eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 1/1

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
2016
11 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Vom Zauber der Schriftauslegung

2016
Sandra Huebenthal
Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 1 - 2016, Heft 1 Vom Zauber der Schriftauslegung Ein hochschuldidaktischer Blick auf Exegese Sandra Huebenthal Abstract | This contribution deals with the relation of exegesis and teaching strategies. It works from the observation that recipients initially come with an enthusiasm for biblical texts and are eager to learn more, but their enthusiasm fades when they are confronted with the standard exegetical methods that render exegesis to be some kind of secret science which is, on top, far from their actual life and faith. Standard secondary sources seem to be of little help either, for they often discuss all kinds of methodological and research questions instead of dealing with the text itself. This kind of frustration re-appears when these students become teachers: they tend to pass on their frustration to their learning groups. University teachers should, however, dedicate their time and energy to the search for strategies to overcome this frustration and re-kindle the joy of discovery in their students. Little changes like the reading of a whole biblical book instead of a pericope can lead to surprising discoveries and deeper understanding. Competence-oriented exegesis in the times of Bologna further needs more reflection on learning outcomes on part of the teachers. They need to overcome unrealistic aims and excessive expectations as well as realize that they might still be learners when it comes to passing on their knowledge. The contribution mentions strategies for modelling courses and closes with an outlook on the development of exegetical and didactical competence. Exegeten sind Zauberkünstler. Zumindest habe ich es während meines Studiums so wahrgenommen und war fasziniert davon, wie meine Dozenten mit der Bibel umgegangen sind. Ein Echo dieser Faszination fand ich unlängst bei der Durchsicht alter Unterlagen. Die Dankesrede, die ich 2001 anlässlich der Verleihung des Förderpreises für meine Diplomarbeit gehalten habe, begann mit den Worten: »Wenn 20 Sandra Huebenthal Bibelwissenschaftler das Wort ergreifen, erwartet man entweder einen fesselnden Vortrag, bei dem sich mit detektivischer Sicherheit ein Detail zum anderen fügt und man zum Ende hin eine völlig neue Perspektive auf ein altbekanntes Phänomen bekommt- - oder man befürchtet, mit unverständlichen Wortketten und fachspezifischen Begriffen erschlagen zu werden, die nur ein erlauchter Kreis von Fachleuten versteht und die beim gewöhnlichen Auditorium bereits nach wenigen Minuten extreme Ermüdungserscheinungen hervorrufen.« Beim Wiederlesen war ich überrascht, wie punktgenau diese Gedanken widerspiegeln, welche Art von Reaktionen Exegese in vielen Fällen hervorruft. Da ist zum einen die Begeisterung für den Text, die ansteckt und neugierig macht, mehr zu erfahren und mehr zu lernen, und zum anderen die Ablehnung einer Art Geheimwissenschaft oder Beschäftigung im Elfenbeinturm, die der theologisch Interessierte normalerweise nicht versteht und die mit dem eigentlichen Leben und Glauben nicht viel zu tun zu haben scheint. Aufgrund meiner Erfahrungen als Lehrende und Lernende in der Bibelwissenschaft vermute ich, dass die Ersterfahrung mit »Exegese« für die Einzelnen prägend ist und diese Prägung über den individuellen Lernenden hinausgeht. Im Verlauf des Studiums und als Hochschullehrerin habe ich häufig die Erfahrung gemacht, dass sich an der Exegese die Geister scheiden: Studierende sind entweder begeistert oder ablehnend, und das nicht allein deshalb, weil für die Exegese Altsprachenkenntnisse in Latein, Griechisch oder gar Hebräisch zu erwerben waren. Während ich als Religionslehrerin in einer berufsbildenden Schule arbeitete, bot sich mir ein ähnliches Bild, das Kolleginnen und Kollegen aus anderen Schulformen bestätigen: Wenn man den Klassenraum mit einem Satz Bibeln betritt, stöhnt die Lerngruppe zumeist gequält auf. Dass die Reaktionen von Studierenden und Schülern zusammenhängen, liegt auf der Hand, doch erschloss sich mir lange nicht, wie sie verbunden sind. Dass sie mit dem Lerngegenstand, also der Bibel selbst, zu tun haben, halte ich für ausgeschlossen. Der Grund muss an einem anderen Ort zu finden sein. Als ich begann, meine eigenen exegetischen Ansätze in Lehrerfortbildungen einzubringen und die Erfahrungen aus den unterschiedlichen Lernfeldern im Rahmen hochschuldidaktischer Weiterbildung zu sammeln und zu reflektieren, wurde das Bild klarer. Auch die Lehrerfortbildungen zeigten das bekannte Muster: Es gab diejenigen, die begeistert waren, und diejenigen, die nur deswegen kamen, weil die Veranstaltung akkreditiert war, günstig lag, und sie noch Weiterbildungspunkte brauchten. Der Aha-Effekt bei den Lehrern, die häufig in den 70 er und 80 er Jahren studiert hatten, bestand in vielen Fortbildungen in der Feststellung, dass man Exegese auch ganz anders machen kann, als sie es im Studium kennengelernt hatten, und dass Bibelauslegung durchaus eine lustvolle Beschäftigung sein kann. Ein hochschuldidaktischer Blick auf Exegese 21 Unter Hochschullehrenden wird gerne geflachst, dass wir in den exegetischen Lehrveranstaltungen gegen die Lehrer und Pfarrer unserer Studierenden ankämpfen, und tatsächlich ist weit mehr als nur ein Körnchen Wahrheit in dieser lapidaren Feststellung enthalten. In der Tat sind es zumeist die früheren Erfahrungen mit hermeneutischen und methodischen Zugängen und ihrer Vermittlung, die den Lernenden die Freude an der Bibel nehmen. Die Eindrücke sind so nachhaltig, dass die Studierenden ihre Vorbehalte in die späteren Arbeitsfelder Pastoral und Schule mitnehmen und dort unbewusst weitergeben. Wer sich durch exegetische Vorlesungen, Pro- und Hauptseminare quälte, wird in der eigenen beruflichen Tätigkeit selten überzeugt Freude an der Bibel und ihrer Auslegung verkörpern, und wer im Studium lernte, dass Exegese immer hochwissenschaftlich sein muss, um wirklich Exegese zu sein, wird sich schwer tun, kreative und originelle Auslegungsangebote zu machen. Wie vertrackt die Situation ist, lässt sich an zwei Beispielen aus meinem exegetischen Alltag verdeutlichen. Eine meiner Standardfragen in exegetischen Grundkursen lautet: »Wenn Sie das Gleichnis XY auslegen wollen, was lesen Sie als erstes? « Auf die eigentlich nahe liegende Antwort: »den biblischen Text«, kommen die wenigsten. Gewöhnlich überlegen die Studierenden, welcher Kommentar am besten geeignet sein könnte. Man mag einwenden, zunächst den Text zu lesen, verstehe sich doch von selbst, doch die Realität sieht oft anders aus. Ich habe zu viele Studierende erlebt, die unterschiedliche Auslegungen vorstellen konnten, aber nicht so recht wussten, was genau im Text steht, um an diesen Automatismus zu glauben. Hinzu kommt, dass die Kommentarliteratur mitunter wenig hilfreich für die Auslegung eines Textes ist. Als ich in der Abschlussphase meiner Promotion eingeladen war, einen Einkehrtag zu Jesaja 58 zu gestalten, stellte ich zu meinem Entsetzen fest, dass keiner der Kommentare, die in unserer gut sortierten Bibliothek standen, bei der Frage der Auslegung von Jesaja 58 weiterhelfen konnte. Über den Wachstumsprozess und literarische Schichten des Buches war sehr viel zu erfahren, weniger schon über das literarische, religionsgeschichtliche und soziale Sandra Huebenthal * 1975, Dr. theol., ist Professorin für Exegese und Biblische Theologie an der Universität Passau. Sie studierte Kath. Theologie in Frankfurt/ Sankt Georgen und Dublin. Seit 2011 ist sie in der Leitung der hochschuldidaktischen Weiterbildung Theologie Lehren Lernen in Trägerschaft des Katholisch-Theologischen Fakultätentags und der Deutschen Bischofskonferenz. Sie ist seit 2015 bei der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd) akkreditiert. 22 Sandra Huebenthal Umfeld, und Impulse für die Auslegung blieben die Kommentare gänzlich schuldig. Ich fragte mich damals, wie sich auf dieser Grundlage Predigten entwickeln lassen, und einer meiner Lehrer der Exegese des Alten Testaments gestand ein, dass er auf diese Frage auch keine Antwort habe. Es bleibt der Eindruck, dass Bibelauslegung eine Sache für Fachleute ist, bei der man sich erst nach Jahren des Trainings fremder Sprachen und komplizierter Methoden aus der Deckung trauen darf und selbst dann in den Augen der gestrengen Fachleute selten Gnade findet. Oder anders herum formuliert: dass man bei der Exegese eine Menge falsch machen kann und wenig Spaß verspürte, wenn man nicht zu den »happy few« gehört, die sich dieser Sache mit Haut und Haaren verschreiben. Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen? Die Fähigkeit, gute Exegesen zu schreiben, ist etwas, das jahrelange Erfahrung und Training braucht. Gute Exegeten mögen wie Zauberer sein, doch sie lassen sich nicht einfach herbeizaubern. Nach Jahrzehnten einer hermeneutischen Monokultur an den Universitäten ist es nicht verwunderlich, wenn die ehemaligen Studierenden und heutigen Multiplikatoren in Pastoral und Schule glauben, dass Exegese wenig mit ihrer Lebenswirklichkeit zu tun hat und dass sie-- da sie nur selten in der Praxis anwenden können, was sie im Hörsaal lernten-- den Eindruck haben, mit ihren vermeintlich unwissenschaftlichen Zugängen Theologen zweiter Klasse zu bleiben, die im Grunde nichts Wesentliches über die Bibel sagen oder zur Weitergabe ihrer Auslegung beitragen können. Wenn Exegese die Lernenden nicht zu eigenen Auslegungen befähigt und ihnen den Spaß und die Entdeckerfreude lässt, müssen wir uns nicht wundern, wenn sich das »exegetische Trauma« in den Gemeinden und Schulen fortsetzt und die Bibel ein Schattendasein führt. Es erklärt, warum Prediger biblische Texte mitunter steinbruchartig als Impuls- und Stichwortgeber verwenden, um die eigene Meinung zu untermauern, und warum biblische Geschichten im Unterricht Gefahr laufen, pädagogisch oder katechetisch verzweckt zu werden. Dann kann es schon mal passieren, dass Zachäus am Text vorbei zu einer »tollen Geschichte gegen Mobbing« wird und das Gleichnis vom Senfkorn an der Realität nahöstlicher Botanik vorbei dafür herhalten muss, im Selbstversuch mit dem Blumentopf zu lernen, dass das Kleine beschützt und gepflegt werden muss, damit es groß werden und seinerseits Schutz bieten kann. 1. Erste Einsichten Es ist für Hochschullehrende schwierig, diesen Kreislauf stillschweigend weitergegebener Frustration und Resignation aufzubrechen. Und dennoch liegt genau Ein hochschuldidaktischer Blick auf Exegese 23 hier unsere Aufgabe und unsere Verantwortung als Hochschullehrer. Wie groß die Reichweite unserer Arbeit ist, hat Torsten Meyer unlängst eindrücklich beschrieben. Die 1990 geborenen Lehramtsstudierenden, die uns heute in den Lehrveranstaltungen gegenübersitzen, werden bis 2125 eine Wirkung als Lehrer haben-- denn erst dann sind die letzten Schüler, die sie unterrichtet haben, aus dem Berufsleben geschieden. 1 Auf eine im Alter von 40 Jahren berufene Professorin übertragen, die noch wenigstens fünfundzwanzig Jahre in der Hochschullehre tätig sein wird, ergibt das eine Reichweite bis etwa 2150 -- rund 150 Jahre. Selbst wenn die Zahlen ein wenig geschönt sind, um das Bild eingängiger zu machen, lässt sich erahnen, welchen Einfluss Hochschullehrende besitzen. Um es drastisch auszudrücken: Wenn ich es in meiner Lehre nicht schaffe, den beschriebenen Kreislauf aufzubrechen und bei den Studierenden Begeisterung für die Bibel und ihre Auslegung zurückzugewinnen, ist die Generation ihrer Schülerinnen und Schüler mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls verloren. Diese Erkenntnis kann ebenso erdrückend wie befreiend sein, in jedem Falle aber zeigt sie, welche hohe Verantwortung wir als Lehrende haben. Wenn man die Vermutung hinzunimmt, dass es zumeist Methodik und Hermeneutik-- und zwar exegetische wie didaktische-- sind, die zu »Bibelfrust« führen, 2 ist das Grund genug, sich intensiver mit der Frage nach den eigenen methodischen und hermeneutischen Grundüberzeugungen und der Frage der eigenen Lehre auseinanderzusetzen. Dabei können kleine Veränderungen große Wirkung haben, zum Beispiel wenn man biblische, insbesondere neutestamentliche Texte nicht mehr in Perikopen einteilt und dadurch wichtiger Bedeutungsebenen beraubt, sondern wieder ganze Bücher liest. Was für Ruth und Jona im Alten Testament schon in meiner eigenen Oberstufenzeit vor zwanzig Jahren der Fall war, setzt sich nun langsam auch für das Markusevangelium durch 3 und gilt, wie neueste Versuche im Hörsaal zeigen, auch für die übrigen neutestamentlichen Erzähltexte. Es wäre durchaus einen Versuch wert, frühchristliche Identitätssuche auch anhand der Briefliteratur- - der echten Paulusbriefe wie der Deuteropaulinen oder der Katholischen Briefe- - zu betrachten. Man muss ja nicht gleich den Römerbrief lesen; auch die Briefe an Philemon und Titus oder die Briefe des Jakobus und Judas können Augenöffner sein, wenn man sie jenseits der Frage von Gemeinde- und Ämterstruktur, Gegnersuche und Authentizitätsfragen betrachtet. Dem Zauber einer guten Exegese kann man sich in der Tat nur schwer entziehen. Wobei »gut« ausdrücklich auch »handwerklich gut« mit einschließt. Schlussendlich 1 Vgl. Meyer, Education, 9 f. 2 Vgl. Huebenthal, Werkstatt. 3 Vgl. Guttenberger, Markusevangelium; Müller, Markus; Sohns/ Küsters, Markusevangelium. 24 Sandra Huebenthal ist es das, wozu wir Studierende-- in den Zeiten von Bologna ebenso wie schon davor-- befähigen wollen: zu richtig guter Exegese. Über die Frage, was genau eine gute Exegese ausmacht, lässt sich trefflich streiten und vermutlich handelt es sich dabei um eine der Fragen, die jede Generation neu beantworten muss. Unstrittig ist hingegen, dass es die Verantwortung und Aufgabe der universitären Ausbildung ist, die Grundlage dafür zu legen, dass aus den Studierenden gute Exegeten werden; dass sie während des Studiums das Handwerkszeug für gutes exegetisches Arbeiten erwerben und ihren exegetischen Werkzeugkoffer nicht achtlos mit allem füllen, was ihnen so über den Weg läuft, sondern bei den einzelnen Werkzeugen wissen, wozu sie nütze sind und warum sie sich in ihrem Werkzeugkoffer befinden. Diese Basisausstattung wird die Studierenden lange begleiten und sie werden ebenso wie wissenschaftlich arbeitende Exegeten die Werkzeugtasche, die sie mit sich herumtragen, nicht ohne Not mit neuem Gerät und damit auch zusätzlichem Gewicht anfüllen. 4 Es ist nicht selten der Fall, dass angesichts der Anforderungen der Praxis über viele Jahre keine Revision der Erstausstattung erfolgt und kaputtes Gerät nicht ersetzt, sondern notdürftig geflickt oder einfach weggeworfen wird. Daher muss das, was Studierende zum Abschluss ihrer universitären exegetischen Ausbildung »im Kasten« haben, solides exegetisches Arbeiten ermöglichen. 2. Kompetenzorientierte Exegese in den Zeiten von Bologna Bei Zauberern- - wie bei allen Meistern ihres Faches- - ist das, was so einfach und natürlich aussieht, das Ergebnis langer Vorbereitung. Man muss sein Handwerk beherrschen und immer wieder üben. Auch gute Exegesen fallen nicht vom Himmel, sondern sind das Ergebnis einer soliden Ausbildungs- und Trainingsphase. Was heißt das konkret? Exegetische Kompetenz entsteht in einem langen Lernprozess und benötigt neben theoretischem und methodischem Input vor allem Reflexions- und Übungsphasen. 5 In der akademischen Ausbildung lässt sich jedoch nicht mehr als das Fundament legen-- wie das fertige Haus aussieht, zeigt sich erst in der Praxis, sprich: im Laufe des Arbeitslebens. Aus hochschuldidaktischer Perspektive muss die Grundfrage für diejenigen, die dieses Fundament legen, lauten: Welche Lernschritte müssen die Studierenden machen, um die Kompetenz zu erwerben, die es für gute Exegesen braucht? Dabei ist die Richtung für alle Lernenden dieselbe, doch die einzelnen Schritte und Lernwege sind so individuell wie die Lernenden selbst. Ein One-size-fits-all-Modell wird diesem Bedarf nur im Ausnahmefall gerecht. Ein hochschuldidaktischer Blick 4 Vgl. Kahneman, Thinking, 208 � 5 Vgl. Huebenthal, Kompetenz. Ein hochschuldidaktischer Blick auf Exegese 25 auf exegetische Kompetenz im Zuge des Shift from Teaching to Learning beinhaltet demnach einen doppelten Blickrichtungswechsel. 6 Zunächst ist die Frage zu stellen, was die Lernenden nach Abschluss eines Lernzyklus wissen, verstanden haben oder in der Lage sind, zu tun, 7 und daran anschließend die Frage, woran sich intersubjektiv nachvollziehbar erkennen lässt, dass sie es verstanden haben, wissen oder können. Gefragt ist hier nach einer Wissens- oder Handlungsstruktur, deren Performanz sich im Rahmen einer Prüfung messen lässt. Es geht also darum, möglichst genau zu beschreiben, welche Ergebnisse nach einem Lernprozess zu erwarten sind. Die Präzision, mit der Learning Outcomes im Idealfall formuliert sind, ist dabei kein Instrument, um Lehrende zu domestizieren. Das Ziel ist vielmehr, dass Lehrende sich vor dem Beginn eines Lernprozesses klar machen, welches Ziel oder welche Ziele er haben soll. Diese Klarheit ist für Lehrende wie Lernende gleichermaßen wichtig, da sie den gesamten Lernprozess strukturiert und als Constructive Alignment Lehren, Lernen und Prüfen in einen nachvollziehbaren Zusammenhang stellt. 8 Lehrende, die nicht genau wissen, wozu sie ihre Lernenden befähigen wollen, machen häufig die Erfahrung, dass Lehrveranstaltung und Prüfung gleichermaßen unbefriedigend sind. 3. Unklare Erwartungen Der Schlüssel hierzu liegt häufig darin, dass sich Lehrende zuvor nicht ausreichend klar machten, was genau sie mit der Lehrveranstaltung erreichen wollen. Es ist sicher kein Zufall, dass die Vorgaben der Modulstruktur, die zur Formulierung von Learning Outcomes zwingen, in solchen Fällen dann als besonders lästig und überflüssig wahrgenommen werden. In hochschuldidaktischen Workshops zu kompetenzorientierter Veranstaltungsplanung zeigt sich häufig, dass Lehrende beispielsweise ihre eigenen Ziele nicht klar formulieren und nicht sagen können, zu welcher Kompetenzstufe 9 sie ihre Studierenden führen wollen. Dabei ist dieses Wissen intuitiv zumeist vorhanden. Natürlich wissen die Lehrenden als exegetische Fachleute, was für sie gute Exegese ausmacht. Die Kriterien hierfür werden indes selten verobjektiviert und transparent gemacht. Lernende können jedoch ebenso wenig in den Kopf der Lehrenden schauen wie umgekehrt und so zeigt sich oft erst in der Prüfung, dass die Lehrenden den Lernenden nicht verdeutlichen konnten, was sie von ihnen wollen oder dieses Wissen stillschweigend voraussetzten, weil es ihnen selbst ja klar war. 6 Vgl. Wildt, Lehren; Reis, Kompetenzorientierung. 7 Vgl. Kennedy/ Hyland/ Ryan, Outcomes. 8 Wildt/ Wildt, Prüfen. 9 Z. B. Bloom u. a., Taxonomy. 26 Sandra Huebenthal 4. Unrealistische Ziele Nach dem Besuch eines Proseminars beherrscht niemand eine Methode und insbesondere kann er oder sie sie nicht kontextualisieren. Eine Methode und mehr noch einen Methodenkanon zu kennen und aus diesem Kanon einzelne Methoden für die Auslegung konkreter Texte auszuwählen, durchzuführen und dabei vielleicht noch zu evaluieren, setzt jahrelanges Training voraus. Im Methodenseminar gängiger Bauart hingegen wird die Methode ein bis zwei Mal vorgemacht und die Lernenden zeigen in der Proseminararbeit, dass sie sie nun auch beherrschen. Dass allein vom Abschauen niemand lernt, ist eine Sache; eine andere, dass Methodenbeherrschung Übungszeiten und Übungsorte braucht. Wie jede andere Fertigkeit muss auch exegetische Methodenkompetenz eingeübt werden. Eine Proseminararbeit und eine Hauptseminararbeit im Studium sind dabei kaum ausreichend-- insbesondere nicht, wenn Methoden und Formate nicht reflektiert und kontextualisiert werden. Lernende müssen verstehen, warum ihre Prüfungsleistung einer Handlungsstruktur entspricht, die sie später nicht zu glauben brauchen. Die klassische Seminararbeit bereitet den wissenschaftlichen Nachwuchs auf die gängigen Formate im wissenschaftlichen Diskurs vor und nicht nur ein angehender Grundschullehrer hat sich bisher gefragt, warum er das lernen soll. Das ist kein Plädoyer dafür, die Seminararbeit abzuschaffen- - es geht vielmehr darum, sie als Lernort besser zu erklären und womöglich in ihrer Aufgabenstellung leicht zu modifizieren. Mitunter reicht ein knapper reflexiver Teil, in dem die Lernenden sich zu der Frage verhalten müssen, warum genau diese Form der Prüfung für sie einen Nutzen haben kann. Dabei kann es ausreichen, unter dem Stichwort »Sachanalyse« einen Ausblick auf spätere Handlungsstrukturen miteinzubeziehen. Auch Lehrer und Pfarrerinnen brauchen Exegese- - etwa für Unterrichtsvorbereitung und Predigt und insbesondere, um einzuschätzen zu können, wie viel eine fertige Arbeitshilfe an sich und für die eigene Zielgruppe taugt. Man könnte auch ganz knapp sagen: Katechese braucht Exegese. Von unrealistischen Zielen müssen sich indes auch viele Lehrende frei machen. Die Erwartung, dass Studierende nach dem Besuch des Proseminars exegetisch kompetent sind, ist als Lernziel im Zuge von Bologna häufiger anzutreffen. Das kann daran liegen, dass in den Modulbeschreibungen explizit wird, was schon immer implizit gefordert war. Es kann aber auch daran liegen, dass die hochschuldidaktische Theorie mit Taxonomien, Niveaustufen und Kompetenzmodellen die nötige theoretische Fundierung hierfür liefert. Es ist nicht selten, dass Lehrende aus den biblischen Wissenschaften Methodenkurse so modellieren, dass sie im Bloom’schen Modell auf der fünften oder sechsten Taxonomiestufe landen. 10 Hier- 10 Vgl. Bloom u. a., Taxonomie. Ein hochschuldidaktischer Blick auf Exegese 27 bei spielt die Begeisterung, ein Modell zu haben, das kompetenzorientiertes exegetisches Arbeiten auszudrücken vermag, sicherlich eine Rolle, doch bleibt der blinde Fleck, dass neue Methoden und Herangehensweisen sich nicht einfach uploaden und dann anwenden lassen. Exegetische Kompetenz zu entwickeln braucht Zeit. Neben Input- und Übungsphasen braucht es ebenso auch Verarbeitungs- und Ruhephasen. Methoden zu kennen, durchzuführen und ihre Anwendung zu beurteilen, eventuell sogar Ergebnisse und Probleme vorhersehen zu können, setzt einen kontinuierlichen Lernprozess über Jahre voraus. Gute Promovenden sind dazu in der Lage, wenngleich frisch Promovierte häufig erst noch lernen müssen, dass es lediglich ein Teil des Feldes ist, den sie vermessen haben. 5. Überzogene Erwartungen Bei einer behutsamen Analyse ergibt sich ferner, dass Lehrende- - insbesondere Einsteiger in die Hochschullehre-- sich und ihre Studierenden gleichermaßen überfordern. Besonders häufig begegnet das im Bereich der Grundkurse und Proseminare. Hier wird überdurchschnittlich oft vermutet, Studierende seien nach Abschluss des Seminars auf den höheren Bloom’schen Taxonomiestufen Analyse oder Synthese angelangt und in der Auseinandersetzung mit der exegetischen Fachliteratur sei auch die höchste Stufe Evaluation denkbar. Ein solcher Anspruch kann alle Beteiligten nur überfordern. Dennoch ist die Überzeugung, Studierende seien nach Abschluss des Proseminars in der Lage, Exegesen zu schreiben, immer wieder anzutreffen. In den Hauptseminaren wird exegetische Methodenkompetenz meist stillschweigend vorausgesetzt und das Entsetzen ist groß, wenn Studierende hier noch Schwierigkeiten haben. Es scheint mitunter, als hätten die Lehrenden vergessen, welchen Lernweg sie selbst zurücklegten und wie lange sie dafür brauchten. Nicht selten sind sie beseelt davon, alle ihre guten Ideen sofort weiterzugeben, und vergessen dabei, dass den Studierenden in der Studieneingangsphase die Feldkompetenz fehlt, die sie sich im Rahmen ihres Studiums (und häufig auch im Rahmen ihrer Promotion) erarbeiteten. Wenn man sich die gängige Choreographie eines exegetischen Proseminars noch einmal vor Augen führt, ist das nicht verwunderlich. Studierende werden in diesen Veranstaltungen oft über Referate und Vorträge an exegetische Methoden herangeführt und bekommen diese meist nur vorgeführt. Wenn nicht schon in die Lehrveranstaltung selbst Übungsphasen eingebaut werden, ist die Proseminararbeit der erste und einzige Ort, an dem die Studierenden eigenständig mit den Methoden arbeiten. Dass ein einziger vollständig durchlaufener Arbeitszyklus, dem eine nachhaltige Evaluationsschleife oftmals sogar fehlt, nicht ausreicht, um 28 Sandra Huebenthal methodensicher zu werden, liegt auf der Hand. Ebenso ist bei einem nüchternen Blick auf die Situation klar, dass Studierende nach einem Semester nicht die methodische und hermeneutische Feldkompetenz ihrer Lehrenden haben. Welchen hermeneutischen Hintergrund und welche Geschichte einzelne Methoden haben, welche Methoden man für welche Texte und Fragestellungen auswählen sollte und welche keine hilfreichen Ergebnisse zeitigen werden, können exegetische Laien nach einem Semester noch nicht einschätzen. Die Mehrzahl der Lernenden ist zu diesem Zeitpunkt noch vollauf damit beschäftigt, die Methodenschritte nachzuvollziehen und nicht laufend handwerkliche Fehler zu machen. Hier bereits die Evaluation einer Auslegung zu erwarten, kann eigentlich nur schief gehen. Das ist nicht verwunderlich. Wie Rolf Dobelli unlängst in einem anderen Zusammenhang festhielt, braucht es wenigstens ein Jahr, um sich mit den Basiskonzepten eines neuen Sachgebiets vertraut zu machen. 11 6. Kompetenzorientierte Lehrveranstaltungsplanung als Entzauberungsmittel Was heißt das für die konkrete Lehrveranstaltungsplanung? Sich über die Ziele der eigenen Lehrveranstaltung klar zu werden, heißt vor allem, einen nüchternen und realistischen Blick darauf zu bekommen, was möglich ist. 12 Dabei zeigt sich häufig, dass die Wünsche und Ambitionen die Möglichkeiten weit übersteigen. Kompetenzorientierte Lehrveranstaltungsplanung, wenn sie richtig durchgeführt ist, macht genau das sichtbar. Wenn die angestrebten Lernziele, die dafür nötigen Lernschritte und die vorgegebene Workload miteinander in Beziehung gesetzt werden, zeigt sich oft, dass die geplanten Lernziele nicht realistisch sind und man irgendwo Abstriche machen muss. In Zeiten klarer Modulvorgaben lässt sich der schwarze Peter jedoch nicht mehr so einfach durch zusätzliche Lektüre oder den Anspruch, dass bestimme Dinge für die Prüfung eben gekonnt werden müssen, den Studierenden zuschieben, sondern die Lehrenden sind gehalten, den Lernprozess transparenter zu gestalten und dafür zu bürgen, dass bestimme Kompetenzen tatsächlich erworben werden können. Dass Lernen über weite Strecken ein unverfügbares Geschehen ist und Lehrende nie voraussehen können, was Lernende tatsächlich aus einem Lernprozess mitnehmen, ist davon unberührt. Es geht hier vielmehr darum, Basisstrukturen zu schaffen, die sicherstellen, dass der Erwerb bestimmter Grundkompetenzen kein Zufall ist, sondern der Regelfall. Der Gedanke, Kompetenzorientierung sei eine 11 Vgl. Dobelli, Kunst, 183 � 12 Vgl. Schulte, Veranstaltungsplanung. Ein hochschuldidaktischer Blick auf Exegese 29 Heuristik zur Stärkung der Empathie von Lehrenden gegenüber Lernenden, bringt es auf den Punkt, dass Lehrende und Lernende in diesem Prozess Partner sind und ein gemeinsames Ziel anstreben. Die alte Opposition Lehrende vs. Lernende, die Lehrende und Lernende im Sinne eines »Blame the student«/ »Blame the teacher« gegeneinander ausspielt, 13 hilft niemandem und verbraucht unnötig Energie, die besser in den Lernprozess investiert würde. Learning Outcomes sind bei kompetenzorientierter Lehrveranstaltungsplanung keine Wunschzettel, sondern realistische Zielbeschreibungen. 14 Sie geben an, was Studierende nach dem Abschluss des Lernprozesses wissen, verstanden haben oder in der Lage sind zu tun. Dabei wird nicht ein wünschenswerter Idealfall skizziert, sondern der Regelfall. Das kann auch bedeuten, wesentlich kleinere Ziele zu formulieren, als man es gewohnt ist oder für wünschenswert hält, und dass man nicht mehr versucht, das »Feld abzudecken«-- ebenso wie beim Football sieht man es dann nämlich nicht mehr--, sondern exemplarisch zu arbeiten und genau dadurch die Ausmaße des Feldes sichtbar zu machen. Abgesehen davon, dass Enzyklopädie ohnehin Illusion ist, ist ein solches Vorgehen für alle Beteiligten entlastend. Dazu gehört ganz entscheidend das Vertrauen, dass Lernende auch ohne permanentes Monitoring eigenständig weiterarbeiten und weiterlernen, nachdem ihre intrinsische Motivation erst einmal geweckt und stimuliert wurde. Man muss ihnen die intrinsische Motivation, die volitionale Kompetenz und die Freude am Lernen jedoch zutrauen und sie von der »professoralen Leine« lassen. Nicht selten zeigt sich in hochschuldidaktischen Workshops, dass Lehrende unbewusst ganz andere Lehrkonzeptionen in sich tragen und diese ebenso unbewusst auf ihre Studierenden applizieren-- mit mitunter fatalen Folgen für die Motivation, die Kreativität und die Eigenständigkeit der Lerngruppe. Eine (Selbst-)Beschränkung der Lehrenden bei der Veranstaltungsplanung ist kein Scheitern, sondern zeigt an, dass die Lehrenden im engen Kontakt mit der Wirklichkeit stehen. Wenn ich für eine Lehrveranstaltung eine Workload von 1 CP (=- 30 Arbeitsstunden) vorgegeben habe und davon 15 Arbeitsstunden auf die Präsenz in der Lehrveranstaltung entfallen, sowie 15 weitere auf die strukturierte Vor- und Nachbereitung, kann ich nicht erwarten, dass die Studierenden zusätzlich zur Vorbereitung der Prüfung noch zwei Standardwerke lesen und eigenständig einüben, was ich in der Lehrveranstaltung vorgemacht habe, damit sie in der Prüfung an einem neuen Fallbeispiel ihren Kompetenzerwerb demonstrieren können. Den Studierenden diese weiteren Lernschritte jenseits der Workloads doch noch aufzuzwingen, ist in den Zeiten von Bologna theoretisch nicht mehr möglich. Auch Leselisten, die im Studium irgendwann abzuarbeiten sind und stillschweigend vo- 13 Vgl. Brandt/ Andersen, Teaching; vgl. auch Biggs/ Tang, Teaching. 14 Vgl. Schermutzky, Outcomes. 30 Sandra Huebenthal rausgesetzt werden, verbieten sich bei diesem System. Das schützt die Lernenden einerseits vor überzogenen Erwartungen, mutet ihnen andererseits aber auch zu, sich wirklich mit Lerngegenständen und Lernwegen auseinanderzusetzen. Auch die Vertagung des Lernprozesses auf einen späteren Zeitpunkt wird schwieriger-- ebenso die Ausrede, keine Zeit gehabt oder nicht so genau gewusst zu haben, was man eigentlich machen sollte. Wenn mein Lernziel ist, dass Studierende eigenständig neue Beispiele bearbeiten können-- was in der Exegese häufig heißt: eigenständig andere als die in der Lehrveranstaltung besprochenen oder erarbeiteten Texte auszulegen-- braucht es in der Lehrveranstaltung einen Ort, um diese Fähigkeiten entwickeln und trainieren zu können. 15 Alles andere ist keine kompetenzorientierte Lehrveranstaltungsplanung. Die Praxis sieht oft anders aus: Da werden beispielsweise in Exegetischen Proseminaren oft nur einzelne Methodenschritte demonstriert, in der Seminararbeit sollen die Studierenden diese Schritte dann nicht nur eigenständig durchführen, sondern die Ergebnisse auch in einer Gesamtinterpretation zusammenführen. In der Lehrveranstaltung strukturiertes Wissen zu vermitteln, in der Prüfung jedoch mit Analyse und Vernetzung eine höhere Taxonomiestufe anzusteuern, ist nicht nur unredlich, sondern geht auch in den meisten Fällen schief und führt zu enormem Frust bei Lehrenden und Lernenden. 7. Kompetenzorientierte Exegese in der Praxis-- das Beispiel Einleitungswissenschaft Dieses Problem stellt sich neben dem Proseminar auch häufig in den Fächern Einleitung und Bibelkunde, die vielerorts ohnehin als reine »Paukfächer« gelten. Einleitung und Bibelkunde sind auch deshalb gute Beispiele, weil sich an ihnen noch etwas anderes zeigen lässt, das regelmäßig im Zusammenhang mit der Kompetenzorientierung auftaucht und mitunter heftig diskutiert wird: die Frage nach dem Wissen. Dass die Kompetenzorientierung das Wissen abschaffe, ist ein gängiger Vorwurf, der auch durch ständige Wiederholung nicht wahrer wird. Er trifft schlicht nicht zu. Gerade Einleitung und Bibelkunde zeigen, dass es ohne eine solide Wissensbasis nicht geht. Ohne bestimmte Entstehungshypothesen des Pentateuchs oder die Zwei-Quellen-Theorie verstanden zu haben, kann man sie nicht kritisch befragen. Das Gleiche gilt für die zeitliche und literarische Verortung einzelner biblischer Bücher-- ohne ein fundiertes Wissen über die Geschichte der Levante wird die zeitliche Verortung der Bücher beliebig und ohne die Kenntnis der gängigsten literarischen Gattungen der Antike und ihrer 15 Vgl. Dubbs, Prüfungen. Ein hochschuldidaktischer Blick auf Exegese 31 unterschiedlichen Merkmale (die sich freilich über die Zeit verändern), ist die Gattungsbestimmung von Texten nicht möglich. Und schließlich: Um zu verstehen, auf welche zeitgeschichtlichen Ereignisse biblische Texte (womöglich) Bezug nehmen, muss man diese Ereignisse kennen und in größeren Kontexten verorten können. Die Beispiele deuten an, dass es ohne eine solide Wissensbasis nicht geht. In meinen eigenen Lehrveranstaltungen arbeite ich gerne mit Umberto Ecos Modell der Enzyklopädie 16 und erkläre den Studierenden, dass Einleitung (ebenso wie Bibelkunde) der Enzyklopädiepflege dient und sie in diesen Lehrveranstaltungen beginnen, sich diese Enzyklopädie zu erschließen, ohne dass erwartet wird, dass sie diese zum Ende der Lehrveranstaltung komplett verinnerlicht haben. Die einzelnen Informationshappen, die die Studierenden aufnehmen und verarbeiten, sind dabei ähnlich wie die Vokabeln, die es nun einmal braucht, wenn man eine neue Sprache lernt. Dass es gerade in diesen beiden Fächern, die unsere Konstruktionen biblischer Welten erschließen, darum geht, Information aufzunehmen, zu vernetzen und Wissen aufzubauen, was durchaus anstrengend sein kann, wird dabei von Anfang an offen gelegt. Ich verhehle nicht, dass Einleitung oft heißt, unglaubliche Datenmengen zu bewältigen und der Mühe Lohn sich häufig erst einige Semester später einstreichen lässt, wenn man sich in diesen Welten »unfallfrei« bewegen kann und nicht mehr »vor lauter Bäumen den Wald« nicht sieht. Eine gute Möglichkeit, mit dem Frust umzugehen, der dabei entstehen kann, ist immer wieder punktuell zu erarbeiten, warum diese Informationen hilfreich sind, sprich: warum man um einen bestimmten Sachverhalt wissen sollte. Das geht relativ gut am Beginn und am Ende einer Vorlesung, wenn man an die Erkenntnisse der letzten Sitzung anknüpft oder zusammenfasst, was im Laufe dieser Sitzung erarbeitet wurde. Wenn die Studierenden dabei selbst zum Mitdenken aufgefordert werden- - beispielsweise durch die einfache Frage »Warum ist das wichtig? «, in Verbindung mit einer kurzen Denk- oder Murmelphase--, festigt sich solches Fragen im Laufe der Zeit ganz von selbst. In der Prüfung kann eine solche Vernetzung dann Gegenstand sein, muss es aber nicht. Es ist allemal nachhaltiger, wenn Studierende historische Sachverhalte und exegetische Theorien erklären können, ohne sie anwenden zu müssen, als wenn sich bei der Anwendung zeigt, dass sie bereits mit dem Verstehen Probleme hatten. Ein Klassiker ist der Fall, dass Studierende in der Prüfung mühelos sieben verschiedene Gliederungen einzelner Paulusbriefe herunterrasseln können, aber nicht in der Lage sind, zu erklären, was ein Proömium ist, und am Beispiel zu zeigen, welche Funktion es besitzt. Auch hier stellen sich wieder die Fragen, was realistisch ist und was sich tun lässt, um beiderseitiger Überforderung vorzubauen. Ich halte es für ausreichend, wenn 16 Vgl. Eco, Lector, 94 - 106 � 32 Sandra Huebenthal Studierende im ersten Anlauf zunächst versuchen, die Theorien zu verstehen und sich das nötige Wissen anzueignen, und erst im zweiten Schritt, wenn gesichert ist, dass das geklappt hat, Diskussion und Anwendung erfolgen. Das heißt auch, dass Wissen als Basiskompetenz kein Schattendasein führen muss, sondern in Learning Outcomes direkt als Kompetenzerwerb angesteuert werden kann. Es versteht sich fast von selbst, dass das eher in der Studieneingangsphase, wenn die Fundamente gelegt werden, der Fall ist. In den höheren Semestern wird es dann darum gehen, mit den bereits erworbenen (Wissens-) Kompetenzen zu arbeiten, diese zu festigen und zu vertiefen. Das muss Einleitung und Bibelkunde nicht langweilig machen- - im Gegenteil. Auch der Aufbau von Wissen kann eine äußerst vergnügliche und bereichernde Angelegenheit sein, sofern man nur weiß, warum man die Anstrengung unternimmt. Es muss einsichtig sein, wozu das Wissen dient, sonst ist es in der Tat nicht mehr als eine Ansammlung unverbundener Fakten. So lässt sich auch vermeiden, was während meiner Studienzeit bei vielen Kommilitonen Usus war- - die exegetischen Abschlussprüfungen als Vorbereitung für die Einleitungsprüfung zu nutzen, um den Anforderungen dort auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Auch hier wurden in der Vorlesung Informationshappen geboten, häufig in Form von Kritik an den gängigen Einleitungswerken, und die Prüfungsleistung bestand darin zu zeigen, dass man die Enzyklopädie zur Gänze parat hatte und selbst weit entfernte Einträge vernetzen bzw. mühelos zwischen ihnen hin- und herspringen konnte. Auch hier wurde in der Lehrveranstaltung eine Taxonomiestufe bespielt, in der Prüfung jedoch eine andere angesteuert und der Weg von der einen zur anderen Stufe blieb den Lernenden selbst überlassen. 8. Lernen als Kompetenzüberstieg Hier deutet sich ein weiterer Punkt an, der bereits mehrfach aufgetaucht ist: Die Frage danach, wie sich Wissen und andere Kompetenzen festigen und vertiefen. Getreu dem Sprichwort, dass ein Meister ist, wer übt, brauchen auch Lehrlinge der biblischen Wissenschaften adäquate Übungsmöglichkeiten. Wenn diese fehlen, geht es ihnen mitunter wie Goethes Zauberlehrling: Sie werden die Geister, die sie riefen, nicht mehr los, und der biblische Text zerfällt unter ihren Händen in seine Schichten, Perspektiven oder Stimmen, ohne dass sie der Lage Herr werden. Es reichen wenige solcher Erfahrungen, insbesondere, wenn sie in Prüfungssituationen stattfinden, und den exegetischen Eleven erscheint die ganze »Auslegerei« eher als fauler Zauber. Das entschiedene Plädoyer für mehr gemeinsame oder begleitete Übungsmöglichkeiten hat noch einen zweiten didaktischen Grund. Gerade wenn es um Ein hochschuldidaktischer Blick auf Exegese 33 theorieund/ oder methodengeleitetes Verstehen geht, lehren wir nicht einfach Kompetenzen, sondern arbeiten mit den Lernenden an Kompetenzüberstiegen. 17 Dabei können Lehrende nur den »Weg bereiten« und die »Türen öffnen«, sich auf den »Weg machen« und durch die »Tür gehen« müssen die Lernenden selbst. Die Frage, wie Lernen als Kompetenzüberstieg funktioniert, wurde wiederholt diskutiert und scheint mir lohnend, nochmals aufgegriffen zu werden, weil es sich hierbei um ein hochschuldidaktisches Basisaxiom handelt, das unsere Praxis unmittelbar und fast täglich betrifft. Schauen wir uns das noch einmal im Einzelnen an: Der Beginn eines Lernprozesses ist idealtypisch das intuitive Handlungswissen, das der Lernende mitbringt. Im Bereich der Bibelwissenschaften besteht intuitives Handlungswissen meist aus dem, was die Lernenden aus katechetischer und schulischer Vorbildung mitbringen und was sie sich bisher selbst an Gedanken machten. Wenn dieses intuitive Handlungswissen an biblische Texte herangetragen wird, entstehen häufig Auslegungen der Bauart Jesus wollte uns mit diesem Text sagen, dass… oder Folgendes lässt sich aus diesem Text für den eigenen Glauben ziehen… Im ersten Kompetenzüberstieg wird nun das intuitive Handlungswissen durch Theorien, Ansätze, Methoden, Formeln oder Modelle einem wissenschaftlichen Praxis- und Tauglichkeitstest unterworfen. Dabei erweist es sich in aller Regel als dysfunktional. Bei den Lernenden entsteht dadurch zumeist eine deutliche Irritation, die mit etwas Glück als heilsame Verunsicherung erlebt wird und zu einer stärkeren intrinsischen Motivation führt-- und damit zum Wunsch, wirklich lernen und verstehen zu wollen. Dieser erste Kompetenzüberstieg lässt sich auch so beschreiben, dass Laien erstmals eine Fachbrille aufsetzen und den Lerngegenstand dann- - zwangsläufig- - anders sehen. Häufig sehen sie dabei erst einmal überhaupt nichts oder nehmen die Dinge überscharf wahr, ganz ähnlich wie bei herkömmlichen Brillen auch. Ich erinnere mich lebhaft daran, wie schwer es mir fiel, mich an meine erste Brille zu gewöhnen. Der Fußboden erschien mir mehr als einen Tag lang völlig uneben. Der erste Kompetenzüberstieg besteht demnach in der Irritation des intuitiven Handlungswissens durch ein Theorieangebot. Der Lernerfolg besteht darin, das Wissen theoretisch zu modellieren, oder, um im Bild zu bleiben, sich die »Fachbrille« zu eigen zu machen. Genau wie bei der Gewöhnung an eine Brille brauchen die Studierenden Zeit, um den ersten Kompetenzüberstieg kognitiv nachzuvollziehen und sich auf der neuen Stufe zurechtzufinden. Dafür braucht es Begleitung und Übung. Ebenso wie sich in der Homöopathie die Symptome häufig erst einmal verstärken, bevor sich Besserung einstellt, werden auch Auslegungen erst einmal nicht besser, nachdem die Studierenden Methoden kennenlernten. Es ist 17 Vgl. Szcyrba/ Wiemer, Lehrinnovation; Reis/ Ruschin, Prüfen. 34 Sandra Huebenthal im Gegenteil eher damit zu rechnen, dass sie zunächst schlechter werden, da die Lernenden vollauf damit beschäftigt sind, das Modell, die Hermeneutik, Theorie oder Methode zu durchdringen und ihre Energie dorthin geht. Anfänglicher Widerstand gehört zum Lernprozess mit dazu und die Trauer, nun nicht mehr mit dem intuitiven Handlungswissen durchzukommen, das doch bisher reichte, muss häufig ebenfalls bewältigt werden. An diesem letzten Punkt ist in der Theologie m. E. erhöhte Sensibilität seitens der Lehrenden geboten, um zwischen den anfänglichen Irritationen, die zum Lernprozess dazugehören, und einer Verweigerungshaltung zu unterscheiden. In dem Augenblick, in dem Studierende die Auseinandersetzung mit Theorien, Methoden und Modellen generell verweigern, stellt sich die Frage, ob sie die nötigen persönlichen Voraussetzungen für den Lernort Universität mitbringen oder nicht vielleicht zunächst andere Lernorte und Lernschritte angezeigt wären. Dass dies eher ein Thema für die persönliche Beratung als für die Lerngruppe ist, versteht sich von selbst, erfordert jedoch, dass Lehrende diese Rollen klar trennen können. Ob der erste Kompetenzüberstieg erfolgreich war, zeigt sich häufig erst in der Prüfung. Studierende fallen überdurchschnittlich oft bei theorielastigen Fragen durch, weil sie den Lerngegenstand durch die Fachbrille nicht deutlich genug sehen und deshalb wieder auf ihr intuitives Handlungswissen zurückgreifen. In diesem Augenblick stellt sich für den Lehrenden die Frage, ob ausreichend Möglichkeit bestand, das Sehen mit der Fachbrille zu üben und je nach Art der Antwort auf diese Frage wird die Bewertung des Prüflings ausfallen. Der zweite Kompetenzüberstieg, der in einem späteren Stadium des Lernprozesses angesiedelt ist, besteht in der Irritation durch Mehrperspektivität. Im Zuge dieser Irritation erweist sich das theoretisch modellierte Wissen als kontingent oder anders formuliert: Es gibt unterschiedliche Arten von »Fachbrillen« und nicht jede ist für jede Situation gleichermaßen geeignet. Man kann hier auch vom Praxisschock sprechen: Das theoretische Wissen muss von einem Praxis- oder Handlungsfeld und den Erfahrungen in diesem Feld immer wieder neu bewertet und modifiziert werden. So stellen Studierende der Bibelwissenschaft beispielsweise beim exegetischen Arbeiten fest, dass nicht jede Methode zu jedem Text passt, oder machen im Praktikum die Erfahrung, dass sich nicht jedes exegetische Ergebnis sinnvoll in der Praxis weiterverwerten lässt. Meine eigenen Schwierigkeiten bei der Vorbereitung des Einkehrtags zu Jesaja 58 waren eine solche Erfahrung und erforderten einen zweiten Kompetenzüberstieg. Das Ergebnis dieses zweiten Perspektivwechsels ist dann tatsächlich kompetentes Handeln von den jeweiligen Erfordernissen her und beschreibt damit das, was wir unter exegetischer Handlungskompetenz verstehen würden: Text- und situationsangemessen die passende Hermeneutik, Enzyklopädie und Methode für eine Auslegung auszuwählen, anzuwenden und die Ergebnisse kontextsensibel zu präsentieren� Ein hochschuldidaktischer Blick auf Exegese 35 9. Kompetenzüberstiege in der Exegese-- hochschuldidaktisch gesehen Ebenso wie der erste Kompetenzüberstieg erfordert auch der zweite ausreichend Übungszeit, um sich wirklich zu setzen. Als Lehrende im universitären Bereich bekommen wir diesen zweiten Kompetenzüberstieg bei den uns anvertrauten Lernenden in der Mehrzahl der Fälle deshalb nicht mit, weil er in die zweite Ausbildungsphase-- Referendariat, Vikariat oder Pastoralkurs-- fällt. Bei denjenigen, die ein Aufbaustudium, beispielsweise in Form einer Promotion, anschließen, lässt sich dieser Prozess hingegen ein Stück weiter mitverfolgen und begleiten; ebenso bei Studierenden der neuen Masterstudiengänge, in denen Teile des Referendariats in die Masterphase verlagert werden. Der zweite Kompetenzüberstieg hat ganz entscheidend etwas mit Handlungs- und Praxisfeldern zu tun. Auch wenn wir diesen zweiten Kompetenzüberstieg nicht bei unseren Studierenden begleiten und mitverfolgen können, so ist er uns als Lehrenden dennoch nicht fremd, denn er begegnet uns in unserer eigenen Arbeit. Als Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, die kompetenzorientiert Exegese lehren, sind wir mit den gleichen Fragestellungen konfrontiert wie unsere Studierenden in ihren späteren Praxisfeldern. Auch kompetentes didaktisches Handeln denkt von den jeweiligen Erfordernissen, wie beispielsweise der Zusammensetzung der Lerngruppe, den Vorerfahrungen, den Rahmenbedingungen oder dem angesteuerten Kompetenzerwerb her. Als kompetenzorientiert Lehrende stehe ich vor der gleichen Herausforderung wie diejenigen, die bei mir und mit mir lernen: Ich muss von den Erfordernissen des Feldes her Lernumgebungen gestalten und Lernprozesse vorstrukturieren. Hierin liegt meines Erachtens der wichtigste Schlüssel zum Ausstieg aus dem Kreislauf weitervererbter »exegetischer Traumata«: Es geht nicht nur um Hermeneutik und Methodik, sondern auch um Didaktik. Dieses Lernfeld ist nicht das der Studierenden, hier sind vielmehr wir als Lehrende selbst wieder Lernende-- ein Eingeständnis, das vielen Lehrenden anfangs auch deshalb schwer fällt, weil es Anfragen an die eigene Lehrkonzeption und das eigene Rollenverständnis stellt. Es ist ein entscheidender Schritt, sich im Zuge der eigenen Professionalisierung einzugestehen, dass man als Experte des Faches dennoch didaktischer Laie sein kann und Lernbedarf haben darf. In hochschuldidaktischen Workshops arbeiten wir an den gleichen beiden Kompetenzüberstiegen wie die Lehrenden mit den ihnen anvertrauten Lernenden in den jeweiligen Fächern und wir sind mit den gleichen Fragen, Befürchtungen und Widerständen konfrontiert. Auch in der Lehre beginnen die meisten Dozenten bei der Planung und Durchführung ihrer Lehrveranstaltungen zunächst mit intuitivem Handlungswissen und sind von der Konfrontation mit Theorien, Modellen und Methoden irritiert. Der 36 Sandra Huebenthal Umgang mit dieser Irritation und der einsetzende Lernprozess sind häufig nicht anders als wenn das intuitive Handlungswissen der Studierenden im Umgang mit der Bibel einem wissenschaftlichen Praxis- und Tauglichkeitstext unterworfen wird. Auch in hochschuldidaktischen Workshops werden Fachbrillen ausprobiert und mehr als einen kurzen Blick, wie die Zukunft der eigenen Lehre aussehen könnte, können die Workshops nicht leisten. Es bleibt in der hochschuldidaktischen Weiterbildung bei der Arbeit am ersten Kompetenzüberstieg, und allein die Sensibilität der Lehrenden dafür, selbst Lernende zu sein und ihre eigenen Lehrveranstaltungen nicht nur als Lehr-, sondern auch als Lernort zu sehen, ist der entscheidende Schritt. Um das Gelernte zu verfestigen und am zweiten Kompetenzüberstieg zu arbeiten, ist die Eigenverantwortung der Lehrenden gefragt. Es gibt keinerlei institutionalisierte Strukturen, um hierzu im Gespräch zu bleiben. Eine Möglichkeit ist der kollegiale Austausch über Lehre in hochschuldidaktischen Netzwerken, die nicht unbedingt am eigenen Ort sein müssen. Innerhalb der katholischen Theologie hat sich das Netzwerk Theologie und Hochschuldidaktik als ein Ort entwickelt, an dem Lehrende miteinander über gute Lehre im Gespräch bleiben, sich über neue Entwicklungen austauschen und die Anforderungen ihrer jeweiligen Praxis reflektieren. Es ist unschwer zu erkennen, dass kollegiale Fallberatungen und die gemeinsame inhaltliche und didaktische Reflexion untereinander und mit externen Experten Arbeit am zweiten Kompetenzüberstieg sind. Hochschuldidaktik erweist sich dabei als Lernen auf der Metaebene und heißt für die Bibelwissenschaften häufig: Exegetische Kompetenz lehren lernen. Ob das angesteuerte Ergebnis nun zauberhafte Exegesen oder gute bibelwissenschaftliche Lehrveranstaltungen sind, die Fragestellung bleibt immer dieselbe: Was sollen die Lernenden nach Abschluss des Lernprozesses können? Und: Welche Schritte müssen die Lernenden machen, um dieses Ziel zu erreichen? 10. Ausblick Exegetische Feldkompetenz ist eine lohnende Lebensaufgabe- - auch wenn man nicht Professor werden möchte. Auch anhand »exegetischer Miniaturen« lässt sich die eigene Fähigkeit weiterentwickeln und exegetische Methodenworkshops müssen nicht auf das Studium beschränkt sein. Gerade in Lehrerfortbildungen erlebe ich immer wieder, dass Lehrer aller Schulformen gerne andere Herangehensweisen an biblische Texte ausprobieren als die, die sie im Studium erlernten, und häufig aus ihrer Praxis heraus einen recht guten und realistischen Blick auf die Chancen und Grenzen von Methoden entwickeln. Das ist genau das, was sie als Praktikerinnen brauchen: Anwendungskompetenz. Lehrerinnen und Pfarrer entwickeln Ein hochschuldidaktischer Blick auf Exegese 37 selten neue Methoden, doch sie sind meist in der Lage, sowohl reflektierte als auch sehr differenzierte Rückmeldungen zu bekannten Methoden und ihrer Anwendung zu geben. Für Hochschullehrende, die selten in der Praxis stehen, sind diese Rückmeldungen bei der Weiterentwicklung von exegetischer Methodik und Hermeneutik von unschätzbarem Wert. Sie kommen sogar »frei Haus«-- wir müssen den Multiplikatoren nur unvoreingenommen Gehör schenken. Das ist nicht zu unterschätzen, denn auch das genaue Hinhören auf das, was die Praktiker zu sagen haben, kann helfen, den eingangs beschriebenen Kreislauf aufzubrechen. Was für die Fachlehre gilt, gilt gleichermaßen auch für die hochschuldidaktische Metaebene. Die Tagungen »Verstehen von Anfang an« und die aus diesen hervorgehenden Themenhefte sind ein Versuch, hochschuldidaktisch über Lehren und Lernen in den Bibelwissenschaften nachzudenken. Es ist sehr zu hoffen, dass dieses Gespräch konfessions- und disziplinübergreifend weitergeht. Eine andere Plattform zum Austausch über gute Lehre in den Bibelwissenschaften liegt mit dem neuen Band Giercke-Ungermann/ Huebenthal (Hg.): Orks in der Gelehrtenwerkstatt? Bibelwissenschaftliche Lehrformate und Lernumgebungen neu modelliert der Reihe Theologie und Hochschuldidaktik vor und wird ihrerseits die Diskussion um gute Exegesen und zauberhafte exegetische Lehrveranstaltungen stimulieren. Auch hier liegt es in der Verantwortung der Beteiligten, die neu eröffneten Gesprächs- und Lernräume zum Wohle der Lernenden zu nutzen. Literatur Brabrand, Claus/ Andersen, Jacob: Teaching Teaching & Understanding Understanding. 19 minute award-winning short-film ( DVD ) about Constructive Alignment, Aarhus 2006� Biggs, John/ Tang, Catherine: Teaching for Quality Learning at University, Buckingham 4 2011� Bloom, Benjamin S. u.a.: Taxonomy of educational objectives. The classification of educational goals, Handbook I: Cognitive domain, New York 1956� Dubs, Rolf: Besser schriftlich prüfen. Prüfungen valide und zuverlässig durchführen ( NHHL H 5�1), Berlin 2006� Dobelli, Rolf: Die Kunst des klugen Handelns. 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen. München 2012� Eco, Umberto: Lector in Fabula. Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten, München 3 1998� Giercke-Ungermann, Annett/ Huebenthal, Sandra (Hg.): Orks in der Gelehrtenwerkstatt? Bibelwissenschaftliche Lehrformate und Lernumgebungen neu modelliert (Theologie und Hochschuldidaktik 7), Münster 2016� 38 Sandra Huebenthal Guttenberger, Gudrun: Das Markusevangelium in religionspädagogischer Perspektive, in: Dressler, Bernhard/ Schroeter-Wittke, Harald (Hg.): Religionspädagogischer Kommentar zur Bibel, Leipzig 2012, 433-451� Huebenthal, Sandra: Exegetische Werkstatt oder »Es lohnt sich, früh aufzustehen und sich mit der Bibel zu beschäftigen«, in: Auferkorte-Michaelis, Nicole (Hg.): Hochschuldidaktik für die Lehrpraxis. Interaktion und Innovation für Studium und Lehre an der Hochschule, Opladen 2010, 180-189� Huebenthal, Sandra: Was ist exegetische Kompetenz? , in: Bruckmann, Florian/ Reis, Oliver/ Scheidler, Monika (Hg.): Kompetenzorientierte Lehre in der Theologie. Konkretion-- Reflexion-- Perspektiven (Theologie und Hochschuldidaktik 3), Münster 2011, 65-82� Kahneman, Daniel: Thinking, Fast and Slow, London 2012� Kennedy, Declan/ Hyland, Áine/ Ryan, Norma: Writing and Using Learning Outcomes: a practical Guide ( NHHG C 3�4-1), Berlin 2009� Meyer, Torsten, Next Art Education (Kunstpädagogische Positionen 29), Hamburg 2013� Müller, Peter: Mit Markus erzählen. Das Markusevangelium im Religionsunterricht, Stuttgart 1999� Reis, Oliver: Kompetenzorientierung als hochschuldidaktische Chance für die Theologie, in: Scheidler, Monika/ Reis, Oliver: Vom Lehren zum Lernen. Didaktische Wende in der Theologie? (Theologie und Hochschuldidaktik 1), Münster 2008, 19-38� Reis, Oliver/ Ruschin, Sylvia: Kompetenzorientiert Prüfen. Bausteine eines gelungenen Paradigmenwechsels, in: Dany, Sigrid/ Szczyrba, Birgit/ Wildt, Johannes (Hg.): Prüfungen auf die Agenda! Hochschuldidaktische Perspektiven auf Reformen im Prüfungswesen (Blickpunkt Hochschuldidaktik 118), Bielefeld 2008, 45-57� Schermutzky, Margret: Learning Outcomes-- Lernergebnisse. Begriffe, Zusammenhänge, Umsetzung und Erfolgsermittlung Lernergebnisse und Kompetenzvermittlung als elementare Orientierungen des Bologna-Prozesses ( NHHL E 3�3), Berlin 2008� Schulte, Dagmar: Veranstaltungsplanung. Probleme und Methoden ( NHHL B 1�2), Berlin 2002� Sohns, Ricarda/ Küsters, Matthias (Hg.): Das Markusevangelium. Das biblische Buch als Ganzschrift. Religion betrifft uns, Aachen 2013� Szczyrba, Birgit/ Wiemer, Matthias: Lehrinnovation durch doppelten Perspektivenwechsel. Fachkulturell tradierte Lehrpraktiken und Hochschuldidaktik im Kontakt, in: Jahnke, Isa/ Wildt, Johannes (Hg.): Fachbezogene und fächerübergreifende Hochschuldidaktik (Blickpunkt Hochschuldidaktik 121), Bielefeld 2011, 101-110� Wildt, Johannes: Vom Lehren zum Lernen ( NHHL A 3�1), Berlin 2006� Wildt, Johannes/ Wildt, Beatrix: Lernprozessorientiertes Prüfen im »Constructive Alignment« ( NHHL H 6�1), Berlin 2011�