eJournals Kodikas/Code 38/3-4

Kodikas/Code
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
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2015
383-4

Kultur, Ritual, Tabu - und das Zeichen des Schleiers

2015
Ernest W. B. Hess-Lüttich
K O D I K A S / C O D E Ars Semeiotica Volume 38 (2015) · No. 3-4 Gunter Narr Verlag Tübingen Kultur, Ritual, Tabu - und das Zeichen des Schleiers Ernest W. B. Hess-Lüttich (Berlin/ Bern/ Stellenbosch) Following the refugee crisis 2015 and the terror attacks by Islamists in Europe, there was a media debate in Germany on the yashmaks of female Muslims in Summer 2016, called the burqadebate. Taking this debate as a starting point, the chapter discusses rituals and taboos of religious communities in a secular society. Proceeding from a sociological definition of rituals, the paper then attempts to present a terminological framework for the analysis of taboos in intercultural communication and applies the critical discussion of stereotypical assumptions to the current debate in secular countries in Europe on women wearing a burqa in public. The example furthermore serves for dealing with the problem of asymmetry in taboo discourse and argues for certain revisions of teaching material for the instruction in German as a foreign language with special attention to Muslim refugees. 1 Aus aktuell gegebenem Anlass Im Sommer 2016 flammt nach einer Serie islamistischer Anschläge und Attentate auch in Deutschland eine sog. “Burka-Debatte” wieder auf wie sie ähnlich schon in der Schweiz, in den Niederlanden, in Frankreich oder Belgien und anderen, vor allem osteuropäischen Ländern geführt wurde. Nachdem die “Kopftuch-Debatte” jahrelang den europäischen Migrations-Diskurs geprägt hat (Korteweg & Yurdakul 2016), scheint in Deutschland nach dem zweiten Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts das öffentliche Interesse daran etwas erlahmt. Wir erinnern uns: im ersten sog. Kopftuch-Urteil v. 24. 09. 2003 wurden die Klagen der angehenden muslimischen Lehrerin Fereshta Ludin abgewiesen, die als Beamtin in den öffentlichen Schuldienst übernommen werden wollte, aber darauf beharrte, im Unterricht ihr Kopftuch als Zeichen Ihrer Religion zu tragen. Für dieses Ziel klagte sie sich durch alle Instanzen, weil die Schulbehörden (in Baden-Württemberg) das Kopftuch als Zeichen “kultureller Desintegration” interpretierten, das mit dem Verfassungsgebot staatlicher Neutralität in Glaubensfragen nicht zu vereinbaren sei, weshalb ihre Einstellung zunächst abgelehnt worden war. Mit Beschluss v. 27. 01. 2015 entschied nun das Bundesverfassungsgericht in einem zweiten Kopftuch-Urteil (zwei Fälle in Nordrhein-Westfalen betreffend), “dass ein pauschales Verbot religiöser Bekundungen in öffentlichen Schulen” durch das äußere Erscheinungsbild von Pädagoginnen und Pädagogen mit deren Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) nicht vereinbar“ sei (Pressemitteilung Nr. 14/ 2015 vom 13. 03. 2015). 1 Da Lehrer bislang das Recht auf ein Kopftuch für sich nicht reklamiert haben, dürfte das Urteil vor allem 1 https: / / www.bundesverfassungsgericht.de/ SharedDocs/ Pressemitteilungen/ DE/ 2015/ bvg15-014.html [Zugriff: 02. 09. 2016] Lehrerinnen muslimischen Glaubens betreffen. Es stellt damit das Gebot der Glaubensfreiheit über das Gebot der staatlichen Neutralität bzw. das der Trennung von Staat und Religion. Erst eine ”konkrete Gefahr der Beeinträchtigung des Schulfriedens“ könne ein Verbot möglicherweise rechtfertigen. Damit liegt der schwarze Peter bei der jeweiligen Schulleitung. Für einen erklärtermaßen säkularen Staat ist das keine sehr übersichtliche Ausgangslage. Die Debatte hält daher an, hat aber in dem Maße an Fahrt verloren, in dem andere Formen der religiös motivierten Verschleierung ins Blickfeld des öffentlichen Interesses geraten. Nachdem man sich an das Kopftuch im öffentlichen Raum und in staatlichen Kontexten zu gewöhnen beginnt, verlagert sich die Diskussion vom Aspekt der Neutralität zu dem der Sicherheit im Falle der sog. Vollverschleierung. So wie es für manch eine gläubige Muslima ein Tabu wäre, ihren (wahabitischen) Niqab abzulegen, ist es für manch einen Richter tabu, etwa eine Zeugin zu befragen, deren Gesicht er nicht sehen kann, um ihre Mimik zu deuten, oder für einen Grenzpolizisten, den Pass einer (afghanischen) Burqa-Trägerin zu prüfen, oder für einen Taxikunden, sich der Fahrkunst einer Fahrerin im (iranischen) Tschador anzuvertrauen. Die Formenvielfalt der (muslimischen) Verschleierung wird in der sog. ‘Burka-Debatte’ zu einer Variante verkürzt, um die es aber meist gar nicht geht. Erst allmählich bemühen sich die Medien um Differenzierung und rücken entsprechende didaktisch aufbereitete Abbildungen in ihre diesbezüglichen Texte ein (wie z. B. im Spiegel 34 v. 20. 08. 2016: 31): Abb. 1 Wir haben es also mit konfligierenden Tabus zu tun, die religiöse Symbole betreffen oder die zahllosen Rituale, Regeln und Tabus, die jeweils religiös begründet werden (und z. B. die Ernährung betreffen oder die sexuelle Orientierung oder die Beschneidung usw.). Das macht das Thema Schleier als pars pro toto für unseren semiotischen und diskursiven Zusammenhang exemplarisch interessant und zum Gegenstand anhaltender Debatten in der öffentlichen Kommunikation. Für die Feministin Alice Schwarzer war der islamische (Voll-) Schleier immer ein Zeichen für die männliche Unterdrückung der Frau bzw. deren Unterwerfung unter das Patriarchat. Für die Publizistin Khola Maryam Hübsch ist er ein Zeichen für die Freiheit der Frau, ihrer religiösen Überzeugung Ausdruck zu verleihen. Für die Rechtsanwältin Seyran Ateş ist er ein Zeichen des politischen Kampfes gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter. Der türkische Journalisten Can Dündar sieht in ihm ein Zeichen des Widerstands gegen den Laizismus und er kritisiert die deutsche “Doppelmoral”, die der Nonne den Schleier erlaube, der Muslima aber nicht (wobei Vergleich hinkt: die Berufskleidung der einen und die Burka der anderen sind nicht einfach gleichzusetzen). 2 2 Alle Belege dazu im August 2016 in der Zeit und im Spiegel sowie bei Maybritt Illner. Kultur, Ritual, Tabu - und das Zeichen des Schleiers 339 In der Zeit (35 v. 18. 08. 2016) diskutieren Elisabeth Raether und Iris Radisch in ihren Leitartikeln auf der ersten Seite das Für und Wider des in diesem Sommer allenthalben diskutierten ‘Burka-Verbots’: Raether warnt vor dem Paradox, mit einem Verbot Illiberalität besiegen zu wollen, indem man das Prinzip der Liberalität dafür aussetze. Radisch hebt dagegen die symbolische Kraft hervor, die von der Vollverschleierung ausgehe. Die Burka sei das politische Kampf-Zeichen der radikalen Taliban, der Nikab das der Salafisten und Wahabiten; beide hätten mehr mit Fanatismus und Geschlechterapartheid zu tun als mit religiöser Inbrunst. Wer meine, den Vollschleier im Namen des Grundgesetzes verteidigen zu müssen (s. o.), schütze ungewollt jenen Fundamentalismus, der die Grundwerte jenes Landes verachte, in dem seine Anhänger lebten. Radisch erinnert daran, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erst kürzlich “das französische Burka-Verbot mit dem Hinweis auf den berechtigten Schutz eines geordneten menschlichen Zusammenlebens in einer offenen Bürgergesellschaft bestätigt” habe und resümiert: “Das Recht darauf, sein Leben hinter einem Stoffgitter zu verbringen, darf nicht mehr wiegen als das einer freien Gesellschaft, die selbst darüber entscheidet, wie viel rückschrittlichen Fanatismus sie ertragen will.” Aber dafür müsste diese sich mit der enormen Kraft uralter Rituale und strenger Tabus auseinandersetzen. Darf man von religiös oder kulturell geprägten Immigranten erwarten, sich im Namen der Integration von ihren ererbten Ritualen zu befreien, internalisierte Tabus zu verletzen, die vermeintlich ihre kulturelle Identität ausmachen? Stellen wir die Frage zunächst in den größeren Zusammenhang der Frage nach Ritualen und Tabus (und deren zeichenhaften Ausdrucksformen), bevor wir auf sie im Kontext der aktuellen Debatte(n) zurückkommen. 3 2 Rituale, Tabus Wer die Risiken und Gefährdungen, die jedem Versuch kommunikativer Verständigung, interkultureller zumal, innewohnen, zu vermeiden, zu umgehen, zu lindern sucht, dem hilft schon eine gewisse Sensibilität dafür, was zum Beispiel ‘normal’, also gewöhnlich, d. h. dem Gewohnten entsprechend ist und was nicht, was angesprochen werden darf und was lieber nicht, was ‘in Ordnung’ ist, was nicht. Anomie indes, resümiert der Konstanzer Soziologe Hans-Georg Soeffner in seinem Buch mit dem Titel Symbolische Formung. Eine Soziologie des Symbols und des Rituals, dessen Einleitung ich zum Auftakt diese und die folgenden Hinweise entnehme (Soeffner 2010: 9 f.), Anomie werde seit dem Beginn soziologischen Denkens bei Emile Durkheim als eine der fundamentalen Bedrohungen der Gesellschaft wahrgenommen. Der Autor erinnert an Max Weber, der die zentrale Ordnungsleistung der Kultur darin erkenne, dass sie einen “vom Standpunkt des Menschen aus mit Sinn und Bedeutung bedacht [en] endlich[en] Ausschnitt aus der sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens” zu schaffen versuche (Weber 1973: 180); bei Alfred Schütz und Thomas Luckmann (1984) sollten Strukturen der Lebenswelt als gesellschaftliche Ordnungskonstruktionen die ewige 3 Im Folgenden knüpfe ich an Überlegungen an, die ich zuerst bei der Eröffnung eines Colloquiums der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik 2010 in Kairo entwickelt habe, das dem Thema Zwischen Ritual und Tabu. Interaktionsschemata interkultureller Kommunikation in Sprache und Literatur gewidmet war (cf. Hess- Lüttich et al eds. 2011: 21-42). 340 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Berlin/ Bern/ Stellenbosch) Gefahr des Zusammenbruchs der gewohnten Ordnungen bannen; auch die Systemtheorie Niklas Luhmanns sei ein Versuch, die ungeordnete Prozesshaftigkeit gesellschaftlicher Entwicklung und menschlicher Kommunikation in ein umfassendes Ordnungsmodell zu zwingen. Es gebe, fährt Soeffner (ibid.) fort, praktisch keinen namhaften soziologischen Theorieentwurf, der der Ordnungsproblematik nicht einen zentralen Stellenwert zuweise. Er argumentiert, eines der vielen Hilfsmittel menschlicher Orientierungsversuche und Ordnungskonstruktionen bestehe in dem Entwurf von Sinnstrukturen, der das Leben mit einem Netzwerk von auf einander verweisenden Chiffren überziehe, diese in symbolische ‘Großformen’ einwebe (Cassirer 1952) und schließlich in einen übergreifenden Mythos einarbeite. Unter Verweis auf die Tradition von Max Weber bis Hans Blumenberg hält Soeffner (2010: 10) fest, dass wir als “Kulturmenschen [. . .], begabt mit der Fähigkeit und dem Willen, bewusst zur Welt Stellung zu nehmen und ihr einen Sinn zu verleihen” (Weber 1973: 180), unsere Kultur durch unablässige und beharrliche “Arbeit am Mythos” (Blumenberg 1979) selbst entwürfen, und zwar durch religiöse oder weltanschauliche Großerzählungen, die es uns erlaubten, uns auf sinnhaften Inseln innerhalb der “sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens” (Weber: ibid.) wohnlich einzurichten. Da nun aber weder das individuelle noch das soziale Leben, weder Gemeinschaften noch Gesellschaften eine durchgängige Ordnung aufwiesen, ja selbst die erkennbaren Ordnungen oft einander widersprächen oder miteinander konkurrierten, sei die ‘Arbeit am Mythos’, fährt Soeffner (ibid.) fort, immer zugleich auch die Arbeit am Widerspruch, präziser: an der Zähmung des Widersprüchlichen. Diese Zähmung bediene sich eines Werkzeugs, das in allen Bereichen menschlicher Kommunikation die Widersprüche zu einer, wenn auch in sich widersprüchlichen Einheit zusammenzufügen strebe (griechisch: ςύμβολειν, symbolein). Das aus Widersprüchen zusammengesetzte, sich als ursprüngliche Einheit Gebende, sei das Symbol, seine Gestalt die symbolische Form, das Zeichen, seine Handlungsform aber - das Ritual. Rituale dienen der Regulierung von sozialem Handeln, insofern sie Erwartungen über Ordnungsmuster und Verhaltensschemata festigen sowie Sanktionsmechanismen für regelwidriges und regelkonformes Verhalten bereitstellen. Es sind regelgeleitete Handlungsroutinen, aber die Regeln dafür können nicht durchweg universale Geltung beanspruchen: sie variieren nicht nur zwischen verschiedenen Gesellschaften und Kulturen; auch innerhalb einer Gesellschaft gibt es hochgradig gruppen- und situationsspezifische Unterschiede je Alter, Bildungsgrad, Lebensraum, sozialem Geschlecht, sexueller Orientierung, kultureller Sozialisation. Sozialisation und moderne Erziehung verankern Rituale im Routinewissen des Handelnden, das dann zwar noch als Orientierungswissen über die kontextuell angemessene Verwendung sprachlicher Rituale bzw. die Beachtung oder Vermeidung tabuierten Verhaltens vorhanden, als ätiologisches Wissen (d. h. als Wissen über Ursprung und Inhalt der Rituale und Tabus) hingegen verloren gegangen ist. Insofern der Konstruktivismus des Individuums in Wechselwirkung mit seinem jeweiligen gesellschaftlichen Herkommen steht (Wilhelm v. Humboldt), rückt das Interesse an diesen (potentiell dissenten, gar konfliktären) gesellschaftlichen Bedingungen interkulturellen Gemeinschaftshandelns in den Vordergrund. Die daraus möglicherweise folgenden Unterschiede in der kulturellen Prägung von Individuen und ihrer Auslegungen sprachlichen Handelns treten nun besonders deutlich dort zu Tage, wo es zu Regelwidrigkeiten oder Normverletzungen kommt, die die Verständigung aufgrund der (ggf. latenten, coverten, d. h. Kultur, Ritual, Tabu - und das Zeichen des Schleiers 341 versteckten) Differenzen der in Frage stehenden Normen und Ordnungsschemata ‘problematisch’ werden lässt. Gerade Rituale als zugleich traditionsbildende und ordnungsschaffende routinisierte Handlungen und Tabus als zugleich selektiv wirkende und mit Sanktionen belegte (ggf. unterdrückte) Handlungen, sind symptomatisch für spezifische kulturelle Identitäten und führen im Falle von unterschiedlicher kultureller Prägung zu einem besonders starken Fremdheitserleben. Insoweit Rituale und Tabus sprachlich sedimentiert sind (und oft auch Gegenstand ästhetischer Modellierung), finden sie (außer in der Anthropologie, Ethologie, Ethnographie der Kommunikation) auch in den Textwissenschaften zunehmend Beachtung. Während Rituale als Interaktionsrituale (Erving Goffman) heute etablierter Gegenstand der (empirischen, interkulturellen) Semiotik und Linguistik sind, bleibt die Untersuchung gerade von verbal oder nonverbal manifestierten Tabus (Kommunikationstabus, Sprachtabus und Tabudiskurse) weiterhin Desiderat der Semiotik und Kulturwissenschaften im allgemeinen sowie wie der interkulturellen Germanistik im besonderen. Bei der im Zeichen der Flüchtlingskrise 2015/ 16 alltäglichen Begegnung zwischen fremdsprachigen (fremdkulturellen) Immigranten und muttersprachlichen Einheimischen müssen beide Seiten nicht nur für die Tabus der fremden Kultur - aber auch der eigenen! - sensibilisiert werden, sie sollten auch ein Arsenal an Reparaturmechanismen und Kompensationsstrategien zur Hand haben, um im Falle einer Tabuverletzung dem Abbruch und Scheitern der Kommunikation entgegensteuern zu können. Dies aber führt zu der Frage, welche (sprachlichen) Mittel eine Vermeidung von Tabus oder die kommunikative Bewältigung von Tabubrüchen ermöglichen. Dazu kann auch die verständige Lektüre ihrer literarischen Problematisierung oder die Betrachtung ihrer medialen Inszenierung fruchtbar beitragen. In den letzten Jahren ist bekanntlich die Auseinandersetzung zwischen westlicher und muslimischer Welt in den Vordergrund der gesellschaftlichen Diskurse gerückt. Nicht zuletzt auch durch die Medien ist das Thema im kollektiven Bewusstsein präsent. Die Bemühungen um Verständnis der jeweils anderen Kultur werden, wenn überhaupt, aus einer Position der mutuellen Skepsis initiiert, die sich gerade an der spürbaren Differenz der Rituale, dem oft krass unterschiedlichen Zuschnitt der Tabus entzündet. Rituale finden sich im deutschen wie im muslimisch-arabischen Kontext nicht nur in religiösen Zusammenhängen, sie strukturieren und formalisieren in hohem Maße ganz alltägliche Handlungen. Rituale der (ersten) Begegnung und Routinen des Grüßens erleichtern die Interaktion (cf. Hess-Lüttich 1991, id. & Diallo 2007); vielfach machen sie - als Handlungsroutinen der Höflichkeit (cf. Lüger 1992; Bouchara 2002) - das Zusammenleben überhaupt erst möglich. Freilich lauern schon hier erhebliche Gefahren wechselseitiger Irritation, wenn der Einheimische z. B. den Handschlag als Zeichen der Höflichkeit entbietet und erwartet, während er zugleich für den Muslim gegenüber der Frau, für die Muslima gegenüber dem Mann tabuisiert ist. Das hat, soweit es öffentlich wird, dann sofort heftige Diskussionen in den sozialen Medien zur Folge, wenn etwa Julia Klöckner als prominentes Mitglied des CDU-Vorstands auf das verabredete Gespräch mit einem Imam verzichtet, der ihr den Handschlag unter Verweis auf das religiöse Verbot seines Glaubens verweigert, oder umgekehrt Khola Maryam Hübsch als medienpräsenter Dauergast einschlägiger Talkshows die zum Gruß entbotene Hand der männlichen Mit-Gäste ignoriert, was diese als Zeichen mangelnder Achtung, ja von Missachtung oder gar Verachtung empfinden. 342 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Berlin/ Bern/ Stellenbosch) Als in der Schweiz zwei muslimische Schüler, entsprechend indoktriniert, ihrer Lehrerin plötzlich den Handschlag verweigerten, fand man nach intensiver (auch öffentlicher) Diskussion eine vermeintlich pfiffige Lösung, um das religiöse Tabu der Muslime und das ihm widerstreitende gesellschaftliche Tabu der Diskriminierung von Frauen in der Schweiz miteinander in Einklang zu bringen: die beiden Schüler durften fortan auch ihren männlichen Lehrpersonen nicht mehr die Hand geben. Wenn schon keine Integration, dann wenigstens beiderseitige Gesichtswahrung. Inzwischen sind allerdings 71 % der Schweizer für ein Burka-Verbot nach dem Vorbild Frankreichs, Belgiens oder der Niederlande; seit dem 1. Juli 2016 ist eines im Tessin bereits in Kraft. Dort legt die Kantonsverfassung (nach einer mit 65.4 % angenommenen Initiative) fest: “Niemand darf sein Gesicht im öffentlichen Raum und an Orten verhüllen oder verbergen, die allgemein zugänglich sind (ausgenommen Sakralstätten) oder der Erbringung von Publikumsdienstleistungen dienen” (Jäggi 2016: 7). Allerdings ist nirgends von der Burka die Rede, verfassungswidrige Diskriminierung damit vermieden. Der Umgang mit Tabus entzieht sich häufig dem diskursiven Bewusstsein, weil das über sie internalisierte Wissen ihre Handhabung automatisiert. Dass sich die soziale Praxis von Ritualen und Tabus innerhalb einer Kultur - in den durch Mitgliedschaftsausweise generationaler, geschlechtlicher, ideologischer, sozialer, religiöser Zugehörigkeit und sexueller Orientierung definierten Subkulturen und gesellschaftlichen Gruppen - zusätzlich hochkomplex differenziert, macht deren Erforschung sicher nicht einfacher, aber dafür umso reizvoller. Wenn dies schon innerhalb einer Kultur oft von brisanter Bedeutung ist (auch die Rituale und Tabus katholischer, evangelikaler oder orthodoxer Christen geben manchem säkular emanzipierten Mitbürger Rätsel auf), dann erst recht für die Begegnung zwischen Angehörigen deutlich differenter Kulturen aus den deutschsprachigen und arabisch-muslimischen Regionen. Hier stellen sich für den Beobachter von außen wichtige Fragen: Wie manifestieren sich sprachbasierte Rituale? Wie ist von Routineformeln getragenes Ritualhandeln organisiert? Welche Wechselbeziehungen gibt es zwischen Ritualen und Tabus? Warum existiert bei manchen Tabus ein positiver Regelungskreis, der durch ein Ritual vor einem Tabubruch bewahrt (z. B. beim Siezen), bei anderen hingegen nicht? Warum haben Tabus häufig die Form einer Unterdrückung spezifischer verbaler Äußerungen? Was macht Geltungsdifferenzen von Tabus für die jeweils andere Gruppe so schwer erträglich? Wie trägt Sprache in diesen Formen konstruktiv oder destruktiv zur Festigung und Reproduktion sozialer Wirklichkeit bei? Wie werden solche Formen von literarischen Autoren vor dem Hintergrund ihrer (interkulturellen) Kommunikationserfahrung sensibel registriert und ästhetisch modelliert? Wer Antworten auf solche Fragen sucht und sie empirisch zu (er-)gründen sucht, geht Risiken ein, wenn den Beteiligten nicht bewusst ist, dass, indem wir über Tabus räsonieren, wir sie nicht etwa verletzen, da wir als Beobachter zwischen Objekt- und Metaebene strikt zu unterscheiden gelernt haben, d. h. über x reden heißt nicht, x tun. Dies sei aus leider allzu zahlreich gegebenen Anlässen noch einmal mit Nachdruck ins Stammbaum all jener geschrieben, die bei jedem Tabu-Thema (also dem Reden über Tabus) ihre kulturelle oder religiöse Identität attackiert wähnen und die berühmte “Verletzung religiöser Gefühle” beklagen. Mit dem einigermaßen sorgfältig definierten Begriff des Rituals habe ich gleichsam nebenbei den des Tabus eingeführt, noch ohne ihn genauer festzulegen. Unsere Neugier Kultur, Ritual, Tabu - und das Zeichen des Schleiers 343 beginnt wiederum mit Fragen. Was ist ein Tabu? Warum haben wir Tabus? Welche Arten von Tabus gibt es überhaupt? Wie kann (darf ) ich ein Tabu ansprechen? Wie kann ich eigene oder fremde Tabus überhaupt erkennen und wie soll ich mit ihnen umgehen? Wie kann ich ein Tabu vermitteln? Wie entstehen in interkulturellen Kontaktsituationen Tabubrüche? Wie können sie ggf. ‘repariert’ werden? 3 Was ist ein Tabu? Die bekannteste und bündigste Definition formulierte bekanntlich Sigmund Freud in seinem berühmten Essay Totem und Tabu: “Die Tabuverbote entbehren jeder Begründung, sie sind unbekannter Herkunft; für uns unverständlich, erscheinen sie jenen selbstverständlich, die unter ihrer Herrschaft leben” (Freud 1961 [1912]: 27). Stimmt das eigentlich? Haben Tabus keine Gründe, keine Ursachen? Ist ihre Herkunft nie rekonstruierbar und erklärbar? Entziehen sie sich grundsätzlich ihrer (rationalen) Verstehbarkeit? Ich denke, wir müssen ein wenig genauer hinschauen und uns zunächst noch einmal des Begriffs versichern. Der Ausdruck Tabu bezeichnet nach einer geläufigen Festlegung in einem der Zentren der deutschsprachigen Tabuforschung an der Europa-Universität Viadrina zu Frankfurt an der Oder (i) Gegenstände und Sachverhalte, Taten, Gedanken oder Gefühle, die man meiden soll, (ii) Themen, über die man nicht oder nur in bestimmter Art und Weise sprechen darf: die eben erwähnten Kommunikationstabus, die aber nicht unabhängig von den tabuisierten Gegenständen, Sachverhalten, Taten, Gedanken, Gefühlen existieren (cf. EUV-Frankfurt 2007) Der in Frankfurt/ Oder wirkende Tabuforscher Hartmut Schröder (1999: 1 f.) unterscheidet sodann genauer zwischen verbalen und nonverbalen Tabus: diese beziehen sich auf Handlungen, die verboten sind, jene auf Themen, über die ‘in etikettierter Form’ kommuniziert wird, und auf Ausdrücke, die vermieden werden sollen - kurzum: “(i) was man nicht tut; (ii) worüber man nicht spricht” (Birk & Kaunzner 2009: 400). Tabus dienten nach Klaus-Dieter Felsmann (ed. 2009: 19) dem ‘Selbstschutz’ des einzelnen in der Gesellschaft, der ‘Ordnung’ innerhalb einer (Werte-)Gemeinschaft, der individuellen ‘Selbstkontrolle’ (der Impuls- und der Triebkontrolle), sie determinierten gesellschaftliche Normen (und Abweichungen davon), sie generierten Schamgefühle und hülfen damit, (missbilligte) physische oder seelische Entblößungen, auch Perversionen (oder was ‘man’ dafür hält), zu vermeiden und Freiheiten zu testen (bzw. Zwänge einzuführen, soziale Kontrolle auszuüben, zu sanktionieren, was ‘der Normalität’ zuwiderlaufe). Vom ‘Verbot’ unterscheidet das Tabu, dass das durch es Verbotene nicht thematisiert werden können soll. Wer es dennoch tut, ‘bricht’ es, macht sich des Tabubruchs ‘schuldig’. Ihn zu ‘heilen’, zu reparieren, setzt einige Fertigkeiten wie die vorherige Kenntnis passender Euphemisierungsstrategien (cf. Fortunato, in diesem Band) und einschlägiger Reparaturmechanismen voraus (cf. Schröder 1995: 19). Unbewusste, also nicht taktisch eingesetzte ‘schuldhafte’ Tabubrüche erzeugen Missverständnisse, die innerhalb des bestehenden Kommunikationskreises vertrackterweise nicht verhandelt und aufgeklärt werden können, was manche Konstellation gerade interkultureller Kommunikation konflikthaft verschärfen kann. Der Begriff Tabu, der nach den Expeditionen von James Cook, der den Ausdruck bei einer Expedition 1771 in Tonga aufschnappte, Eingang in den Sprachgebrauch der meisten 344 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Berlin/ Bern/ Stellenbosch) Europäer gefunden hat (cf. Schröder 1995: 15; Hirschberg 1999: 367), stammt bekanntlich aus dem polynesischen ta pu, was zunächst soviel wie ‘außerordentlich’ oder ‘das kräftig Markierte’ bedeutet (cf. Wagner 1991: 17). Die polynesische Gesellschaft hatte vielfältig differenzierte Kulte und ziemlich komplexe Rangordnungen ausgebildet, vieles war ta pu, was ein soziales Verbot oder auch ein individuelles Meidungsgebot bezeichnen konnte (cf. Streck 2000: 252). In einer ursprünglichen Form entstanden Tabus aufgrund der Vorstellung, dass Götter oder Dämonen ‘falsche Handlungen’ bestrafen. Dem Bruch eines Tabus folgten unangemessen hohe Strafen, die man daher tunlichst vermied. Tabus dienten also zunächst dem Schutz vor ‘bösen Mächten’, aber auch der sozialen Regulierung und Sanktionierung, sie verliehen bestimmten Personen damit also auch Druckmittel und Macht (cf. Zöllner 1997: 15 ff.). Andere traditionelle Tabus dienten dem Zweck, vor Krankheit zu schützen, wie das Tabugebot der Meidung von Schweinefleisch im Islam, das darauf zurückzuführen ist, dass diese Fleischsorte in der heißen Sonne leicht verderblich war, was sich in Zeiten moderner Kühlanlagen zwar als Anachronismus erweist, aber, religiös aufgeladen, nichts von seiner sanktionsbewehrten Wirksamkeit eingebüßt hat (cf. Wagner 1991: 15). Der Ursprung solcher Tabus ist oft nicht leicht oder gar nicht mehr rekonstruierbar; viele Tabus sind nicht mehr ohne weiteres auf vermeintliche Gottesgebote oder ritualisierte Moralvorschriften zurückzuführen; sie werden im Wege der Sozialisierung durch Eltern, peers und Gesellschaft erlernt, eingeübt, automatisiert, internalisiert ohne Erklärung, weshalb sie als Teil des Routinewissens kultur- und subkulturspezifisch ausgeprägt sein können; sie stabilisieren soziale Ordnungen und dienen der Sicherung von Eigentums- und Herrschaftsverhältnissen (cf. Schröder 2002: 1 ff.). Dazu haben sich regelrechte Tabu- Systeme ausgebildet, die indes selbst keine statischen, sondern durchaus dynamische Gebilde sind; sie dienen einerseits der Konservierung intrakultureller Handlungs- und Kommunikationspraxen, andererseits bieten sie durch ihre Sanktionierungsmechanismen Sicherheit und Schutz - oder den Impuls zur Kritik gesellschaftlich überholter oder obsoleter Moral- und Wertvorstellungen und dienen damit in historischer Sicht ex negativo der Erweiterung des Sagbaren (cf. Rothe & Schröder 2005: 9 f.). So unüberschaubar die Vielfalt ihrer historischen und regionalen Ausprägungen, so begrenzt die Auswahl ihrer Themen: Tabu-Systeme beziehen sich im wesentlichen auf Tod und Religion, auf Gesundheit und Krankheit, auf Geld und Sex (cf. Birk & Kaunzner 2009: 400 f.). Diese Themen sedimentieren sich in aus Handlungstabus abgeleiteten Sprachtabus, die tabuisierte Handlungen zu camouflieren und damit abzusichern erlauben. Zöllner (1997) oder Schröder (1999) unterscheiden in systematisierender Absicht (i) Tabus aus Furcht (religiöse Motive, Aberglauben); (ii) Tabus aus Feinfühligkeit (gegenüber Krankheit und Tod); (iii) Tabus aus Anstandsnormen (bezogen auf Sexualität und Körperteile oder -funktionen); (iv) Tabus aus sozialem Kontakt oder ideologischen Prinzipien (“Gleichheit aller Menschen”), die in Gesellschaften mit “hohem Zivilisationsgrad” Geltung heischen (und dort manchmal die Grenzen zur “political correctness” leicht verschwimmen lassen: cf. Holder 2008: 303). In der Praxis sind solche Sortierungen freilich selten durchzuhalten; oft korrelieren z. B. sexuelle Tabus mit religiösen Motiven und umgekehrt, wenn auch in je nach Region, Kultur und Epoche höchst unterschiedlicher Weise (cf. Luchtenberg 1999: 69): was hier oder derzeit als selbstverständlicher Ausdruck sexuellen Variationsreichtums oder individuellen Lebensstils gilt, kann dort oder zu andern Zeiten als ‘wider die Natur des Menschen’ oder ‘Verstoß gegen göttliches Gebot’ gebrandmarkt werden. Einvernehmlich privater Sex unter er- Kultur, Ritual, Tabu - und das Zeichen des Schleiers 345 wachsenen Männern etwa gilt als ein solches Tabu, dessen Verletzung zu Ausbrüchen von schier unfassbarem Hass führen kann. Für Jusuf al-Karadawi, einen der wichtigsten Islam- Gelehrten der Gegenwart, sind Homosexuelle “abartige Elemente”, die es auszumerzen gelte, bevor die Gesundheit der Gemeinschaft Schaden nehme (cf. Ourghi 2016). Die Tabuisierung von Homosexualität führt zur hypokritischen Leugnung ihrer Existenz in der islamischen Welt (wo sie natürlich nicht weniger verbreitet ist als überall sonst) und zu ihrer Pathologisierung als Symbol eines ‘dekadent-verweichlichten’ Westens. Die zur Rechtfertigung des strengen Urteils angeführten Koranstellen verweisen zumeist auf das Volk Lot, das der verderblichen Lust unter Männern fröne (z. B. 11, 77-83; 15, 58-77; 26, 160-174; 27, 54-58). Christen kennen den Verwurf aus der biblischen Sodom-Erzählung, die zum Namenspatron der berüchtigten ‘Sodomie’ werden sollte, als die katholische Informationsblätter homosexuelle Handlungen im Einklang mit dem biblischen Erkenntnisstand auch heute noch bezeichnen. 4 Wer auf rechten und islamophoben Foren wie “politically incorrect” (www.pi-news.net), die bislang nicht durch besondere Sympathie für Homosexuelle aufgefallen sind, angesichts islamischer Homophobie plötzlich sein Herz für Schwule entdeckt, könnte ebenso gut auch bei (allzu) frommen Christen fündig werden. In seinem Bestseller Der Gotteswahn hat der Evolutionsbiologe Richard Dawkins (2008) exemplarisch Zitate von prominenten amerikanischen Christen wie dem Gründer der Liberty University Jerry Falwell, dem Gründer der Christian Coalition Pat Robertson, dem Präsidenten der Catholics for Christian Political Action Gary Potter oder dem Pastor Fred Phelps von der Westboro Baptist Church gesammelt, die den Unbefangenen genauso das Gruseln lehren wie die inhumanen Verdikte von Muslimen, denn es sei geradezu das “Markenzeichen der glaubensorientierten Moralisten: Sie sorgen sich leidenschaftlich um das, was andere Menschen privat tun (oder sogar denken)” (Dawkins 2008: 402). Die Strukturähnlichkeit homophober Hasspredigten christlicher Missionare in Afrika und muslimischer Imame speist sich aus derselben Quelle: aus dem religiösen Absolutismus - mit nicht selten tödlicher Konsequenz für die Opfer. Wie übrigens um den Tod eines Menschen getrauert wird, unterliegt ebenfalls höchst unterschiedlichen Konventionen (inklusive solchen des Kondolenzverhaltens oder der Kleiderwahl), die zu verletzen mehr oder weniger empfindliche Sanktionen nach sich ziehen kann. Tabus ‘beschweigen’ das nicht (oder noch nicht oder hic et nunc nicht) Sagbare. Wie aber kann man über Tabus sprechen? Tabuthemen betreffen meist zentrale Bereiche menschlichen Lebens, deshalb ist es von elementarer Bedeutung, Wege zu finden, sie zu besprechen. Man sucht nach Ersatzformen. Diese Suche scheint ungeachtet der Stärke der Tabus (und wie immer sanktionsbewehrt sie sein mögen) und der kulturellen Vielfalt ihrer Ausprägungen universal zu sein (cf. Schröder 2002). Es sind die unterschiedlichsten Strategien, die zu einer direkten oder indirekten Kommunikation über ein Tabu führen können: Schweigen, Gesten, Verhüllen, Verschleiern, Andeuten, Umschreiben, Beschönigen (Birk & Kaunzner 2009: 401 ff.). Sprachliche Ersatzformen der Camouflage, der Metapher oder des Euphemismus machen es möglich, über Tabus zu sprechen, ohne einen Tabubruch zu begehen. Diese Möglichkeiten scheinen schier unbegrenzt: Nicole Zöllner (1997) hat zu dem Thema ein über vierhundertseitiges Werk geschrieben, Robert W. Holder (2008) hat ein ganzes Lexikon englischsprachige Euphemismen kompiliert - Fundgruben für Linguisten und sprach- 4 “Als Sodomie im Vollsinn (sodomia perfecta) bezeichnet man die homosexuelle Betätigung (Karl Hörmann: LChM 1969, Sp. 1102 f)”: http: / / www.stjosef.at/ morallexikon/ sodomie.htm [Zugriff: 03. 09. 2016]. 346 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Berlin/ Bern/ Stellenbosch) sensible Autoren auf der Suche nach sprachlichen Mitteln des Ausdrucks dessen, was man meint, nicht ‘sagen’ zu können. Aber auch eine Herausforderung kommunikativer Praxis im Alltag: wer solche Ersatzmittel nicht pragmatisch angemessen (rhetorisch: aptum) einzusetzen vermag, wer unbeholfen den Tabubruch riskiert, wird vom Gegenüber sofort bestraft mit Konflikt, Konfrontation oder Abbruch der Kommunikation. Wer sich seines Tabubruchs bewusst wird, empfindet Scham oder Schuld und sucht nach Reparaturmechanismen (wie z. B. Entschuldigung, Beschwichtigung, Umdeutung, Abschwächung, Selbstironisierung usw.). Ist er sich seines Tabubruchs aber nicht bewusst, wird die Situation eher noch viel komplizierter, was nicht selten geschieht, wenn die Gesprächpartner aus verschiedenen Kulturräumen kommen. 4 Tabus in der interkulturellen Kommunikation Die Komplexität der Probleme interkultureller Kommunikation wird noch einmal potenziert, wenn sie verbunden wird mit den Problemen der Tabu-Kommunikation. Genau das ist unser Thema. In interkulturellen Kontaktsituationen kann es oft dadurch zu Missverständnissen kommen, dass einem Sprecher - mangels interkulturellen Wissens - gar nicht bewusst ist, dass er einen Tabubruch begangen hat. Das vom Hörer daraufhin wenigstens erwartete Schamgefühl tritt daher gar nicht auf, was zu Verwirrung führen kann oder gar zum abrupten Abbruch des Gesprächs (cf. Schröder 1995: 23 f.). Gleichzeitig fällt es aber auch schwer oder es ist gar unmöglich, die Irritation aufzuklären, weil der Hörer den Tabubruch nicht thematisieren kann, eben weil er tabu ist (cf. Luchtenberg 1997: 73): ein klassischer circulus vitiosus, der im Anschluß an Birk & Kaunzner (2009: 402 f.) kurz veranschaulicht sei als ein Problemfall der in diesem Zusammenhang verhandelten Forschungsaufgaben. Wenn ein Sprecher ein kulturspezifisch tabuisiertes Thema ohne konventionelle sprachliche Ersatzmittel anschneidet, begeht er einen Tabubruch, dessen ‘Opfer’ je nach ‘Schwere der Tat’ entsprechend überrascht oder verunsichert, verstört oder empört, beleidigt oder aggressiv reagiert. Wird dem Sprecher sein Fehler daraufhin bewusst, verspürt er, wie gesagt, normalerweise Scham und Schuld: er versucht sich zu entschuldigen oder zu erklären und mit Hilfe eines konventionalisierten Reparaturmechanismus Schlimmeres zu verhüten und Sanktionen zu vermeiden. Der circulus vitiosus wird so unterbrochen (cf. Birk & Kaunzner 2009: 401 f.). Die Bedingung dafür ist Kenntnis der und Verständnis für die im gegebenen Kontext geltenden gesellschaftlichen Regeln. Fehlt indes die Kenntnis dieser Regeln bzw. der konventionell akzeptierten Reparaturmechanismen aufgrund kulturell divergenter Wissensbestände, wird der Sprecher keine Schuld empfinden und seinerseits mit Unverständnis auf die Reaktion des Hörers reagieren, also dessen Verhalten negativ bewerten und das Weite suchen. Der Konflikt nimmt seinen Lauf. Wie lässt sich das vermeiden? Wie erfährt man, was wie angesprochen werden darf? An interkultureller Ratgeberliteratur herrscht bekanntlich kein Mangel. Sie vermittelt die wichtigsten Do’s and Don’ts [oder dos and don’ts], die beachten sollte, wer ein fremdes Land bereist oder mit ausländischen Geschäftspartnern verhandelt. Solche Hinweise können etwa bei internationalen Werbekampagnen nützlich sein, die ‘interlinguale Tabuwörter’ oder interkulturelle Tabu-Gebärden vermeiden möchten, also solche Wörter und Gebärden, deren (graphische bzw. phonische oder gestische) Form in zwei Sprachen bzw. Kulturen mehr oder Kultur, Ritual, Tabu - und das Zeichen des Schleiers 347 weniger gleich sind, jedoch semantisch oder pragmatisch unterschiedlich sind und in der einen Sprache oder Kultur Tabuiertes bezeichnen, in der andern nicht (cf. Schröder 2002). Als z. B. Ford sein neues Automodell Pinto (Bezeichnung für ein geschecktes Pferd) in Brasilien einführen wollte und das nicht recht funktionierte, mussten die US-Werbeleute lernen, daß Pinto dort ein Slangwort für “tiny male genitals” ist. Oder als eine amerikanische Firma ihr Produkt in Griechenland mit dem gestischen Emblem für ‘okay’ vermarktete, brachen sie zügig die Kampagne ab, als sie schließlich merkten, daß ihr Zeichen (ein aus Daumen und Zeigefinger gebildeter Kreis) dort eine deutlich sexuell konnotierte deftige Beleidigung bedeutet. Die gängigen Ratgeber (insbesondere der Managementliteratur) vermitteln allerdings meist nur verbreitete Stereotypen, die, als wohlfeile Rezeptur zur Anwendung gebracht, vielleicht die gröbsten Missverständnisse verhindern helfen (selbst amerikanische Manager, die immer als erprobte Negativbeispiele mangelnder interkultureller Sensibilität herhalten müssen, vermeiden es mittlerweile, ihren muslimischen Geschäftspartnern den Anblick ihrer Schuhsohlen zuzumuten; umgekehrt gaben urdeutsche Bürger, sonst muslimischer Neigungen unverdächtig, mittels wütend erhobener Schuhe gegenüber dem seinerzeitigen Bundespräsidenten Christian Wulff (“Der Islam gehört zu Deutschland”) ihrem politischmoralischen Furor über die von ihnen als unschicklich empfundenen Geschäftsverstrickungen ihres Staatsoberhauptes gestischen Ausdruck: ein aufschlussreiches interkulturelles Zitat von Tabu-Gebärden in globalisierten Zeiten). Die Tabus einer fremden Kultur wirklich zu verstehen setzt indes umfassenderes Wissen voraus (Birk & Kaunzner 2009: 407): Die Tabus einer fremden Kultur wirklich zu erfassen, bedeutet, ihre Grundwerte und -überzeugungen im Detail zu erfassen, den Sinn der Grenzen, die zwischen Aussprechbarem und Unaussprechlichem gezogen werden, zu begreifen und die von der jeweiligen Gesellschaft vorgesehenen kommunikativen Ersatzmittel zu beherrschen. Erst dann ist es möglich, mit den anderen über Themen wie Sex, Geld, Tod und Religion zu reden. Das Konfliktpotential verschärft sich noch in Fällen ‘divergierender Tabus’. Werte oder Worte, Gegenstände und Sachverhalte können in der einen Sprache oder Kultur tabuisiert sein, während sie in der anderen umgekehrt positiv konnotiert sind oder sogar das eigene Tabu dem des anderen diametral entgegengesetzt ist, d. h. Gebot und Verbot einander gegenüberstehen, etwa das Verhüllungsgebot in der einen Gesellschaft und das sog. Vermummungsverbot (im öffentlichen Raum) in der anderen. Damit komme ich auf die eingangs angesprochene Diskussion über Formen und Funktionen der Verschleierung zurück, die hier als Beispiel für konfligierende gesellschaftlich-religiöse Tabus dienen mag. Die deutsche ‘Burka-Debatte’ des Sommers 2016 (die angesichts der in Deutschland praktisch nicht vertretenen Burka-Trägerinnen eigentlich unter einem etwas irreführenden Etikett geführt wird) hat ihr Vorbild in Frankreich, aber auch in anderen Ländern Westeuropas. Werfen wir zur politischen Einordnung der Debatte abschließend zunächst einen kurzen Blick zurück auf den dort ausgetragenen Streit. 5 5 Bei dieser Rekonstruktion der Vorgeschichte stütze ich mich teilweise auf Material, das Esther Kunz (Bern) in ihrer Bachelorarbeit (Kunz 2010) zusammengetragen hat: ihr sei für die dort kompilierten Hinweise herzlich gedankt. 348 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Berlin/ Bern/ Stellenbosch) 5 Im Zeichen des Schleiers Im laizistischen Frankreich mit seinen traditionell engen Verbindungen mit Nord- und West- Afrika und seinem vergleichsweise hohen Anteil muslimischer Immigranten wurde - nach dem bereits seit 2005 gesetzlich verbotenen Tragen religiöser Zeichen in öffentlichen Schulen (cf. Schenker 2007: 13) - seit Mitte des Jahres 2009 das generelle Verbot der sog. Vollverschleierung im öffentlichen Raum (also in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in öffentlichen Gebäuden wie Rathäusern, Schulen, Universitäten, Krankenhäusern) intensiv diskutiert. Den bevorstehenden Wahlkampf im Blick verkündete der seinerzeitige französische Präsident Nicolas Sarkozy am 22. Juni 2009 mit ähnlichen Worten wie am 19. August 2016 der deutsche Innenminister Thomas de Maizière, die ‘Burka’ sei auf dem Territorium der Republik nicht mehr willkommen. 6 Sie verletze die Menschenwürde im allgemeinen und die Rechte der Frauen im besonderen und widerspreche damit den Grundwerten der französischen Republik. Sie sei ein Zeichen für die muslimische Unterdrückung der Frau und überhaupt ein Zeichen für den religiösen Fundamentalismus. Der Ganzkörperschleier sei ein Gefängnis aus Stoff, das die eigene Identität verhülle und jeden sozialen Kontakt erschwere (cf. Ehni 2010; Niewerth 2010; Ulrich 2010). Am 11. April 2011 trat ein entsprechendes Gesetz in Kraft, das nicht nur innenpolitisch umstritten war, sondern auch ein nicht unerhebliches außenpolitisches Konfliktpotential barg, wie die daran entzündeten diplomatischen Verwicklungen etwa zwischen Frankreich und der Türkei vor Augen geführt haben. Kritische Stimmen gaben damals zu bedenken, dass das (unterstellt) ‘populistische’ Verbot von ungleich wichtigeren Problemen des Landes ablenken solle, dass es der französischen Verfassung widerspreche, die jedem die Entfaltung der persönlichen und religiösen Freiheit garantiere, dass es im übrigen nur eine verschwindende Minderheit von gerade mal 2000 entschlossenen Burka-Trägerinnen betreffe und deren Isolation eher noch zu verstärken drohe (cf. Ehni 2010; Niewerth 2010; Ulrich 2010). Inzwischen ist die Burkabzw. Nikab-Kontrolle ein eingespieltes Ritual: Feststellung der Identität und der Personalien, Verhängung eines Bußgeldes, das dann routinemäßig von dem algerischen Geschäftsmann Rashīd Naqqāz oder seinem zu diesem Zwecke gegründeten Verein “Touche pas à ma constitution” bezahlt wird. Die seither kontrovers geführte Debatte gründet im konfliktträchtigen Gegeneinander divergierender Tabus, das aber m. E. nicht in einen clash of civilizations à la Huntington münden muss, sondern vor allem eine innerhalb der muslimischen Kulturen streitig geführte Auseinandersetzung darstellt mit der Auslegung von Regeln des Korans und Vorschriften islamischen Rechts (Scharia) unter Einschluss von z. T. vorislamisch-gewohnheitsrechtlichen Ritualen (Ehrenmorde, Steinigung, vaginale Beschneidung etc.). Deren Primat gegenüber staatlich verfügtem Recht steht die in vielen Ländern Europas nach Jahrhunderten durchlittener Religionskriege mühsam erkämpfte Trennung von Kirche und Staat entgegen (die allerdings nicht überall konsequent durchgesetzt wurde). Die rechtsphilosophische Be- 6 Hier sinngemäß wiedergegeben gemäß eidgenössischer Berichterstattung u. a. im Hauptstadt-Blatt Der Bund (sam/ ddp 2010). Die Burka-Debatte (in Frankreich, aber auch in Deutschland und Österreich, in Belgien und Dänemark, in den Niederlanden und in der Schweiz) ist natürlich nur ein aktueller Ausschnitt aus der in vielen europäischen Ländern seit etlichen Jahren anhaltenden Diskussion über alle möglichen anderen Verschleierungsformen (cf. Oestreich 2005; Korteweg & Yurdakul 2016; zur ‘Kopftuch-Debatte’ in deutschsprachigen Medien cf. Hess-Lüttich 2009; ). Kultur, Ritual, Tabu - und das Zeichen des Schleiers 349 gründung ‘westlicher’ Antidiskrimierungsgesetze etwa (z. B. gegen die Benachteiligung von Frauen oder sexuellen Minderheiten) wird sich schwer jemandem erschließen, dem diese als gravierende Verletzung übergeordneten religiösen Rechts erscheinen, was, nota bene, ähnlich auch für die ultraorthodoxen Haredim in Israel, die evangelikalen (‘wiedergeborenen’) Protestanten in den USA, die klerikalkonservativen Katholiken vom Opus Dei, die Partei der Bibelchristen in Deutschland und andere fundamentalistische Sekten und Sektierer gilt. Im Körperdiskurs wird dieser Basiskonflikt unmittelbar anschaulich, wenn das muslimische Patriarchat die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau aus dem überlieferten islamischen Recht ableitet, das es zugleich unhistorisch absolut setzt (obwohl Scharia bekanntlich kein juristisches Normenwerk bezeichnet, sondern als Sammelname gebraucht wird für ein Bündel von Traditionen, Ritualen und Lebensregeln, die in jedem islamischen Land anders interpretiert werden). Das Insgesamt der islamischen Lebensregeln in der Scharia diene dazu, resümiert die gebürtige Perserin Ferideh Akashe-Böhme (2006: 13), die Menschen “vor den teuflischen Versuchungen im irdischen Dasein” zu schützen - ähnlich äußern sich übrigens auch katholische Bischöfe in Deutschland: “Der Teufel lauert hinter jeder Tür”, warnt, zum Beispiel, der Erzbischof von München und Freising Reinhard Marx (2012: 54). Der Umgang mit dem eigenen Körper und die körperliche Beziehung zu anderen Menschen gewönnen dysfunktionales Gewicht gegenüber anderen Lebensbereichen. Der gesamte Genitalbereich etwa sei weitläufig tabuisiert und seine Reinigung speziellem Ritual unterworfen. Ein ‘natürlicher’ Umgang mit dem eigenen Körper im (heutigen) ‘westlichen’ Sinne werde dadurch dämonisiert: jede Berührung tabuisierter Körperzonen sei ‘Verunreinigung’, wobei der Schambereich bei Frauen sich grundsätzlich auf ihren gesamten Körper erstrecke. Die einer magischen Leibpraxis entspringenden Berührungsverbote stünden im “Zusammenhang mit den Einschränkungen der Sexualität, sie verfolgen noch die kleinste leibliche Anmutung durch den anderen Menschen unter dem Verdacht unerlaubter Sexualität” (Akashe-Böhme 2006: 34). Die heute wieder zunehmende Verfolgung von Frauen durch selbsternannte männliche Tugendwächter entspringt dabei weniger einer engen Auslegung des Koran (oder der Thora oder der Bibel), sondern eher einer eigentlich therapiebedürftigen sexualpathologischen Phantasie der Fundamentalisten. Selbst das unbefangene Blickverhalten unterliegt asymmetrischer Regulierung: während die Frau sich vor den frei schweifenden Blicken der Männer durch Verhüllung schützen müsse, seien diese umgekehrt auch unverhüllt vor den Frauen sicher, die ihren Blick schamhaft senken müssten, sowie sie eines Mannes gewahr würden: das strikte Reglement unterstellt nach Akashe-Böhme (2006: 37 f.) die Allgegenwart männlichen Begehrens [. . .] als eine unveränderliche Naturtatsache. Die Männer brauchen sich keinen Zwang anzutun. Der Notwendigkeit, den Umgang der Geschlechter miteinander im öffentlichen Raum zu entsexualisieren, wird einseitig zu Lasten der Frau entsprochen. Faktisch ist jedoch das, was die Frauen durch Verhüllung zu leisten haben, ein Schutz der Männer. Denn es wird unterstellt, dass die Frauen durch ihre pure weibliche Erscheinung für die Männer eine unerträgliche Beunruhigung darstellen, also Fitna, das heißt, Chaos, Aufruhr, Verführung verursachen. Der Schleierzwang erweist sich damit als Maßnahme zur Domestizierung der Frau, als Mittel ihrer Unterdrückung im öffentlichen Raum. Dies aber missachtet im ‘westlichen’ Verständnis die unverbrüchlichen Rechte zur freien Entfaltung der individuellen Persönlichkeit und widerspricht damit diametral allen - nach der historischen Anstrengung zur Befreiung des Rechts aus dem Korsett der Religion - 350 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Berlin/ Bern/ Stellenbosch) mittlerweile errungenen Verfassungsgrundsätzen des Schutzes vor Diskriminierung, deren Verletzung durch (strenggläubige) Muslime genauso einen Tabubruch darstellt wie diese umgekehrt den Anspruch auf Respekt vor ihren Tabus geltend machen. Ein echtes Dilemma divergierender Tabus mit gleich starken Geltungsansprüchen, nur dass sie sich auf der einen Seite auf Menschen- und Verfassungsrechte, auf der andern auf Religion und Tradition berufen. Zwischen beiden scheint eine argumentative Vermittlung etwa auf der Basis Habermasscher Diskursmodelle kaum denkbar, da deren Bedingung herrschaftsfreier Rationalität nicht gegeben ist, solange Tabus im Spiele sind, die ihrerseits nicht hinterfragt werden (dürfen). Was hilft die argumentative Rechtfertigung verfassungsrechtlicher Errungenschaften, wenn schon deren Prämissen nicht akzeptiert werden? Aber sollen sie relativiert oder gar dispensiert werden, um in ihren Tabus und Traditionen gefangenen Muslimen (oder Fundamentalisten gleich welcher religiösen Schattierung) die Integration und gesellschaftliche Teilhabe in den mittlerweile überwiegend säkular verfassten Gesellschaften Europas zu erleichtern? “Integration ist ein Rätsel. Wer als ‘Fremder’ in einer Gesellschaft ankommen will, muss sich irgendwie einpassen, so die Anforderung. Die Gesellschaft muss ihm dazu Platz und Gelegenheit bieten, das ist die Kehrseite der Bedingung [. . .]” (Oestreich 2005: 173). Aber wenn Tabus so tief in kulturellen Traditionen wurzeln, dass sie als Teil der eigenen Identität erlebt werden, die nicht ohne weiteres ablegen kann (oder zu können glaubt), wer in die Fremde zieht (oder ziehen muss)? Ist eine überzeugte Muslima, die ihre Burka subjektiv als Schutz empfindet, besser integriert, sobald sie sich ihrer zu entledigen gezwungen wird? Darf sie umgekehrt Respekt (nicht nur jene Toleranz, die von Indifferenz nicht weit entfernt erscheint) vor ihrem Tabu von denen fordern, die damit ihre eigenen Tabus brechen würden? Der Grundwiderspruch divergierender Tabus ist eine echte Herausforderung interkultureller Kommunikation, die von mutuellem Respekt vor der kulturellen (sexuellen) Identität des Anderen geprägt ist. Wo immer Tabu und Identität sich widersprechen, wo immer sich Menschenrecht und Scharia-Recht wechselseitig ausschließen, geraten Rechtfertigungsdiskurse in den oben beschriebenen circulus vitiosus interkultureller Tabu- Kommunikation (cf. Oestreich 2005: 133). Welches Recht hat höheren Rang: Religionsfreiheit oder Gleichberechtigung? Welches Tabu darf in ihrem Namen gebrochen werden? Soll das Prinzip der Liberalität im Namen der Laizität dispensiert werden? Die Debatte darüber hält an, die deutsche Rechtsprechung ist alles andere als einheitlich, geschweige denn konsequent. Wenn die geläufige Kopftuch-Debatte sich wandelt zur Burka- Debatte, so tritt jedoch ein anderer Aspekt hinzu: der der Sicherheit. Das seit 1985 geltende Vermummungsverbot wurde in Deutschland damit begründet. Es untersagt i. S. v. § 17 Abs. 2 Versammlungsgesetz die Verhüllung z. B. bei Demonstrationen, in Fußballstadien, beim Autofahren, am Bankschalter usw. Die Serie von Anschlägen islamischer Täter hat die Öffentlichkeit für den Sicherheitsaspekt sensibilisiert. Er hat vordergründig den Vorteil, dass der Staat nicht auf religiöser Ebene argumentieren muss, aber auch den Nachteil, dass er in der Praxis weitgehend wirkungslos bleibt, solange schon die geltende Rechtslage nicht durchgesetzt wird und zudem die religiös motivierte Verschleierung von den Proponentinnen ja gerade nicht als Sicherheitsrisiko betrachtet wird, sondern als Zeichen ihres ‘friedliebenden’ Glaubens. Wieder stehen zwei Prinzipien quer zueinander: auf der einen Seite das Sicherheitsbedürfnis vor dem Hintergrund islamistischen Terrors, auf der anderen die gesetzlich geschützte Glaubensfreiheit und Selbstverwirklichung religiöser Minderheiten. Ist argumentative Verständigung darüber möglich, sofern überhaupt erwünscht? Kultur, Ritual, Tabu - und das Zeichen des Schleiers 351 Die Eigenschaft des Tabus als eines kulturell im Magischen verwurzelten Sprech- und Handlungsverbots erschwert es, unbefangen über es zu sprechen, frei von Emotionen darüber zu verhandeln. Lässt man es also lieber gleich ganz? Diesen Eindruck muss gewinnen, wer die einschlägige Debatte verfolgt oder wer im Zuge der aktuellen Migration und dem dramatisch gestiegenen Bedarf an der Vermittlung des Deutschen als Fremdsprache die gängigen Lehrmaterialien dafür auf Fragen der Tabu-Kommunikation jenseits stereotypisierter Oberflächlichkeiten und wohlfeiler Postulatorik hin durchforstet. Dabei ist das Thema in Zeiten akzelerierender ‘Glokalisierung’ - also dem zunehmenden Bestehen auf lokaler Identität (Stichwort Rechtspopulismus, AfD usw.) gegenüber den Ansprüchen wirtschaftlicher Verflechtung (Stichwort Handelsabkommen à la CETA, TTIP etc.) - und anschwellender Migrationsströme (infolge von Krieg, Armut, Umwelt) aktueller und brisanter denn je. 6 Identität oder Integration? Die ‘Burka-Debatte’ ist nur ein Symptom des Spannungsverhältnisses zwischen Identität und Integration, insofern Flüchtlinge und Immigranten ihre Religion, ihre Tradition und deren tabubewehrten Regelwerke als Teil ihres Selbstbildes zu behaupten suchen, während die Einheimischen von ihnen die Anpassung an europäische Normen und Werte erwarten und einfordern. Konflikte entstehen insbesondere dort, wo diese Normen und Regelwerke eklatant divergieren. Das betrifft keineswegs nur muslimische Flüchtlinge. Die Beschneidungsdebatte etwa führte zu unverhofften Solidarisierungen zwischen Juden und Arabern, als deutsche Gerichte aufgrund medizinischer Probleme die religiös begründete Beschneidungspraxis in Frage stellten. Während der neue geschaffene § 226 a StGB die “Verstümmelung weiblicher Genitalien” unter Strafe stellt, wird der zumindest medizinisch entsprechende Vorgang bei Jungen konsequent ‘Beschneidung’ genannt und in § 1631 d BGB ausdrücklich legalisiert. Juristen sahen darin einen Verstoß gegen das verfassungsmäßige Diskriminierungsverbot: das weibliche Genital sei sakrosankt, das männliche disponibel (so z. B. der Richter am OLG Nürnberg Tonio Walter in Die Zeit 28 v. 04. 07. 2013: 13). Der Sturm der Entrüstung, der anschließend durch den deutschen Blätterwald rauschte, war gewaltig. “Auschwitz! ”, riefen jüdische Autoren, “Islamhasser! ”, die muslimischen. Dabei war die Rechtslage auch vor Einführung der neuen Paragraphen eindeutig, aber diese berührten eben religiöse Tabus, was die nüchterne Erörterung des eigentlichen Sachverhalts endgültig unmöglich machte. Die Liste solcher Beispiele ließe sich angesichts der Fülle divergierender Normen und tabubewehrter Regeln mühelos erweitern (wozu hier nicht der Raum ist). Sie stehen für unsere Ausgangsfrage, auf die wir hier am Beispiel der Verhüllung zurückkommen: Darf man von religiös oder kulturell geprägten Immigranten erwarten, sich im Namen der Integration von ihren ererbten Ritualen zu befreien, internalisierte Tabus zu verletzen, die vermeintlich ihre kulturelle Identität ausmachen? Das Dilemma ist offensichtlich, aber es sollte uns nicht ratlos machen, denn der Handlungsbedarf ist ebenso offensichtlich. Er beginnt mit den endlich politisch beschlossenen Maßnahmen zur behutsamen Heranführung der Flüchtlinge aus anderen Kulturen an europäische Normen und Schaffung der dafür essentiellen Voraussetzung: der Vermittlung sprachlicher Kompetenz. Aus den (mindestens) dreißig Jahre alten Forderungen nach einer theoretisch fundierten und empirisch instrumentierten Erforschung von Konstellationen interkultureller Tabu- 352 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Berlin/ Bern/ Stellenbosch) kommunikation sollte daher m. E. endlich auch die Konsequenz gezogen werden, deren Ergebnisse für die angewandte Dimension kulturwissenschaftlich basierter Fremdsprachenvermittlung fruchtbar zu machen (cf. Hess-Lüttich 1985 [! ]). Ihr Ziel sollte z. B. sein, über die sprachliche Kompetenz hinaus auch Toleranzfähigkeit, sprachliche Sensibilität, Verständigung durch Schweigen etc. zu vermitteln (cf. Schröder 1998). Solche Fähigkeiten erleichtern Reparaturen von Tabubrüchen und helfen potentielle kommunikative Konflikte zu vermeiden. Das müsste weit hinausgehen über die wohlfeilen Rezepturen der Management- und Ratgeberliteratur, die das Memorieren von doand don’t-Listen in interkulturellen Trainings empfehlen, die ohnehin nie vollständig sein können, “zumal dann ja auch die teils noch komplizierteren Reparaturmechanismen miterlernt werden müssten” (Birk & Kaunzner 2009: 410). Exhaustive Inventare über Tabus, Reparaturmechanismen und Euphemisierungsstrategien einer Kultur anzulegen, dürfte also kaum möglich sein. Umso gebotener scheint mir die Ergänzung der schulgemäßen Sprachvermittlung um ein “emotionales und kognitives Lernen” etwa im Sinne des Konzepts von Language Awareness (Luchtenberg 1997: 220 f.) und des Empathie-Ansatzes (Hermanns 2007). Bezogen auf Tabus bedeutet das, sich der eigenen kulturellen Zugehörigkeit bewusst zu werden und sich für die Tabus der Zielsprache informiert zu sensibilisieren. Zur Vermittlung deutscher Sprache und Kultur z. B. an muslimische Immigranten gehört dann m. E. auch, das Ethos liberalen Rechts säkular verfasster Gesellschaften mit unangestrengter Beharrlichkeit zu erklären. Die immer wieder berichtete Rücksichtnahme mancher deutscher Juristen und muslimischer Friedensrichter auf muslimische Maximen patriarchalischer Konfliktbearbeitung ist nicht nur ein Missverständnis von Multikulturalität, sondern ein Rückschritt hinter längst erreichte global-zivilisatorische Maßstäbe und Richtwerte. Ansätze zu einem aufgeklärt-sensiblen Umgang mit Tabus im DaF-Unterricht haben Birk & Kaunzner (2009) entwickelt. In ihrem Modell des “situierten Lernens” (ibid.: 410 ff.) soll der Umgang mit der Überraschung und Verwirrung bei einem Tabubruch systematisch eingeübt werden. Im Unterricht werden dabei konkrete und authentische Situationen betrachtet, die die Lernenden selbst erlebt haben. Dabei ist zu beobachten, dass Studierende typischerweise zunächst fremde Tabus (die der ‘anderen’) zurückgreifen und die der eigenen Kultur kaum ansprechen. Diese Beobachtung hat schon Hartmut Schröder gemacht, als er in einem Experiment Studierenden aufgab, einen Aufsatz über ihre Erfahrungen mit Tabus in ihrer eigenen Kultur und in fremden Kulturen zu schreiben: “Bei der Nennung von Tabus aus der eigenen Kultur meint ein großer Teil der Studierenden, keine persönliche Erfahrung mit Tabus gemacht zu haben, und schildert hauptsächlich Erfahrungen von anderen Personen, womit wahrscheinlich schon eine wichtige Strategie für den Diskurs über Tabus angesprochen ist” (Schröder 1995: 24 f.). Wer dieser Strategie folgte, ginge über Hans-Jürgen Krumms bekanntes (und heute kaum mehr strittiges) Plädoyer für eine Distanzierung des Faches Deutsch als Fremdsprache vom Euro-/ Ethnozentrismus und für dessen konsequent interkulturelle Orientierung hinaus, der gemäß es gelte, “die Entwicklung von Interkulturalität als der Fähigkeit, Verschiedenheit zu akzeptieren, mit Hilfe von Sprache eine neue Kultur zu entdecken und die eigene neu sehen zu lernen” (Krumm 1994: 31), und könnte, im Glücksfalle, kommunikativen Gewinn buchen; er begäbe sich - im Respekt vor den gewiss erhellenden Konfigurationen der Differenz (und durchaus diesseits aller romantischen ‘Multikulti’-Idealisierungen) - z. B. mit dem Humboldt-Preisträger Anil Bhatti auf die Suche nach den Ähnlichkeiten (similarities) in der Diversität (Bhatti 2012: 185): Kultur, Ritual, Tabu - und das Zeichen des Schleiers 353 ‘Ähnlichkeit’ als universalistische Perspektive - verbunden mit ‘Solidarität’ (welche partikularistische Bindungen relativiert, um eine plurikulturelle Kommunikationsgesellschaft zu projizieren) - gewinnt an Bedeutung. Dies bildet einen Gegensatz zur Verabsolutierung der Differenz durch die Homogenisierung. Durch die damit anvisierten plurikulturellen Lebensformen und die entsprechenden Implikationen für Identitätsvorstellungen gewinnt das Konzept der Interkulturalität neue Kontur. Das heißt indessen nicht, die Augen vor den Differenzen zu verschließen. Lern- und Aufnahmebereitschaft der Residenzgesellschaft setzt das Bewusstsein der eigenen Maßstäbe und Richtwerte sowie jene klaren Grenzziehungen voraus, zu denen sich die Politik bislang in Deutschland nie hat durchringen können, was nicht zuletzt den reaktionären Kräften gegenwärtig so beunruhigenden Auftrieb verleiht. Wenn 2015 mehr als 1000 fremdenfeindliche Straftaten registriert wurden und wenn sogar in einem Bundesland, in dem es z. B. gar keine Burka- oder Nikab-Trägerinnen gibt, xenophobe Parteien wie AfD und NPD fast ein Viertel alle Wählerstimmen auf sich vereinigen (wie am 04. 09. 2016 in Mecklenburg- Vorpommern), dann sollte vielleicht auch in Deutschland (wie schon in den umliegenden Ländern) das Religionsprivileg überdacht und so ausgestaltet werden, dass der grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit ebenso Rechnung getragen wird wie dem ebenfalls grundgesetzlich verankerten Anspruch staatlicher Neutralität in Glaubensfragen. Daraus folgt m. E. eine für alle Religionen gleichermaßen verbindliche Einhegung ihrer öffentlichen Präsenz als Zeichen der politischen Behauptung eines Bekenntnisses (cf. z. B. Kruzifix-Urteile). Religion ist Privatsache, nicht Sache des Staates. Privat mögen Frauen tragen, was sie wollen; aber im Staatsdienst und bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben sollten Zeichen religiöser Überzeugung nicht als Zeichen politischer Stellungnahme missbraucht werden. Elke Schmitter fordert (im Spiegel 34 v. 27. 08. 2016: 107) die muslimische Frau auf: “Zeige dein Angesicht”, Maske und Schleier gehörten “auf die Bühne, in den Karneval oder zum Banküberfall”. Die Burka sei ein politisches Symbol, bei dem es nicht um Unwohlsein gehe, “sondern um ein System von Macht und Gewalt unter der religiösen Vollverschleierung” (ibid.). Vermittlung von Wissen über Religion dagegen ist sehr wohl Sache des Staates und sollte nicht allein den Religionsgemeinschaften gleich welcher Couleur überlassen bleiben, die die Schüler eines Klassenverbandes zu den Stunden ihrer je eigenen Konfessionen auseinanderreißen und die Fremdheit zwischen ihnen verstärken. Vielmehr gebe es stichhaltige Argumente für einen bildenden statt nur bekennenden Unterricht in Religion, meint der Hallenser Germanist Jürgen Krätzer (in der Zeit 35 v. 18. 08. 2016: 50), eine für alle Schüler verbindliche und gemeinsame Unterweisung, in der historisch-vergleichend die vielfältigen “Spielarten des Glaubens und Unglaubens als Varianten freier Willensentscheidung” vorgeführt werden. Das relativierte vielleicht auch ein wenig die Unbedingtheit der von religiösen Autoritäten eingeforderten Unterwerfung unter ihre jeweilige Doktrin. Deren Behauptung, nur die Furcht vor Gottesstrafe und die Hoffnung auf Belohnung im Jenseits befähige zu ethischem Handeln, würde als Hybris entzaubert. Der eigenverantwortlich Handelnde gewönne eine durch die Einsicht in die dem Maß seines Nicht-Wissens gemäße Demut jene mündige Freiheit, die religiöse Autoritäten so einträchtig bekämpfen, weil sie ihre Macht in Frage stellt. Und die Freiheit verliehe ihm dann auch die Kraft, Rituale auf ihre Rechtfertigung hin zu befragen und die Funktionalität von Tabus kritisch zu prüfen. Die Freude an (selbst) bestimmten Ritualen, der Respekt vor (selbst) akzeptierten Tabus würde dadurch nicht beschränkt. 354 Ernest W. B. Hess-Lüttich (Berlin/ Bern/ Stellenbosch) Bibliographie Akashe-Böhme, Farideh 2006: Sexualität und Körperpraxis im Islam, Frankfurt/ M.: Brandes & Apsel Apeltauer, Ernst 1997: “Zur Bedeutung der Körpersprache für die interkulturelle Kommunikation”, in: Knapp- Potthoff & Liedke (eds.) 1997: 17-39 Balle, Christel 1990: Tabus in der Sprache, Frankfurt/ M.: Peter Lang Benthien, Claudia & Ortrud Gutjahr (eds.) 2008: Tabu, Interkulturalität und Gender, München: Fink Bhatti, Anil 2012: “Ähnlichkeit statt Differenz”, in: Grucza (ed.) 2012: 185-188 Birk, Andrea & Ulrike A. Kaunzner 2009: “Tabu und Identität. Wie man das vermittelt, worüber die anderen schweigen”, in: Hess-Lüttich et al. (eds.) 2009: 397-416 Blumenberg, Hans 1979: Arbeit am Mythos, Frankfurt/ M.: Suhrkamp Bouchara, Abdelaziz 2002: Höflichkeitsformen in der Interaktion zwischen Deutschen und Arabern. 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