eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 1/2

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2016
12 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Das Proseminar als Chance zur Entdeckung biblischer Textwelten

2016
Thomas Wagner
Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 1 - 2016, Heft 2 Das Proseminar als Chance zur Entdeckung biblischer Textwelten Zielorientierte Vermittlung exegetischer Methoden und Perspektiven Thomas Wagner Abstract | This article deals with a structural didactic foundation of learning processes for exegetical methodology� It commences with the observation that intertextual phenomena between an ingenuous, pre-scientific reading of biblical texts, the influence of authority to interpret texts, and the linking to individual life experiences comes to non-comprehensible interpretations� The resulting hermeneutical key is not understandable for the academic teacher and for other students� Due to this situation the article argues for a structured introduction to exegetical methods by an orientation to the goals of each method� For this structured introduction a separation of method and perspective seems to be necessary to support the students’ expertise in exegetical methodology� Prolog Wer sich mit den Texten des Alten und Neuen Testaments auseinandersetzt, der bringt Erwartungen und Vorerfahrungen an die Texte heran, die der Leserin/ dem Leser nicht zwingend bewusst sind, die aber die Leseerfahrung entscheidend prägen� Welche Erwartungen und Vorerfahrungen dies sind, können diejenigen, die versuchen, Studierende in die Methoden der historisch-kritischen Exegese einzuführen, oftmals nur schwer erahnen� Zwar geben uns die gröberen Linien konfessioneller Deutung biblischer Texte gewisse Interpretationsansätze vor, doch sind diese nur Orientierungslinien� Nachhaltiger als die kirchliche 62 Thomas Wagner Vorprägung sind bei vielen, die beginnen, sich im akademischen Alltag mit biblischen Texten auseinanderzusetzen, persönliche Erfahrungen, die nicht zwingend strukturell sein müssen� Vielmehr gehen diese häufig auf einzelne lebensgeschichtliche Bezüge zurück, die prägend wurden und noch lange Jahre später die eigene Leseerfahrung leiten� Ein Beispiel für eine solche prägende Erfahrung dokumentiert Klaas Huizing im Vorwort zum ersten Band seiner Ästhetischen Theologie� Rückblickend auf seinen Werdegang berichtet er: »Natürlich habe ich eine Lieblingsgeschichte: das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, knapp dahinter folgt die Erzählung von Zachäus, auf Platz drei liegt das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Meine Großmutter hat mir besonders oft und besonders warmherzig das Samariter-Gleichnis vorgelesen. Zwischenzeitlich war mir das Gleichnis gleichgültig, wenn nicht verhasst. (Unsere Pastoren neigten dazu, das Gleichnis bei anstehenden Kollekten milde zu missbrauchen.) Lieben können sterben� Das wohl� Aber inzwischen ist meine Wertschätzung wieder stabil. Dieses Gleichnis, es gehört zu meinem Lieblingsperlen im literarischen Rosenkranz, entschlüsselt das Geheimnis der Literatur, Menschen verändern zu können�« 1 Die Erlebnisse mit seiner Großmutter waren für Huizing so prägend, dass er historische Fragestellungen an den Text und seine besondere Rolle im Kontext des Lukasevangeliums nicht befragt� Vielmehr werden die lukanischen Gleichnisse und Erzählungen für ihn zum hermeneutischen Schlüssel der Bibellektüre� Seine Perspektive ist also eine textpragmatische, die sich auf die Wahrnehmung des Textes in der Jetzt-Zeit bezieht� Und dies erfolgt unter ästhetischen Gesichtspunkten. In Anlehnung an Ingo Schulze spricht er von den »simplen Stories«, die die Bibel bietet. Gerade in ihnen kommt die Botschaft des kommenden Reiches Gottes auch in der heutigen Zeit noch zum Tragen. Diese Aufgabenstellung beschreibt auch Odil Hannes Steck in der Einleitung zu seinem Methodenbuch: »Daß das biblische Gotteswort auch heute lebendig und menschennah zur Sprache kommt, ist das Ziel aller theologischen Arbeit� Zu wachen, daß es im Vorgang dieser Übermittlung das Wort des biblischen Gottes bleibt, das gegenübertritt und sagt, was Menschen nicht schon aus sich wissen und wollen, ist die Aufgabe in aller theologischen Arbeit� An diesen Bestimmungen von Ziel und Aufgabe hat im Rahmen christlicher Theologie auch die Exegese des Alten Testaments Anteil« 2 � Eben dieser Aufgabe kommen die Bibelwissenschaften durch die historisch-kritische Betrachtung der Texte nach: »Die moderne historisch-kritische Methode der Bibelauslegung, die sich im Verlauf ihrer jahrhundertelangen Entstehungsgeschichte in eine Reihe von Arbeitsschritten ausdifferenziert hat, stellt einen Glanzpunkt der theologischen 1 Huizing, Theologie, 13 f� 2 Steck, Exegese, 1� Das Proseminar als Chance zur Entdeckung biblischer Textwelten 63 Wissenschaft dar� Sie repräsentiert den wissenschaftlichen Standard, den jeder an einer Universität Theologie Studierende erlernen muß� Wissenschaftlich ist geradezu synonym mit historisch-kritisch�« 3 Blicken wir auf unsere Praxis als Vermittlerinnen und Vermittler der Methodik historisch-kritischer Exegese, so stehen wir vor der Aufgabe, den Studierenden zuvorderst Wege zur Erschließung der historischen Dimension von Texten aufzuzeigen� Zunächst benötigen wir dazu eine Vorstellung davon, mit welchen Vorerfahrungen und Erwartungen Studierende die Texte des Alten und Neuen Testaments lesen� Ähnlich wie Klaas Huizing es beschreibt, stoßen wir immer wieder auf für die einzelne Person zentrale Texte, die zum Hermeneuten für andere biblische Texte werden� Blicken wir mit den Augen historisch-kritisch geschulter Exegetinnen und Exegeten auf diese Vorgänge, sehen wir dabei intertextuelle Vorgänge ablaufen, von denen wir nicht wissen, welcher der Kontext ist, in dem sich das Textverständnis der Studierenden ausbildete, das die Auslegung des Textes bestimmt� Dies lässt sich mit konfessionell geprägten Zugängen für einen Außenstehenden oftmals nur schwer verbinden� Die doppelte Vermittlung von der prägenden Figur voruniversitärer Bibeldidaktik - sei es die Gemeindepfarrerin oder der Religionslehrer oder ein Familienmitglied -, durch die zunächst die persönliche oder konfessionelle Vorstellung auf einen biblischen Text appliziert wird, dann das Verstehen der resp� des Studierenden und schließlich die Übertragung des an dem einen Text Verstandenen auf den nächsten Text lässt das dahinter stehende gedankliche Konstrukt für die akademischen Lehrerinnen und Lehrer oftmals undurchschaubar werden� Teilweise werden diese gedanklichen Voraussetzungen durch die Bibelausgaben verstärkt� Ich erlebte es im akademischen Unterricht immer wieder, dass die über den Perikopen stehenden Überschriften so prägend für die Textlektüre sind, dass der Text nur unter den in der Überschrift geäußerten Gesichtspunkten und dann noch verbunden mit der Erfahrung anderer, scheinbar thematisch verwandter Texte wahrgenommen wird� Eine Erschließung des Textes durch Wahrnehmung der Worte und Sätze erfolgt häufig nicht mehr� Der Text wird durch diesen Kontext zum Teil des Kontextes, so dass sich sukzessiv ein für das Individuum zeitunabhängiges Bild über die Gestalt biblischer Schriften ergibt. Und dieses ist dann eines, das von Widersprüchen frei ist, finden sich doch in den einzelnen Texten nur zeit- und autorenabhängige Variationen der einen Botschaft� Die Stimmung eines in allen Einzelzügen harmonischen Bildes, das sich auf diese Weise ergibt, wirkt auf die einzelnen Rezipienten sicherlich beruhigend und vermittelt ihnen Sicherheit im Umgang mit biblischen Texten� Wenn man für die Wirkung dieses Vorgangs ein Bild bemühen möchte, dann bietet sich 3 Oeming, Hermeneutik, 31� 64 Thomas Wagner die Vorstellung einer perfekt geformten Skulptur an� Ein Künstler modellierte aus formbarem Material eine Skulptur, deren Linienführung dem Auge des Betrachters schmeichelt� Wenn ich jedoch Studierende im Anschluss an die von ihnen besuchten exegetischen Proseminare erlebe, dann bekomme ich oft den Eindruck, dass sie den einzelnen Text nicht mehr als Teil dieser wohlgeformten Skulptur wahrnehmen, sondern ihn als Steinblock kennenlernten, den sie mit den im Proseminar angeeigneten Techniken bearbeiten� Dabei wird häufig kein Unterschied gemacht, welche Technik sich im (Methoden-)Koffer der Studierenden befindet� Es werden alle Techniken bemüht und jede am Stein erprobt� Am Ende entsteht dann häufig keine Skulptur, sondern der Stein sieht einfach nur beschädigt aus� Die Frage nach einem dem Material entsprechenden Einsatz der Techniken wird von Studierenden wohl nicht gestellt� Die Technik, also die Methode, muss jedoch bezogen auf das zu erreichende Ziel und damit in ihrer spezifischen Wirkweise eingesetzt werden, um das angestrebte Ziel zu erreichen� Erst mit einer genauen Zielvorgabe und einer entsprechenden Methodenauswahl wird der Arbeitsprozess für Lehrende und Studierende evaluierbar� Um dies zu erreichen, ist in der Vermittlung der Methoden historisch-kritischer Exegese nach wie vor dem von Fohrer u� a� formulierten Ziel zu folgen: »Auslegung muß daher - soll sie nicht nur den Zielen esoterischer Zirkel dienen - in ihrer Methodik mitteilbar und nachvollziehbar sowie in ihren Ergebnissen überprüfbar sein, d� h� sie darf nicht subjektive, sondern muß intersubjektive Auslegung sein�« 4 Dies setzt zwingend einen differenzierten und transparenten Umgang mit den Methoden voraus� Dass dies häufig nicht erfolgt und Methoden nicht ergebnisorientiert eingesetzt werden, lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Studierende verstanden am Ende des Methodenseminars oftmals nur, wie man eine Methode anwendet, häufig aber nicht, warum� Doch erst dann, wenn das Warum begriffen wurde, und die Kriterien, die zur Entscheidungsfindung führten, benannt sind, 5 kann die historisch-kritische Exegese biblischer Texte ihre eigene Hermeneutik entwickeln� So stellt sich im Folgenden die Frage, welche Zugänge akademisch Lehrende den Studierenden anbieten können, damit sie diese Zielsetzung erreichen können� 4 Fohrer u� a�, Exegese, 12 f� 5 Vgl. das von Huebenthal, Kompetenz, 75, formulierte Lernziel: »Die Studierenden sollen in die Lage versetzt werden, eigenständig Exegesen zu verfassen, aber auch fremde Exegeten anhand einer Kriteriologie beurteilen zu können�« Das Proseminar als Chance zur Entdeckung biblischer Textwelten 65 Der historisch-kritische Zugang zu biblischen Texten Nicht nur die Textvorverständnisse und Erwartungen unserer Studierenden an das Proseminar, sondern auch die Entwicklung innerhalb der Methoden historisch-kritischer Exegese stellen für die Dozierenden Rahmenbedingungen für das Proseminar dar� Diese können die Studierenden jedoch nur dann einordnen, wenn sie zuvor einen vertieften Einblick in die Verstehens- und Anwendungsbreite der einzelnen historisch-kritischen Arbeitsweisen erhielten, um die eigene Textarbeit im wissenschaftlichen Diskurs verorten zu können� 6 Vor allem anwendungsbezogene Ansätze scheinen mir hier wenig geeignet, um die Grundlagen exegetischen Arbeitens erlernen zu können. 7 Viele Studierende gewinnen im Umgang mit exegetischen Methoden dann Sicherheit, wenn sie die Entstehung der einzelnen Methode sowie ihre Funktion zur Beschreibung des Textes kennenlernten� Innovative Neuansätze und anwendungsbezogene Ansätze können meist erst dann in ihrem jeweils eigenen Profil wahrgenommen werden� Die historische Dimension ist in verschiedenen Proseminarbüchern beschrieben und kann jeweils als einleitende Lektüre vor den Sitzungen gelesen werden� 8 Schwieriger erscheint es mir, eine Differenzierung der Betrachtungsebenen mittels einer Funktionsbestimmung der jeweiligen Methode und damit ihrer Stellung zum Text vorzunehmen� Hardmeiers kommunikationspragmatischer Zugang gibt auf diese Frage erstmals eine Antwort, deren Formulierung jedoch wesentlich davon befördert ist, dass er sich mit seinem Ansatz gegen die Vermittlung des traditionellen Methodenkanons abgrenzen und seine Position im Bereich der literaturwissenschaftlichen Analyse biblischer Text beschreiben möchte� 9 So leitet er aus seinem auf die Kommunikation ausgelegten Textver- 6 Es erscheint mir eine der wichtigen Aufgaben des Proseminars zu sein, Studierenden die Methoden so zu vermitteln, dass sie Textanalysen bezogen auf ihre Methodik hin kritisch hinterfragen können� Ein großes Problem stellt dabei die uneinheitliche Verwendung der Terminologie dar, die bereits Becker, Exegese, 7, ausführt: »Daß in der Literatur manchmal dieselben Begriffe Unterschiedliches meinen (z� B� ›Überlieferungsgeschichte‹, aber auch im Vergleich mit der neutestamentlichen Exegese), sollte zumal den Anfänger nicht verwirren� Es kommt auch hier nicht auf die Begriffe als solche, sondern auf die mit ihnen gemeinte Sache an�« Dies setzt allerdings voraus, dass Studierende die Sache an sich und ihre Darstellung erkennen� Bezogen auf die Bloom'sche Taxonomie ist diese Leistung auf Stufe 4 (Analysieren) anzusiedeln und damit Gegenstand eines weit fortgeschrittenen Lernprozesses� Zur Bloom’schen Taxonomie vgl� Bloom, Taxonomy� 7 Zur Akzeptanz dieser Ansätze vgl. Berlejung, Methoden, 21-58. 8 Hier ist besonders auf Kreuzer/ Vieweger, Proseminar 1, sowie auf Becker, Exegese, hinzuweisen, die jeweils die Entstehung der Methoden in ihrem Zeitbezug nachvollziehen� 9 Vgl� die pointierte Verhältnisbestimmung in Hardmeier/ Hunziker-Rodewald, Texttheorie, 39: »Im Blick auf das Verhältnis des hier vorgestellten [kommunikaitonspragmati- 66 Thomas Wagner ständnis drei Gesichtspunkte ab, unter denen ein Text betrachtet werden kann: »1. Unter dem Aspekt der Gegenständlichkeit im Sinne einer beobachtbaren Zeichengestalt ist ›Text‹ ein Produkt (von sprachlichen Handlungen); 2� unter funktionalem Aspekt ist ›Text‹ eine Partitur (von Kommunikationsvollzügen), die auf operativen Nach-Vollzug hin angelegt ist� Wie die Notenfolgen in einer Musikpartitur entfaltet ein Text seinen Sinn und seine Wirkung nur im performativen Vollzug seiner Rezeption; 3� unter semantischem Aspekt ist ›Text‹ eine Prozedur (der Sinnbildung), die als sprachlich programmierte Sequenz von Anweisungen die Reproduktion des Sinnangebots im Hör- und Lesevorgang steuert�« 10 Eine solche Funktion für jede Betrachtungsebene zu benennen und damit die Analyse auf ein Ziel hin auszurichten, erscheint mir ein geeigneter Weg, Studierenden einen Zugang zu den Arbeitsweisen der historisch-kritischen Exegese zu ermöglichen� Damit wird das Bewusstsein der Studierenden gefördert, die unterschiedlichen Ebenen der Texte wahrzunehmen, und ruft zugleich beim Lehrenden die Einsicht hervor, Vermittlung von Methoden und Perspektiven auf das mit der Textarbeit angestrebte Ziel hin zu beschreiben� 11 Der Anspruch, Studierende in die verschiedenen Arbeitsweisen einzuführen, setzt also eine weitgehende Differenzierung der einzelnen Perspektiven und damit eine deutliche Trennung der Zielsetzungen bei der Textbetrachtung voraus� Es erscheint im Sinne einer an der Zielsetzung des Methodeneinsatzes ausgerichteten Didaktik daher ratsam, exegetische Arbeitsweisen zunächst vom Analyseziel her zu kategorisieren, um ihre Leistungsfähigkeit beschreiben und damit auch ihren Einsatz benennen zu können� Auf der Basis dieser Differenzierung lassen sich Leitlinien für die Gestaltung des Proseminars erkennen, in dem die Studierenden mehr erfahren als historisch-kritische Methoden an ausgewählten (und meist für den Einsatz einer spezifischen Methode besonders geeigneten) Texten zu erproben� Eine Vorschlag für eine solche Differenzierung wird im Folgenden dargestellt� schen] Ansatzes zu den ›klassischen‹ Verfahren der Exegese sowie den verschiedenen Textzugängen, die seit den 70er Jahren des 20� Jahrhunderts diskutiert werden, liegt der Hauptunterschied im Textverständnis� […] Deshalb kann der Ansatz auch nicht additiv als Ergänzung oder Erweiterung von anderen Methoden der Textauslegung betrachtet werden� Vielmehr sind die Fragehinsichten, die sich in der exegetischen Forschung seit Jahrzehnten herausgebildet haben und auf repräsentationssemantischer Basis reflektiert worden sind, neu zu durchdenken und methodisch auf kommunikationspragmatische Grundlagen zu stellen.« Grundlegend erläutert in Hardmeier, Textwelten 1, 7-29. 10 Hardmeier/ Hunziker-Rodewald, Texttheorie, 21� 11 Dieses Vorhaben ist in der Darstellung der Methoden historisch-kritischer Exegese in Utzschneider/ Nitsche, Arbeitsbuch, erkennbar, die die Methoden zumindest teilweise von ihrer Zielsetzung her erläutern� Das Proseminar als Chance zur Entdeckung biblischer Textwelten 67 a. Ebenen der Differenzierung: Eine Differenzierung der exegetischen Arbeitsweisen kann an dem Punkt ansetzen, an dem zwei derzeit bestimmenden Exegesetraditionen eine Trennung vollziehen - bei der Scheidung von synchroner und diachroner Betrachtung von Texten� Während die synchrone Betrachtung nach dem vorliegenden Text in seinem Kontext fragt und dabei auf textlinguistische, textpragmatische sowie formkritische Analysemethoden zurückgreift, 12 ist die diachrone Betrachtung an der Rekonstruktion der Entstehung des in den Bibelausgaben vorliegenden Textes in seinen unterschiedlichen Kontexten interessiert� Diese Differenzierung ist mit zwei weiteren zu korrelieren, um eine genaue Bestimmung der Zielsetzung jeder einzelnen exegetischen Arbeitsweise vornehmen zu können� Bereits die frühe historisch-kritische Forschung markierte mit der von ihr an vielen Texten durchgeführten Literarkritik und der daran anschließenden Zuweisung der voneinander getrennten Textanteile zu Quellen einen Übergang von einer an einem Einzeltext durchgeführten Methode zu einer ein größeres Textcorpus beschreibenden Perspektive� Dies gelang ihr durch die Beschreibung der Redaktionsgeschichte einzelner Quellenschriften hin zum vorliegenden (kompilierten) Text� Ihrer Arbeitsweise folgend, sind also eine Trennung von auf eine Perikope und ein größeres Textcorpus bezogenen Arbeitsweisen sowie eine Scheidung von Methoden und Perspektiven vorzunehmen� Unter einer Methode ist eine an verschiedenen Texten wiederholbare Analyse mit festen Kriterien zu versehen, unter einer Perspektive eine Beschreibung eines Aspekts eines Textes, die sich der Anwendung von Methoden bedient. 13 Mit dieser dreifachen Differenzierung lassen sich exegetische Arbeitsweisen hinsichtlich ihrer Analyseziele genauer fassen: 12 Vgl� für die alttestamentliche Exegese vor allem Utzschneider/ Nitzsche, Arbeitsbuch, 62-115; für die neutestamentliche Exegese Egger/ Wick, Methodenlehre, 106-219; für das Lehramtsstudium aufbereitet in Erlemann/ Wagner, Leitfaden, 35-81. 13 Im oben genannten Fall sind die Literar- und Redaktionskritik die angewendeten Methoden, die Redaktionsgeschichte eine Perspektive auf verschiedene literar- und redaktionskritisch behandelte Texte� Die Redaktionsgeschichte betrachtet die einzelnen Textanteile hinsichtlich ihrer einen Einzeltext übergreifenden Zusammengehörigkeit� Zum direkten Zusammenhang von Literar- und Redaktionskritik vgl� Steck, Exegese, 81, und Becker, Exegese, 80. Grundlegend Kratz, Art. Redaktionsgeschichte, 367: »Redaktion heißt im Sprachgebrauch der neuzeitlichen Bibel- und Einleitungswissenschaft die Bearbeitung eines vorgegebenen Texts im Rahmen der schriftlichen Überlieferung und dessen Umgestaltung zu einem neuen Ganzen. Redaktionskritik bezeichnet dementsprechend das Bemühen um die begründete Unterscheidung von Vorlage und Redaktion sowie um ein an den Texten nachvollziehbares Verständnis der dabei herrschenden Bearbeitungs- und Gestaltungskriterien, Redaktionsgeschichte den Vorgang der Redaktion als Prozeß der Textentstehung in ihrer literarischen und sachlichen Dimension�« (Hervorhebungen T�W�) 68 Thomas Wagner auf eine Perikope bezogen auf ein größeres Textcorpus bezogen diachron synchron diachron synchron Methode Textkritik Literarkritik Tendenzkritik Redaktionskritik Textlinguistik Textpragmatik Motivkritik Formkritik [Literarkritik und Redaktionskritik von verschiedenen Einzeltexten] Formgeschichte Perspektive Prätexte: - Traditionskritik (biblisch und außerbiblisch) Kompositionskritik Texthintergrund: - Soziologie - Historie - materielle Kultur [Narratologie] 15 Textgeschichte Überlieferungsgeschichte Traditionsgeschichte Redaktionsgeschichte Kompositionskritik Die auf ein größeres Textcorpus bezogene Differenzierung ist weiter zu unterteilen, da die diachrone Betrachtung in zwei Richtungen erfolgt� Zum einen wird die Entwicklung von Prätexten nachgezeichnet (Textgeschichte, Überlieferungsgeschichte, Traditionsgeschichte), zum anderen wird die Entstehung eines Einzeltextes innerhalb eines Werkes dargelegt� Diese sind wiederum für die Analyse des Einzeltextes relevant, da er nur in diesem Kontext gedeutet werden kann� Anders ist die Entwicklung von Prätexten zu werten� Die auf deren Entwicklung bezogenen Arbeitsweisen stellen jeweils eigenständige exegetische Untersuchungsfelder dar, die innerhalb des Proseminars als weiterführende Fragestellungen behandelt werden können, jedoch über die Exegese des Einzeltextes in seiner literarischen Genese hinausgehen. Sie vollständig in das Proseminar zu integrieren, würde bei durchschnittlich 28 Unterrichtsstunden, die innerhalb eines Semesters für das Proseminar zur Verfügung stehen, nur 14 Die Narratologie hat nicht nur ein Interesse an der Textstruktur und der Texterklärung, sondern setzt sich auch mit der Textnachwirkung auseinander� Dieser Analysebereich weist über die Textpragmatik hinaus, die sich mit der Wirkung des Textes auf den antiken Hörer/ Leser beschäftigt� Damit wird die Analyse auf die Frage des Texteinsatzes über seinen historischen Entstehungszeitraum hinaus geweitet� Zur Narratologie vgl� grundlegend Martinez/ Scheffel, Einführung, sowie als Perspektive für die wissenschaftliche Exegese biblischer Texte Finnern/ Rüggemeier, Exegese� Das Proseminar als Chance zur Entdeckung biblischer Textwelten 69 dann möglich sein, wenn auf Praxisphasen im Seminar weitgehend verzichtet wird� Beschränkt sich das Proseminar auf die auf einen Untersuchungstext bezogenen Methoden und Perspektiven, sind diese zunächst von ihrer Zielsetzung her zu verstehen, um durch sie die daraus resultierenden Arbeitsweisen zu begründen� Diachrone Analyse - Zielsetzungen Synchrone Analyse - Zielsetzungen Methode Textkritik Rekonstruktion des Ausgangstextes Textlinguistik Prüfung des Textes auf seine Kohärenz stiftenden Elemente und semantisch begründete Gliederung des Textes Literarkritik Prüfung des Textes auf seine Kohärenz Textpragmatik Prüfung der auf den Leser bezogenen Funktion des Textes (»Vermittlungsziel«) Thomas Wagner, * 1971, Dr� theol�, ist Akademischer Rat an der Bergischen Universität Wuppertal und Privatdozent an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/ Bethel� Seit 2016 ist er Studiendekan der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften. Neben seinen Studien zum Alten Testament beschäftigt er sich mit der Entwicklung von hochschuldidaktischen Konzepten zur Vermittlung exegetischer Methodik in den BA- und Lehramtsstudiengängen� Zusammen mit Kurt Erlemann legte er 2013 mit Leitfaden Exegese einen ersten Entwurf zur Gestaltung von Proseminaren für Studierende vor, deren Studiengänge keine Kenntnis biblischer Sprachen vorsehen� 70 Thomas Wagner Tendenzkritik Prüfung des Textes auf inhaltliche Fortführungen Motivkritik Prüfung der Funktion der im Text verwendeten Motive Redaktionskritik Anschließend an die Ergebnisse von Literar- und Tendenzkritik Rekonstruktion der Genese des Einzeltextes an Formkritik Erschließung der grundsätzlichen Aussagerichtung des Textes Perspektive Traditionskritik 15 Rekonstruktion von Prätexten Texthintergrund Ermittlung der soziokulturellen Gegebenheiten und historischen Problemstellungen Redaktionsgeschichte Rekonstruktion der Geschichte der Textgenese verschiedener, zu einem Textcorpus (Buch, Redaktionsschicht) gehörender Einzeltexte Kompositionskritik Ermittlung des gestalterischen Prinzips des Autors 15 Die Zuordnung der Traditionskritik ist in den Proseminararbeitsbüchern umstritten� Die Traditionsgeschichte geht davon aus, »daß ein Verfasser zugleich in einer geistigen Welt vorgegebener und geprägter Sachgehalte lebt; sie fragt, inwieweit seine Aussagen von diesen vorgegebenen Elementen seiner geistigen Welt inhaltlich bestimmt bzw� nur auf ihrem Hintergrund verständlich zu machen sind und wo er sie gegebenenfalls abgewandelt hat« (Steck, Exegese, 124 f�)� Eine solche Beschreibung der Traditionskritik legt nahe, sie der Rekonstruktion des zeitgeschichtlichen soziokulturellen Hintergrunds zuzuordnen. Dieser Ansatz findet sich z. B. bei Ebner/ Heininger, Exegese, 241-246. Eine stärkere Pointierung der Traditionsgeschichte, durch die die theologische Relevanz der Traditionen sichtbar wird, schlagen Erlemann/ Wagner, Leitfaden, 83, vor: »Eine Tradition entstand also dann, wenn Vorgänge, Begebenheiten oder Gegenstände durch einen Autor eine theologische Deutung erfuhren und sie sowie ihre Deutung(en) von weiteren Autoren aufgenommen und evtl� um weitere Aspekte ergänzt bzw� variiert wurden�« Das Proseminar als Chance zur Entdeckung biblischer Textwelten 71 Die Zielsetzungen zeigen, dass die Grundlegung der synchronen und der diachronen Betrachtung von Texten jeweils auf Beobachtungen zur Kohärenz des Textes basieren� Während die diachrone Analyse auf der Inkohärenz des Textes aufbaut, setzt die synchrone Betrachtung bei den Kohärenz stiftenden Aspekten des Textes an und zeigt auf, durch welche Elemente der Text kohärent ist� Aufbauend auf diesen Beobachtungen fragt die diachrone Analyse nach der Genese des Textes, die synchrone Betrachtung nach der Wirkung des Textes auf den (antiken) Leser� Diese beiden Zielsetzungen gilt es im Proseminar zu markieren und grundsätzlich zu trennen� 16 Wenn die Zielrichtung der Arbeitsweise benannt ist, kann eine weitere Differenzierung von Methoden und Perspektiven erfolgen� b. Methoden und Perspektiven: Das entscheidende Kriterium zur Differenzierung von Methode und Perspektive ist der Umgang mit dem Text� Während sich die Methoden jeweils auf den Gesamttext der zu analysierenden Perikope beziehen, um ihn in jeweils einer Hinsicht beschreiben zu können, gehen die Perspektiven auf Aspekte des Textes ein, um diesen diesbezüglich hinterfragen zu können� Aus den Perspektiven und spezifischen Merkmalen eines Textes (bzw� im relationalen Verhältnis von Text und Perspektive) ergibt sich die Notwendigkeit, bestimmte Methoden auf die Texte anzuwenden� Die Analyseergebnisse sind demzufolge unterschiedlich, da sie von der Methodenwahl bestimmt werden� Dies bedeutet bezogen auf das Proseminar, dass zwischen den zur jeweiligen Methode gehörenden Arbeitsschritten am Text und den Methoden zur Erschließung von Perspektiven auf den Text zu unterscheiden ist� Es bedarf also eines Methodenpools, den Studierende für die Arbeit an Texten kennen lernen sollten, damit sie im jeweiligen Einzelfall wissen, welche Methode sinnvoll anzuwenden ist� Wie sieht dieser Methodenkanon im Konkreten aus? Die wichtigste aller Methoden ist sicherlich der Vergleich von Texten� Auf dieser Arbeitsweise beruht bereits die Textkritik, die Übereinstimmungen und Unterschiede in Handschriften sucht, um eine Textentwicklung bzw� das Nebeneinander von verschiedenen Texttraditionen zeigen zu können� Während die Auswahl der zu vergleichenden Handschriften durch die Auswahl der Perikope bestimmt ist und damit die Vergleichstexte bekannt sind, sind diese für 16 Der Versuch von Kreuzer/ Vieweger (Hg.), Proseminar 1, 49-55, sich über eine sprachliche Beschreibung dem Text zu nähern, ist sinnvoll� Hier geht es zunächst darum, die Textoberfläche zu beschreiben, woraus dann Konsequenzen für die diachrone und die synchrone Analyse erfolgen� Neben der reinen Sammlung der im Text zu beobachtenden Aspekte wäre es wünschenswert, Studierende würden die Beobachtungen in einem zweiten Schritt den Zielsetzungen zuordnen, damit sie in ihrer Analyse auf das Erkannte bereits differenziert zurückgreifen können� 72 Thomas Wagner alle weiteren auf der Methode des Vergleichs beruhenden Arbeitsweisen nicht eindeutig� Texte, die zum Vergleich herangezogen werden können, müssen erst identifiziert werden� Dies erfolgt innerbiblisch zumeist durch die Nutzung einer Konkordanz, mit der man jedoch zunächst nur einen Stichwortanschluss (das jeweils selbe Lexem) erkennen kann� Das Ergebnis kann durch die Erstellung eines Begriffsfeldes, also einer Annäherung an das jeweilige Motiv, erweitert werden� Schwieriger gestaltet sich die Suche nach außerbiblischen Texten� (Deutsch- oder englischsprachige) Konkordanzen der Texte aus der Umwelt des Alten und des Neuen Testaments existieren (noch) nicht, so dass hilfsweise nur Lexika (in den jeweiligen Ursprungssprachen) verwendet werden können� Diese haben jedoch nicht den Anspruch, alle Belegstellen aufzuweisen� Einmal identifiziert, sind die aufgefundenen Texte wie die zu analysierende Perikope auf ihre Textspezifika hin zu befragen� Hier ist also ebenfalls die synchrone und die diachrone Ebene des Textes mit den zur Verfügung stehenden Methoden wahrzunehmen� Zudem gilt für alle Texte, dass die Möglichkeit des Einflusses eines Textes auf den anderen plausibel zu machen ist. Gerade dies ist für außerbiblische Texte dann schwierig, wenn sich in den biblischen Texten keine direkten Zitate finden� 17 Diese Arbeitsweise gilt zunächst für die Darstellung der Traditionsgeschichte 18 , lässt sich vergleichbar aber auch - zumindest partiell, sofern es sich um Texte als Vergleichsgrundlage handelt - mit einer anderen Zielsetzung auf die Erschließung der historischen und sozialen Hintergründe des zu analysierenden Textes übertragen� Während die Traditionsgeschichte auf die Rekonstruktion von Prätexten zielt, dient die Erschließung der historischen und sozialen Hintergründe auf die Einordnung des Textes in seine Entstehungszeit� Eine über Texte hinausgehende Form des Vergleichs stellt die Einbeziehung von Zeugnissen der materiellen Kultur dar� Auch hier ergibt sich zunächst das Problem der Identifikation potentieller Vergleichsobjekte, anschließend die methodische Erschließung des Objekts, bis dann ein Vergleich möglich wird� Häufig wird die methodische Erschließung der Objekte bereits durch ihre Erstpublikation geleistet� Diese wird jedoch nur dann verständlich, wenn die von den Beschreibenden angewendeten Methoden bekannt sind� Für das Proseminar ist es daher ratsam, eine Einführung in die Arbeitsmethoden und Auswertungs- 17 Für die Bestimmung eines möglichen Einflusses des einen Texts auf den anderen ist die Auswahl der zu betrachtenden Kriterien entscheidend� Eine nach wie vor gute Kriterienauswahl bietet Hermerén, Influence, an. 18 Die Traditionsgeschichte wird häufig in eine (auf biblische Texte bezogene) Traditionsgeschichte und einen (auf außerbiblische Texte bezogenen) religionsgeschichtlichen Vergleich getrennt� Methodisch handelt es sich jedoch jeweils um den Versuch, Prätexte durch Textvergleich zu ermitteln� Vgl� zur Trennung Erlemann/ Wagner, Leitfaden, 86� Das Proseminar als Chance zur Entdeckung biblischer Textwelten 73 kriterien der Archäologie, der Numismatik, der Epigraphik, der Papyrologie sowie der Ikonographie zu geben, um Studierenden einen Zugang zu diesen Quellen zu ermöglichen� 19 Eine besondere Ausprägung des Textvergleichs stellt die Kompositionskritik dar� Sie findet zunächst auf der Ebene eines Einzeltextes statt, indem sie mit Hilfe der textlinguistischen Analyse die literarische Struktur des Textes beschreibt� Dies wird anschließend auf einer den Einzeltext übergreifenden Ebene fortgeführt, da die Kompositionskritik auch nach der Funktion des Textes für ein größeres Textcorpus oder in einer Situation fragt� Während gerade in längeren Erzählwerken, wie sie mit den Patriarchenerzählungen und Geschichtsbüchern des Alten Testaments oder den Evangelien des Neuen Testaments vorliegen, die einzelnen Perikopen eine Funktion für das gesamte Erzählwerk besitzen und demzufolge nicht zufällig an ihrem jeweiligen Ort stehen, sind poetische Texte oftmals nicht nur auf ihre Stellung im Buch hin konzipiert, sondern werden in Situationen des all- oder festtäglichen Lebens eingesetzt, um Situationen zu deuten resp� die Ursache und/ oder Relevanz dieser Situation für die die Texte Hörenden/ Lesenden zu erläutern� 20 Diese Texte sind in wiederkehrenden sprachlichen Mustern verfasst, aus denen sich Kompositionen ergeben� Um diese zu erfassen und sie textsowie textcorporaspezifisch zu beschreiben, sind die Ergebnisse der Textlinguistik, der Textpragmatik, der Form- und der Gattungskritik unter dem Gesichtspunkt der Komposition zusammenzuführen. Erst im Vergleich verschiedener, aber strukturell gleichartiger Texte lässt sich die spezifische Ausprägung des Einzeltextes benennen� In der Kompositionskritik fließen also die Ergebnisse aller synchronen Analysemethoden unter der Perspektive der Komposition des Textes zusammen� Ebenfalls auf die Ergebnisse früherer Analyseschritte greift die Redaktionsgeschichte zurück� Sie nimmt die Ergebnisse der auf die Diachronie von Texten zielenden Methoden auf� Während die Redaktionskritik nach dem Zusammenwachsen des Einzeltextes gemäß der in der Literarkritik identifizierten Textanteile und damit nach der Schichtung der Textanteile fragt, greift die Redaktionsgeschichte auf die Literar- und Redaktionskritik von unterschiedlichen Texten zurück und versucht, redaktionelle Schichten aufzuweisen� Partiell lassen sich Übergänge in die Textkritik erkennen, da einzelne Fortschreibungen nicht in alle Texttraditionen eindrangen� Die redaktionellen Fortschreibungen 19 Teilweise wird dies bereits von Kreuzer/ Vieweger, Proseminar 1, geleistet, die in ihrem Buch Darstellungen zur Archäologie (124-146) und zur Ikonographie (173-186) anbieten� Eine Einführung in die Methoden bieten darüber hinaus zur Biblischen Archäologie Vieweger, Archäologie, sowie zur Ikonographie de Hulster u� a�, Exegesis� 20 Zu performativen Aspekten biblischer Texte vgl� Utzschneider/ Nitsche, Arbeitsbuch, 119 f�128 f� 74 Thomas Wagner können sich auf Textcorpora unterschiedlicher Größe beziehen. D. h. sie finden sich innerhalb der biblischen Schriften auch über die Grenzen der einzelnen Bücher hinaus� So setzt die Redaktionsgeschichte die diachrone Analyse unterschiedlicher Texte und damit deren Methodik voraus und führt ihre Ergebnisse zu einem schlüssigen Gesamtbild. Der von Studierenden zu erlernende Methodenkanon setzt sich also aus den Methoden der historisch-kritischen Exegese, narratologischen resp� literaturwissenschaftlichen Perspektiven und Text- und Bildvergleichen zu jeweils spezifischen Analysen zusammen� Epilog Die einzelnen Methoden und Perspektiven zu vermitteln, sie in eine methodisch und perspektivisch differenzierte Balance zu bringen sowie Textbeobachtungen und daraus abgeleitete Schlüsse über Textentstehung und Textwirkung darzulegen, sind wesentliche Aufgaben des Proseminars� Erst in der Profilierung der einzelnen Argumentationsschritte kommt eine Exegese ihrer Aufgabe nach, überprüfbare und damit intersubjektive Auslegung des biblischen Textes zu sein� Eine zielorientierte und sich an den Funktionen der einzelnen Methoden und Perspektiven ausrichtenden Vermittlung exegetischer Methoden ermöglicht den Studierenden, ihre Arbeiten am Text spezifisch, d� h� auf die jeweilige Methode/ Perspektive bezogen darstellen zu können sowie die zur Deutung führenden Argumente strukturiert zu benennen� Blicke ich abschließend nochmals auf das Bild von der Skulptur und dem zerschundenen Steinblock zurück, so wird eine zielorientierte, Funktionen von Methoden und Perspektiven bedenkende Vermittlung exegetischer Methoden/ Perspektiven dazu führen, dass Studierende Steinblöcke nicht mehr beschädigen müssen, sondern von Anfang an lernen, zielorientiert mit der rechten Technik am Text zu arbeiten� Studierende werden in der eigenen exegetischen Praxis so früh beginnen können, schöne und dem Material entsprechende Formen mit den geeigneten Techniken zu bilden� Literaturverzeichnis Becker, Uwe: Exegese des Alten Testaments� Ein Methoden- und Arbeitsbuch ( UTB 2664), Tübingen 2 2008� Berger, Klaus: Exegese des Neuen Testaments� Neue Wege vom Text zur Auslegung ( UTB 658), Heidelberg/ Wiesbaden 3 1991� Das Proseminar als Chance zur Entdeckung biblischer Textwelten 75 Berlejung, Angelika: Quellen und Methoden, in: Gertz, Jan Christian u. a. (Hg.): Grundinformation Altes Testament ( UTB 2745), Göttingen 4 2010, 21-58. Bloom, Benjamin S� u� a�: Taxonomy of educational objectives� The classification of educational goals, Handbook I: Cognitive domain, New York 1956. 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