eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 1/2

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2016
12 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Erich Zenger u. a.: Einleitung in das Alte Testament. Herausgegeben von Christian Frevel. 9., aktualisierte Auflage. Stuttgart 2016, Kohlhammer (KStTh 1,1), 728 Seiten, kartoniert, ISBN 978-3-17-030351-5, € 34,00

2016
Melanie Köhlmoos
Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 1 - 2016, Heft 2 Rezensionen Erich Zenger u. a.: Einleitung in das Alte Testament. Herausgegeben von Christian Frevel. 9., aktualisierte Auflage. Stuttgart 2016, Kohlhammer ( KS tTh 1,1), 728 Seiten, kartoniert, ISBN 978-3-17-030351-5, € 34,00 rezensiert von Melanie Köhlmoos Zum Buch »Der Zenger« ist längst ein Klassiker: Die erste Auflage erschien vor zwanzig Jahren (1995). Als erste Einleitung in das AT machte sie die Umbrüche in Pentateuch-, Psalmen- und Prophetenforschung in der Einleitungswissenschaft sichtbar� Überdies nimmt sie durch ihr programmatisches Anfangskapitel »Heilige Schrift der Juden und der Christen« (A: S. 11-26) einen theologischen Ausgangspunkt für die Exegese ein� Drittens schließlich war sie erste Einleitung, die als Gemeinschaftswerk konzipiert ist und trotzdem eine gemeinsame Linie besitzt. Gekennzeichnet ist Zengers »Einleitung« darüber hinaus durch zwei weitere Charakteristika: Erstens ist sie um konsequente Aktualität bemüht� Neun Auflagen in zwanzig Jahren bedeutet durchschnittlich alle zwei Jahre eine neue Auflage� Hinsichtlich der Aktualität ist dies bemerkenswert und verdient Hochachtung: Die Einleitungswissenschaft gibt sich daher als genuines Forschungsfeld zu erkennen, das ständig im Fluss ist� Das macht die »Einleitung« aber auch gerade für Lehrende zu einem recht schwierigen Buch, verlangt sie doch eine ständige Neuanschaffung und -lektüre, will man das Buch zur Grundlage der Lehre machen� Es ergibt sich die Frage: Hat Einleitungswissenschaft wirklich so eine geringe »Halbwertszeit«? Zweitens ist Zengers »Einleitung« als einzige im deutschsprachigen Gebiet international ausgerichtet: Die Literaturverzeichnisse weisen im Schnitt zwischen 30 und 50 % fremdsprachige Literatur (auf Englisch, 122 Rezensionen Französisch, Holländisch, gelegentlich auch Italienisch und Spanisch) auf� Das macht es für Studierende wie Lehrende als Recherchetool außerordentlich hilfreich� Was unterscheidet die 9� Auflage nun von den vorigen? 1 Das Kapitel »Grundriss der Geschichte Israels« ist inzwischen als eigenständiges Werk publiziert. 2 Damit ist die »Einleitung« wieder eine reine Einleitung geworden - die beiden vorigen Auflagen machten sie mehr zu einem Kompaktlehrbuch� Erstaunlicherweise ist die 9� Auflage trotzdem nicht dünner geworden: Sowohl mit als auch ohne »Geschichte Israels« hat sie einem Umfang von rd. 700 Seiten. Nach dem Tode Erich Zengers (2010) hat der neue Herausgeber Christian Frevel einen großen Teil von dessen Texten neu bearbeitet� Neue Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen wurden bisher nicht gewonnen� Eine solche Neuausrichtung ist für die 10. Auflage geplant. Obwohl die reine Einleitung 125 Seiten mehr Text als die Auflage von 2008 enthält, handelt es sich bei den Überarbeitungen durchgängig um leichte Akzentverschiebungen und Aktualisierungen; kein Kapitel wurde grundlegend revidiert� Das Buch umfasst sechs Kapitel� Das erste (A: »Heilige Schrift der Juden und der Christen«: S. 11-36) befasst sich mit der hermeneutischen Frage nach dem Alten Testament als Heiliger Schrift für beide Religionen� Anders als viele andere deutschsprachige Einleitungen 3 behandelt Zengers »Einleitung« so den Kanon nicht als das Ende eines Entstehungsprozesses, sondern als den Rahmen, in dem sich eine Beschäftigung mit dem Alten Testament sinnvollerweise entfalten sollte. Das zweite Kapitel (B. »Der Text und seine Geschichte«: S. 37-66) behandelt die Textgeschichte und -kritik des Alten Testaments. Ein solches Kapitel ist einzigartig unter den deutschsprachigen Einleitungen� Die Kapitel C-F bieten die eigentlichen Einleitungen in der Abfolge Pentateuch (C: S. 67-228), Geschichte (D: S. 229-406), Weisheit (E: S. 407-512) und Prophetie (F S. 513-710). Die Kapitel D-F sind gleichartig aufgebaut. Sie beginnen jeweils mit einem form- und theologiegeschichtlichen Überblick über das Teilcorpus 1 Es kann hier nicht der Ort für eine umfängliche Würdigung aller vorigen Auflagen sein� Die Referenz für die Bewertung ist daher die 7� Auflage von 2008� 2 Christian Frevel: Geschichte Israels (KStTh 1,2), Stuttgart 2015. 3 Etwa Jan-Christian Gertz (Hg.): Grundinformation Altes Testament. Eine Einführung in Literatur, Religion und Geschichte des Alten Testaments (utb 2745), Göttingen 5 2016� Hier bildet dieses Thema den abschließenden Teil� Bei Hans-Christoph Schmitt: Arbeitsbuch zum Alten Testament. Grundzüge der Geschichte Israels und der alttestamentlichen Schriften (utb 2146), Göttingen 3 2011, 149-172, beginnt der einleitende Teil mit Erwägungen zur Kanonsgeschichte und Hermeneutik, er folgt jedoch auf einen Überblick zur Geschichte Israels� Ähnlich verfahren auch die älteren Einleitungen von Werner H� Schmidt, Einführung in das Alte Testament, Berlin/ New York 5 1995, und Otto Kaiser, Einleitung in das Alte Testament. Eine Einführung in ihre Ergebnisse und Probleme, Gütersloh 5 1984� Rezensionen 123 und entfalten dann die einzelnen Bücher in der Abfolge »Aufbau«, »Entstehung«, »Theologie«� Als Besonderheit der »Einleitung« von Erich Zenger kann gelten, dass der Abschnitt »Aufbau« jeweils auf die Kompositionsstruktur der Endgestalt des Buches abhebt und daraus Impulse für entstehungsgeschichtliche Fragen ableitet� Die Beobachtungen zur Komposition werden als Indizien für entstehungsgeschichtliche Theorien gewertet, die in einem jeweils recht umfänglichen Forschungsüberblick dargeboten werden� Im Prinzip ist auch das Kapitel zum Pentateuch so angelegt, hier ist die Einleitung nach Überblick ( A I: S. 67-78), Forschungsgeschichte (A II : 79-135) und Entstehung (A III : S. 136-151) dann jedoch an den einzelnen Überlieferungseinheiten orientiert (A IV . Deuteronomium, S. 152-182; A V. Priesterschrift: S. 183-209; A VI � Vorpriesterschriftliche Texte, S. 210-228). Drei Anhänge schließen das Buch ab: Eine tabellarische Übersicht zur Geschichte Israels (S. 711-718), ein Glossar (S. 719-726) und ein Kartenteil (S. 727 f.). Zur Didaktik Didaktik und Methodik des Buches sind wesentlich von den zwei exegetischen und hermeneutischen Grundentscheidungen geprägt. Erstens: Das Alte Testament ist als Teil der einen Bibel und als heilige Schrift des Judentums wahrzunehmen� Die »Einleitung« von Zenger fängt damit historisch am Ende der Entwicklung der Schriften an: bei ihrer Qualität als Kanon� Theologisch gesprochen ist dies aber der Ausgangspunkt einer theologischen Beschäftigung mit der Bibel, also ihr Anfang� Im (didaktischen) Konzept wird dies vor allem in den jeweiligen Schlussabschnitten der Einzelabschnitte erkennbar, die unter dem Abschnitt »Theologie« 4 inhaltlich wichtige Aspekte des Buches eben unter theologischem Gesichtspunkt entfalten. Zweitens: Die Einzeleinleitungen gehen konsequent von der »Endgestalt« des Buches aus, d� h� von einem synchronen Überblick über Aufbau und Komposition� Diese beiden Grundentscheidungen leisten didaktisch, dass die einzelnen Bücher des Alten Testaments und seine kanonische Gestalt von Anfang an als sinnhaft gestaltete Gesamtkompositionen wahrgenommen werden: Vor der Frage nach der Entstehung steht die Würdigung des Buches als Buch� 5 Leider wird dieses Prinzip nicht auch in ein didaktisches Konzept des Buches umgesetzt� Nur beim Pentateuch und bei den Psalmen folgt auf den synchronen Überblick 4 So seit der 7� Auflage (2008)� Vorher lautete die Überschrift »Relevanz«� 5 Das unterscheidet Zengers »Einleitung« signifikant von der »Grundinformation«. Dort wird der Gesamtüberblick unter der Überschrift »Bibelkunde« verhandelt. 124 Rezensionen der Abschnitt »Hinweise auf eine komplexe und mehrstufige Entstehung« bzw� »Hinweise auf eine planvolle Buchkomposition«� So wird der Übergang von der »Reliefbeschreibung« 6 einer Komposition zu deren diachroner Analyse auch didaktisch transparent� In den übrigen Kapiteln ist das so nicht der Fall� Hier folgt nach der synchronen Analyse der Abschnitt »Entstehung«, der jedoch unterschiedlich eröffnet wird� Teils finden sich aufgelistete Vorstufen ( Josua, Richter, Könige), teils Problemanzeigen (Ruth; Esra-Nehemia), teils Vorläufertexte und mündliche Überlieferungen (Ijob), teils »Beobachtungen zur Diachronie« (Zwölfprophetenbuch)� Das Verfahren ist sachlich angemessen, indes wurde hier das didaktische Potenzial verschenkt, das im Grundkonzept liegt. Form, Stil und Gestaltung des Buches setzen ein geübtes Lesen voraus. Angezielt ist ein Lesepublikum, das mit der Bibel vertraut und vor allem fähig ist, Analyse- und Kompositionsergebnisse selbständig am Bibeltext zu überprüfen� Das heißt, die Verfasser rechnen mit Studierenden, die die Einleitung und die Bibel gleichzeitig lesen� Trotz eines Glossars, historischen Tabellen und Karten im Anhang des Buches ist das fachspezifische Niveau hoch. Verlangt wird im Grunde ein wissenschaftlich versiertes Lesepublikum, das nicht nur nebenbei seine Bibel bearbeitet, sondern sich ggf� auch weitere Informationen von anderswoher beschafft� Überdies werden Englischkenntnisse ebenfalls stillschweigend vorausgesetzt� Angenommen sind daher Studierende, die lernen und verstehen wollen: der klassische Student der vorigen Generation(en). Es bietet insofern recht vielfältige Gelegenheiten für selbstgesteuertes Lernen, als jede Leserin/ jeder Leser autonom entscheiden kann, wie tief sie/ er in die Materie eindringt: Das Spektrum reicht von der Möglichkeit, Stoff zu »pauken« bis zum Einstieg in die Forschung� Das Buch setzt ausschließlich auf Lerntypen und -stile, die durch das Lesen lernen und die Aneignungs-, Organisations- und Wiederholungsstrategien selbst entwickelten� Visualisiert wird ausschließlich durch Tabellen. Sie sind jedoch - anders als in den vorigen Auflagen - ohne Gitternetzlinien, Rahmung und Schattierung gesetzt; die Kompositionsanalysen sind dadurch deutlich weniger hilfreich als noch in den vorigen Auflagen� 7 Ein Grund für diesen deutlichen didaktischen Verlust lässt sich nicht benennen� Insgesamt bietet die enge und unübersichtliche Gestaltung nur insofern eine Motivation zu eigenständigem Lernen, als der Leser mit Farbstiften dem Material selbständig »zu Leibe rücken« muss� 6 Der Begriff von Blum, Erhard: Studien zur Komposition des Pentateuch (BZAW 189), Berlin 1990, 17� 7 Vgl. als Beispiel die Einleitung in das Buch Jesaja (7. Auflage: S. 428-439; 9. Auflage: S. 526-540). Rezensionen 125 Zur Methodik Methodisch ist die »Einleitung« von Zenger ein Musterbeispiel wissenschaftlicher Texte� Die Informationen werden mit einem methodisch begründeten Vorgehen objektiv, systematisch und unter Einhaltung der exegetischen Darstellungskonventionen präsentiert� Besonders sorgfältig sind die Forschungsdiskussionen aufbereitet: Hier werden die einzelnen Ansätze kritisch dargestellt und gegeneinander abgewogen, außerdem ist die exegetische Forschung in hinreichender Breite präsent� Somit wird methodisch die Bevorzugung einer bestimmten Forschungsmeinung vermieden� Besonders erfreulich ist, dass viele Forschungsdiskussionen darauf verweisen, dass es angesichts der Schwierigkeiten des Textes keinen Konsens gibt bzw� dass noch viele Fragen offen bleiben� 8 Explizite Hinweise zur Weiterarbeit, Impulse oder Aufgabe gibt es nicht� Struktur und Anordnung des Buches folgen dem alttestamentlichen Kanon der Vulgata sowie den Konventionen der Einleitungswissenschaft; sie sind sozusagen »alternativlos«� Allerdings muss sich der Benutzer bewusst sein, dass diese Einleitung von römisch-katholischen Exegeten verantwortet wird: Sie enthält die Bücher Tobit, Judit, Makkabäer, Weisheit, Sirach und Baruch als Bestandteile des Kanons und folgt der römisch-katholischen Tradition in Titel (Buch der Sprichwörter) und Schreibweise (Rut, Ijob) der biblischen Bücher� Verwirrend ist allerdings, dass Esra-Nehemia als ein Buch behandelt werden� Das ist zwar gute Tradition in der alttestamentlichen Einleitungswissenschaft, steht aber der kanonischen Perspektive ein Stück weit entgegen� Man wünscht sich überdies einen Hinweis bzw� eine ausdrückliche Reflexion für die Wahl dieser Anordnungsperspektive� Das Buch als Lehr- und Lernbuch Für das Selbststudium ist die »Einleitung« von Zenger im Grunde am besten geeignet� Dabei muss die Leserin allerdings ein hohes Maß an Disziplin und ein bereits vorhandenes Repertoire an Lese- und Lernstrategien sowie Fachwissen mitbringen� Es ist daher kein Buch, das Studienanfängerinnen und -anfänger gut allein bearbeiten können� Laut Vorwort (zur 1� Auflage! ) ist das Buch »zuallererst als Lehr- und Studienbuch für den universitären Unterricht« 9 konzipiert� Eine genaue Zielgruppe ist jedoch nicht explizit genannt� Mit intensiver Begleitung in Lehrveranstaltungen kann es auch in der Studieneingangsphase 8 Vgl� als Beispiel die Einleitung in das Buch Richter (D IV: S. 267-277). 9 Zenger, Einleitung, 9� 126 Rezensionen verwendet werden, für das Selbststudium werden eher fortgeschrittene Studierende und Examenskandidaten davon profitieren� Hervorragend geeignet ist es für Studierende, die Seminar- und Abschlussarbeiten schreiben wollen, außerdem Doktoranden und Doktorandinnen in der Anfangsphase� Da das Buch ebenso anspruchsvoll wie umfangreich ist, halte ich es für Studierende des Lehramts für Grundschulen bzw. für BA -Studierende für weniger geeignet� In Lehrveranstaltungen einsetzbar ist das Buch am besten, wenn die Lehrende es durch konkrete Arbeitsaufgaben, zusätzliche Visualisierung und intensive Diskussion begleitet� Die fehlende didaktische Konzeption des Buches muss durch Einsatz des Lehrenden ausgeglichen werden� Das Buch bietet dafür aber durchaus gute Anhaltspunkte� Wie bereits angedeutet, ist das Buch von römisch-katholischen Exegeten verfasst� Die konfessionelle Differenzierung wird gelegentlich thematisiert: In der Frage nach Aufbau und Umfang des Kanons (S� 32), in der Frage nach dem »Gesetzes«-Charakters des Pentateuch (S. 83-86) sowie bei den deuterokanonischen Büchern� Ansonsten ist das Buch aber um eine konfessionell integrative Perspektive bemüht und versucht vor allem die Rezeption des »Alten« Testaments zwischen Judentum und Christentum ins Gespräch zu bringen. Dazu gehört auch die programmatische Wahl des Begriffs »Erstes Testament«, die S. 28-36 ausführlich begründet wird. Hier wird auch der gesamtbiblische Horizont hinreichend transparent� Trotz des Kapitels zur Textgeschichte ist das Problem der alttestamentlichen Ursprachen nicht vollständig befriedigend reflektiert� Dass die jeweiligen Kompositionsstrukturen und die Theologien der biblischen Bücher im Grunde nur am hebräischen Text erkennbar sind, wird nicht thematisiert� Auch, welche Übersetzung den gelegentlichen Bibelzitaten zugrunde liegt, ist nicht angegeben� In praktischer Hinsicht werden vor allem Bezüge zur Forschungspraxis hergestellt� Andere Praxisfelder sind nicht explizit besprochen, aber in den theologischen Abschnitten als Impuls vorhanden� Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die »Einleitung in das Alte Testament« von Erich Zenger auch nach ihrer Bearbeitung durch Christian Frevel kaum etwas von ihrer hohen Qualität verlor� Die Neugestaltung des Layouts ist jedoch wirklich problematisch� Zengers »Einleitung« hebt sich durch ihre Breite der Forschung, den theologischen Schwerpunkt und den textorientierten Zugang merklich (und positiv) von anderen Einleitungen ab� Im Hinblick auf praktische Aspekte in Studium und Lehre bleibt die 7� Auflage mit ihrem historischen Teil und den übersichtlichen Graphiken jedoch die bessere Version dieses Buches.