methoden und Praktiken� Studenten und Doktoranden lernen von der vorhergehenden Generation und übernehmen deren Methoden� Auf der Ebene der Professuren, auf der die Curricula gestaltet werden, besteht eigentlich kaum Innovationsdruck� Auf der Ebene der Promovierenden und Habilitierenden, auf der eigentlich noch die größte Innovationsfreiheit bestehen sollte, besteht oft die Vorgabe, auf den etablierten Pfaden zügig zum Ziel zu kommen und sich nicht auf riskante Abwege zu begeben: Wer etwas anderes macht, als sich auf die Erstellung einer Monografie zu konzentrieren, reduziert womöglich noch die ohnehin geringen Aussichten auf ein akademisches Fortkommen� So scheint jedenfalls die Haltung vieler Menschen im Feld zu sein� Die zweite Schwierigkeit liegt im ‚Fluch der Interdisziplinarität‘. Die Verbindung von Fachfragen und neuen technischen Ansätzen führt zu einem Spagat, der doppelten Aufwand bedeutet� Zeit ist aber eine begrenzte Ressource und so zahlt man für Innovation und für die ernsthafte Hinwendung zu neuen Ansätzen einen Preis� Man verliert Zeit - und damit vielleicht zunächst auch Tiefe und Qualität in der Forschung aus traditioneller Sicht� Es ist dann eine Frage der Ergebnisbewertung, ob diese Verluste durch die Gewinne auf der Seite möglicher neuer Erkenntnisse wettgemacht werden� Das dritte Dilemma ist ein ‚doppeltes Nullsummenspiel‘� Die Fachforschung organisiert sich über begrenzte zeitliche und finanzielle Ressourcen, die in Forschung und Lehre eingebracht werden� Und sie organisiert sich über Curricula, deren Rahmen (in Zeitstunden bzw� Credit Points) ebenfalls feststeht� Das bedeutet auch hier, dass jede Forderung nach der Einbeziehung ‚neuer‘ Themen eine Antwort auf die Frage verlangt, was denn dafür weggelassen, gestrichen, ‚geopfert‘ werden sollte� Da aber alle Lehrinhalte mit gutem Grund Teil des Lehrplans sind, kann diese Frage eigentlich nicht beantwortet werden� 4 DH in den Fächern: Einbeziehung und Ausbildung Die einzelnen Disziplinen haben ein berechtigtes Interesse daran, sich über die Verfeinerung ihrer Methoden und über neue Werkzeuge und Praktiken weiterzuentwickeln� DH als Spezialisierungsbereich geht hier voran und entwirft, testet und konsolidiert Ansätze und trägt zum Aufbau digitaler Informationsressourcen bei� Dies alles sollte in die Fächer integriert werden� Dabei besteht mit dem 3-Sphären-Modell ein Beschreibungsansatz, der zeigt, wo sich Entwicklungen in welcher Tiefe vollziehen können� Wissenschaftsorganisatorisch Digital Humanities und die Fächer 23 ist damit die Landschaft in Deutschland und anderen europäischen Ländern gut skizziert, in denen sowohl Spezialisierungsfächer, als auch ‚DH als Fach‘ existieren� Für die Tendenz, DH eher aus den Einzelfächern heraus aufzubauen, steht die angelsächsische Universitätskultur� Auch hier gibt es inzwischen zwar viele ausdrückliche Stellen für digital humanists , diese sind aber fast immer in die traditionellen Departments eingebunden� 15 Die Frage nach den DH stellt sich für jedes einzelne Fachgebiet und damit auch hier: Was leisten die DH und wie können sie in die Geisteswissenschaften, in die Theologie, die Philologien, die Religionswissenschaften oder in die Bibelwissenschaften eingebunden werden? Hier ist zunächst darauf zu verweisen, dass die Disziplinen schon immer zu den frühen Anwendern, wenn nicht gar treibenden Kräften gehörten, wenn es um den Entwurf und das Ausprobieren neuer Methoden ging� 16 Traditionell gab es hier einen Fokus auf Textverarbeitung, Textanalyse oder auch Editionsfragen� Dazu kommen heute u� a� aktuelle Themen wie Annotation, Semantisierung, Netzwerkanalysen oder Visualisierung� Aus Sicht der DH ist zu beobachten, dass sie zwar für alle geisteswissenschaftlichen Disziplinen zuständig ist, dass es hier aber sehr wohl traditionelle Schieflagen oder, positiv gesprochen, Schwerpunkte gibt. Die gute Nachricht ist, dass diese Schwerpunkte vom Objekt her bei ‚Text‘, fachlich in den Sprach- und Literaturwissenschaften und thematisch bei Corpora, Editionen, Informationsportalen und Verfahren der Textanalyse und damit nahe an den exegetischen Interessen liegen� 17 Die schlechte Nachricht wurde bereits oben angedeutet: Hermeneutik, die verstehende Deutung und Interpretation von Texten, ist ein so komplexes Verfahren, dass es derzeit als eine der am härtesten zu knackenden Nüsse der DH gilt� 18 Es ist müßig, zu fragen, ob ‚die Exegese‘ automatisiert werden kann� Spannend ist es hingegen im Blick zu behalten, welche damit zusammenhängenden Bereiche von der Digitalisierung in welcher Weise erfasst 15 Zu den ‚klassischen‘ Referenzen zu diesem Thema gehört Kirschenbaum, Digital Humanities� 16 So ist das am häufigsten zitierte ‚Ursprungsprojekt‘ der DH der Index Thomisticus - siehe z� B� Hockey, History, 3-19� Auszeichnungssprachen und deren frühe Standards (wie SGML) wurden auch in den Bibelwissenschaften schon früh eingesetzt� 17 Einen empirischen Beleg für diese Schwerpunkte des Feldes DH liefert wiederum Scott B� Weingart mit seinen quantitativen Analysen zu den ‚topics‘ der Beiträge zu den Weltkongressen; für die ‚topics‘ der Konferenz DH 2017 http: / / scottbot�net/ submissions-todh2017-pt-1� 18 Siehe z� B� van Zundert, Screwmeneutics, oder Wettlaufer, Neue Erkenntnisse� Diese Situation adressierte zuletzt (2016) eine spezielle Förderlinie der Volkswagen-Stiftung unter dem Titel Interaktion qualitativ-hermeneutischer Verfahren und Digital Humanities: ‚Mixed Methods‘ in den Geisteswissenschaften? (URL: https: / / www�volkswagenstiftung�de/ mixedmethodsgeisteswissenschaften�html)� Dort gibt es auch eine Liste der geförderten Projekte� 24 Patrick Sahle werden� Denn auch hier zeigt sich wieder, dass es bei DH nicht nur um die Algorithmisierung von Analyseprozessen geht, sondern um den ganzen Zyklus der Forschung, von der Digitalisierung der Texte über ihre tiefe Erschließung und Annotation, ihre Bereitstellung in Portalen und an Schnittstellen, ihre Auswertung bis hin zur Publikation von Studien über sie� Aber wie kann dies in Forschung und Lehre einfließen? In der drittmittelgetriebenen Forschung ist es heute üblich, Kooperationen einzugehen� Durch die Einbeziehung einer ‚digitalen Komponente‘ in die Fachforschung kann diese erweitert und durch neue Verfahren ergänzt werden. Die meisten Förderorganisationen unterstützen damit die digitale Transformation der Forschung; es stellt sich aber die Frage nach der Nachhaltigkeit der Wirkung auf die Fachforschung und ob hier ein dauerhafter Kompetenztransfer stattfindet, der auch jenseits von Projekten und Förderzeiträumen einen Effekt besitzt. Dies hängt wesentlich davon ab, wie Partner zusammenarbeiten: Besteht eine starke Trennung zwischen Fachforschung und DH bzw� Informatik und werden einerseits die Fachfragen nur als beliebige Beispielfälle (die man nicht zu verstehen braucht) und andererseits die technischen Ansätze z� B� nur als Dienstleistungen (die man nicht zu verstehen braucht) betrachtet, dann wird es auf beiden Seiten keine nachhaltige Entwicklung geben� Wichtig ist hier, dass die Fachwissenschaften auch die Grundlagen und Paradigmen digitaler Methoden soweit verstehen, dass sie aus dem Status reiner (blinder? ) Anwendung herauskommen und ihre Entwicklung aktiv mitgestalten können� Passiert dies nicht, dann werden innerhalb der Forschung keine wirklich passenden und innovativen Methoden entwickelt werden können und werden keine anhaltenden neuen Kompetenzen in den Fächern zurückbleiben, sobald die Partner aus Informatik oder DH zum nächsten Projekt weitergezogen sind� Es geht zwar grundsätzlich um die Ausweitung des epistemologischen Rahmens; im Alltag von Forschung und Lehre geht es aber auch ganz einfach um die Ausweitung des Skillsets und wie dieses in die Lehre eingebracht werden kann� Intensive kooperative Forschung ist eine Form des teaching the teachers � Der Königsweg der Lehre ist: ‚Was in der eigenen Forschung gelernt wird, kann gut fundiert, gut reflektiert und nah an der Praxis weitergegeben werden‘. Jenseits des ‚Nebenbei‘ ist die Frage nach Inhalt und Form erweiterter Ausbildung aber auch systematisch zu stellen. Bei DH geht es häufig um generische Kompetenzen, die das Verständnis digitaler Daten, Kenntnisse von Ressourcen, Werkzeugen und Standards, die Praxis der Datenerstellung und Datenverarbeitung, Ansätze der Modellierung und Formalisierung oder Techniken der Ergebnispräsentation und Visualisierung betreffen. Diese können aus den Lehrangeboten der DH im Allgemeinen oder aus denen der spezielleren Subfächer (Computerlinguistik Digital Humanities und die Fächer 25 etc�) übernommen werden� 19 Hier können die einzelnen geisteswissenschaftlichen Disziplinen anschließen und aus dem allgemeinen Kanon jeweils die Teile übernehmen, die für die eigenen Fragestellungen besonders relevant sind� Hinzu kommen dann fachspezifische Überblicke und Übungen, die wiederum für die allgemeinen DH zu speziell wären, als dass sie von ihnen behandelt würden. ‚Digitale Verfahren der Bibelwissenschaften‘ ist eher in der Theologie und den Religionswissenschaften zu unterrichten, als dass sie ein Gegenstand allgemeiner DH-Ausbildung wären� In einem idealen Fall gelangen die Einzeldisziplinen darüber zu einem eigenen Curriculum von relevanten Lehrinhalten� Aber wie integriert man diese Inhalte in die Formen der Ausbildung? Manche glauben, dass die für ein Fach notwendigen Kompetenzen im Laufe der Zeit von selbst in die Basisveranstaltungen oder die exemplarisch vorgehenden Aufbauveranstaltungen eingehen würden, weil sie die Forschungspraxis der Lehrenden spiegeln� Fraglich ist aber, ob diese Transformation zügig geschehen wird, ob sie ausreichend ist und ob es Möglichkeiten ergänzender oder paralleler Studien gibt� Da die Integration in die Standardausbildung über die Ausweitung der Inhalte bestehender Kurse schwierig ist, sind verschiedene andere Wege zu bedenken� Personell können die Institute mit Spezialisten aus den DH verstärkt werden, um eine weitergehende, spezialisiertere Lehre anzubieten� Dieses Phänomen ist durchaus zu beobachten und reicht von Lehrkräften für besondere Aufgaben bis hin zu DH-Professuren, die nicht an Instituten für DH, sondern an den bestehenden Seminaren angesiedelt werden und auch keine expliziten DH-Studiengänge anbieten, sondern die Lehre in die Fächer hineintragen sollen� Eine andere Praxis liegt im ‚Import‘ von Lehrkapazität und damit auch Lehrangeboten aus benachbarten Bereichen� Dies können DH-Einrichtungen an der Hochschule sein, aber auch Informatik-Institute oder die Rechenzentren� Allerdings ergeben sich dabei oft nicht nur formale und organisatorische Probleme, sondern auch Fragen nach der Adäquanz der Didaktik� 20 Hinsichtlich der Integration in die Studiengänge ist deshalb zunächst vor allem an die Vertiefungsmodule in den Fächern zu denken, die eine gewisse Wahlfreiheit und damit auch methodische Differenzierung erlauben. Hinzu kommen an vielen Universitäten freie Wahlbereiche (manchmal studium integrale oder Optionalbereiche 19 Allgemeine (Lehr-)Handbücher zu den Digital Humanities liegen inzwischen vor� Siehe zuletzt Jannidis, Digital Humanities� 20 Zu den formalen Schwierigkeiten gehören die Anrechenbarkeit von Leistungen in anderen Fächern und manchmal schon die Bereitschaft, Kurse für andere zu öffnen. In der Vermittlung ist zu bedenken, dass es eine spezifische Didaktik der Informatik für Geisteswissenschaften gibt, weil hier nicht nur von anderen Voraussetzungen und Interessenlagen, sondern eben auch von anderen Anwendungsszenarien und Zielstellungen ausgegangen werden muss� 26 Patrick Sahle genannt), in denen fächerübergreifende Angebote genutzt werden können� Hier lassen sich ggf� auch zielgerichtet Kurse zusammenstellen, die in der Summe ein Zertifikatsprogramm ergeben und zu einer Art Mini-Zusatzausbildung in einem bestimmten Bereich führen können� 21 Jenseits der lokalen Studiengänge spielen im Bereich der DH vor allem Summer Schools eine große Rolle� Dazu gibt es inzwischen eine ganze Reihe fest etablierter Angebote, die mehr oder weniger regelmäßig angeboten werden� 22 Solche Schools verlangen eine hohe Eigenmotivation und sind eine zusätzliche Belastung zur normalen Ausbildung� Sie schlagen aber eine gute Brücke zwischen den lokal unterrichteten Fächern und der globalen Sphäre der Digital Humanities� Sie stehen damit einmal mehr für die Grundherausforderung der etablierten Disziplinen� Auf der einen Seite können die neuen Methoden nicht einfach in den bestehenden Strukturen wachsen, sondern brauchen den Input von Spezialisten, die sich ganz den neuen Ansätzen widmen und sie interdisziplinär und mit Rückgriff auf die Informatik vorantreiben. Auf der anderen Seite müssen diese Entwicklungen wieder in die Fächer zurückgeholt und integriert werden� Hier ist dem latenten Missverständnis vorzubeugen, Methoden und Werkzeuge würden irgendwann einen statischen, ‚fertigen‘ Zustand erreichen, den man dann nur noch aufnehmen müsste. Vielmehr ist die digitale Transformation kein einmaliger Prozess, der bald abgeschlossen wäre, sondern ein dauerhafter Zustand� Deshalb ist es wichtig, dass die Fächer und DH in engem Kontakt stehen und einen beständigen Austausch pflegen, auf dessen Grundlage die Fachforschung in ihrer Forschung und Lehre in der besten möglichen Weise kontinuierlich vorangebracht werden kann� Literatur Gold, Matthew K� (Hg�): Debates in the Digital Humanities 2016, Minneapolis, MN 2016� Hamidović, David: An Introduction to Emerging Digital Culture, in: Clivaz, Claire u�a� (Hg�): Ancient Worlds in Digital Culture, Leiden/ Boston, MA 2016, 1-16� DOI: 10.1163/ 9789004325234_002, letzter Zugriff: 29.08.2017. 21 Siehe z� B� das IT-Zertifikat der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln (URL: http: / / www.itzertifikat.uni-koeln.de). 22 Zu nennen sind für den deutschsprachigen Bereich u� a� die Leipziger European Summer University in Digital Humanities (http: / / www�culingtec�uni-leipzig�de/ ESU_C_T/ node/ 97), die edirom-Summer School in Paderborn (http: / / ess�uni-paderborn�de/ ) oder die nomadisierenden IDE-Schools (https: / / www�i-d-e�de/ aktivitaeten/ schools/ )� International ist auf die Digital Humanities at Oxford Summer School (https: / / digital�humanities�ox�ac� uk/ dhoxss/ ) und das Digital Humanities Summer Institute in Victoria (Kanada, http: / / www�dhsi�org) zu verweisen� Digital Humanities und die Fächer 27 Heppler, Jason: www.whatisdigitalhumanities.com, letzter Zugriff: 29.08.2017. Hirsch, Brett (Hg�): Digital Humanities Pedagogy - Practices, Principles and Politics, Cambridge 2012� Jannidis, Fotis u� a�: Digital Humanities - eine Einführung� Stuttgart 2017� Kirschenbaum, Matthew: What Is Digital Humanities and What’s Its Doing in English Departments? , in: Gold, Matthew K�: Debates in the Digital Humanities, Minneapolis, MN 2012, 3-11� Lubich, Gerald: Rant and Rave with Thee Olde Historian™� Bemused musings on behalf of the peculiar entanglement of History and IT, how it started, arrived and where it might lead to, in: Ladstätter, Sabine/ Preiser-Kapeller, Johannes (Hg�): Entangled Worlds - Network Analysis and Complexity Theory in Historical and Archaeological Research, Wien 2017 (im Erscheinen)� Puhl, Johanna u� a�: Research Data LifeCycle� urn: nbn: de: gbv: 7-dariah-2015-4-4, letzter Zugriff: 29.08.2017. Sahle, Patrick: DH studieren! Auf dem Weg zu einem Kern- und Referenzcurriculum der Digital Humanities (DARIAH-DE Working Papers Nr� 1), Göttingen 2013� URN: urn.nbn.de.gbv: 7-dariah-2013-1-5, letzter Zugriff: 29.08.2017. Sahle, Patrick: Digital Humanities? Gibt's doch gar nicht! , Zeitschrift für Digital Humanities, Sonderband 1: Grenzen und Möglichkeiten der Digital Humanities (2015)� DOI: 10�17175/ sb01 Sahle, Patrick: Zur Professoralisierung der Digital Humanities� URL: http: / / dhd-blog� org/ ? p=6174. DHd Blog, Beitrag 6174, 2016-2017, erstellt: 23.3.2016, letzter Zugriff: 29�08�2017� Schreibman, Susan u �a� (Hg�): A New Companion to Digital Humanities, Chichester 2016� Terras, Melissa u. a. (Hg.): Defining Digital Humanities: A Reader, London 2016. Wettlaufer, Jörg: Neue Erkenntnisse durch digitalisierte Geschichtswissenschaft(en)? Zur hermeneutischen Reichweite aktueller digitaler Methoden in informationszentrierten Fächern, Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften (2016), DOI: 10�17175/ 2016_011� van Zundert, Joris: Screwmeneutics and Hermenumericals� The Computationality of Hermeneutics, in: Susan Schreibman u� a� (Hg�): A New Companion to Digital Humanities, Chichester 2016, 331-347� Digital Humanities 2014 - Lausanne 7�-12� Juli 2014� Book of Abstracts� URL: https: / / dh2014.files.wordpress.com/ 2014/ 07/ dh2014_abstracts_proceedings_07-11.pdf, letzter Zugriff: 29.08.2017. Digital Humanities 2015 - Sydney 29� Juni - 3� Juli 2015� Abstracts� URL: http: / / dh2015� org/ abstracts, letzter Zugriff: 29.08.2017. Digital Humanities 2016 - Krakau 11�-16� Juli 2016� Book of Abstracts� URL: http: / / dh2016.adho.org/ static/ dh2016_abstracts.pdf, letzter Zugriff: 29.08.2017. 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