eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 1/2

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2016
12 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Sönke Finnern/Jan Rüggemeier, Methoden der neutestamentlichen Exegese. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Tübingen 2016, Francke (utb 4212), 300 Seiten, kartoniert, ISBN 978-3-8252-4212-1, € 24,99

2016
Michael Schneider
Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 1 - 2016, Heft 2 Sönke Finnern/ Jan Rüggemeier, Methoden der neutestamentlichen Exegese. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Tübingen 2016, Francke (utb 4212), 300 Seiten, kartoniert, ISBN 978-3-8252-4212-1, € 24,99 rezensiert von Michael Schneider Zum Buch Sönke Finnerns und Jan Rüggemeiers Einführung in die »Methoden der neutestamentlichen Exegese« erschließt einen Bereich neutestamentlicher Forschung für Studium und Lehre, der sich während der letzten Jahrzehnte zunehmend ausdifferenzierte� Angesichts der Vielfalt und Breite methodischer Neuansätze, innerdisziplinärer Perspektivverschiebungen und interdisziplinärer Einflüsse lässt sich der Gegenstandsbereich »exegetische Methoden« nur schwer eingrenzen� Den Autoren ist dieses Problem bewusst; statt eines unverbundenen Nebeneinanders verschiedener Methoden möchten Finnern und Rüggemeier allerdings einen »Schmelztiegel der Auslegungsmethoden« (so die Ankündigung des Titels) vorlegen� In diesem Schmelztiegel finden sich textkritische Untersuchungen, »klassische« historisch-kritische Methoden, aber auch Ansätze aus Linguistik, Literaturwissenschaft und Psychologie� Einen besonderen Schwerpunkt bilden die Abschnitte zur methodischen Erschließung von Erzähltexten, die - im Anschluss an Finnerns eigene Arbeiten zur Narratologie - aktuelle Forschungsdiskussionen für die Lehre zu Studienbeginn aufbereiten� Nicht nur hermeneutische und methodische Ansätze differenzierten sich in den letzten Jahren und Jahrzehnte aus - ähnliches gilt auch für den Buchmarkt im Bereich der einführenden Literatur� Buchhandlungen und Bibliotheken halten eine große Zahl von Lehrbüchern als Begleitliteratur zu grundlegenden neutes- 128 Rezensionen tamentlichen Lehrveranstaltungen (theologische und historische Einführungen bzw� Einleitungen, Bibelkunden, exegetische Methodenlehren für Studierende unterschiedlicher Studiengänge) bereit� Während Lehrende noch in den 1990er Jahren in den genannten Veranstaltungen auf ein oder zwei Titel zur kursorischen Lektüre verweisen konnten, sind heute auf den ersten Blick selbst innerhalb des UTB-Angebots, in dem das rezensierte Werk erscheint, alle Bereiche der einführenden Literatur mehrfach besetzt� Auf den zweiten Blick weichen diese Titel aber teilweise deutlich voneinander ab, da sie in den Studienstrukturen nach Bologna jeweils anderen Studienstandorten und unterschiedlich profilierten Studiengängen als Grundlagenliteratur dienen. Beim Thema der »Methoden der neutestamentlichen Exegese« treffen nun Methodenpluralismus und sich ausdifferenzierender Lehrbuchmarkt zusammen: Ein gewisser Methodenkonsens (mit einem mehr oder weniger einheitlichen historisch-kritischen Methodenkanon) wurde durch einen Methodenpluralismus ersetzt. Gleichzeitig wurden auf dem Lehrbuchmarkt wenige Titel, die diesen Konsens über viele Auflagen abbildeten (etwa die Bücher von Strecker/ Schnelle oder auch Conzelmann/ Lindemann) durch eine große Zahl von unterschiedlichen »Einführung in die exegetischen Methoden« abgelöst� Finnern und Rüggemeier versuchen angesichts dieser doppelten Ausdifferenzierung beides: einen Überblick über ganz unterschiedliche methodische Ansätze einerseits und ein Konzept für ein konkret durchführbares methodisches Proseminar andererseits� Dafür, dass dieser Spagat gelingt, ist es von nicht geringer Bedeutung, dass die vorgestellten methodischen Ansätze nicht nur nebeneinander gestellt, sondern in einem gemeinsamen Konzept aufeinander bezogen werden� Die unterschiedlichen in deutsch- und englischsprachigen Methodenbüchern bearbeiteten Ansätze bringen die Autoren in ein systematisches Ganzes, indem sie zunächst verschiedene »Grundinteressen des Umgangs mit Texten« unterscheiden, die als »philologisch, historisch, systematisch, kritisch, praktisch« (7) identifiziert werden können� Die im Folgenden dargestellten konkreten Methoden(schritte) werden dann diesen Aspekten zugeordnet und somit systematisch in eine kohärente Textanalyse eingeordnet� Die »Grundinteressen im Umgang mit Texten« werden im Buch durchaus unterschiedlich gewichtet� Den weitaus größten Anteil in der Darstellung nehmen solche Methoden ein, die sich einem »philologischen Grundinteresse« verdanken� Finnern und Rüggemeier differenzieren daher innerhalb dieser philologischen Perspektive noch einmal zwischen fünf unterschiedlichen Zugängen zu bzw� Leitfragen an den (biblischen) Text� Hinter dem von den Autoren verwendeten Akronym »B-E-S-E-N« verbergen sich die Untersuchungsaspekte »Text-Bestimmung, Text-Entstehung, Text-Struktur, Text-Erklärung und Text- Nachwirkung�« (7) Diese Aspekte und die damit korrespondierenden Methoden Rezensionen 129 werden in Teil I auf ca. 250 Seiten ausführlich dargestellt. Demgegenüber fallen die Abschnitte zu den vier weiteren Aspekten der Textanalyse deutlich knapper aus. Der Abschnitt zum »historischen Grundinteresse« (265-274) geht unter der Leitfrage »Ist das Erzählte historisch wahr? «, hinter den Text zurück und skizziert entsprechende Forschungsfelder wie die »Leben-Jesu-Forschung« oder die Frage nach dem »historischen« bzw� »erinnerten Jesus«� Mit der Frage »Welche Themen behandelt der Text? «, geht Kapitel 13 (276-289) »systematischen« bzw� »thematischen« Problemen nach, bevor sich der folgende Abschnitt (290-299) »kritisch« mit der Beurteilung des biblischen Textes aus einer textexternen (ästhetischen oder auch »engagierten«) Perspektive auseinandersetzt. Kapitel 13 (300-320) widmet sich schließlich einem »praktischen« Grundinteresse nach »Verwendungsmöglichkeiten der Exegese« und gibt dabei einen Ausblick auf die Rezeption biblischer Texte in Predigt und Unterricht, Medien und Gegenwartskultur und nicht zuletzt - ganz praktisch - in einer Seminararbeit� Zur Didaktik Obwohl das Buch den konkreten Einsatz in einem exegetischen Proseminar immer im Blick behält, ergibt sich die didaktische Konzeption nicht unmittelbar aus dieser Verwendbarkeit in einer (universitären) Lehrveranstaltung� Vielmehr ist das didaktische Konzept des Lehrbuchs eng mit dessen hermeneutischem Ziel, »Grundinteressen des Umgangs mit Texten« zu differenzieren, verknüpft. Studierenden (und anderen Interessierten) soll ein Leitfaden an die Hand gegeben werden, um »sich über die Methoden des eigenen Bibelverstehens klar zu werden,« (V) und wesentliche hermeneutische und methodische Zugänge der gegenwärtigen Exegese kennenzulernen� Schließlich sollen Studierende über methodengeleitetes Arbeiten an biblischen Texten grundlegende Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens überhaupt kennenlernen: »Die Wissenschaftlichkeit steht und fällt mit der Methodik�« (1) Sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der didaktischen Ebene ist dem Band daher ein so klares wie reflektiertes Konzept zu bescheinigen: Exegetische Methoden (aus ganz unterschiedlichen hermeneutischen und methodologischen Kontexten) dienen der wissenschaftlichen Erarbeitung und intersubjektiven Kommunikation von Entstehung, Struktur, Eigenart und Nachwirkung eines (biblischen) Textes� Die einzelnen Methoden lassen sich ergänzend aufeinander beziehen und mit dem vorliegenden Buch sukzessive einüben� Dieses Konzept hat sicherlich Studierende in den Anfangssemestern als primäre Zielgruppe im Blick� Der Fließtext setzt daher auch kein exegetisches (und 130 Rezensionen theologisches) Fachvokabular voraus� Erklärungsbedürftige Fachtermini bzw� im Text erläuterte Themen werden durch hellgraue Kästchen/ Eyecatcher am Rand hervorgehoben� Jeder Abschnitt beginnt mit einer Liste der im Folgenden bedeutsamen Leitbegriffe, und komplexe Zusammenhänge werden tabellarisch zusammengefasst. Die Kapitel zu den einzelnen Methoden (Abschnitte 2-13) sind weitgehend nach demselben Konzept aufgebaut� Die Verfasser beginnen i� d� R� mit Beispielen für Textauslegung bzw� -interpretation aus der Alltagswelt, die das jeweilige erkenntnisleitende Interesse einer Methode veranschaulichen� Darauf folgt eine (forschungsgeschichtliche) Einführung, die dann zu einer methodischen Konkretion führt� Abschließend wird im Abschnitt »Demo« eine beispielhafte Analyse an konkreten Texten (zumeist von Studierenden erstellt) beigefügt� Zur Methodik Neben den im vorherigen Abschnitt genannten Ergänzungen des Fließtexts bietet das Lehrbuch eine Reihe weiterer Beigaben, die zur eigenständigen und differenzierten Weiterarbeit anregen und gezielt anleiten� So stehen etwa eine Fülle weiterführender und ergänzender Literaturangaben (systematisch am Ende der Abschnitte und jeweils direkt in Fußnoten) sowie Wiederholungsfragen zur Verfügung. Letztere können in Einzelarbeit oder in der Gruppe (»Vernetzen Sie sich«) bearbeitet werden� Es gelingt Finnern und Rüggemeier, ganz unterschiedliche Lerntypen an die Arbeit mit exegetischen Methoden heranzuführen� Diese erschließen sich je nach persönlicher Auswahl über Beispiele aus der Alltagswelt, forschungsgeschichtliche Einordnungen, konkret dargestellte Methodenschritte, »Musterlösungen« und Anregungen zur individuellen oder gemeinsamen Weiterarbeit� Die Kapitel schließen jeweils mit kurzen Kontrollen der Lernziele (»Überprüfen Sie sich selbst anhand der Lernziele«), mit denen die Lesenden erworbene Fähigkeiten (»Sie können jetzt…«) und erworbenes Wissen (»Sie kennen jetzt…«) selbstständig überprüfen können. Trotz dieser vielfältigen Ergänzungen bleibt auch der reine Fließtext des Lehrbuchs für sich alleine fortlaufend lesbar� Dem Buch gelingt es auch hier, über ganz unterschiedliche Methodenschritte hinweg, einen »roten Faden« (oder: »B-E- S-E-N«) erkennen zu lassen� Rezensionen 131 Das Buch als Lehr- und Lernbuch Finnerns und Rüggemeiers »Methoden der neutestamentlichen Exegese« ist nach meinem Leseeindruck äußerst vielfältig als Lehr- und Lernbuch einsetzbar� Es lässt sich gewinnbringend auch als Grundlage eigenständiger Arbeit (zum Selbststudium, zur Prüfungsvorbereitung sowie als Nachschlagewerk) nutzen� Sein primärer Ort ist jedoch zunächst einmal ein neutestamentliches Probzw� Methodenseminar, das Studierende mit Griechischkenntnissen in den ersten Studiensemestern im Blick hat� Durch das klare didaktische Konzept und auch die Einteilung in zwölf »verpflichtende« und weitere »optionale« Abschnitte eignet es sich passgenau für den Einsatz in bzw� neben einer einsemestrigen Lehrveranstaltung� Diese »direkte praktische Verwendbarkeit im Proseminar« (V) ist auch den Autoren ein Anliegen, so dass sie die einzelnen Abschnitte auf die »Erfordernisse des Semesters zugeschnitten« haben und »zur Vorbzw� Nachbereitung jeweils ein Kapitel pro Semesterwoche gelesen werden kann«� Als in dieser Form absolutes Alleinstellungsmerkmal stellen die Autoren für den Einsatz im neutestamentlichen Proseminar nicht nur Online-Materialien zur Verfügung� Das im Vorwort angekündigte Zusatz-Material besteht vielmehr aus kompletten, von Lehrenden individuell anzupassenden Unterrichtsmaterialien (inkl� Arbeitsblätter) und detaillierten Stundenverlaufsplänen (inkl� Erwartungshorizont an Studierende und Dozierende bzw� Kompetenzziele)� Die einzelnen Abschnitte oder das Buch als Ganzes können so in unterschiedlichen (bestehenden) Proseminarkonzepten zur begleitenden Lektüre eingesetzt werden� Zugleich haben die Autoren mit ihrem Band aber auch ein innovatives, unterschiedliche Methoden verbindendes Modell für ein neutestamentliches Methodenseminar neu ausgearbeitet� Diejenigen Lehrenden, die im Wesentlichen ein historisch-kritisches Proseminar anbieten, finden grundlegende Darstellungen aller relevanten Methoden und Ergänzungen weiterer textanalytischer Verfahren� Lehrende, die bereits stärker »neuere« exegetische Ansätze aufgreifen, wird eine Fundgrube für vernetzte methodische Arbeit geboten� Konfessionelle Perspektiven werden im Lehrbuch nur in den wenigen Kapiteln, in denen sie tatsächlich eine Rolle für die Texthermeneutik spielen (etwa bei den Ausführungen zur Kanonhermeneutik oder zu Bibelübersetzungen), diskutiert� Und auch wenn eine dezidierte Einführung in Methoden der neutestamentlichen Exegese vorliegt, ließen sich die einzelnen Methodenschritte, erst recht aber das verschiedene Grundinteressen verbindende Gesamtkonzept (»B-E-S-E-N«) auch auf die Auslegung alttestamentlicher Texte übertragen - ein weiterer Vorteil des Buchs, den die Autoren allenfalls implizit ansprechen, indem sie die Leserschaft am Ende ganz allgemein als »Exegetinnen und Exegeten« adressieren: »Jetzt sind Sie an der Reihe - Sie gehören zur neuen 132 Rezensionen Generation der Exegetinnen und Exegeten! « (319). Finnern und Rüggemeier reagieren auf die eingangs beschriebene doppelte Ausdifferenzierung der exegetisch-hermeneutischen Ansätze und der Lehrbuchliteratur mit einem Werk, das zugleich Lehrwerk und Kompendium, Lehr- und Lernbuch, positionelles Konzept und Fundgrube für andere Seminarkonzepte ist� Jetzt sind die Lehrenden und Lernenden an der Reihe, diesem Buch den verdienten Stammplatz im Regal der neutestamentlichen Studienliteratur zu verschaffen�