eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 2/1

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2017
21 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text

2017
Christina Hoegen-Rohls
Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2-- 2017, Heft 1 Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text Die Methode korrelativer Text- und Bildwahrnehmung am Beispiel von 2Sam 11,1 - 12,1 Christina Hoegen-Rohls Abstract | This article deals with the reception of the story of David and Batsebah (2Sam 11) within painting investigated by analyzing the interpretation of the story by Francesco di Cristofano Bigi, Peter Paul Rubens, and Rembrandt Harmenszoon van Rijn� The author argues that the visualization of the story follows different settings of priorities� While the picture of Francesco di Cristofano Bigi displays several scenes of the story, Rubens and Rembrandt on the person of Batsebah� Rubens emphasizes the beauty of the woman and calls on the recipient’s virtue not to imitate David’s acting� Rembrandt gives priority to the tragical situation of Batsebah reflecting her purity� Investigating the focus of each painting the author reflects the meaning of image viewing for the student’s text reception� She shows that the analysis of visual arts leads the students to a more intensive reception of biblical texts� Einführung Der vorliegende Beitrag möchte an einem ausgewählten Textbeispiel aus dem Alten Testament Einblick in die Methode der korrelativen Text- und Bildwahrnehmung geben, die in bibelwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen von Anfang an zu einer reflektierten Sensibilisierung Studierender für biblische Texte beitragen kann� Diese Methode ist bisher nicht Bestandteil der in der Hochschuldidaktik eingesetzten exegetischen Methodenbücher� Sowohl in rezeptionsgeschichtlich ausgerichteten Arbeiten der biblischen Exegese, als auch in der biblischen Hermeneutik findet jedoch die Hinwendung zum Bild, wie sie im iconic turn , im pictorial turn und im visual turn von der 46 Christina Hoegen-Rohls Philosophie, den historischen Bildwissenschaften und anderen Wissenschaften vollzogen wurde, bereits ihr Echo� 1 Ohne diesen ‚Bilddiskurs‘ allerdings auch nur ansatzweise aufrufen und theoretisch diskutieren zu können, 2 soll im vorliegenden Beitrag praxisnah veranschaulicht werden, wie im Umgang mit Bildern, ihrer ‚Bildsprache‘ und ihrer spezifischen Weise ‚bildlichen Erzählens‘ das Bewusstsein für die Eigenart von ‚Textsprache‘ und ‚textlichem Erzählen‘ geschärft und dabei die ‚Mehrsprachigkeit‘ Studierender als grundlegender hermeneutischer und exegetischer Kompetenz gefördert werden kann� Ein von mir entwickelter Leitfragen-Katalog, der sich als Einstieg in die Erschließung des Verhältnisses von Bild und Text in der hochschuldidaktischen Praxis bewährte, wird dabei eine erste Orientierung für das Lehr-/ Lern-Gespräch mit Studierenden anbieten� Als Textbeispiel wähle ich die David-Batseba-Erzählung in 2Sam 11 aus, die in den Erzählzusammenhang von Davids Kampf mit den Ammonitern eingebettet ist (2Sam 10,1-12,31). An Bildern sollen bewusst figürliche Darstellungen Alter Meister genutzt werden, in denen ein hoher bildsprachlicher Erzählgehalt erkennbar wird: ein Gemälde aus der italienischen Renaissance sowie zwei Gemälde aus dem flämischen bzw� niederländischen Barock� Textwahrnehmung: 2Sam 11,1 - 12,1 als chronologische Folge von Sendungsgeschichten „Der Raum ist die Grunddimension der Bildlichkeit, während die Zeit die Grunddimension der Erzählung ist�“ 3 Diese grundlegende Bestimmung der intermedialen Relation von Bild und Text bedeutet für die Methode korrelativer Text- und Bildwahrnehmung, dass mit Studierenden von Anfang an auf das zeitliche Nacheinander der im Text erzählten Handlung(en) einerseits, auf das räumliche Neben- und Ineinander der im Bild dargestellten Figuren und Gegenstände andererseits zu achten ist� Die Wahrnehmung der genauen zeitlichen Abfolge erzählter Handlung gelingt zuverlässig, wenn der biblische Erzähltext in Verse segmentiert und in die zeitlich relevanten Erzählsequenzen Anfang, Mitte, Schluss gegliedert wird: 1 Vgl� zum AT etwa Kipfer, David; zum NT: Luz, Hermeneutik, 313-357 („Jenseits der Sprache: Interpretationen von neutestamentlichen Texten durch Bilder“); vgl� auch als ersten exegetisch- und systematisch-theologischen Entwurf Hartenstein / Moxter, Hermeneutik� 2 Vgl� dazu exemplarisch Belting, Kunstgeschichte; Boehm, Bilder; Bredekamp, Theorie; Günzel / Mersch, Bild; Stoellger, Bildwissenschaften� 3 Luz, Hermeneutik, 331� Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 47 2Sam 11,1 - 27 in verssegmentierter Präsentation und mit Gliederung in Anfang/ Mitte/ Schluss; 4 Text nach Lutherbibel 2017 4 Die Segmentierung des Textes erfolgt nach dem Satzzeichenprinzip, dem rhythmisch-intonatorischen Prinzip und dem Prinzip des finiten Verbs (vgl� dazu Hoegen-Rohls, Verssegmentierung)� Redeeinleitungswendungen werden unterstrichen, direkte Rede wird eingerückt und kursiv gesetzt� Das kohärenzstiftende Erzählprädikat ‚er / sie sandte‘ wird durch Kapitälchen hervorgehoben� Anfang Anfang.1: Die Ausgangssituation (Krieg mit den Ammonitern) Sendungsgeschichte.1: Sendung Israels unter Leitung Joabs nach Rabba 1a Und als das Jahr um war, 1b zur Zeit, 1c da die Könige ins Feld zu ziehen pflegen, 1d SANDTE David Joab und seine Knechte mit ihm und ganz Israel, 1e damit sie das Land der Ammoniter verheerten 1f und Rabba belagerten. Der eine Schauplatz des Geschehens: Jerusalem 1g David aber blieb in Jerusalem. Anfang.2: Die Ausgangsszene am Abend David auf dem Dach des Königspalastes in Jerusalem 2a Und es begab sich, 2b dass David um den Abend aufstand von seinem Lager 2c und sich auf dem Dach des Königshauses erging; Anfang.3: Exposition der Figurenkonstellation David/ Batseba 2d da sah er vom Dach aus eine Frau sich waschen; Die Beschreibung Batsebas 2e und die Frau war von sehr schöner Gestalt. Mitte Mitte.1: David und Batseba Sendungsgeschichte.2: Erkundung der Identität Batsebas 3a Und David SANDTE hin 3b und ließ nach der Frau fragen, 3c und sagte: 48 Christina Hoegen-Rohls 1g David aber blieb in Jerusalem. 2a Und es begab sich, 2b dass David um den Abend aufstand von seinem Lager 2c und sich auf dem Dach des Königshauses erging; hin 3b und ließ nach der Frau fragen, 3c und sagte: , 3e die Frau Urias, des Hetiters? Sendungsgeschichte.3: David sendet Boten und lässt Batseba holen 4a Und David SANDTE Boten hin 4b und ließ sie holen. Die Erfüllung der Sendung: Der Beischlaf 4c Und als sie zu ihm kam, 4d schlief er bei ihr; Kommentar zur Situation Batsebas im Blick auf den weiblichen Zyklus 4e sie aber hatte sich gerade gereinigt von ihrer Unreinheit. Rückkehr Batsebas in ihr Haus 4f Und sie kehrte in ihr Haus zurück. Sendungsgeschichte.4: Batseba informiert David über ihre Schwangerschaft 5a Und die Frau ward schwanger 5b und SANDTE hin 5c und ließ David sagen: 5d Ich bin schwanger geworden. Mitte.2: David und Uria Sendungsgeschichte.5: Der erste Auftrag an Joab 6a David aber SANDTE zu Joab: 6b Sende zu mir Uria, den Hetiter. Sendungsgeschichte.6: Erfüllung des Auftrags, Sendung Urias 6c Und Joab SANDTE Uria zu David. Ankunft Urias, Dialog David/ Uria.1 7a Und als Uria zu ihm kam, 7b fragte David, 7c ob es mit Joab und mit dem Volk und mit dem Krieg gut stünde. 8a Und David sprach zu Uria: 8b Geh hinab in dein Haus 8c und wasch deine Füße. Captatio benevolentiae Davids 8d Und als Uria aus des Königs Haus hinausging, 8e wurde ihm ein Geschenk des Königs nachgetragen. Urias Reinheit 9a Aber Uria legte sich schlafen vor der Tür des Königshauses, 9b wo alle Knechte seines Herrn lagen, 9c und ging nicht hinab in sein Haus. Dialog David/ Uria.2 10a Als man aber David ansagte: 10b Uria ist nicht hinab in sein Haus gegangen, 10c sprach David zu Uria: , 3e die Frau Urias, des Hetiters? 3d Das ist doch Batseba , 3e die Tochter Eliams, 3f die Frau Urias, des Hetiters? Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 49 10d Bist du nicht von weit her gekommen? 10e Warum bist du nicht hinab in dein Haus gegangen? 11a Uria aber sprach zu David: 11b Die Lade und Israel und Juda wohnen in Zelten 11c und Joab, mein Herr, und meines Herrn Knechte liegen auf freiem Felde, 11d und ich sollte in mein Haus gehen, 11e um zu essen 11f und zu trinken 11g und bei meiner Frau zu liegen? 11h So wahr du lebst 11i und deine Seele lebt: 11j Das werde ich nicht tun! 12a David sprach zu Uria: 12b Bleib heute hier, 12c morgen will ich dich gehen lassen. Urias fortdauernde Reinheit 12d So blieb Uria in Jerusalem an diesem Tage und auch am nächsten. 13a Und David lud ihn ein, 13b dass er bei ihm aß und trank, 13c und machte ihn trunken. 13d Aber am Abend ging er hinaus, 13e dass er sich schlafen legte auf sein Lager bei den Knechten seines Herrn, 13f und ging nicht hinab in sein Haus. Sendungsgeschichte.7: Davids Brief an Joab, gesendet durch Uria 14a Am Morgen schrieb David einen Brief an Joab 14b und SANDTE ihn durch Uria. 15a Er schrieb aber in dem Brief: 15b Stellt Uria vornehin, 15c wo der Kampf am härtesten ist, 15d und zieht euch hinter ihm zurück, 15e dass er erschlagen werde 15f und sterbe. Der andere Schauplatz: Das Schlachtfeld um Rabba Ausführung des zweiten Auftrags: Tod Urias 16a Als nun Joab die Stadt belagerte, 16b stellte er Uria an den Ort, 16c von dem er wusste, 16d dass dort streitbare Männer standen. 17a Und als die Männer der Stadt einen Ausfall machten 50 Christina Hoegen-Rohls 17b und mit Joab kämpften, 17c fielen etliche vom Volk, von den Knechten Davids, 17d und Uria, der Hetiter, starb auch. Mitte.3: Joab und David Sendungsgeschichte.8: Anordnung des Botenberichts mit der Pointe von Urias Tod 18a Da SANDTE Joab hin 18b und ließ David alles sagen, 18c was sich bei dem Kampf begeben hatte, 19a und sprach: 19b Wenn du dem König alles bis zu Ende gesagt hast, 19c was sich bei dem Kampf begeben hat, 20a und siehst, 20b dass der König zornig wird 20c und zu dir spricht: 20d Warum seid ihr so nahe an die Stadt herangerückt im Kampf? 20e Wisst ihr nicht, 20f dass sie von der Mauer schießen? 21a Wer erschlug Abimelech, den Sohn Jerubbaals? 21b Warf nicht eine Frau einen Mühlstein auf ihn von der Mauer, 21c sodass er in Tebez starb? 21d Warum seid ihr so nahe an die Mauer herangerückt? , 21e - so sollst du sagen: 21f Auch dein Knecht Uria, der Hetiter, ist tot. Ausführung des Auftrags: Botenbericht mit der Pointe: Tod Urias 22a Der Bote ging hin 22b und kam 22c und sagte David alles, 22d was Joab ihm aufgetragen hatte. 23a Und der Bote sprach zu David: 23b Die Männer waren uns überlegen 23c und zogen heraus aufs Feld gegen uns; 23d wir aber drängten sie bis an den Eingang des Tores. 24a Und die Schützen schossen von der Mauer auf deine Knechte 24b und töteten etliche von den Knechten des Königs, 24c und auch Uria, dein Knecht, der Hetiter, ist tot. Die Antwort Davids an Joab 25a David sprach zum Boten: 25b So sollst du zu Joab sagen: 25c »Lass dir das nicht leid sein, Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 51 In der David-Batseba-Erzählung 2Sam 11,1-27 entdecke ich innerhalb des dreifachen zeitrelevanten Grundgerüsts von Anfang, Mitte, Schluss eine weitere Tendenz zur Trias: Ein dreifacher Anfang und ein dreifacher Schluss umrahmen eine dreifach gegliederte Mitte� Dabei wird ein gleich in Anfang�1 (Die Ausgangssituation: Krieg mit den Ammonitern) eingeführtes Sprachelement zum rekurrenten Signal, das sich durch den gesamten Text zieht und diesen auch mit der Folgeerzählung, der David-Natan-Erzählung in 2Sam 12,1-15a, verknüpft. Gemeint ist das finite Verb ‚er / sie sandte‘, erstmals belegt in 2Sam 11,1d, das in allen Teilen der David-Batseba-Erzählung für den dramatischen Fortgang des Geschehens verantwortlich ist und entscheidend zur Kohärenz der narrativen Komposition beiträgt� Synchron betrachtet, lassen sich die eng verzahnten Erzählungen in 2Sam 11,1-27 und 2Sam 12,1-15a 25d denn das Schwert frisst bald diesen, 25e bald jenen. 25d Fahre fort mit dem Kampf gegen die Stadt 25e und zerstöre sie.« 25f So sollst du ihm Mut zusprechen. Schluss Schluss.1: Todesnachricht und Totenklage 26a Und als Urias Frau hörte, 26b dass ihr Mann Uria tot war, 26c hielt sie die Totenklage um ihren Eheherrn. Schluss.2: Trauerzeit, Heirat, Geburt des ersten Kindes Sendungsgeschichte.9: David macht Batseba zu seiner Frau 27a Sobald sie aber ausgetrauert hatte, 27b SANDTE David hin 27c und ließ sie in sein Haus holen, 27d und sie wurde seine Frau 27e und gebar ihm einen Sohn. Schluss.3: Erzählerkommentar aus dem Blickwinkel Gottes 27f Aber dem HERRN missfiel die Tat, 27g die David getan hatte. Scharnier: Verknüpfung mit der folgenden Erzählung 2Sam 12,1-15a/ Anfang der neuen Erzählung Sendungsgeschichte.10: Fortsetzung und zugleich Umkehrung der vorherigen Sendungsgeschichten durch Gottes Sendungsinitiative 12,1a Und der HERR SANDTE Natan zu David. 52 Christina Hoegen-Rohls als chronologische Folge von ‚Sendungsgeschichten‘ lesen, in denen das insgesamt zehnmal verwendete Erzählprädikat ‚er / sie sandte‘ die Figurenkonstellationen konturiert: die von den Koordinaten Eros und Macht bestimmte Konstellation David / Batseba, die von den Koordinaten Macht, Eros und Thanatos geprägte Konstellation David / Joab / Uria und die in die Koordinaten von Sünde und Nichtanrechnung von Sünde eingespannte Konstellation David / Gott� In den Sendungsgeschichten der David-Batseba-Erzählung kommt mit dem Erzählprädikat ‚er / sie sandte‘ jeweils eine kommunikativ und ethisch relevante Figurenhaltung zum Ausdruck: ‚Senden‘ meint in den Aktionen der erzählten Figuren zum einen die kommunikative Haltung initiativen Erkundens und Informierens, zum anderen die ethisch relevante Relation befehlender Forderung und deren Erfüllung� Sechsmal ist David Subjekt des erkundenden und befehlenden ‚Sendens‘ (V� 1d�3a�4a�6a�14b), zweimal befiehlt sendend sein Feldherr Joab (V� 6c�18a), einmal ist es Batseba, die in kommunikativer Absicht ‚sendet‘, um David über ihre Schwangerschaft zu informieren (V� 5b)� Alle Sendungen bis auf eine scheinen mündlicher Natur zu sein, nacheinander durch Boten überbracht� Die einzige Sendung, die ausdrücklich als schriftliche Nachricht in Form eines geschriebenen Briefes ausgewiesen wird, ist jene, durch die David dem Feldherrn Joab den Tod des Uria mit den Worten befiehlt: ‚Stellt Uria vornehin, wo der Kampf am härtesten ist, und zieht euch hinter ihm zurück, dass er erschlagen werde und sterbe‘ (V. 15b-f). Von David beauftragter Bote dieser Botschaft ist Uria selbst, der so zum Überbringer seines eigenen Todesschicksals wird (V� 14b)� Diese in Sendungsgeschichte�7 enthaltene tragische Pointe der Figurenkonstellation David / Uria resultiert erzählerisch aus den beiden unmittelbar vorausgehenden Dialogen David / Uria.1 (V. 7a-8c) und David / Uria.2 (V. 10a-12c), die das zeitdeckend erzählte Kernstück von Mitte�2 bilden� Alle Anstrengungen Davids, Uria zur intimen Einkehr bei seiner Frau zu bewegen, um deren Schwangerschaft als ehelich begründete zu tarnen, scheitern an Urias Ethos als Krieger� Weder lässt er sich durch Worte überreden, noch durch ein Geschenk bestechen - und noch in trunkenem Zustand bleibt er seiner ethischen Gesinnung treu, während des Krieges dort zu liegen, wo auch die Lade und die Kriegsleute Israels und Judas liegen: im Zelt� Urias ethische Haltung konkurriert mit der Gesinnung Davids, die die Erzählung gleich zu Beginn von Mitte�1 durch die beiden Sendungsgeschichten�2+3 präzise umreißt: Obwohl David soeben sendend erkundete, dass die von ihm erblickte schöne Frau die Frau des Uria ist, sendet er Boten zu ihr, um sie zu holen und ihr beizuwohnen (V. 3a-4d). Diese in königlicher Macht begründete Haltung Davids erfährt in Sendungsgeschichte�7 eine fatale Steigerung: Da Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 53 Urias Reinheit Davids Plan vereitelt, den folgenreichen Ehebruch mit Batseba zu verschleiern, zögert David nicht, Uria in den Tod zu senden� Der abschließende Kommentar, den der Erzähler in Schluss�3 wie eine siegelnde Unterschrift aus göttlicher Perspektive unter die David-Batseba-Geschichte setzt, hält unmissverständlich fest, dass Davids Reden und Handeln Gott missfallen (V� 27 f�g)� In konsequenter zeitlicher Fortsetzung der Sendungsgeschichten.1-9 und zugleich als deren inhaltliche Umkehrung lässt der Erzähler daher im narrativen Scharnier von 2Sam 12,1a Gott selbst die Sendungsinitiative ergreifen� Das Erzählprädikat ‚er sandte‘ wird somit zum Träger der theologischen Spitze des Erzählzusammenhangs: Gott ist es, der David, vermittelt durch den beauftragten Propheten Natan, den Spiegel vorhält, in dem sich David seines unheilvollen Sendungshandelns bewusst wird� Bildwahrnehmungen: 2Sam 11,1 - 12,1 in Bildern von Franciabigio, Rubens und Rembrandt Wie wird dieser ethisch und theologisch spannungsreiche Text in Bilder übersetzt? Welche Szene, welcher Handlungsstrang, welche Figur reizt die Malerei? Und welche ethische Entscheidung trifft die Kunst? Christina Hoegen-Rohls, * 1959, Dr� theol�, ist Professorin für Bibelwissenschaften (Altes und Neues Testament) und ihre Didaktik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster� Sie studierte Ev� Theologie, Germanistik und Erziehungswissenschaften an den Universitäten München und Zürich. In den Jahren 1991-1994 war sie als Gymnasiallehrerin für Deutsch und Ev� Religionslehre tätig� Als Privatdozentin an der LMU München wurde sie im Jahr 2005 vom Bayerischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst mit dem „Preis für gute Lehre 2004“ ausgezeichnet� Sie ist Mitglied im Lehrbeirat der WWU , der die Universitätsleitung u� a� in Fragen zu Studienbedingungen und Qualität in der Lehre berät� 54 Christina Hoegen-Rohls Abb. 1 Francesco di Cristofano Bigi (Florenz 1482 / 83 - Florenz 1525), Der Uriasbrief 5 / Story of Bathsheba 6 (1523), Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden © akg-images / Erich Lessing Francesco di Cristofano Bigi, genannt Franciabigio, ein Schüler Piero di Cosimos, beeinflusst von den florentinischen Malern Fra Bartolomeo, Leonardo da Vinci, Michelangelo, Raffael und Andrea del Sarto, wurde 1482 / 83 in Florenz geboren, wo er auch im Jahre 1525 starb� 7 Das Bild - ein kleinfiguriges Breitbild in Öl auf Pappelholz in den Maßen 86 x 172 cm - stammt aus seinen letzten Lebensjahren, von 1523� Es entsteht im Auftrag eines gewissen Giovanni Maria Benintendi für die Wandverkleidung eines Raums in dessen Florentiner Palast� Solche wandverkleidenden ‚Spallieragemälde‘ wurden etwa in Schulter- und Augenhöhe angebracht, um eine genaue Bildbetrachtung zu ermöglichen� Was sehen wir? Zunächst fällt die helle, urbane Renaissance-Architektur ins Auge, in der Franciabigio die biblische Erzählung verortet� Wie für die Renaissance typisch, sehen wir die dargestellten Gebäude in perfekter Perspektive, was sich besonders an den Rundbögen der Arkaden, aber auch an den Treppen beobachten lässt� Folgen wir den durch die Architektur vorgegebenen Vertikalen, so ergibt sich eine rhythmische Gliederung des Bildes in weiter vorne und weiter hinten gelegene Bildräume� Am weitesten nach vorne tritt das linke äußere Bildfeld, das den Blick freigibt auf ein Brunnenbecken im Innenhof eines ebenfalls palazzoartigen Gebäudes, dessen rechte Mauer, ruinenartig aufgebrochen, dem Betrachter entgegenkommt - ein manieristisches Bildelement. 8 Wir befinden uns somit als Betrachter förmlich selbst im Innenhof, nahe bei der im Brunnen 5 So der Titel bei Marx, Gemäldegalerie� 6 So der Titel bei Mackillop, Franciabigio� 7 Vgl� dazu Marx, Gemäldegalerie, 67� 8 Vgl� Marx, Gemäldegalerie, 67� Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 55 sich badenden Frauengruppe, in deren Mitte sich, umringt von mehreren lebhaft sich bewegenden Frauen, Batseba befindet� Körperlich frontal ist sie uns als Betrachtern zugewendet� Der hellen, monochromen Nacktheit der Frauengruppe im linken Bildfeld steht das Bekleidetsein der Figuren im übrigen Bildraum gegenüber� Hier herrscht bunte Farbigkeit in zeitgenössischen Gewändern� Welche Figuren lassen sich erkennen? Und welche „Logik der Struktur“ 9 wird „durch die räumliche Zuordnung der Einzelfiguren zum Ganzen, durch die Führung von Linien im Bildraum“ 10 deutlich? Im Vordergrund, leicht rechts von der Bildmitte aus gesehen, sehen wir eine kleine Gruppe, bestehend aus einem Pferd, an das sich eine Gestalt im weißen Hemd lehnt (vermutlich ein Diener), und einem uns den Rücken zuwendenden Halter dieses Pferdes in zeitgenössischer Uniform, aufrecht eine Lanze in der rechten Hand tragend� Folgen wir der aufgerichteten Lanze bis zur Lanzenspitze, so lenkt diese unseren Blick in leichter Linksdiagonale weiter hinauf auf den Balkon, an dessen Balustrade links außen eine Gestalt in einem Gewand mit prächtigen roten Ärmeln lehnt, angetan mit einer weißen Kopfbedeckung, die sich - bei lupenhaftem Hinsehen - als Krone entpuppt. Diese Figur ist König David, der fast genau in der Bildmitte, fast am höchsten Punkt des Bildes und doch wie versteckt aus dem Bildhintergrund seinen Blick in den Innenhof des links gelegenen Gebäudes wirft. Was er erblickt - das können wir als im Innenhof anwesende Betrachter bezeugen - entspricht wörtlich V. 2e unseres Textes: ‚und die Frau war von sehr schöner Gestalt‘� Halten wir jetzt schon fest: Anfang�2 und Anfang�3 unseres Textes werden in eindrucksvoller Verwandlung der Figurenproportion in unser Bild übersetzt� Die schöne, im Text jedoch nur kurz erwähnte Frau steht anmutig in ganzer Größe im Vordergrund, überhöht noch durch die aus ihrem Kopf gleichsam emporwachsende Säule mit korinthischem, kronenähnlichem Kapitell� Dagegen bleibt der große König des Textes klein und verborgen im Bildhintergrund� Allerdings zeigt uns das Bild genau, wohin er vom Palastbalkon aus blickt� Als Leseanleitung fungiert dabei ein kleines architektonisches Detail, nämlich die Balkenkonstruktion des Schrägdachs über dem Seiteneingang zum Brunnenhof, in dem die Damen baden: Verbinden wir über die Verlängerung des diagonal aufstrebenden Holzbalkens Davids Blick mit dem Brunnenbecken, so erkennen wir, dass sein Blick exakt in die Scham Batsebas fällt� Die grundlegende, konfliktgeladene Figurenkonstellation unseres Textes aus Anfang�3 ist damit über eine Diagonale ins Bild übersetzt� 9 Boehm, Bilder, 202� 10 Luz, Hermeneutik, 332, der betont: „Bilder werden durch ihre Komposition deutbar“� 56 Christina Hoegen-Rohls Welche weiteren Textszenen und ‚Textzeiten‘ erzählt das Bild durch seine räumlichen Strukturen? Richten wir unseren Blick auf das Schrägdach über dem Seiteneingang zum Brunnenhof: Der waagrechte Holzbalken der Dachkonstruktion weist nach rechts� Verlängert man die Linie bis zum rechten Bildrand, so trifft sie genau auf die Türe des Palastflügels, aus der König David auf die Treppe herausgetreten ist� Wir sehen jetzt besser seinen prächtigen roten Königsmantel, besser auch seine Krone, und wir erkennen, dass er seine linke Hand zum Handkuss darreicht, während seine rechte deutlich mit Zeigefinger und Daumen nach links zeigt, in Richtung des gegenüberliegenden Gebäudes, in dem sich Batseba befindet� Folgen wir Davids Blick, so stoßen wir auf die vor ihm auf den Treppen kniende Figur im rot-grün-blauen Mantel, die in jenem Bildausschnitt angesiedelt ist, auf den die verlängerte Diagonale des Schrägdachs verweist� Nun wird deutlich: Mit ihrer doppelten Geste verknüpfen und komprimieren die beiden Hände Davids die Ankunft Urias (V� 7a), die vom Bild als Kniefall in Szene gesetzt wird, und die Aufforderung Davids an Uria: ‚Geh hinab in dein Haus und wasch deine Füße‘ (V� 8b�c)� Dass Uria diesem Befehl des Königs nicht folgt, zeigt ein Detail im Bildhintergrund: Hier erkennt man an seinem Mantel wiederum Uria, der nicht in sein Haus zu Batseba eingekehrt ist, sondern auf einer Steinmauer vor dem Haus kauert� Lassen wir die vom Schrägdach ausgehende Diagonale früher enden, so wird unser Blick unter die linke der beiden frontalen Arkaden gelenkt� An einer breiten Tafel sehen wir ganz links außen König David sitzen, ihm gegenüber, mit dem Rücken zu uns, wiederum Uria, den wir an seinem rot-grün-blauen Gewand wiedererkennen� Weitere Personen sitzen mit den beiden an der Tafel, zu der von rechts aus den Arkaden des seitlichen Palastflügels Platten mit Speisen gebracht werden� Wird hier die Szene erzählt, in der David Uria in den Palast bittet, um ihn betrunken zu machen (V. 13a-c)? Wir hätten es somit bei unserem Bild mit einem Erzählbild zu tun, das bereits vier Szenen unseres Textes erzählt (sog� ‚kontinuierende Darstellung‘) 11 � Dabei beginnt die Erzählung, die Franciabigio bietet, in der Bildmitte hoch oben auf dem Balkon, weist dann nach links, von hier aus ganz nach rechts und wieder zurück in die Mitte des Bildes, wo sich genau unter dem an der Balustrade stehenden König dieser selbst in der Gelageszene verdoppelt� Die Bildmitte trägt daher das schwerste Königsgewicht� Liegt hier auch die Pointe des Bildes? Oder anders gefragt: Wo ist der Brief ? Sowohl Krauss / Uthemann 12 als auch Pigler 13 verzeichnen das Bild unter 11 Vgl� Pigler, Barockthemen I, 152�156� 12 Krauss / Uthemann, Was Bilder erzählen, 232� 13 Pigler, Barockthemen I, 156: „Urias übernimmt den Brief von David� II Sam� 11,14“� Pigler verzeichnet das Bild zugleich unter dem Motiv „Bathseba im Bade“ (Pigler, Barockthemen I, 152)� Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 57 dem Motiv der Übergabe des Briefes an Uria� Wo aber soll diese Szene sein? Der rechts auf den Treppen stehende König hält keinen Brief in der Hand� Sollte das, was der in der Bildmitte unter den Arkaden sitzende König in der Hand hält, der Brief sein? In der Tat: Steht man in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden unmittelbar vor Franciabigios Bild, so wird der Brief, ausgehändigt an Uria, zumindest schwach erkennbar� Damit ist eine fünfte Szene des Textes ins Bild gebracht - und zwar genau jene, die aus den Sendungsgeschichten von 2Sam 11 eine Mordgeschichte macht� Reflektiert das Bild, indem es diese Szene in den Bildhintergrund rückt, die Hinterlist und Heimlichkeit des Verbrechens? Ganz unabhängig von der Antwort, die wir auf diese Frage bereit sind zu geben, sollte der Blick auf Franciabigios Bild das Bewusstsein dafür wecken, in welcher Weise die korrelative Methode der Text-und Bildwahrnehmung Studierenden zu vermitteln vermag, dass Bilder das zeitliche Nacheinander erzählter Szenen in ein räumliches Nebeneinander, ein ‚räumliches Zugleich‘, also in ‚Simultaneität‘ übersetzen� 14 Verlassen wir das Florenz der Renaissance und begeben wir uns in das barocke Antwerpen, wo der flämische ‚Malerfürst‘ Peter Paul Rubens herrscht, der schon von seinen Zeitgenossen als ‚Gott der Maler‘ und von Jacob Burckhardt als der größte Erzähler neben Homer gepriesen wird� 15 Ein Maler als Erzähler: Was erzählt der katholische Rubens 16 in einem Bild seines Spätwerks, das er in Öl auf Eichenholz in den Maßen 175 x 126 cm präsentiert, von unserem Text 2Sam 11,1-27? Wie anders wird unser Text hier ins Bild übersetzt als bei Franciabigio! Wollen wir uns angesichts des neugierig-koketten Blicks der dargestellten jungen Dame und ihrer blühenden weiblichen Reize überhaupt noch mit konfliktgeladenen Figurenkonstellationen befassen? Wollen wir nicht einfach nur schauen? 14 Vgl� dazu Luz, Hermeneutik� 15 Vgl. dazu Hellwig, Rubens, 7.62-64. 16 Vgl� hierzu grundlegend Sauerländer, Rubens; Hecht, Bildertheologie� 58 Christina Hoegen-Rohls Abb. 2: Peter Paul Rubens (Siegen 1577 - Antwerpen 1640), Bathseba am Springbrunnen (1654), Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden © akg-images Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 59 Kunsthistorisch betrachtet, ist das Thema von Rubens’ Gemälde tatsächlich der Voyeurismus, und zwar auf einer Metaebene� Der Voyeur ist nicht in erster Linie König David, den wir undeutlich links oben in luftiger Höhe auf dem Balkon eines barock weiterentwickelten Renaissance-Palastes entdecken können, sondern die Voyeure sind wir als Betrachter� Ganz sicher adaptiert Rubens den Text aus 2Sam 11, um weibliche Nacktheit inszenieren zu können - schon bei Franciabigio sahen wir ja im linken Bildfeld einen starken Akzent auf diesen Aspekt gesetzt -, und Rubens greift dabei als Model auf seine zweite, sehr junge Frau, Helene Fourment (1604-1673), zurück, die wir von dem wundervollen Bild Das Pelzchen im Kunsthistorischen Museum Wien kennen� 17 Wie nebenbei entdecken wir dabei einen weiteren Aspekt, den die Methode der korrelativen Text- und Bildwahrnehmung erschließt: dass der Text zwar konzeptualisiert von einer ‚Frau‘ spricht und diese sogar namentlich benennt, sie uns jedoch das Bild erst sichtbar konkretisiert� 18 Rubens, dem wir als humanistisch Gebildetem, der die Vulgata auf Latein las und mit der Statenbijbel umging, Textkenntnis zutrauen dürfen, macht zweifellos ernst mit V� 2e unseres Textes: ‚und die Frau war sehr schön�‘ Durch leichten Pinselduktus und mattierte Farben gelingt ihm der Ausdruck von Jugend und Leichtigkeit, wobei alles Licht auf der marmorweiß schimmernden Haut der Arme, der Beine und Füße, des Dekolletés und der entblößten Brüste liegt� Lässt sich in Rubens’ Bild aber nur der Aspekt weiblicher Schönheit und somit nur die Beschreibung Batsebas in V� 2e unseres Textes greifen? Oder erzählt das an Räumlichkeit gebundene Bild mit dem bildlichen Mittel der Simultaneität noch mehr von unserem Text? Bemerkenswert scheinen mir zunächst die Waagerechten zu sein, die die Bildkomposition aufweist: Von oben nach unten betrachtet, finden wir in der Brüstung des Balkons links oben im Bild eine erste Waagerechte; von hier aus späht König David nach unten� Eine Trias mittlerer waagrechter Linien bilden die Brückenfläche und die beiden Waagerechten der Gartenmauerkonstruktion, die den Raum um den Brunnen begrenzt� Hier fällt uns ein Brief, so weiß wie Batsebas Körper, ins Auge, den, farblich kontrastreich, ein dunkelhäutiger Bote überbringt� Die unterste Waagrechte, die fast mit der unteren Bildkante zusammenfällt, markiert den Rand des Brunnenbeckens, in das das Wasser aus der Brunnenschale überfließt� Batseba, die lässig an der Brunnenschale lehnt, zieht ihre Füße zierlich zurück, um nicht in das Brunnenbecken abzurutschen� Die hübsche, jugendlich leichte Batseba - am Abgrund? Davon jedenfalls scheint das Hündchen zu wissen, das zu ihren Füßen aufgeregt bellt� Sein grimmig abwehrender Ausdruck konterkariert Batsebas neugierigen Blick nach links 17 Vgl� dazu Alpers / Carroll, Bathsheba, 166� 18 Zu ‚Konkretheit‘ als Merkmal von Bildlichkeit vgl� Luz, Hermeneutik, 330 f� 60 Christina Hoegen-Rohls auf den briefüberbringenden Boten� Verbinden wir den Kopf des Boten mit dem Kopf Batsebas und führen die Linien von jedem der Köpfe hinunter zu dem Hündchen, so erhalten wir ein schräges, auf der Spitze stehendes Dreieck, das entsprechend der geometrischen Typologie Guschti Meyers für Unsicherheit und Instabilität steht� 19 Der schöne Schein des Bildes - aufgebrochen ganz im Sinne der gleich zu Beginn unseres Textes offenkundigen Konfliktkonstellation� Betrachten wir nach den Waagerechten und dem Dreieck nun auch die für die Bildkonstruktion wesentlichen Bilddiagonalen, so zeigt sich, dass unser Bild auch von den zeitlichen Begebenheiten aus Mitte und Schluss unseres Textes weiß, somit also keineswegs nur eine einzige Szene der Erzählung in den Blick rückt: Mit der von links oben nach rechts unten verlaufenden Diagonalen transportiert das Bild Anfang�2 unserer Erzählung (David auf dem Dach des Königspalastes in Jerusalem)� Die von rechts oben nach links unten verlaufende Diagonale übersetzt die Sendungsgeschichte�3 aus Mitte�1 (David sendet Boten und lässt Batseba holen)� Als textlich geschulten Sendungsexperten fällt uns allerdings auf, dass die vom Text im Plural genannten Boten in einen einzelnen Boten verwandelt sind und die im Text mündlich vermittelte Botschaft Davids an Batseba zur schriftlichen Briefbotschaft geworden ist� Bellt deshalb der Hund so aufgeregt? Dient er als Hermeneut für uns als Betrachter? Sollen wir das bevorstehende Unheil antizipieren und in dem abgebildeten Brief simultan auch schon den Brief an Uria vorausahnen? Und sollen wir somit davor gewarnt werden, uns von der nackten Schönheit einer Frau zu Davids Tat verführen zu lassen? Die nackte Batseba also als Tugendappell? Das Bild als Plädoyer für die Ethik der Kunst? Wir können Rubens eine solche Aussageabsicht durchaus zutrauen� Und wir entdecken zugleich, dass sein expressives Bild 20 - anders, als wir es vielleicht zunächst vermuten wollen - die David-Batseba-Erzählung in „räumlicher Zeitverdichtung“ 21 aus jener Perspektive beleuchtet, die in Schluss�3 und dem narrativen Scharnier zu 2Sam 12,1-15a zur Geltung kommt: aus dem Blickwinkel des Erzählerkommentars, der den Blickwinkel Gottes offenbart� Wandern wir, im Barock bleibend, nun aber Ort und Konfession wechselnd, zum reformierten Rembrandt 22 nach Amsterdam: 19 Vgl� dazu Meyer, Bilder, 77� Die typologisch-psychologische Kunstbetrachtung Guschti Meyers ist in der Kunstgeschichte keineswegs unumstritten� Sie bietet meiner Erfahrung nach jedoch ein hohes ‚Reizpotential‘, um Studierende zum ‚Sehen‘ zu bewegen� 20 Zur Expression in Rubens‘ Malerei und deren Bedeutung für Rubens‘ Kunstauffassung im Umfeld seiner Zeit vgl� Kemmer, Expression� 21 Vgl� dazu Luz, Hermeneutik, 332� 22 Vgl. dazu Rohls, Rembrandt, bes. 198-200.214-219. Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 61 Was wir vor uns sehen - ein Gemälde in Öl auf Leinwand in den Maßen 142 x 142 cm -, stellt im Werk Rembrandts dessen letzten Frauenakt dar, nach dem Urteil Simon Schamas auch seinen schönsten� 23 Doch anders als bei Rubens kommt es uns kaum in den Sinn, einfach nur Schönheit, geschweige denn Nacktheit zu bestaunen� Vielmehr verfallen wir angesichts des in warmen Farbtönen gehaltenen Bildes in tiefe Nachdenklichkeit, wie wir sie in Batsebas leicht geneigtem Kopf und ihrem wehmütigen Blick selbst gespiegelt sehen� Es zeigt keinen koketten Blick nach links, kein Hündchen, das bellt� Aber im Schnittpunkt der 23 Schama, Augen, 551� Abb. 3: Rembrandt Harmenszoon van Rijn (Leiden 1606 - Amsterdam 1669), Bathseba / Bathsheba Reading King David’s Letter (1654), Musée du Louvre, Paris © akgimages / André Held 62 Christina Hoegen-Rohls Bilddiagonalen ist der Brief zu sehen� Wie Rubens verwandelt Rembrandt die im Text mündlich überbrachte Königsbotschaft in ein schriftliches Dokument, und er zeigt uns Batseba, nachdem sie den Brief las� Er füllt damit eine Lücke, von der der Text schweigt� Charakteristisch für den späten Rembrandt ist es, dass er Figuren nach ihrer psychologischen, emotionalen, vergeistigten Innenseite darstellt� Das können wir auch für die Figur der Batseba bestätigen� Ganz besonders die sprechende Haltung der Hände und Arme und die feine Ausarbeitung der Augenpartie vermitteln präzise Batsebas emotionalen Zustand� Als taste sie nach Halt, stützt Batseba den linken Arm mit breit aufgefächerter linker Hand auf ein weißes Tuch (ein Handtuch oder Nachthemd oder Laken), während der rechte Arm schwer und erschöpft auf dem rechten Oberschenkel ruht, um der rechten Hand Gelegenheit zu geben, die unfassbare Botschaft zu begreifen� Die Augen mit den leicht hochgezogenen Brauen und die dadurch bewegte Stirn zeigen, dass Batseba nach innen blickt� Vor ihrem inneren Auge sieht sie vor sich, was kommen wird - im Interesse des Verhältnisses von Bild und Text gesprochen: Sie sieht V� 4c�d vor sich, die Erfüllung von Sendungsgeschichte�3: ‚Und als sie zu ihm kam, schlief er bei ihr‘. Dass die Einladung - oder der Befehl - des Königs zum Ehebruch führen wird, das ist es, was Batseba sich vor Augen hält� Diese innere Schau wird von Rembrandt durch die Art und Weise vertieft, in der er das traditionelle ikonographische Motiv ‚Batseba im Bade‘ modifiziert� 24 Drei Beobachtungen sollen dies beleuchten� Zum einen: Wir sehen Batseba nicht etwa wie bei Franciabigio bis zu den Knien in einem Brunnenbecken stehen oder sich an eine Brunnenschale anlehnen wie bei Rubens� Von einem Brunnen ist in unserem Bild keine Spur geblieben, sowenig mehr die Szene in einem Innenhof oder in einem Garten spielt� Die sog� „Freiraumszene“ 25 verlegt Rembrandt vielmehr in einen Innenraum, in das Gemach Batsebas, was seinem Anliegen entspricht, die inneren Gefühle Batsebas darzustellen� 26 Und weiter: So wie Rembrandt schon die mündliche Botschaft des Königs an Batseba in eine schriftliche verwandelte und dadurch möglicherweise das Uriamotiv aus Mitte�2 / Sendungsgeschichte�7 des Textes in das Batseba-Thema eintrug, so nutzt er ein weiteres Uriamotiv aus Mitte�2, um es auf Batseba zu übertragen, nämlich das Motiv der Fußwaschung� In Mitte�2 unseres Textes fordert David Uria auf, in sein Haus zu gehen und sich die Füße zu waschen (V� 8b�c)� Hier bei Rembrandt ist es Batseba, der von einer alten, sorgsam gekleideten Dienerin die Füße gewaschen werden� Natürlich müssen wir selbstkritisch fragen, ob wir Rembrandt eine Absicht unterstellen � 24 Vgl� dazu Kunoth-Leifels, Bathseba, 258� 25 Kunoth-Leifels, Bathseba, 255� 26 Alpers / Carroll, Bathsheba, 162� Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 63 Kennt Rembrandt den Text so genau, dass er dessen Motive bewusst und signifikant vertauscht? Doch wie für Rubens gilt auch für Rembrandt: Hier stehen nicht nur große Künstler, sondern auch exzellente Kenner des Bibeltextes vor uns, deren Anliegen und Können es ist, diesen in ihre Kunst zu transformieren und durch ihre Kunst zu kommunizieren� Die Modifikation des Motivs der badenden Batseba stützt in unserem Bild noch eine dritte, besonders eindrückliche Note: Indem Batsebas nach innen gerichteter Blick in direkter Diagonale zugleich auf den konzentrierten, mit der Fußwaschung befassten Blick der Dienerin trifft, erkennt sie die Nichtigkeit, die Unzulänglichkeit dieser äußeren Reinigung� Sie weiß, dass sich dieser ‚Akt der Reinigung‘ - wenn sie Davids Botschaft folgt - in einen ‚Akt der Beschmutzung‘ verwandeln wird� 27 Rembrandt signalisiert mit der beziehungsreich gestalteten Fußwaschungsszene, dass er den Kommentar in V� 4e (‚sie aber hatte sich gerade gereinigt von ihrer Unreinheit‘) nicht als Angabe über den weiblichen Zyklus liest, sondern als Hinweis auf Batsebas Verhängnis, kaum gereinigt, erneut in Unreinheit zu fallen - und zwar in eine Unreinheit, die keinen Vergleich mit der physischen aushält� Was Rembrandts Art der bildlichen Darstellung des biblischen Textes auslöst, ist der Aspekt des für die barocke Ästhetik und Poetik wesentlichen Motivs des movere � Sein Bild bewegt uns, wir fühlen mit Batseba - und entdecken im Vollzug der korrelativen Text- und Bildwahrnehmung einen weiteren Aspekt der Bildlichkeit des Bildes: seine Exemplarität� 28 Exemplarisch führt Rembrandt uns als Rezipientinnen und Rezipienten mit seiner in Melancholie und Trauer gehüllten Bathseba eine Figur vor Augen, mit deren tragischem Dilemma wir uns identifizieren sollen� Für die barocke Kultur liegt der Sinn von Bildern zugleich im docere , im Belehren� Was will Rembrandt mit seinem Bild lehren? Mir scheint: eher dem Text zu trauen als einer bestimmten Rezeptionstendenz, die in Batseba die Verführerin sieht� 29 Korrelative Text- und Bildwahrnehmung im Interesse synchroner exegetischer Textarbeit Die Methode der korrelativen Text- und Bildwahrnehmung kann ganz grundsätzliche Einsichten in das je Besondere von Text- und Bildsprache bzw� Text- und Bilderzählen vermitteln� So kann deutlich werden, dass das Bild das, was ein Text nacheinander erzählen muss, im räumlich begrenzten Feld seiner Fläche 27 Schama, Augen, 552 f� 28 Vgl� dazu Luz, Hermeneutik, 330 f� 29 Vgl� dazu Noort, Rezeptionsgeschichte, exemplarisch 69 f� 64 Christina Hoegen-Rohls nebeneinander und gleichzeitig erzählen kann: Zeitstrukturen biblischer Erzähltexte werden so in räumliche Strukturen übersetzt 30 � Darüber hinaus schärft der Umgang mit Bildern das Bewusstsein für synchrone exegetische Schritte in der Textarbeit wie Gliederung, Spannungsbogen, Figurenkonstellation, Pointe und kontextuelle Bezüge des Textes� Der bildlichen ‚Logik der Struktur‘, konstituiert durch die Linienführung im Bildraum, entspricht das gliedernde Erzählen des Textes in Anfang, Mitte, Schluss, die Einteilung in Erzählsequenzen, Einzelepisoden, Szenen, die Verwendung von narrativen Vor- und Rückverweisen� Die Logik des Bildes kann sich der narrativen Gliederung des Textes annähern, ihr vielleicht auch weitgehend entsprechen, sie kann der narrativen Abfolge aber auch widersprechen oder diese zumindest verändern, verwirren� Verbunden mit der Gliederung des Bildraums ist das bildsprachliche Element der Lichtführung� Dieses findet in der Textsprache ein korrelatives Pendant, nämlich in jenen Elementen, die die Spannungskurve des Textes erzeugen� Was ein Text durch Worte und Wendungen, durch Wortwiederholungen und Refrains, durch Parallelismen und Inklusionen aufbietet, um Spannung zu erzeugen, um Höhepunkte zu beleuchten und zwischen Haupt- und Nebenfiguren, Haupt- und Nebensträngen der Erzählung zu unterscheiden, das regelt das Bild durch seine Lichtregie� Auch das Format eines Bildes kann den synchronen Blick auf einen biblischen Text unterstützen: Welcher Erzählzug, welche Figur des Textes wird durch die Wahl des Bildformats in besonderer Weise hervorgehoben? Beachtung für das synchrone Erfassen narrativer Textstrukturen verdient auch das Verhältnis zwischen den im Text agierenden und den ins Bild gesetzten Figuren� Biblische Bilder können das Figurenpotential, das der Text narrativ aufbietet, fokussieren und auf eine Figur zentrieren oder aber durch im Text nicht genannte Figuren erweitern� Die Figurenkonstellation des Textes kann auf diese Weise bildsprachlich ergänzt, auf eine Deutung hin komprimiert und dabei dergestalt zugespitzt werden, wie es erst eine umfassende Bibellektüre weit über den Einzeltext hinaus ermöglichen kann� Biblische, an erzählte Figuren geknüpfte Theologie kann auf diese Weise im Bild zu ‚ikonischer Dichte‘ gelangen� 31 Leitfragen 32 zur Erschließung des Verhältnisses von Text und Bild samt einem kreativen Impuls zur Umsetzung des Text- und Bildeindrucks in einen poetischen Elf-Wort-Text: 30 Vgl� Luz, Theologische Hermeneutik, 332� 31 Zum Begriff ‚ikonische Dichte‘ vgl. Luz, Hermeneutik, 334-337. 32 Der Akzent liegt dabei nicht auf dem mimetischen, d� h� sich selbst als Betrachter in das Bild einschreibenden, Ansatz, wie ihn etwa Gerhard Büttner in Fortschreibung von Günter Langes Fragen zur ‚5� Stufe‘ der Bildbetrachtung vertritt� Vgl� dazu Büttner, Bibel, Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 65 1� Wie ist der Text gegliedert? Welches zeitliche Nacheinander, welche zeitlichen Vor- und Rückverweise werden in der biblischen Erzählung erkennbar? Von welchen Figuren lebt der Text? 2� Welches Bildformat wird für die Darstellung des biblischen Textes gewählt? Welche Größe hat das Bild? Lässt sich zwischen Bildformat, Bildgröße und Textinhalt ein Bezug herstellen? Welcher Erzählzug, welche Figur des Textes wird durch die Wahl des Bildformats in besonderer Weise hervorgehoben? 3� Welche ‚Logik der Struktur‘ ergibt sich aus dem Bildaufbau und der Linienführung im Bildraum? Ergeben sich aus Waagrechten, Vertikalen, Diagonalen u� a� Hinweise auf den besonderen Erzählgehalt des Bildes? Welche Szenen des Textes werden durch die Lichtführung des Bildes in besonderer Weise ‚beleuchtet‘? 4� Welche Textbezüge des Bildes lassen sich festmachen (z� B� Anfang / Mitte / Schluss; bestimmte Erzählsequenzen / Episoden / Szenen)? Wird im Bild der bildsprachliche Aspekt der ‚Simultaneität‘ erkennbar? 5� Aus welcher Perspektive erzählt das Bild den biblischen Text (z� B� vom Anfang / vom Schluss / vom Höhepunkt aus; aus der Perspektive einer der Figuren; aus der Perspektive des Erzählerkommentars)? 6� Wie steht die Bildaussage zur Textaussage? Entspricht sie dem Text? Widerspricht sie dem Text? Fokussiert das Bild einen bestimmten Aspekt des Textes? Verdichtet oder verkürzt es diesen? Ergänzt das Bild den biblischen Text und seine narrative Logik, z� B� durch das Füllen sachlicher ‚Lücken‘ oder durch weitere biblische Bezüge? Führt es die biblische Aussage weiter? 7� Eröffnet uns das Bild eine neue Leseweise des biblischen Textes? 8� Eingedenk des durch die Fragen 1-7 zum Verhältnis von Bild und Text Erarbeiteten: Welchen genaueren Titel würden Sie dem Bild geben? 9� Kreativer Impuls : Versuchen Sie, Ihre Einsicht in den Text und den Eindruck, den das Bild auf Sie macht, zu verknüpfen und in einem kreativen Elf-Wort-Text festzuhalten! 33 559; Lange, Bilder, 155� Die fünf Stufen der Bildbetrachtung stehen bei Lange unter den Leitfragen (1) Was sehe ich? (2) Wie ist die Bildfläche organisiert? (3) Was löst das Bild in mir aus? (4) Was hat das Bild zu bedeuten? (5) Was bedeutet das Bild für mich? Die Text- Bild-Relation kommt bei Büttner und Lange nicht in den Blick� 33 Zur Methode des Elf-Wort-Textes vgl� Zimmermann, Kreatives Schreiben, 507 f� Zu 2Sam 11,1-12,1 und der Arbeit an Rembrandts Bathseba fomulierte eine Studierende im Schema des Elf-Wort-Textes folgende poetische Miniatur, die nicht nur emotionale Empathie zum 66 Christina Hoegen-Rohls Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text: Der hochschuldidaktische Gewinn korrelativer Text- und Bildwahrnehmung für die exegetische Arbeit Die Frage, ob die Beschäftigung mit biblischen Bildern in der hochschuldidaktischen Praxis das Verstehen biblischer Texte fördern könne, ist nach meiner Einschätzung eindeutig zu bejahen� Aufgrund langjähriger Erfahrung, gesammelt in den von mir mit wechselnden Schwerpunkten durchgeführten Seminaren Bild und Botschaft 34 , kann ich den Gewinn korrelativer Text- und Bildwahrnehmung in mindestens dreifacher Hinsicht benennen: Erstens motivieren biblische Bilder Studierende dazu, den biblischen Text aufzusuchen, zu lesen und genau zu studieren - also genau das zu investieren, was für die exegetisch-theologische Arbeit unabdingbar ist und zu eigenständigen Beobachtungen und Erfolgserlebnissen führt� Studierende reflektieren dabei den ‚hermeneutischen Zirkel‘ korrelativer Text- und Bildwahrnehmung: Hätte ich, wenn ich zuvor nicht den Text wahrgenommen hätte, die Feinheiten der Bilder entdeckt? Hätte ich aber, wenn ich nicht von den Bildern vor Probleme gestellt worden wäre, überhaupt den Bibeltext so genau gelesen, wie ich es tat, als ich versuchte, die Bildsprache zu entschlüsseln? Zweitens fördert der Umgang mit biblischen Bildern auf komplexe Weise die Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Sprachkompetenz von Studierenden� Studierende bemerken bei der korrelativen Text- und Bildwahrnehmung durchaus, dass sie im mehrdimensionalen Umgang mit Textsprache und Bildsprache selbst ‚mehrsprachig‘ werden� Drittens : Meiner Erfahrung nach werden biblische Bilder in der Praxis exegetischer Lehr-/ Lern-Prozesse von Studierenden keineswegs eindimensional als ‚Aufhänger‘ missverstanden� Studierende nehmen vielmehr wahr, dass biblische Bilder ein anspruchsvolles Formen- und Sinnpotential bieten, um das, wie um den biblischen Text, gerungen werden muss� Daher herrscht bei Studierenden auch manchmal zu Beginn des Semesters durchaus Ausdruck bringt, sondern auch die dezidierte Parteinahme für Batsebas Unschuld an ihrem Schicksal, Uria sowie ihr erstes gemeinsames Kind mit David zu verlieren: Zeile 1: Ein Wort: Batseba, Zeile 2: Zwei Worte: Deine Trauer - Zeile 3: Drei Worte: Der blutige Brief Zeile 4: Vier Worte: nimmt Dir zwei Leben� Zeile 5: Ein Wort: Unschuldig� 34 Der übergeordnete Titel lehnt sich bewusst an von Metzsch, Bild, an� Im Münsteraner Curriculum bot ich zuletzt die Seminare Chagall und die Bibel und Biblische Texte in der Malerei Rembrandts und Rubens‘ an, die sich in unterschiedliche Module einfügten (zum Beispiel in die Module Religion und Lebenswelt und Kommunikation des Evangeliums )� Verbunden waren die Seminare jeweils mit einer Museums-Exkursion in eine aktuelle Ausstellung oder eine ständige Sammlung� Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 67 Skepsis gegenüber dem Medium ‚Bild‘ in kunsthistorischer Gestalt: Kann ich (als Laie) zum Dargestellten überhaupt etwas Sinnvolles, Fundiertes sagen? Meiner Erfahrung nach helfen die vorgestellten Leitfragen, sich Schritt für Schritt auf das ‚Sehen‘ einzulassen, Seheindrücke und Seherfahrungen zu sammeln und sich darüber kontrovers auszutauschen� Studierende sind vielfach überrascht davon, wie unterschiedlich sie biblische Bilder ‚sehen‘ - und reflektieren von hier aus ihre unterschiedlichen Leseeindrücke des biblischen Textes� Auf diese Weise sensibilisieren sie sich gerade im Umgang mit Bildern auch für das hermeneutische Vorverständnis, das in ihre exegetische Arbeit am biblischen Text miteinfließt� Da das Bild in seiner Sprache eine relecture des biblischen Textes bietet, konfrontiert es Studierende und uns als Lehrende im hochschuldidaktischen Lehr-/ Lern- Prozess mit unseren Lesegewohnheiten biblischer Texte, bricht möglicherweise eingefahrene Deutungsmuster auf und bringt Überraschungen mit sich, die unser theologisches Verständnis bereichern und vertiefen� Immer wieder staunen Studierende darüber, wie facettenreich sich das Verhältnis zwischen Text und Bild darstellt. Scheinbare ‚Kleinigkeiten‘ im Text - einzelne Erzählzüge, einzelne Figuren, einzelne Formulierungen, die der Aufmerksamkeit beim Lesen entgingen - können im Bild eine unübersehbare Größe und Bedeutung gewinnen, inszeniert von Farbe, Format und Figurenkomposition� So reflektierte ein Studierender bei der korrelativen Text- und Bildwahrnehmung der lukanischen Weihnachtsgeschichte (Lk 2,1-10), dass er der im Text auf die Engelserscheinung folgenden Reaktion der Hirten ‚und sie fürchteten sich sehr‘ (Lk 2,9) niemals Bedeutung beimaß, bevor er sich im Seminar mit Rembrandts Radierung Verkündigung an die Hirten (1634) 35 beschäftigte und dabei das schiere Entsetzen und Überwältigtsein der vor dem gleißenden Lichtglanz zurückweichenden Hirten samt ihrer in alle Richtungen davonstiebenden Tiere zu Gesicht bekam� Es sind genau solche Entdeckungen, die den technisch und fachlich aufwendigen Einsatz von Bildern in bibelwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen voll und ganz rechtfertigen und dazu führen, dass Studierende am Ende des Semesters das Lesen von Texten ohne Bilder fast schon als ‚zu einsprachig‘ empfinden� Literatur Alpers, Svetlana / Carroll, Margaret D�: Not Bathsheba, in: Adams, Ann Jensen: Rembrandt’s Bathsheba Reading King David’s Letter, Cambridge u. a. 1998, 147-175. Barghahn, Barbara von: Rubens, Peter Paul, OEBART 2 (2015), 340-346. 35 Vgl� dazu Kreutzer, Rembrandt, 86 f� 68 Christina Hoegen-Rohls Baudouin, Frans: Peter Paul Rubens, New York 1989� Belting, Hans: Kunstgeschichte� Eine Einführung, Berlin 7 2008� Boehm, Gottfried: Wie Bilder Sinn erzeugen� Die Macht des Zeigens, Berlin 2007� Bredekamp, Horst: Theorie des Bildakts, Berlin 3 2013� Burbaum, Sabine: Barock, Kunst-Epochen Bd� 8 ( RUB 18 175), Stuttgart 2003� Burrichter, Rita / Gärtner, Claudia: Mit Bildern lernen� Eine Bilddidaktik für den Religionsunterricht, München 2014� Büttner, Gerhard: Bibel und Kunst, in: Zimmermann, Mirjam / Zimmermann, Ruben: Handbuch Bibeldidaktik ( UTB 3996), Tübingen 2013, 554-559. Büttner, Nils / Heinen, Ulrich: Peter Pauls Rubens� Barocke Leidenschaften, Braunschweig / München 2004� Büttner, Nils: Einführung in die frühneuzeitliche Ikonographie, Darmstadt 2014� Günzel, Stephan / Mersch, Dieter (Hg�): Bild� Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart / Weimar 2014� Hartenstein, Friedhelm / Moxter, Michael: Hermeneutik des Bilderverbots� Exegetische und systematisch-theologische Annäherungen (Th LZ �F 26), Leipzig 2016� Hecht, Christian: Katholische Bildertheologie im Zeitalter von Gegenreformation und Barock� Studien zu Traktaten von Johannes Molanus, Gabriele Paleotti und anderen Autoren, Berlin 1997� Hellwig, Karin: Peter Paul Rubens, Hamburg 2012� Hoegen-Rohls, Christina: Schritt für Schritt auf dem Weg in den Text� Die Methode der Verssegmentierung am Beispiel von Joh 4,1-15, VvAa 1 (2016), 27-59. Kemmer, Claus: ‚Expression‘, ‚effet‘ und ‚esprit‘� Rubens und die Kunsttheorie des 17� Jahrhunderts, in: Büttner, Nils / Heinen, Ulrich (Hg�): Peter Pauls Rubens� Barocke Leidenschaften, Braunschweig / München 2004, 99-106. Kipfer, Sara: Der bedrohte David� Eine exegetische und rezeptionsgeschichtliche Studie zu 1Sam 16-1Kön 2 ( SBR 3), Berlin / Boston 2015� Kirschbaum, Engelbert / Braunfels, Wolfgang (Hg�): Lexikon für christliche Ikonographie ( LCI ), 8 Bde., Freiburg u. a. 1968-1976 (1994 / 2004). Kopp-Schmidt, Gabriele: Ikonographie und Ikonologie� Eine Einführung, Köln 2004� Krauss, Heinrich / Uthemann, Eva: Was Bilder erzählen� Die klassischen Geschichten aus Antike und Christentum in der abendländischen Malerei, München 2 1988, 6 2011� Kreutzer, Maria: Rembrandt und die Bibel� Radierungen, Zeichnungen, Kommentare, Stuttgart 2003� Kunoth-Leifels, Elisabeth: Art� Bathseba, LCI 1 (1994 / 2004), 253-257. Lange, Günter: Aus Bildern klug werden, in: Müller, Wolfgang Erich / Heumann, Jürgen (Hg�): Kunst-Positionen� Kunst als Thema evangelischer und katholischer Theologie, Stuttgart 1998� Luz, Ulrich: Theologische Hermeneutik des Neuen Testaments� Neukirchen-Vluyn 2014� Mackillop, Susan Regan: Franciabigio, Berkeley 1974� Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 69 Marx, Harald: Gemäldegalerie Alte Meister Dresden� Illustrierter Katalog in zwei Bänden, Bd� I: Die ausgestellten Werke, Köln 2 2006; Bd� II : Illustriertes Gesamtverzeichnis, Köln 2 2007� Marx, Harald: Gemäldegalerie Dresden - Alte Meister. Sammlung, Bau, Geschichte, Leipzig 2008� Meyer, Guschti: Sprache der Bilder� Kunst verstehen� Form, Farbe, Komposition, Leipzig 2011� Metzsch, Friedrich-August von: Bild und Botschaft� Biblische Geschichten auf Bildern der Alten Pinakothek München, Bd. 1-3, München 2002-2006. Noort, Ed: Rezeptionsgeschichte der Bibel als hermeneutisches Konzept, in: Fischer, Irmtraud (Hg�), Bibel- und Antikenrezeption� Eine interdisziplinäre Annäherung, Münster 2014, 46-76. Pächt, Otto: Rembrandt (1991), hg� v� Edwin Lachnit, München 2 2005� Perlove, Shelley: Rembrandt, OEBART 2 (2015), 254-265. Pigler, Andor: Barockthemen� Eine Auswahl von Verzeichnissen zur Ikonographie des 17� und 18� Jahrhunderts, Bd� I: Darstellungen religiösen Inhalts, Budapest 2 1974; Tafelband, Budapest 1974� Rohls, Jan: Rembrandt und der niederländische Protestantismus, KuD 52 (2006), 198-224. Sauerländer, Willibald: Der katholische Rubens� Heilige und Märtyrer, München 2011� Schama, Simon: Rembrandts Augen, Berlin 2000� Schwartz, Gary: Das Rembrandt Buch� Leben und Werk eines Genies, München 2006� Stoellger, Philipp: Bildwissenschaften / Theologie, in: Günzel, Stephan / Mersch, Dieter (Hg.): Bild. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart / Weimar 2014, 439-446. Wetzel, Christoph: Wie erkenne ich? Christliche Symbole in der Kunst, Stuttgart 2009� Wetzel, Christoph: Die Bibel in der bildenden Kunst ( RUB 18 571), Stuttgart 2009� Zimmermann, Mirjam: Kreatives Schreiben, in: Zimmermann, Mirjam / Zimmermann, Ruben: Handbuch Bibeldidaktik ( UTB 3996), Tübingen 2013, 503-508.