eJournals Kodikas/Code 37/1-2

Kodikas/Code
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
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2014
371-2

Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers 'Traumnovelle'

2014
Dalia Aboul Fotouh Salama
Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers Traumnovelle Dalia Aboul Fotouh Salama (Universität Kairo) In Arthur Schnitzler’s Traumnovelle, published in 1926, the married couple Albertine and Fridolin confess their hidden sexual desires and fantasies to each other. Deeply disturbed by the confessions of his wife, Fridolin then goes on a ‘night journey’ through Vienna. Although the nocturnal adventures, in their dream-like sequencing, appear as dream images or a fantastically distorted reality, it is not clear on which level of perception the events are taking place. The decisive factor is that the experiences of the male protagonist, his own inner perceptions are represented. Through its dream-like narrative mode, the dream as a perceptual process, as the inner vision of images, merges with the perception of the outside world. It is the main subject of this study to analyze the women who appear to Fridolin at different levels of perception and in the space between imagination and reality, to reveal their construction as a result of imagination, and to determine their function in the fictional world of the protagonist. “Wenn zwei Menschen einander bis ins Tiefste verstehen wollen, so ist das geradeso, wie wenn zwei gegenübergestellte Spiegel sich ihre eigenen Bilder immer wieder und von immer weiter her wie in verzweifelter Neugier entgegenwerfen, bis sie sich endlich im Grauen einer hoffnungslosen Ferne verlieren” (Arthur Schnitzler, T 128). 1 Einleitung Wie heimatlos, wie hinausgestoßen erschien er sich […] seit dem Abendgespräch mit Albertine rückte er immer weiter fort, aus dem gewohnten Bezirk seines Daseins in irgendeine andere, ferne, fremde Welt. (T 31) Dieses Zitat aus Arthur Schnitzlers Traumnovelle (1926), die als Höhepunkt im Spätwerk des Wiener Arztes und Dramatikers, eines der bedeutendsten Autoren der Wiener Moderne und des Fin de Siècle, gilt, beschreibt jenen Moment des Textes, in dem die männliche Hauptfigur Fridolin, bestürzt durch das Geständnis seiner Frau Albertine, sexuelles Verlangen einem anderen Mann gegenüber verspürt zu haben, sich auf eine ‘nächtliche Reise’ durch Wien begibt. Diese nächtliche Reise, die sowohl von Erlebnissen als auch von diversen Frauenbildern durchzogen wird, konstruiert für Fridolin jene “andere, ferne, fremde Welt” (T 31), die außerhalb des “gewohnten Bezirks seines Daseins” (T 31) besteht und in die er sich begibt. Die imaginativen Bilder in einer ihm ungewohnten und fremden Welt bilden den Hauptgegenstand der vorliegenden Untersuchung, in der es darum geht, diese imaginierten Bilder als Konstrukte zu erfassen und deren Funktion in einer fiktiv konstruierten ‘fremden’ Wirklichkeit herauszustellen. K O D I K A S / C O D E Ars Semeiotica Volume 37 (2014) No. 1 - 2 Gunter Narr Verlag Tübingen Dalia Aboul Fotouh Salama 134 1 Besonders die ältere Forschung zur Traumnovelle befasst sich mit dem Verhältnis von Traum und Wirklichkeit. Hier werden Fridolins Erlebnisse entweder dem realen Raum zugeordnet oder als Einbrüche von Surrealem in die Alltagswelt gedeutet; Albertines Traum wird als exemplarisch für diese Anwendung psychoanalytischer Traumtheorie angesehen. Hingegen bleibt die neuere Forschung hinsichtlich des Verhältnisses von traumhaftem und realem Erleben gespalten, sodass diese Problematik unaufgelöst bleibt. Dem gegenüber lässt sich eine zunehmende Thematisierung von ästhetischen Fragen, wie Textkomposition, Erzählweise, Erzählstruktur und Analyse der verschiedenen Erzählebenen beobachten, wobei besonders nach dem Zusammenhang von Erzählen und Traum gefragt wird, wie es ja bereits das Kompositum des Titels Traum-Novelle andeutet und impliziert. Die Sichtung der neueren Forschung lässt eine Verschiebung des Akzents feststellen, von der Frage nach der Darstellung von Wirklichkeit und Traum zu der Untersuchung von Fiktion und Traum sowie von Erzählstrukturen und Traum, vgl. hierzu Freytag (2007: 15) mit Verweisen auf Perlmann (1987), Scheffel (1998), von Hoff (2003). Im Text finden sich zwei Ebenen: zum einen die des expliziten Traums, wie der von Albertine, in dem sie ihre unterdrückten Wünsche kompensiert, auf den hier jedoch nicht ausführlich eingegangen werden kann, da es sonst den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, und zum anderen die der traumhaften Erlebnisse Fridolins in der Nacht, auf die hauptsächlich mein Augenmerk gerichtet sein wird. In Fridolins nächtlicher ‘Odyssee’, die von dem Wunsch begleitet wird, sich an seiner Gattin zu rächen, trifft er mehrere Frauen, mit denen er jedoch keine sexuelle Beziehung einzugehen vermag. Die nächtlichen Erlebnisse Fridolins erscheinen durch ihre Handlungsabfolge wie Traumbilder. Das Traumhafte der Erzählweise und des Textaufbaus ist schon im Titel, der die Wörter Traum und Novelle zusammenfügt, impliziert. “Durch den Titel wird ausgestellt, dass es die Erzählweise und die Konstruktion des Textes selbst sind, die den Eindruck von Geträumtem erzeugen.” (Freytag 2007: 15) 1 Obwohl es nicht eindeutig ist, auf welcher Bewusstseins- und Wahrnehmungsebene sich die Ereignisse abspielen bzw. die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit nicht immer eindeutig zu ziehen sind, ist ausschlaggebend, dass es sich bei den Erlebnissen Fridolins um ‘seine’ eigene innere Wahrnehmung handelt. Durch ihre traumartige Schilderungsweise wird das Träumen als perzeptiver Vorgang, als inneres Sehen von Bildern gezeigt, die mit der Wahrnehmung der äußeren Welt ineinanderfließen und diese konstruieren. 2 Imagination und Wirklichkeit Aus der figurativen Ebene heraus entstehen im Raum zwischen Imagination und Wirklichkeit mehrere Frauenbilder in der Wahrnehmung des männlichen Protagonisten, die durch interne Prozesse in dessen Psyche induziert sind. Anliegen dieses Beitrags ist es, in diesem so vielschichtigen Werk anhand bestimmter Kriterien die Konstruiertheit dieser Frauenbilder als Produkt von Fridolins Imagination aufzudecken. Durch den Vergleich der jeweiligen imaginierten Frauenbilder soll erkennbar gemacht werden, welche Funktion und Wirkung diese als Konstrukte in der fiktiven Wirklichkeit der Traumnovelle für den Protagonisten haben. Weiterhin soll auch der damit verbundene kultur- und ideologiekritische Zusammenhang herausgestellt werden. Dabei verfährt die Studie vorwiegend semiotisch, da sie nicht in erster Linie eine Deutung dieser Frauen-Bilder zu entwickeln versucht, sondern hauptsächlich die im Werk vorkommenden Hinweise zur Konstruktion dieser imaginierten Frauenbilder in der Oberflächenstruktur des Textes aufspüren und hervorheben will. In der mir zugänglichen Forschungsliteratur sehe ich kaum eine Einzelstudie, die sich unter den oben genannten Gesichtspunkten damit auseinandersetzt. Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers Traumnovelle 135 3 Inhalt der Traumnovelle Die Ehepartner Albertine, eine Hausfrau und Mutter, und der 35-jährige Fridolin, Arzt von Beruf, enthüllen sich gegenseitig ihre bisher voreinander verborgenen sexuellen Wünsche und Phantasien, indem sie einander gestehen, dass sie während des vergangenen Sommers in Dänemark jeweils einen anderen Menschen voller Sehnsucht begehrt haben. Durch die Bekenntnisse seiner Frau zutiefst verstört, voller Bitterkeit und Hass, begibt sich Fridolin auf eine ‘nächtliche Reise’ durch Wien. In seinen nächtlichen Erlebnissen, die von dem Wunsch begleitet werden, sich an seiner Gattin zu rächen, trifft er mehrere Frauen, angefangen bei Marianne, der Tochter eines verstorbenen Patienten, über die Prostituierte Mizzi, bis hin zu Pierrette, der Tochter des Kostümverleihers Gibiser, mit denen er jedoch keine körperliche Beziehung einzugehen vermag. Schließlich begegnet er seinem alten Freund Nachtigall, mit dessen Hilfe er sich Zugang zum Maskenball einer Geheimgesellschaft verschafft, wo Frauen sich bis auf das mit einer Maske verhüllte Gesicht nackt präsentieren, und wo er die Begegnung mit einer schönen unbekannten Frau macht. Als Eindringling erkannt, wird Fridolin zur Rede gestellt und bedroht, wobei es ihm jedoch gelingt, zu entkommen, weil sich die maskierte Unbekannte für ihn opfert. Letztendlich kehrt er nach Hause zurück, wo er seine Frau träumend vorfindet. Auf seinen Wunsch hin erzählt ihm Albertine ihren Traum, in dem Fridolin sich aus Treue und Liebe zu ihr hat foltern und sich opfernd ans Kreuz schlagen lassen, während sie sich, ihn auslachend, mit dem fremden Mann, von dem sie ihm anfangs in ihrer Beichte erzählt hatte, vergnügte. Immer noch schockiert von dem Traum seiner Frau und endgültig zur Rache entschlossen, sucht Fridolin am folgenden Tag erneut alle Personen, die er in der Nacht getroffen hatte, auf und versucht das Rätsel der geheimen Gesellschaft zu lösen. Dies gelingt ihm nicht. Später liest er in einem Café eine Zeitung, in der die Todesnachricht einer jungen Baronin steht. Verfolgt von dem Verdacht, dass diese Frau seine Retterin der vergangenen Nacht sein könnte, stellt er Nachforschungen an. Durch seine Beziehungen als Arzt hat er die Möglichkeit, den Leichnam der jungen Frau zu sehen, doch als sie dann vor ihm liegt, ist er sich nicht sicher, ob sie die Angebetete der vorigen Nacht ist. Nachdenklich kehrt er nach Hause zurück, wo er sich entschließt, seiner Ehefrau Albertine von den Ereignissen der vorigen Nacht zu erzählen. Durch diese Aussprache löst sich die Entfremdung und beide sind bereit, einen Neuanfang zu wagen. 4 Traum und Psychoanalyse Doch aus dem leichten Geplauder über die nichtigen Abenteuer der verflossenen Nacht gerieten sie in ein ernsteres Gespräch über jene verborgenen, kaum geahnten Wünsche, die auch in die klarste und reinste Seele trübe und gefährliche Wirbel zu reißen vermögen, und sie redeten von den geheimen Bezirken, nach denen sie kaum Sehnsucht verspürten und wohin der unfaßbare Wind des Schicksals sie doch einmal, und wär’s auch nur im Traum, verschlagen könnte. (T 11) Die zitierte Textstelle beschreibt einen zentralen Aspekt der Novelle, der schon im Titel angedeutet wird. Die Bedeutung des Traums als Schlüssel zum Unbewussten wurde von Freud immer wieder betont. Doch im Unterschied zu Freuds Psychoanalyse ist für Schnitzler, der sich in seinen Tagebüchern mit Träumen und der Deutung von Träumen noch vor dem Erscheinen von Freuds Traumdeutung beschäftigt hat, nicht das Unbewusste, sondern das Mittelbewusstsein grundlegend für Träume (vgl. Perlmann 1987: 38). Schnitzler setzt in Dalia Aboul Fotouh Salama 136 2 Der Traum ist für Freud der entstellte Ersatz für den latenten Traumgedanken und für das Unbewusste, deren Hintergrund erst durch die psychoanalytische Deutungsarbeit aufgedeckt werden kann. Von da aus deutet Freud die Traumdeutung als via regia zur Aufdeckung des Unbewussten im Seelenleben (2000: 577). seinen gesammelten Notizen Über Psychoanalyse (1924) der seiner Ansicht nach einseitigen Untersuchung des Unbewussten durch Freud folgendes Konzept entgegen: Das Mittelbewußtsein wird überhaupt im Ganzen zu wenig beachtet. / Es ist das ungeheuerste Gebiet des Seelen- und Geisteslebens; von da steigen die Elemente ununterbrochen ins Bewußte auf oder sinken ins Unbewußte hinab. / Das Mittelbewußtsein steht ununterbrochen zur Verfügung. […] Das Mittelbewußtsein verhält sich zum Unterbewußtsein wie der Schlummer zum Scheintod. Der Schlummernde läßt sich immer ohne Mühe erwecken, der Scheintote nicht (wenigstens nicht immer). Die Psychoanalyse wirkt viel öfter auf das Mittelbewußtsein als (wie sie glaubt) auf das Unterbewußtsein. (Schnitzler 1967: 283) Genauso unterscheidet sich Schnitzler von Freud darin, dass er sich nicht mit den im Traum verhüllt auftretenden unbewussten Wünschen 2 auseinandersetzt, sondern mit dem manifesten Trauminhalt, sich also hauptsächlich auf das direkte, sichtbare Erscheinungsbild der Träume konzentriert, ohne eine Deutung der visuellen Bilder vorzunehmen (vgl. Perlmann 1987: 60). Demzufolge wird die Betonung auf die tatsächlichen Erlebnisse und Wahrnehmungen des Träumers, also auf das, was sich im Traum zu sehen gibt, gelegt, weshalb Schnitzler den Traum vor allem als inneres Sehen von Bildern versteht. 5 Frauenbild(er) in Wien um die Jahrhundertwende In Schnitzlers Traumnovelle “wird das gängige, vom Mann vertretene Denken als eine unzulängliche Konstruktion angesichts einer andersartigen Wirklichkeit enthüllt und verweist damit auf die die Jahrhundertwende kennzeichnende Bewußtseinskrise” (Weinhold 1987: 111). Von entscheidender Bedeutung für das Bild der Frau in Wien um 1900 war die Psychoanalyse Sigmund Freuds, denn durch sie wurde die Aufmerksamkeit auf das Unterbewusstsein, das Unbewusste und vor allem auf die Sexualität gelenkt. Dies hatte zur Folge, dass man sich nun von neuem mit dem Geschlechterverhältnis und den damit verbundenen Vorstellungen von Familie und Ehe auseinandersetzen musste. Die zur Diskussion stehende weibliche Sexualität und Erotik, das weibliche Geschlecht und dessen Merkmale und Triebe wurden einerseits tabuisiert und andererseits im Bild der sexuell aktiven Frau dämonisiert oder pathologisiert, sowie in stereotypen und oft pejorativen Weiblichkeitsbildern, durch die eine Kontrolle über das weibliche Geschlecht erlangt werden sollte, veranschaulicht (vgl. Brandejsová 2010: 15). Die Inszenierungen von Weiblichkeit lassen sich vor allem auf drei Modelle reduzieren. Das Bild einer dämonischen ‘Femme fatale’ und die ätherische ‘Femme fragile’ als ihr Gegenbild wurden zu den zentralen Frauenfiguren und Weiblichkeitstypen in der Kultur des Fin de Siècle. Das dritte Modell wurde durch das Bild einer dienenden Ehefrau (Mutter, Madonna) repräsentiert, das die institutionalisierte Sexualität der Frau und legitime Weiblichkeit darstellte (vgl. Catani 2005: 78ff.). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzten sich die Dichter der Moderne auf unterschiedliche Weise mit der Sexualität auseinander, wobei die Krise des Werte- und Normensystems in ihren literarischen Werken reflektiert wird. Die kulturellen Frauenbilder, die um die Jahrhundertwende literarisiert wurden, waren oft nur Projektionen männlicher Phantasien, welche die Dominanz der Männer Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers Traumnovelle 137 3 Siehe dazu auch Keller (1984: 184), der die Bilddarstellungen vom “Rätsel Weib” als Projektionen der männlichen sexuellen Phantasien und Ängste bewertet. Auch Stephan (1985: 26) versteht unter Frauenbild in literarischen Texten eine Form männlicher Wunsch- und Ideologieproduktion. 4 Vgl. Scheffel (1998). Wie Scheffel zeigt, waren die Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht beim zeitgenössischen Publikum besonders beliebt. Kurz bevor Schnitzler die erste Skizze des Stoffes für seine Traumnovelle entwirft, schreibt Hofmannsthal seine berühmte Einleitung zu der 1908 erschienenen Insel Ausgabe der Märchen von Tausendundeine Nacht, in der es u.a. heißt: “Wir hatten dieses Buch in den Händen, da wir Knaben waren; und da wir zwanzig waren und meinten, weit zu sein von der Kinderzeit, nahmen wir es wieder in die Hand, und wieder hielt es uns - wie sehr hielt es uns wieder! […] Es ist das Buch, das man immer wieder völlig sollte vergessen können, um es mit erneuter Lust immer wieder zu lesen.” (Hofmannsthal 1952: 270) 5 Vor allem Scheffel hat ausführlich auf den Aspekt der Märchenhaftigkeit hingewiesen (1998: 175). im Geschlechterverhältnis der damaligen Zeit bestätigten 3 (vgl. Beutin 2001: 364). Andererseits begann man sich auch komplexeren Darstellungen von Frauen zu widmen, die kulturelle Typisierungen relativieren sollten, wobei z.B. des Öfteren die Ehefrauen als Geliebte oder Mütter als Lustobjekte stilisiert wurden (vgl. Catani 2005: 115). In den Weiblichkeitsdiskurs um die Jahrhundertwende reiht sich auch Arthur Schnitzler ein, der die sexualisierten und in die dichotomischen Kategorien ‘Hure’ und ‘Heilige’ eingeteilten Bilder der Frau in seinen Werken widerspiegelt und kritisch hinterfragt, wobei er dies besonders durch die Schilderung der Psyche seiner Figuren erzielt (vgl. Mürbeth 2006: 2). In einem Aphorismus drückt Schnitzler seine eigene Vorstellung von Frauen aus, der eine ambivalente weibliche Identität zugrunde liegt: “Die Frauen sind zugleich naturgebundener und sozial bedingter als die Männer; dies ist der Widerspruch, in dem die Problematik der meisten Liebesbeziehungen begründet ist.” (Schnitzler 1967: 68) Diese Problematik schlägt sich sowohl im fiktiv konstruierten Frauenbild des Protagonisten der Traumnovelle, als Projektion männlicher Fantasien und Wünsche, als auch in seiner Beziehung zu den Frauen nieder. 6 Medias in res und Tausendundeine Nacht Zunächst sei auf das Eingangskapitel eingegangen, das nicht nur das Frauenbild Albertines vorstellt, sondern auch als wesentliche Voraussetzung die Konstruktion der Frauenbilder induziert und entscheidende ‘Codes’ für die weitere Komposition des Textes und seine Entschlüsselung enthält. Die Handlung der Novelle setzt nicht unmittelbar mit der Szenerie einer bürgerlichen Familienidylle ein, sondern stellt medias in res beginnend einen Ausschnitt aus einer völlig anderen Welt dar: Vierundzwanzig braune Sklaven ruderten die prächtige Galeere, die den Prinzen Amgiad zu dem Palast des Kalifen bringen sollte. Der Prinz aber, in seinen Purpurmantel gehüllt, lag allein auf dem Verdeck unter dem dunkelblauen, sternbesäten Nachthimmel, und sein Blick - (T 9) Diesem Textausschnitt, der aus dem Märchen Geschichte der Prinzen Amgiad und Assad aus den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht 4 stammt und unter anderem auch auf seinen orientalischen Charakter verweist, kommt eine leitmotivische Funktion auf mehreren Ebenen zu (Scheffel 1998: 181). Unter dem Gesichtspunkt der Märchenhaftigkeit hat Schnitzlers Text Anlass zu unterschiedlichen Deutungsversuchen gegeben. So wird in der Forschung gezeigt, wie das Märchen am Anfang viele Motive der nachfolgenden Handlung vorwegnimmt, wie z.B. die Nacht, die Einsamkeit, das Abenteuer, aber auch andere Märchenelemente. 5 Freytag (2007: 34) merkt an, dass der in den Mantel gehüllte Prinz auf das Thema des Verbergens, des Dalia Aboul Fotouh Salama 138 6 Auch Edward W. Said sieht die Imagination als den entscheidenden Aspekt bei der Entstehung des abendländischen Orientbildes: “The orient was almost a European invention and had been since antiquity a place of romance, exotic beings, haunting memories and landscapes, remarkable experiences.” (Said 1978: 1) Verhüllens und Enthüllens, des Maskierens und Demaskierens weist, das in der Novelle entfaltet wird. Da dieses Märchen von Albertines und Fridolins Tochter aus einem Buch vorgelesen wird, beginnt die Novelle buchstäblich mit einem Buch, welches das Eintauchen in eine fiktive Welt ermöglicht, die anschließend mit der erzählten Wirklichkeit kontrastiert wird, womit zu Beginn eine Spiegelung des Märchenbuches durch das Buch, das der Leser vor sich hat, sowie des erzählten Märchens durch die erzählte Geschichte über Albertine und Fridolin zustande kommt (Freytag 2007: 34). Nicht nur das märchenhafte, sondern auch das orientalische Element, das in der Forschung lange Zeit unbeachtet blieb, verdient eine nähere Betrachtung, wobei bedacht werden muss, dass das europäische Orientkonzept lange Zeit aus der eigenen Imagination erwuchs und das ästhetische Orientbild weiterhin hauptsächlich auf überlieferten ‘Bildern’ und Assoziationen basierte (Syndram 1989: 324). 6 Das am Beginn der Traumnovelle platzierte Märchenfragment zeichnet mittels der Begriffe “Sklaven”, “Galeere”, “Prinz” und “Kalif” ein Orientbild, das mit den Erwartungen der europäischen Leserschaft korrespondiert (Werner 2006: 1). Der fremde Orient wird märchenhaft verklärt und ist unter anderem mit Weite, Ferne, Farben, Gerüchen, höchster Gefahr und ausschweifender Erotik bzw. einem verlockenden Ort konnotiert, wo Liebe losgelöst von den bürgerlichen Tabus existieren kann (Vorbrugg 2002: 157). Damit wird eine exotische Gegenwelt zu dem mit restriktiven Normen und bigotter Prüderie behafteten bürgerlichen Alltag entworfen (vgl. Werner 2006: 1). Im Gegensatz zur Deutung Scheffels, der wortwörtlich “von Inhalt und Herkunft des Märchens” (1998: 192) absieht, enthält meiner Ansicht nach nicht nur das am Anfang zitierte Märchen, sondern auch die Rahmenerzählung von Tausendundeine Nacht Indizien für den weiteren Inhalt und Verlauf der Traumnovelle, da Bezüge zwischen Shahriar und dem Protagonisten Fridolin in der Traumnovelle zu finden sind. Auch König Shahriar entwickelt, nachdem er seine Ehefrau in flagranti mit einem seiner Sklaven erwischt hat und sie daraufhin köpfen lässt, einen Komplex gegenüber Frauen und gerät in eine psychische Krise. Aus Rache an allen Frauen und in der festen Überzeugung, dass es keine treue Frau auf Erden gebe, heiratet er jeden Tag eine neue Frau, die er am nächsten Morgen töten lässt. Erst die kluge Scheherazade, die den König freiwillig heiratet, setzt diesem mörderischen Treiben ein Ende, indem sie ihm jede Nacht Geschichten erzählt. Scheffel (1998: 131) zufolge hat das Eingangsmärchen eine selbstreflexive Funktion, “[…] denn mit dem Zitat einer Geschichte in der Geschichte wird hier neben dem Erzählten und dem Erzählen auch das poetologische Prinzip der Erzählung gespiegelt” (Scheffel 1998: 192). Man könnte hinzufügen, dass das eingefügte Märchen paradoxerweise eine Art Rahmen bildet, der der Rahmenerzählung in Tausendundeiner Nacht analog ist und der sich, wie noch zu zeigen ist, am Ende der Traumnovelle schließen wird. Wie Freytag (2007: 34) zeigt, bricht der Märchentext ab mit der Erwähnung eines “Blicks” (T 9), der hinsichtlich seiner Richtung und Eigenart unbestimmt bleibt. Das hier durch den Abbruch hervorgehobene Motiv des Blicks bildet im weiteren Text ein zentrales Element, welches in der erzählten Geschichte über Albertine und Fridolin von entscheidender Bedeutung ist. Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers Traumnovelle 139 7 Fridolin und Albertine Fridolins und Albertines Beziehung als Paar und als Eltern im liebevollen Umgang mit ihrem Kind wird zunächst als harmonisch dargestellt: Und da sich nun auch Albertine zu dem Kind herabgebeugt hatte, trafen sich die Hände der Eltern auf der geliebten Stirn, und mit zärtlichem Lächeln, das nun nicht mehr dem Kinde allein galt, begegneten sich ihre Blicke. (T 9) Der Arzt Fridolin und seine Frau Albertine hatten “gerade noch vor Karnevalsschluß” (T 10) “ihr erstes Ballfest” (T 10) besucht. Nach dem Abendessen haben es die Eheleute, nachdem das gemeinsame Kind ins Bett gebracht wurde, sogar überaus “eilig, ihre vor dem Abendessen begonnene Unterhaltung über die Erlebnisse auf der gestrigen Redoute wiederaufzunehmen.” (T 9) Unter “dem rötlichen Schein der Hängelampe” (T 9) lassen sie ihre Karnevalserlebnisse vom Vorabend Revue passieren und erzählen von ihren kleinen Flirts. Hertha Krotkoff (1972: 75) weist darauf hin, dass anhand von konkreten Gegenständen, wie einem Buch und einer Hängelampe, der gewünschte Eindruck bürgerlicher Behaglichkeit vermittelt wird. Während Albertine zwar die Begegnung mit einem Unbekannten mit polnischem Akzent zunächst genießt, sie aber dann sofort wegen dessen unverschämter Beleidigung beendet, wartet Fridolin vergeblich auf zwei als rote Dominos verkleidete und maskierte Frauen, die ihm versprochen hatten, ihre Gesichter vor ihm zu enthüllen. Die Erinnerungen an die kleinen Flirts des Vorabends, “jene unbeträchtlichen Erlebnisse waren mit einem Mal vom trügerischen Scheine versäumter Möglichkeiten zauberhaft und schmerzlich umflossen.” (T 11) Obwohl eigentlich nichts Ernstes vorgefallen war, da die Verführung für beide in einem “enttäuschend, banale[n] Maskenspiel” (T 10), ja der Abend für das Paar in einem “schon lange nicht mehr so heiß erlebten Liebesglück” (T 10) geendet hatte, machen sich Albertine und Fridolin gegenseitig Vorwürfe und zeigen ihre Eifersucht: Harmlose und doch lauernde Fragen, verschmitzte, doppeldeutige Antworten wechselten hin und her; keinem von beiden entging, daß der andere es an der letzten Aufrichtigkeit fehlen ließ, und so fühlten sich beide zu gelinder Rache aufgelegt. Sie übertrieben das Maß der Anziehung, das von ihren unbekannten Redoutenpartnern auf sie ausgestrahlt hätte, spotteten der eifersüchtigen Regungen, die der andere merken ließ, und leugneten ihre eigenen weg. (T 11) Abgesehen von der Tatsache der Liebe zwischen Fridolin und Albertine einerseits und ihrem geregelten, von Arbeits- und Elternpflichten geprägten Ehealltag andererseits ist schon zu diesem Zeitpunkt offensichtlich, dass jeweils ein außereheliches Begehren besteht, welches in der Lage ist, das gewohnte gemeinsame Leben ins Wanken zu bringen: Denn so völlig sie einander in Gefühl und Sinnen angehörten, sie wußten, daß gestern nicht zum ersten Mal ein Hauch von Abenteuer, Freiheit und Gefahr sie angerührt; bang, selbstquälerisch, in unlauterer Neugier versuchten sie eines aus dem andern Geständnisse hervorzulocken und, ängstlich näher zusammenrückend, forschte jedes in sich […] nach einem Erlebnis, so nichtig es sein mochte, das für das Unsagbare als Ausdruck gelten und dessen aufrichtige Beichte sie vielleicht von einer Spannung und einem Mißtrauen befreien könnte, das allmählich unerträglich zu werden anfing. (T 11) Dalia Aboul Fotouh Salama 140 7 Den Blickkontakt bzw. das Sehen betrachtet Sigmund Freud (1972: 66f.) als die erotisch stimulierende Handlung für die sexuellen Triebe, die am häufigsten die libidinöse Erregung weckt. Dabei hatte er dem Schautrieb einen besonderen Status zugeschrieben: der Schautrieb ist in zweifacher Ausbildung vorhanden, in aktiver und in passiver Form, Sehen und Gesehen werden. Siehe dazu auch Goak (2009: 161-178). 8 Lacan (1996: 110) erweitert Freuds Theorie: Beim Sehen befindet man sich auf der Ebene des Begehrens, das sich an den Anderen richtet. “Das Objekt a” ist nach Lacan das Objekt des Begehrens, das wir im Anderen suchen. Aber “[d]as Objekt a” als Grund des Begehrens kann nie erreicht werden. So meint Lacan: “Das Objekt a” im Feld des Sichtbaren ist der Blick (ders.: 111). Der Blick setzt zwar das Begehren in Bewegung, aber er erfüllt es nie. “Generell ist das Verhältnis des Blicks zu dem, was man sehen möchte, ein Verhältnis des Trugs. Das Subjekt stellt sich als etwas anderes dar, als es ist und was man ihm zu sehen gibt, ist nicht was es zu sehen wünscht” (ebd.). Die gemeinsame Liebesnacht wird zugleich zu den alltäglichen Rollen der Protagonisten, wie Berufs-, Hausfrau- und Mutterpflichten, in Kontrast gesetzt: Ein grauer Morgen weckte sie allzu bald. Den Gatten forderte sein Beruf schon in früher Stunde an die Betten seiner Kranken; Hausfrau- und Mutterpflichten ließen Albertine kaum länger ruhen. So waren die Stunden nüchtern und vorbestimmt in Alltagspflicht und Arbeit hingegangen, die vergangene Nacht, Anfang wie Ende, war verblaßt. (T 10) Am Ende des Tages setzen Albertine und Fridolin ihr Gespräch über das Redoutenerlebnis fort. Mit der Unterhaltung über die vergangene gemeinsame Ballnacht entwickelt sich ein ernstes Gespräch, durch das das anfangs gezeigte harmonische Bild des Ehepaares aufgebrochen wird. Beide Ehepartner gestehen einander, im letzten Sommerurlaub jeweils einen anderen Menschen begehrt zu haben. Albertine, die “zuerst den Mut zu einer offenen Mitteilung” (T 12) hat, erzählt, wie ein dänischer Offizier, den sie im Hotel beobachtet hatte, eine starke Anziehungskraft auf sie ausübte: Ich hatte ihn schon des Morgens gesehen, […] als er eben mit seiner gelben Handtasche eilig die Hoteltreppe hinabstieg. Er hatte mich flüchtig gemustert, aber erst ein paar Stufen höher blieb er stehen, wandte sich nach mir um, und unsere Blicke mußten sich begegnen. Er lächelte nicht, ja, eher schien mir, daß sein Antlitz sich verdüsterte, und mir erging es wohl ähnlich, denn ich war bewegt wie noch nie. (T 12) Dieser Blickwechsel 7 berührt und erregt Albertine so sehr, dass sie aus dem Alltäglichen und Gewohnten jäh herausgerissen wird, sich daraufhin ihren Phantasien hingibt und “den ganzen Tag […] traumverloren am Strand” (T 12) liegt. In dieser Situation ist Albertine Subjekt des Blickes und nimmt damit die klassische männliche Position ein. Die Vornamen der Protagonisten, Albertine und Fridolin, reflektieren die Geschlechterdifferenz, indem sie diese invertieren: ‘Albertine’ lässt sich vom männlichen Namen ‘Albert’ und ‘Fridolin’ vom weiblichen ‘Frida’ ableiten (vgl. Freytag 2007: 37). Durch den Blick wird - Lacan zufolge (1996: 110ff.) 8 - das Begehren ausgelöst, gleichzeitig wird auch ein Mangel und Defizit bewusst. Die symbolische Ordnung und das kulturelle Gesetz ignorierend, wird Albertine durch ihren Blick auf ein Objekt des Begehrens, das ihr den Freiraum für Phantasien eröffnet, von ihren Gedanken sogar dazu geführt, beim gemeinsamen Abendessen, bei dem der Däne am Nachbartisch saß, “aufzustehen, an seinen Tisch zu treten und ihm zu sagen: Da bin ich, mein Erwarteter, mein Geliebter nimm mich hin.” (T 13) Aufgefordert von Albertine erzählt Fridolin “mit verschleierter und etwas feindseliger Stimme” (T 13) von seiner Begegnung mit einem jungen Mädchen, das er beim morgendlichen Spaziergang am Strand in demselben Urlaub beobachtet hatte: Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers Traumnovelle 141 Es war ein ganz junges, vielleicht fünfzehnjähriges Mädchen mit aufgelöstem blonden Haar, das über die Schultern und auf der einen Seite über die zarte Brust herabfloß. Das Mädchen sah vor sich hin, ins Wasser hinab, […] sah auf und erblickte mich plötzlich. Ein Zittern ging durch ihren Leib, als müßte sie sinken oder fliehen. Doch […] entschloß sie sich innezuhalten, - und stand nun da, zuerst mit einem erschrockenen, dann mit einem zornigen, endlich mit einem verlegenen Gesicht. Mit einem Mal aber lächelte sie, lächelte wunderbar; es war ein Grüßen, ja ein Winken in ihren Augen, - und zugleich ein leiser Spott, […]. Dann reckte sie den jungen schlanken Körper hoch, wie ihrer Schönheit froh, und, wie leicht zu merken war, durch den Glanz meines Blicks, den sie auf sich fühlte, stolz und süß erregt. So standen wir uns gegenüber, vielleicht zehn Sekunden lang, mit halboffenen Lippen und flimmernden Augen. (T 14) Als sie jedoch im nächsten Moment Fridolin mit Kopfschütteln, einer gebieterischen Armbewegung und mit einem “Flehen in ihre[n] Kinderaugen” (T 14) abweist, fühlt er “unter ihrem letzten Blick eine solche, über alles je Erlebte hinausgehende Bewegung” (T 15) und wendet sich “einer Ohnmacht nahe” (T 15) von ihr ab. Durch den Blick des Mädchens wird Fridolin so sehr hypnotisiert und überwältigt, dass er im wahrsten Sinne des Wortes ‘ohne Macht’ zurückbleibt. Der weibliche Blick ist hier überlegener als der männliche Blick, da er mit dem Wunsch zu tun hat, zu verführen und damit vor allem Macht und Kontrolle über das Objekt auszuüben. Der Blick kann nämlich seine “Wirkgewalt” (Lacan 1996: 125) entfalten. Zudem wird Fridolin durch die Abweisung des Mädchens in Verlegenheit gebracht und bloßgestellt: Fridolins Wunsch durch Wahrnehmung und Ausdruck, Macht und Kontrolle über das Objekt auszuüben oder Liebe zu gewinnen, bleibt unerfüllt und führt stattdessen dazu, vom Objekt überwältigt und kontrolliert zu werden; Fridolin scheitert im perzeptiv-expressiven Machtkampf. (Freytag 2007: 39) Nach seinem Geständnis versucht Fridolin Albertine mit Schmeicheleien zu beschwichtigen. “»In jedem Wesen - glaub’ es mir, wenn es auch wohlfeil klingen mag -, in jedem Wesen, das ich zu lieben meinte, habe ich immer nur dich gesucht. Das weiß ich besser, als du es verstehen kannst, Albertine.«” (T 16) Albertine lässt sich jedoch nicht von seinen Worten beeindrucken und fordert mit einem “Blick” (T 16), der “kühl und undurchdringlich” (T 16) ist, Anerkennung ihres sexuellen Begehrens und Gerechtigkeit in der Behandlung der Frau im patriarchalischen Gesellschaftssystem mit den Worten: “»Und wenn es auch mir beliebt hätte, zuerst auf die Suche zu gehen? « […] Er ließ ihre Hände aus den seinen gleiten, als hätte er sie auf einer Unwahrheit, auf einem Verrat ertappt; sie aber sagte: »Ach, wenn ihr wüßtet«, und wieder schwieg sie.” (T 16) Fridolins Bild der hausfrau-mütterlichen Ehefrau wird durch Albertines allzu freiheitliches Bekenntnis weiblicher Sexualität und ihre Frage in seinen Grundfesten erschüttert. Die asymmetrische Geschlechterordnung, der Fridolin sich bisher nicht bewusst war oder deren Kenntnisnahme von ihm erfolgreich unterdrückt wurde, wird ersichtlich (Turpel 2010: 63). Eine weitere Erzählung Albertines, die noch tiefer in die Vergangenheit reicht, führt zu einer Steigerung von Fridolins Bloßstellung, denn Albertine erinnert sich an den Sommer vor ihrer Heirat am Wörthersee: “Und doch […] lag es nicht an mir, dass ich noch jungfräulich deine Gattin wurde. […] er könnte von mir in dieser Nacht alles haben, was er nur verlangte.” (T 16) Albertine spricht hier ihre Enttäuschung darüber aus, dass Fridolin, trotz ihres sehnlichsten Wunsches als fast 17-Jährige von ihm verführt zu werden, sich zurückgehalten und ihr am nächsten Morgen einen Heiratsantrag gemacht habe. Mit diesem Geständnis wird Fridolin in seiner Anpassung an die bürgerlichen Konventionen bzw. gesellschaftlichen Pflichten und Zwänge bloßgestellt: “Albertines Eingeständnis sexueller Wünsche, die nicht Dalia Aboul Fotouh Salama 142 9 Scheffel weist hier auf die Verlogenheit einer gesellschaftlichen Moral hin, die davon ausging, dass ein weibliches Wesen keinerlei körperliches Verlangen habe, solange es nicht vom Manne geweckt werde, was aber selbstverständlich nur in der Ehe erlaubt war. an die Institution der Ehe gebunden sind, überfordert den im Innersten schwachen, weniger von individuellen Gefühlen, denn von den gutbürgerlichen Konventionen seiner Zeit bestimmten Fridolin” (Scheffel 1998: 185). 9 Genauso wird ihm vorgeworfen, das wahre Wesen der Frauen, als eigenständige Personen mit individuellen sexuellen Gefühlen und Wünschen ausgestattet, zu verkennen. Albertine, die er zuvor nur als mütterliches Wesen angesehen hat, verwandelt sich vor seinen Augen in ein Sexualwesen und lässt damit sein bisheriges Rollenverständnis als Illusion erscheinen (vgl. Turpel 2010: 63). Freytag (2007: 41) konstatiert hier richtig, dass durch Albertines inhärenten Vorwurf bei Fridolin ein innerer Konflikt zwischen seinem Selbstbild, seinem Idealbild und Albertines Bild von ihm aufbricht, wobei seine Anpassung an die gesellschaftlichen und beruflichen Erwartungen und sein Pflichtgefühl nun in Widerspruch zu Albertines Erwartungen und auch zu seinen eigenen verborgenen Wünschen und Bedürfnissen geraten. Außerdem wird Fridolin mit einem Bild von Albertine konfrontiert, das ihn irritiert und verstört: Da Albertine ihr Begehren äußert und sich Objekte ihres Begehrens sucht, beansprucht sie für sich eine aktive Rolle, die dem traditionellen Frauenbild widerspricht. Sie zeigt sich als Subjekt des Begehrens und überschreitet damit die bürgerlichen Geschlechtsrollen mit ihrer Trennung von der Frau als Subjekt in der ehelichen Liebe oder als Objekt des männlichen Begehrens (Freytag 2007: 41). Sowohl in seiner Selbstwahrnehmung als auch in seiner Wahrnehmung von Albertine bloßgestellt und verstört, beginnt Fridolin seine nächtlichen Abenteuer, begleitet von der Vorstellung einer imaginierten Beziehung zwischen Albertine und dem Dänen. Hier überschneidet sich das Reale mit dem Imaginären. Eigentlich ist das empfundene Begehren des Dänen, womit ihn Albertine konfrontiert, nur Fantasie und Imagination geblieben. Trotzdem konstruiert diese Imagination seine Realität und löst bei ihm einen Konflikt aus, der sich in seinen traumähnlichen Erlebnissen verdichtet. Die einzelnen Stationen, in denen er verschiedenen Frauen begegnet, erweisen sich dabei als Spiegelung seines Konflikts, wobei seine selektive Wahrnehmung Rückschlüsse auf seelische Vorgänge zulässt. Anhand der Analyse der nun folgenden Frauenbilder soll aufgezeigt werden, dass Fridolins Wahrnehmung der verschiedenen Frauen auf der imaginativen Wahrnehmungsebene stattfindet und sowohl von inneren Wahrnehmungskonflikten als auch von seiner Realitäts- und Wirklichkeitserfahrung und den damit verbundenen gesellschaftlichen Normen und Moralvorstellungen bestimmt ist. 8 Marianne Die erste Frau, der Fridolin in den traumähnlichen Ereignissen der Nacht gegenübertritt, ist Marianne, die Tochter des Hofrats, der bei Fridolin in Behandlung ist, und künftige Gattin eines Universitätsprofessors. Die “kärgliche Beleuchtung” (T 19) und die dämmrigen Lichtverhältnisse der Räume, die Fridolins nächtliche Bekanntschaften repetitiv mit den Frauen modalisieren und begleiten, verstärken den Eindruck eines im Halbdunkel visualisierten Traumes. Fridolin steigt im Haus des Patienten, zu dem er wegen eines nächtlichen Vorfalls Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers Traumnovelle 143 10 Zu der Geruchsatmosphäre siehe auch Krotkoff (1972: 82) 11 Krotkoff weist darauf hin, dass Marianne an die Figur Marie aus Schnitzlers Drama Der Ruf des Lebens erinnert. Beide treffen wir etwa im selben Alter und in gleichen äußeren Umständen an; sie opfern ihre Jugend der Pflege des kranken Vaters. Das Bühnenbild für den 1. Akt des Dramas liest sich wie eine ergänzende Beschreibung der hofrätlichen Wohnung in der Schreyvogelgasse, auch liegen beide Wohnungen im zweiten Stockwerk eines alten Hauses. Maries Schicksal ist das Ausbrechen aus einer Konvention, die ihren Lebensnerv zu lähmen droht. gerufen wird, der jedoch bereits verstorben ist, “die schlecht beleuchtete gewundene Treppe des alten Hauses […] hinauf” (T 18) und tritt “durch den unbeleuchteten Vorraum in das Wohnzimmer” (T 18), wo die “grün verhängte Petroleumlampe […] einen matten Schein über die Bettdecke” (T 18) wirft. Die Gestaltung der Atmosphäre im Haus des Hofrats, wie sie Fridolin wahrnimmt, findet hauptsächlich über das Geruchsempfinden statt. Eine Fülle an Gerüchen strömt auf ihn ein: “Es roch nach alten Möbeln, Medikamenten, Petroleum, Küche; auch ein wenig nach Kölnisch Wasser und Rosenseife” (T 18). Genauso erfolgt die Beschreibung Mariannes zunächst über das Geruchsempfinden, denn Fridolin empfindet den “süßlich-faden Geruch” (T 19) von Marianne, “die am Fußende des Bettes mit schlaff herabhängenden Armen, wie in tiefster Ermüdung” (T 18) saß. Die Atmosphäre der Wohnung, die über die Gerüche in ihrer altmodischen Alltäglichkeit erfasst wird, zeigt sich zugleich in Ergänzung zu der Personenbeschreibung. 10 Gleichzeitig deutet auch der “altväterliche Klingelton” (T 18), den Fridolin hört, als er die “Glocke” (T 18) betätigt, auf diese altmodische, aber auch patriarchalisch geprägte Atmosphäre hin. Fridolin nimmt dabei Mariannes Aussehen wahr: “Ihr Haar war reich und blond, aber trocken, der Hals wohlgeformt und schlank, doch nicht ganz faltenlos und von gelblicher Tönung, und die Lippen wie von vielen ungesagten Worten schmal.” (T 19) Fridolins Mangel oder Defizit, das ihm Albertine mit ihrer Beichte offenbart hat, sein Gefühl, ein Mann zu sein, der seiner Frau nicht genügt, um ihr sexuelles Begehren zu stillen, kommt bei Marianne, die verlobt ist, und von der er weiß, dass sie in ihn verliebt ist, verkehrt zum Ausdruck. In der Form der indirekten Rede heißt es: “Marianne sähe sicher besser aus, dachte er, wenn sie seine Geliebte wäre. Ihr Haar wäre weniger trocken, ihre Lippen röter und voller”. (T 20) Fridolin zeigt eher mittelmäßiges Interesse an Marianne, das aus Rachegedanken an seine Frau Albertine entspringt, denn auch als sie sich “mit einer gewissen Eindringlichkeit” (T 20) mit ihm über ihre Familienverhältnisse zu unterhalten beginnt, ist Fridolin gelangweilt; uninteressiert beobachtet er sie mit einem objektivierenden ärztlichen Blick und diagnostiziert: “Wie erregt sie spricht, dachte Fridolin, und wie ihre Augen glänzen! Fieber? Wohl möglich. Sie ist magerer geworden in der letzten Zeit. Spitzenkatarrh vermutlich.” (T 21) Genauso begegnet er ihr ohne wechselseitige Kommunikation oder gefühlvolle Anteilnahme, sondern wertet sie als emotional verwirrt ab: “Sie sprach immer weiter, aber ihm schien, als wüßte sie gar nicht recht, zu wem sie sprach; oder als spräche sie zu sich selbst.” (T 21) Schließlich bricht Marianne weinend vor Fridolin zusammen und gesteht ihm ihre unglückliche Liebe zu ihm: Ihre Augen wurden feucht, große Tränen liefen ihr über die Wangen herab […] Mit einem Mal war sie vom Sessel herabgeglitten, lag Fridolin zu Füßen, umschlang seine Knie mit den Armen und preßte ihr Antlitz daran. Dann sah sie zu ihm auf mit weit offenen, schmerzlich-wilden Augen und flüsterte heiß: “Ich will nicht fort von hier. Auch wenn Sie niemals wiederkommen, wenn ich Sie niemals mehr sehen soll; ich will in Ihrer Nähe leben.” (T 22) Doch auch hier schlüpft er wieder in die Rolle des Arztes, indem er sie zum Aufstehen auffordert und dabei denkt: “natürlich ist auch Hysterie dabei.” (T 23) 11 Durch die “Hysteri- Dalia Aboul Fotouh Salama 144 Marianne sehen wir in der gleichen Konvention bereits körperlich verwelkt und seelisch verkümmert. Die Ausgangssituation des Dramas Der Ruf des Lebens wurde also in negativer Variation in die Traumnovelle als Episode mit einer ganz bestimmten Funktion aufgenommen (vgl. Krotkoff 1972: 84) sierung des weiblichen Körpers” (Surmann 2002: 25) bzw. die Pathologisierung ihres Gefühlsausbruchs als Krankheit - Freuds Studien über Hysterie stellen die Pflege kranker Verwandter als den möglichen Verursacher jener Krankheit heraus (Sebald 1985: 122), wobei die Bürde eines derart aufopfernden Lebens sich auch an Mariannes Äußerem bemerkbar macht - sieht er eine Beruhigung, die ihm die Gewissheit geben soll, dass er sie als kranke Person nicht ernst zu nehmen braucht. Mariannes Ausbruch von Zuneigung erinnert ihn wieder an Albertine. Er ist der Ansicht, dass aufgrund der […] Aberkennung weiblicher Sexualität als wichtigen Bestandteil der Sexualmoral […] eine Frau keine sexuelle Lust verspüren [kann] und wenn sie es doch tut, muss ihre Entwicklung durch ein Trauma oder einen psychischen Defekt fehlerhaft verlaufen sein. Fridolin kann ein solches Abweichen von der Norm als Fehlverhalten nicht gutheißen und muss Marianne getreu seiner ärztlichen Pflicht als hysterisch und krankhaft verurteilen (Turpel 2010: 54). Gleichzeitig erhofft Fridolin sich damit, zum einen Stärke und Dominanz zu zeigen, zum anderen aber von Mariannes Gefühlsäußerungen nicht überwältigt zu werden und seine Selbstkontrolle zu bewahren. Ihre Abwertung zu einer kranken Patientin ist eine Form der Verachtung, durch die er sie in ihrer verzweifelten Liebe bloßstellt. Zwar fühlt Fridolin sich durch ihre Zuneigung geschmeichelt und begehrt, empfindet jedoch gleichzeitig Mitleid ihr gegenüber und versucht ihr Trost zu spenden, indem er sie auf die Stirn küsst, was jedoch von einem Gefühl der Lächerlichkeit begleitet wird: “Er hielt Marianne in den Armen, aber zugleich etwas entfernt von sich, und drückte beinahe unwillkürlich einen Kuß auf ihre Stirn, was ihm selbst ein wenig lächerlich vorkam.” (T 23) Im selben Augenblick, in dem er sich an einen Roman erinnert, in dem ein Knabe am Totenbett der Mutter von deren Freundin verführt wird, denkt Fridolin an Albertine und verspürt starke Eifersucht dem Dänen gegenüber. Dieses zeigt, wie unter anderem Kenntnisse aus früherer Lektüre als Vorbild für sein eigenes Leben herangezogen werden. Wie um sich an Albertine zu rächen, überwindet er sich zur körperlichen Nähe zu Marianne: Er zog Marianne fester an sich, doch verspürte er nicht die geringste Erregung; eher flößte ihm der Anblick des glanzlos trockenen Haares, der süßlich-fade Geruch ihres ungelüfteten Kleides einen leichten Widerwillen ein. Nun ertönte die Glocke draußen, er fühlte sich wie erlöst […] und ging öffnen. (T 23) Fridolins durch Rachegedanken motivierte körperliche Annäherung an Marianne scheitert. Die Begegnung mit Marianne, einer Doppelgängerin Albertines, die auch ihrem Verlobten untreu ist, indem sie ihn ähnlich wie Albertine mit ihrem Begehren konfrontiert und ihre eigene Sexualität offen demonstriert, weckt seine Erinnerungen an Albertine erneut und verstärkt seine Eifersucht und seinen Hass ihr gegenüber. 9 Die Dirne Mizzi Von seinem Heimweg abgekommen, macht Fridolin seine Begegnung mit einer weiteren Frau, der Prostituierten Mizzi, die ihn zum Mitkommen auffordert. Wie um sich Mut ein- Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers Traumnovelle 145 12 Der Name ‘Mizzi’ (oder ‘Mizi’) findet sich häufig bei Schnitzler, wie z.B. in seinem Werk Liebelei oder seinem Einakter Komtesse Mizzi. Zu denken ist auch an Marie Glühmer (1873-1923), Schnitzlers langjährige Geliebte, die nicht nur von ihm ‘Miz[z]i’ genannt wurde. Er trennte sich 1893 von ihr, weil sie ihm untreu geworden war, und beschimpfte sie in einem der letzten Briefe (22. April 1893) als “elende Dirne”, die einen “heimtückischen hurenhaften Betrug” an ihm begangen habe (Schnitzler 1981: 187; vgl. Heizmann 2006: 21). zuflößen, erinnert er sich an den Ausspruch eines Bekannten aus der Studentenzeit: “Es bleibt immer das Bequemste und die Schlimmsten sind es auch nicht.” (T 29) Die erotische Anziehung dieses Mädchens, das “ein zierliches, noch ganz junges Geschöpf, sehr blaß mit rotgeschminkten Lippen” (T 28) ist und dem er unwillkürlich folgt, wird von seiner Angst vor einer Ansteckung und der damit verbundenen Todesgefahr überschattet: “Könnte gleichsam mit Tod enden, dachte er, nur nicht so rasch! Auch Feigheit? ” (T 28) Als er in ihr Zimmer eintritt, in dem “eine Öllampe brannte” (T 29), deren Docht sie weiter aufdreht, um das Zimmer zu erhellen, visualisiert er den Raum in seiner Wahrnehmung als “ganz behagliche[n] Raum, nett gehalten.” (T 29) Auch sein Geruchsempfinden empfindet keine Abwehr, denn “jedenfalls roch es da viel angenehmer als zum Beispiel in Mariannes Behausung.” (T 29) Obwohl Fridolin nun im Licht erkennt, dass Mizzis “Lippen gar nicht geschminkt, sondern von einem natürlichen Rot gefärbt waren” (T 29), sie also natürlich hübsch und attraktiv auf ihn wirkt, weist er ihre Verführungsversuche zurück: Sie setzte sich auf seinen Schoß und schlang, wie ein Kind den Arm um seinen Nacken […] Sie suchte mit ihren Lippen die seinen, er bog sich zurück, sie sah ihn groß, etwas traurig an, ließ sich von seinem Schoß herunter gleiten. Fast tat es ihm leid, denn in ihrer Umschlingung war viel tröstende Zärtlichkeit gewesen. (T 30) Auch hier ist wieder das Sehen mit Begehren verbunden, das Fridolin offenbart wird. Mizzi ist siebzehn Jahre alt, also in dem gleichen Alter, in dem Albertine war, als Fridolin sie kennengelernt hatte, wobei auch die “Zärtlichkeit” (T 30), die Fridolin in ihrer Umarmung empfindet, an Albertine erinnert. Genauso handelt es sich bei dem Namen “Mizzi” 12 (T 29) um die österreichische Koseform von Maria, womit hier eine Beziehung zu dem Namen ‘Marianne’ gesetzt wird. Lukas (1996: 104) macht darauf aufmerksam, dass ‘Mizzi’ hier als “Gattungsname einer Prostituierten fungiert”, wie überhaupt die Namen der Fridolin begegnenden Frauen (von der bürgerlichen Marianne über die Prostituierte Mizzi und die ‘Pierrette’ bis hin zu der schönen Unbekannten mit dem nicht nachprüfbaren und wahrscheinlich falschen Adelsnamen) immer stärker verfremdet werden. Mizzi zeigt sich Fridolin gegenüber zwar verständnisvoll und unterwürfig, wie in der folgenden Aussage deutlich wird: “Na ja, so ein Mann, was der den ganzen Tag zu tun hat. Da hat’s unsereiner leichter.” (T 29) Trotzdem zeigt auch sie genauso wie ihre Vorgängerinnen ihm gegenüber offen ihr sexuelles Begehren. In Mizzi begegnet Fridolin einer weiteren Doppelgängerin Albertines, diesmal als Prostituierte. Deutlich wird hier in diesem Frauenbild eine weitere Variante des Weiblichen, nämlich die der ‘unanständigen Frau’ bzw. der Prostituierten, die im Gegensatz zur ‘anständigen Frau’, der Mutter und Hausfrau, steht, “denn indem Albertine sich ihm gegenüber mit einem aktiven sexuellen Begehren gezeigt hat, zerfällt sie für ihn in die stereotypen Bilder des Weiblichen von ‘Engel’ und ‘Hure’” (Freytag 2007: 49). Fridolin wehrt jegliche Verführungsversuche von Mizzi ab, zunächst aus Angst sich mit einer Krankheit anzustecken, was Mizzi auch gleich erkennt: “Du fürchtest dich halt […] schad.” (T 30) Fridolin, der sich durch Mizzis Blick und ihre Worte bloßgestellt fühlt, Dalia Aboul Fotouh Salama 146 13 Hier stimmt Schnitzler mit Freud überein, der in seinem Aufsatz über die Objektwahl zwei Züge nennt, die zu den Bedingungen eines bestimmten Typus der männlichen Objektwahl gehören: die mehr oder minder stark ausgeprägte ‘Dirnenhaftigkeit’ der Geliebten und die Absicht, diese zu retten. Vgl. Sigmund Freud: “Über einen besonderen Typus der Objektwahl beim Manne” in Freud (1969: 66-77.) Insofern lässt sich nicht nur Mizzi diesem Typus zuordnen; auch die anderen Frauen, denen Fridolin begegnet, weisen diese Züge auf. 14 Pierrette ist das weibliche Gegenstück zu Pierrot in der Commedia dell’Arte. Neben Jacques Offenbach (Pierrette et Jacquot, 1876) hat Schnitzler selbst die Figuren Pierrot und Pierrette als musikalische Pantomimen auf die Bühne gebracht (Die Verwandlungen des Pierrot 1908 und Der Schleier der Pierrette 1910, vgl. Heizmann 2006: 31). versucht nun, in die Rolle des Verführers zu schlüpfen, bzw. “dem sein ‘Casanova-Wunschbild’ entgegenzusetzen und Mizzi zu verführen.” (Freytag 2007: 49). “Er zog sie an sich, er warb um sie, wie um ein Mädchen, wie um eine geliebte Frau. Sie widerstand, er schämte sich und ließ endlich ab.” (T 30) Die Doppelung Mädchen/ geliebte Frau verweist auf das Gespräch zwischen Fridolin und Albertine, in dem das Thema der Jungfräulichkeit vor der Ehe eine wichtige Rolle gespielt hatte. Letztendlich ist es jedoch Mizzi, die die Oberhand und Macht behält, denn sie weist Fridolin dann doch aus dem Gefühl der Verantwortung mit der Begründung ab: “Man kann ja nicht wissen, irgendeinmal muß es ja doch kommen. Du hast ganz Recht, wenn du dich fürchten tust. Und wenn was passiert, dann möchtest du mich verfluchen.” (T 31) Ähnlich wie zuvor bei Marianne versucht Fridolin seine Selbstbeherrschung zu bewahren, indem er die Erregung, die ihn zu überwältigen drohte, verleugnet. Gleichzeitig flüchtet er sich mit einer abschätzenden Bemerkung aus seiner Bloßstellung wiederum in die Rolle des Arztes und Gönners, der sich um Mizzi als soziale Randperson aus ethischen Gründen kümmern muss, weshalb er sich die Hausnummer der Dirne einprägt, “um in der Lage zu sein, dem lieben armen Ding morgen Wein und Näschereien heraufzuschicken.” (T 31) 13 Die Unterscheidung zwischen einer Dirne und einer anständigen Frau wird durch Fridolins Verhalten aufgehoben (Voigt 2004: 123), als er beim Abschied “unwillkürlich” (31) ihre Hand küsst: “Sie sah erstaunt, fast erschrocken zu ihm hinauf, dann lachte sie verlegen und beglückt, »Wie einer Fräuln«, sagte sie.” (T 31) Die soziale und moralische Aufwertung, die in der Geste des Handkusses liegt, zeigt, dass Fridolin diese Grenzen für einen kurzen Moment überspringt bzw. dass in seiner Wahrnehmung diese Frauenbilder ineinander fließen. Auch das “natürliche[…] Rot” (T 29) ihrer Lippen weist das Dirnenhafte von ihr ab. Wenn Fridolin am zweiten Tag denkt: “war dieses junge Mädchen nicht im Grunde von allen, mit denen seltsame Zufälle ihn in der letzten Nacht zusammenführten, das anmutigste, ja geradezu das reinste gewesen? ” (T 85), so zeigt das noch eine weitere Verwischung der Grenzen zwischen ‘anständigen’ und ‘unanständigen’ Frauen (vgl. Voigt 2004: 123). 10 Pierrette Nach seiner Begegnung mit Mizzi irrt Fridolin weiter durch die nächtlichen Straßen von Wien und kehrt in ein Kaffeehaus ein, wo er Nachtigall, einen früheren Studienkollegen, wiedertrifft, der ihm die Parole für den Eintritt in den Maskenball einer Geheimgesellschaft verschafft, für die sich Fridolin allerdings verkleiden muss. Fridolin begegnet beim Maskenverleiher Gibiser dessen Tochter, die als Pierrette 14 verkleidet ist. Auch sie wird zunächst wieder über die Gerüche des Kostümfundus eingeführt. “Es roch nach Seide, Samt, Parfüms, Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers Traumnovelle 147 15 Totentänze kennt man seit dem späten Mittelalter sowohl als allegorische Dichtung als auch in der darstellenden Kunst: Der personifizierte Tod tritt mitten in das Leben hinein und sorgt damit für soziale Gleichheit; oft führt er mit den Personen, die zum Tode bestimmt sind, gleich welchen Standes oder Geschlechts, einen makabren Reigen auf (Heizmann 2006: 27f.). 16 Femrichter: (aus ahd. veme=Strafe). Die Femgerichte waren im Mittelalter ein Instrument der nichtadligen Gerichtsbarkeit, weshalb sie auch als Freigerichte bezeichnet wurden. Die nichtöffentlichen ‘heimlichen’ Femgerichte urteilten über alle todeswürdigen Verbrechen. Wer der Ladung nicht folgte, wurde ‘verfemt’, d.h. geächtet. Da die Femgerichte gegen Ende des Mittelalters ihre Macht immer häufiger missbrauchten, gerieten sie in einen zweifelhaften Ruf (vgl. Heizmann, 2006: 29). 17 “Duften bezeichnet bei Schnitzler den Reiz des Sexuellen schlechthin - es verheißt erotische Verlockung und Freiheit, es verheißt Jugend, Blüte und Frische, einen Moment beglückender Dauer im Strom unweigerlichen Verfalls, das Fluidum des Lebens” (Weinzierl 1994: 178ff.). Staub und trockenen Blumen.” (T 41) Der Kostümfundus erinnert an den Karnevalsball, den Fridolin und Albertine zusammen besuchten. Gleichzeitig wird auch mit ihm der kommende Maskenball eingeführt: Rechts und links hingen Kostüme aller Art; auf der einen Seite Ritter, Knappen, Bauern, Jäger, Gelehrte, Orientalen, Narren, auf der anderen Hofdamen, Ritterfräulein, Bäuerinnen, Kammerzofen, Königinnen der Nacht. Oberhalb der Kostüme waren die entsprechenden Kopfbedeckungen zu sehen. (T 41) Mit Fridolins Wahrnehmung der Kostüme als Tote - “es war Fridolin zumute, als wenn er durch eine Allee von Gehängten schritte, die im Begriffe wären, sich gegenseitig zum Tanz aufzufordern” (T 41) - wird auf den kommenden Maskenball der Geheimgesellschaft und die damit verbundene Bedrohlichkeit und Todesgefahr hingewiesen. Die Totentanz-Metapher, 15 die für den ganzen nächtlichen Reigen Gültigkeit hat, ist hier ausdrücklich genannt (Schrimpf 1963: 181). Den Raum nimmt Fridolin zunächst als verschwommen wahr, bedingt durch den Wechsel zwischen hell und dunkel: “aus schwimmendem Dunkel blitzte es silbern und rot; und plötzlich glänzten eine Menge kleiner Lämpchen zwischen offenen Schränken eines engen, langgestreckten Gangs, der sich rückwärts in Finsternis verlor.” (T 41) Als vom Ende des langen Ganges her ein “gläsernes Geklirr” (T 41) ertönt, Gibiser den Lichtschalter betätigt und “sich sofort bis zum Ende des Gangs […] eine blendende Helle ergoß” (T 41), erblickt er Gibisers als Pierrette verkleidete Tochter, in Begleitung von kostümierten Männern, “zwei Femrichter[n] in rotem Talar.” (T 41) Auch mit den Femrichtern wird auf die Todesthematik verwiesen. 16 Gibisers Tochter, die als “ein zierliches helles Wesen […] ein anmutiges, ganz junges Mädchen, fast noch ein Kind, im Pierrettenkostüm mit weißen Seidenstrümpfen” (T 41f.) beschrieben wird, ist eine erneute erotische Begegnung für Fridolin. Fridolin fühlt sich von dem Mädchen, das sich aus Angst vor seinem wütenden Vater in seine Arme wirft, erotisch angezogen: Die Kleine preßte sich an Fridolin, als müßte er sie schützen. Ihr kleines schmales Gesicht war weiß bestäubt, mit einigen Schönheitspflästerchen bedeckt, von ihren zarten Brüsten stieg ein Duft von Rosen und Puder auf; - aus ihren Augen lächelte Schelmerei und Lust. (T 42) Vom Alter her ähnelt diese Kindfrau dem Mädchen vom Strand in Dänemark. Aber auch die siebzehnjährige Dirne Mizzi verhielt sich “wie ein Kind” (T 30). Wie bei Marianne, deren Geruch Fridolin eher einen “leichten Widerwillen” (T 23) einflößte, und bei Mizzi, bei der es “jedenfalls […] viel angenehmer als in Mariannes Behausung” (T 29) roch, spielt auch hier das Geruchsempfinden eine wichtige Rolle, wobei hier der Duft auf Fridolin eine erotisierende Wirkung hat. 17 Zu beobachten ist, dass dieses junge Mädchen hier nach dem Kostüm Dalia Aboul Fotouh Salama 148 18 Der Schleier der Pierrette ist die schwarze Variante einer Commedia-dell’Arte-Geschichte: Die Pantomime erzählt von Pierrette, die mit Arlecchino vermählt wird, obwohl sie Pierrot liebt. Dieser begeht Selbstmord, als ihn die Geliebte im Brautkleid mit Myrtenkranz und Schleier aufsucht und ihn bittet zusammen mit ihr Gift zu nehmen, um Selbstmord zu begehen. Während Pierrot das Gift zu sich nimmt, entscheidet sich Pierrette in letzter Minute anders. Den toten Pierrot zurücklassend kehrt Pierrette zur ausgelassen feiernden Hochzeitsgesellschaft zurück, und hat - nur für sie sichtbar - die Erscheinung Pierrots mit ihrem Hochzeitsschleier. Als Arlecchino an seiner Braut den Schleier vermisst, führt sie ihn in Pierrots Zimmer. Von Arlecchino mit dem Toten eingesperrt, vollzieht sich eine Art mystischer Vereinigung. Im Wahn (wahnsinnig geworden) umtanzt Pierrette den Geliebten, bis ihre Kräfte schwinden und sie an seiner Seite tot niedersinkt. 19 Siehe dazu: Schuchter (2009). 20 Herbert Knorr (1988: 196) sieht in dieser Bemerkung einen Beleg für die “spielerische Typenhaftigkeit der Gestalten” in der Traumnovelle, die zeige “dass die Individuen dieser Gesellschaft ein personales, unverwechselbares Eigensein nicht mehr kennen.” benannt ist, das sie trägt. Der Name wird zunächst nur als Gattungsname “die Pierrette” (T 42) verwendet, dann aber als Eigenname benutzt: “Pierrette schwebte die Wendeltreppe hinab” (T 43). Als Name stellt ‘Pierrette’ gegenüber ‘Marianne’ und ‘Mizzi’ eine weitere Verfremdung dar (Lukas 1996: 104f.). Deutliche Bezüge auf die damals dem Publikum wohlbekannte musikalische Pantomime Schnitzlers mit dem Titel Der Schleier der Pierrette (1910) sind hier zu erkennen. Es geht um eine untreue Frau, die ihren Liebsten in den Tod treibt, bzw. dazu führt Selbstmord zu begehen und zum Schluss selber wahnsinnig wird. 18 Als “wahnsinnig” (T 44) und als ein “verworfenes Geschöpf” (T 43) wird auch Pierrette von ihrem Vater bezeichnet, was Fridolin irritiert: “Ich hörte, wie Sie die Kleine vorher als wahnsinnig bezeichneten - und jetzt nannten Sie sie ein verworfenes Geschöpf. Ein auffallender Widerspruch, Sie werden es nicht leugnen.” “Nun, mein Herr”, entgegnete Gibiser mit einem Ton wie auf dem Theater, “ist der Wahnsinnige nicht verworfen vor Gott? ” Fridolin schüttelte sich angewidert. (T 44) Die Gleichsetzung von Verworfenheit und Wahnsinn impliziert eine Form von Weiblichkeit, die ein ausschweifendes sexuelles Verhalten in Zusammenhang mit Wahnsinn stellt, wobei die ‘femme fragile’ und die ‘femme fatale’ hier die zwei prototypischen weiblichen Wahnsinnsfiguren sind. 19 Die Gestalt Gibisers wird mit einem Attribut der orientalischen Märchenwelt versehen, denn er trägt eine türkische Mütze mit einer Troddel. Außerdem wird die Gestalt Gibisers mit komischer Theatralik ausgestattet: Gibiser sieht aus “wie ein lächerlicher Alter auf dem Theater” (T 40) und spricht am Ende der Episode “mit einem Ton wie auf einem Theater” (T 44) (vgl. Krotkoff 1972: 87). Die Theatermetaphorik verweist darauf, dass der Maskenverleiher eine lächerlich erscheinende, aber geheimnisvolle Rolle spielt, 20 was wiederum auf den kommenden Maskenball und die damit verbundene geheime Gesellschaft verweist. Fridolins Begehren, das offensichtlich jungen, lolitahaften Mädchen gilt, zeigt sich zudem in seiner Selbsterkenntnis: “Am liebsten wäre er dageblieben oder hätte die Kleine gleich mitgenommen, wohin immer - und was immer daraus gefolgt wäre. Sie sah lockend und kindlich zu ihm auf, wie gebannt.” (T 42) Bedingt durch die Anwesenheit des Vaters muss er jedoch sein sexuelles Begehren unterdrücken. Gleichzeitig wird sein Beschützerinstinkt angeregt, denn er empfindet es “wie eine Verpflichtung zu bleiben und der Pierrette in einer drohenden Gefahr beizustehen.” (T 43) Auf seinem Weg zum Maskenball denkt Fridolin nochmals an Pierrette. Fridolin “spürte […] immer noch den Geruch von Rosen und Puder, der von Pierrettens Brüsten zu ihm aufgestiegen war. […] Ich hätte nicht fortgehen sollen, vielleicht nicht dürfen.” (T 45) Dieses Zitat bringt die Zweideutigkeit zwischen kindlicher Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers Traumnovelle 149 Unschuld und Lasterhaftigkeit des Mädchens einerseits und Beschützerinstinkt und Begehren Fridolins andererseits auf den Punkt. 11 Die Unbekannte Der Weg zum geheimen Maskenball führt Fridolin, maskiert mit einem Mönchskostüm, aus der Stadt heraus. Als Fridolin in die Villa, in der der geheime Maskenball stattfindet, eintritt, befindet er “sich in einer schmalen weißen Vorhalle” (T 47), die ihn dann weiterführt in einen “dämmerigen, fast dunklen hohen Saal, der ringsum von schwarzer Seide umhangen war” (T 47), mit “sechzehn bis zwanzig Personen” (T 47), mit “Masken, durchaus in geistlicher Tracht” (T 47). Auch hier nimmt er den Raum durch Gerüche wahr. So heißt es: “Ein fremdartiger, schwüler Wohlgeruch, wie von südländischen Gärten umfing ihn” (T 47). In dieser Wahrnehmung kulminieren die bisherigen olfaktorischen Affekte (Lukas 1996: 104). Fridolins Wahrnehmung der Raumatmosphäre wird hier außerdem noch durch den Gehörsinn ergänzt: “Harmoniumklänge” (T 47) einer “altitalienischen geistlichen Arie” (T 48), begleitet von “eine[r] weibliche[n] Stimme” (T 48), “tönten durch den Raum” (T 48). Während Fridolin zwischen diesen “Mönche[n] und Nonnen” (T 47) “so harmlos als möglich” (T 47) umhergeht, streift eine der “Nonnen” (T 47) seinen Arm. “Wie die andern hatte auch sie um Stirn, Haupt und Nacken einen schwarzen Schleier geschlungen, unter den schwarzen Seidenspitzen der Larve leuchtete ein blutroter Mund.” (T 47) Mit dem “blutrote[n] Mund” (T 47) der Unbekannten, später heißt es auch “ihrem rotglühenden Mund” (T 52), ist die höchste Steigerungsstufe nach der blassen Marianne und dem natürlichen Rot von Mizzis Lippen erreicht, wobei “ihr blutroter Mund […] geisterhaft auf das Dirnenerlebnis” (Schrimpf 1963: 181) zurückdeutet. Als ihm eine weibliche Stimme zuflüstert, sich vom Ball zu entfernen, da er sonst einer Gefahr ausgesetzt sei, wendet er sich nach der Stimme um: “Er sah den blutroten Mund durch die Spitzen schimmern, dunkle Augen sanken in die seinen.” (T 48) Erotisch angezogen von den Augen und dem blutroten Mund, weigert er sich, ihren gutgemeinten Rat zu befolgen: “»Ich bleibe«, sagte er in einem heroischen Ton, den er nicht an sich kannte und wandte das Antlitz wieder ab.” (T 48) Da zunächst das Äußere der Maskenballteilnehmer durch ihre Verkleidung in Mönchskutten und Nonnengewänder geistlich dominiert ist, wird auch dazu die passende kirchliche Begleitmusik gespielt: Der Gesang schwoll wundersam an, das Harmonium tönte in einer neuen, durchaus nicht mehr kirchlichen Weise, sondern weltlich, üppig, wie eine Orgel brausend. Auch die Gesangsstimme war indes aus ihrem dunklen Ernst über einen kunstvoll ansteigenden Triller ins Helle und Jauchzende übergegangen, statt des Harmoniums aber hatte irdisch und frech ein Klavier eingesetzt […] und die vorher so edle weibliche Frauenstimme hatte sich in einem letzten grellen, wollüstigen Aufschrei gleichsam durch die Decke davongeschwungen in die Unendlichkeit. (T 48f.) Der Übergang von den Kirchentönen des Harmoniums zu den “weltlich[en]” (T 48), “üppig[en]” (T 48), “irdischen” (T 48) und “frechen” (T 48) Klängen des Klaviers sowie von der “edle[n] Frauenstimme” (T 48) zu dem “letzten grellen wollüstigen Aufschrei” (T 48), zeigt einen Szenenwechsel von kirchlich bestimmten zu weltlichen Attributen. Zu Beginn des Maskenballs befinden sich in dem “dämmrigen” (T 47) Saal ausschließlich “Mönche” (T 48), während “der gegenüberliegende Raum” (T 49), in dem sich die “Nonnen” (T 47) befinden, “aber in blendender Helle” (T 49) erstrahlt: “und Frauen standen unbeweglich da, alle mit Dalia Aboul Fotouh Salama 150 dunklen Schleiern um Haupt, Stirn und Nacken, schwarze Spitzenlarven über dem Antlitz, aber sonst völlig nackt.” (T 49) Hier findet eine Wiederholung der Opposition hell/ dunkel statt, die der räumlich-zeitlichen Organisation eines Schauspiels mit Bühne/ Zuschauer ähnelt. Die Gegenüberstellung zwischen diesen hell beleuchteten Frauen und den sie aus dem dunklen Saal beobachtenden Männern stellt einen imaginären Akt und die Relation von Sehen und Gesehenwerden dar, die sich - wiederum dem Theater ähnlich - durch die Gegenüberstellung von Fiktion und Realität konstituiert. Der Gegensatz verhüllt (maskiert)/ nackt führt dazu, dass die erotische Anziehungskraft der nackten Frauenkörper durch das Höchstmaß an Verhüllung des Gesichts potenziert wird: Fridolins Augen irrten durstig von üppigen zu schlanken, von zarten zu prangend erblühten Gestalten; - und daß jede dieser Unverhüllten doch ein Geheimnis blieb und aus den schwarzen Masken als unlöslichste Rätsel große Augen zu ihm herüberstrahlten, das wandelte ihm die unsägliche Lust des Schauens in eine fast unerträgliche Qual des Verlangens. (T 49) Beim Anblick der nackten Frauenkörper und der maskierten Gesichter erlebt Fridolin ein “hypnotisierendes, bemächtigendes, lähmendes Schauspiel […] als eine überwältigende Mischung von Lust und Schmerz, von Wut und Sehnsucht.” (Wurmser 1990: 262f.) Auch Rey (1968: 111) betont die sadistischen und masochistischen Züge der geheimen Veranstaltung und sieht in dem Zweck der ganzen Veranstaltung nicht jene schrankenlose erotische Erfüllung, die Albertine in ihrem Traum genießt, sondern vielmehr eine rasende Steigerung der Begierde, der die natürliche Erfüllung versagt bleibt, bis gleichsam ein Siedepunkt erreicht wird, in dem Lust und Qual verschmelzen. Ähnlich wie beim Mädchen am dänischen Strand, wo er durch den Anblick überwältigt und ‘ohnmächtig’ zurückbleibt, verkehrt sich Fridolins Überwältigung nun in Angst, denn gebannt und hypnotisiert von dem Anblick, der sich ihm bietet, zieht er sich, statt sich wie die anderen Männer auf die Frauen zu stürzen, “einigermaßen ängstlich in die entfernteste Ecke” (T 49) zurück und sieht von da aus, “daß von einer anderen Ecke her ihn zwei Edelleute scharf ins Auge gefaßt hatten und er vermutete, daß das Geschöpf an seiner Seite - es war knabenhaft und schlank gewachsen - zu ihm gesandt war, ihn zu prüfen und zu versuchen.” (T 50) Obwohl sich Fridolin der Gefahr bewusst ist, jederzeit aufgedeckt zu werden, kann er der unbekannten Frau, die ihn bittet keine Fragen zu stellen und ihn erneut ermahnt zu fliehen, nicht widerstehen und bittet sie stattdessen um ein Wiedersehen. Die Unbekannte, die mit einem “Zittern” (T 50), das “durch ihren nackten Leib” (T 50) ging “und ihm fast die Sinne umnebelte” (T 50), reagiert, erinnert wiederum an das Mädchen vom dänischen Strand, das ebenfalls mit einem “Zittern” (T 14) reagiert hatte. Deutlich sind nun aber auch die Ähnlichkeiten mit Albertine zu erkennen, wobei Kluge (1982: 328) auf die Verschiebung in der Frauengestalt aufmerksam macht: […] an die Stelle des jungen Mädchens, (zuerst lockt ihn auch ein knabenhaft und schlank gewachsenes Geschöpf), tritt eine reifere Frau in Albertines Alter. Wie das Wunschobjekt seines Begehrens somit mit Albertine verschmilzt, okkupiert er quasi die Stelle des Dänen, den er als ihr Geliebter verdrängt, um zugleich seine und seiner Frau Ehre beschützen zu können. Es geschieht eine Wunschvorstellung: Er begegnet einer erträumten, gleichsam ‘idealen’ Albertine: Sie kränkt ihn nicht als Mann und brüskiert ihn nicht als Gatte; sie begehrt ihn und respektiert seine männliche und bürgerliche Ehre. Er ist vor sich selbst und ihr gegenüber einmal kein Versager. Genauso wie Albertine nach ihrer Erzählung über ihre Begegnung mit dem Dänen zu ihm gesagt hatte: “Frage mich nicht weiter” (T 13), ermahnt auch die maskierte Frau Fridolin, zu den Ereignissen des Maskenballs keine Fragen zu stellen - “Frage nicht” (T 50) (vgl. Freytag Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers Traumnovelle 151 2007: 62). Benebelt von seinen Sinnesregungen versucht er die Unbekannte mit den Worten zu umarmen: “Es kann nicht mehr auf dem Spiel stehen als mein Leben, und das bist du mir in diesem Augenblick wert.” (T 50) Die überreizten Sinne Fridolins lassen ihn die Gefahr geringschätzen; er zeigt jetzt die Bereitschaft, sein Leben in die Waagschale zu werfen, etwas, wovor er zuvor noch zurückgeschreckt war, wobei ihm die maskierte unbekannte Frau in ihrer Unpersönlichkeit als Projektionsfläche dient. Mit der Maske als Schutz bzw. als Tarnkappe versucht er nun, als furchtloser Ritter aufzutreten, der bereit ist, sein Leben für eine von ihm imaginierte Leidenschaft, von der Todesgefahr ausgeht, zu opfern bzw. aufs Spiel zu setzen. Freytag (2007: 62) sieht darin einerseits die Phantasie einer märchenhaften Liebe, andererseits aber auch einen Verweis auf die Todesmetaphorik, sowie auch auf Ängste, denen er zu widerstehen versucht, worauf auch sein Gefühl der Entfremdung hindeutet, bei dem er sein eigenes Lachen wie nicht zu ihm gehörend wahrnimmt: “Er lachte und hörte sich, wie man sich im Traume hört.” (T 51) Und wenig später heißt es: “Er lachte wieder und kannte sein Lachen nicht.” (T 51) Fridolin ist ein anderer, steht außerhalb seines Körpers und ist besessen von seinem Begehren, was ihn dazu führt, sich in eine überlegenere, machtvolle Position zu versetzen, indem er die Unbekannte als Prostituierte herabwürdigt und den Maskenball als eine Veranstaltung einer Massenorgie definiert, die ihm gestattet, sich ausnahmslos mit ihr zu vergnügen: “Ich sehe ja, wo ich bin. Ihr seid doch nicht nur darum da, ihr alle, damit man von euerm Anblick toll wird! Du treibst nur einen besondern Spaß mit mir, um mich völlig verrückt zu machen.” “Es wird zu spät, geh! ” Er wollte sie nicht hören. “Es sollte hier keine verschwiegenen Gemächer geben, in die Paare sich zurückziehen, die sich gefunden haben? Werden alle, die hier sind, mit höflichen Handküssen voneinander Abschied nehmen? Sie sehen nicht danach aus.” Und er wies auf die Paare, die nach den rasenden Klängen des Klaviers in dem überhellen, spiegelnden Nebenraume weitertanzten, glühende, weiße Leiber an blaue, rote, gelbe Seide geschmiegt. Ihm war, als kümmerte sich jetzt niemand um ihn und die Frau neben ihm; sie standen in dem fast dunklen Mittelsaal ganz allein. “Vergebliche Hoffnung”, flüsterte sie. “Es gibt hier keine Gemächer, wie du sie dir träumst. Es ist die letzte Minute. Flieh! ” (T 51) Fridolin erlebt sich selbst in einer Extremsituation. Mögen bei den bisherigen Begegnungen noch soziale oder moralische Hemmnisse bestanden haben, sich mit der jeweiligen Frau einzulassen, die ihn in der Rolle des Arztes dazu veranlassten, Marianne als hysterisch zu bezeichnen und ihn in der Rolle des gesellschaftlich überlegenen Bürgers die Dirne Mizzi als soziale Randperson sehen ließen, so handelt es sich hier um die Begegnung eines Mannes, der im Rahmen einer Massenorgie das Recht hat, über eine freiwillige Teilnehmerin dieser Veranstaltung zu verfügen. Fridolin war wie trunken, nicht nur von ihr, ihrem duftenden Leib, ihrem rotglühenden Mund, nicht nur von der Atmosphäre dieses Raums, den wollüstigen Geheimnissen, die ihn hier umgaben; - er war berauscht und durstig zugleich von all den Erlebnissen dieser Nacht, deren keines einen Abschluß gehabt hatte; von sich selbst, von seiner Kühnheit, von der Wandlung, die er in sich spürte. Und er rührte mit den Händen an den Schleier, der um ihr Haupt geschlungen war, als wollte er ihn herunterziehen. (T 52) “Berauscht” (T 52) von seiner eigenen “Kühnheit, von der Wandlung, die er in sich spürte” (T 52), setzt sich Fridolin endgültig über seine Hemmungen und Ängste hinweg, da er sich nun dem Ziel nahe sieht - anders als in seinen bisherigen nächtlichen Abenteuern - endlich sein ersehntes “Casanova-Wunschbild” (Freytag 2007: 49) zu verwirklichen. Die Unbekannte nennt ihn deswegen bezeichnenderweise “wahnsinnig” (T 52). Wenn Pierrette wegen ihrer Dalia Aboul Fotouh Salama 152 sexuellen Ausschweifungen und Zügellosigkeit, die sich in ihrem Vergnügen mit zwei Männern niederschlägt, von ihrem Vater als “wahnsinnig” (T 44) bezeichnet wurde, so wird hier der Spieß umgedreht. Die unbekannte Frau betrachtet nun Fridolin, der von seinem sexuellen Begehren besessen ist, als “wahnsinnig” (T 52). Zudem erklärt ihm die Unbekannte, welche Strafe er zu erwarten hätte, falls er sich nicht an die Regeln halten würde: Sie ergriff seine Hände. “Es war eine Nacht, da fiel es einem ein, einer von uns im Tanz den Schleier von der Stirn zu reißen. Man riß ihm die Larve vom Gesicht und peitschte ihn hinaus.” “Und - sie? ” “Du hast vielleicht von einem schönen, jungen Mädchen gelesen … es sind erst wenige Wochen her, die am Tag vor ihrer Hochzeit Gift nahm.” Er erinnerte sich, auch des Namens. Er nannte ihn. War es nicht ein Mädchen aus fürstlichem Hause, das mit einem italienischen Prinzen verlobt gewesen war? Sie nickte. (T 52) Hier ist zu erkennen, dass die Erwähnung dieses tragischen Geschehens nicht nur eine Warnung vor einer Auspeitschung und Demaskierung Fridolins, sondern auch eine Vorausdeutung auf das Schicksal der maskierten Frau ist. Trotzdem entschließt sich Fridolin, aus “Scheu vor einem ruhmlosen und etwas lächerlichen Rückzug, [dem] ungestillte[n], quälende[n] Verlangen nach dem wundersamen Frauenleib […] dessen Duft noch um ihn strich” (T 53) und als “eine Prüfung seines Muts” (T 53) sich “in ritterlicher Weise” (T 53) als “Eindringling” (T 53) zu bekennen, denn “nur in solcher Art, wie mit einem edeln Akkord, durfte diese Nacht abschließen, wenn sie mehr bedeuten sollte als ein schattenhaft wüstes Nacheinander von düsteren, trübseligen, skurrilen und lüsternen Abenteuern, deren doch keines zu Ende gelebt worden war.” (T 53) Doch in diesem Augenblick wird er nach der Parole des Hauses gefragt, die er nicht weiß. Die Parole, die ihm Nachtigall verraten hatte und die bezeichnenderweise “Dänemark” (T 53) lautete, war nur die Parole zum Maskenball, aber nicht die Parole des Hauses. ‘Dänemark’ ist auch das Stichwort für den ungelösten Konflikt mit Albertine. Über dieses kompositorische Prinzip des Textes wird der Konflikt mit Albertine, mit dem Maskenball enggeführt. […] Das, was sich hinter dem Stichwort ‘Dänemark’ verbirgt, wird wie in einem Traum, in dem ein Wort oder Bild symbolisch für einen komplexen Zusammenhang stehen kann, erneut, allerdings in gesteigerter Form, durchlebt. Das zweite, ihm fehlende Passwort, das ihn aus der Situation der drohenden Bloßstellung beim Maskenball befreien würde, steht auch für seinen ungelösten Konflikt mit Albertine. Aufgrund seines fehlenden Zugangs zu ihr und seiner Schwierigkeiten, sich ihr zu öffnen, findet er auch aus der jetzigen Situation keinen Ausweg. (Freytag 2007: 64) Ertappt und von den männlichen Masken umringt, die ihm befehlen, sein Gesicht zu enthüllen, versucht Fridolin zu verhandeln und erklärt sich bereit, dem Herrn, “der sich […] in seiner Ehre gekränkt fühlen sollte, in üblicher Weise Genugtuung zu geben” (T 54), denn “Tausendmal schlimmer wäre es ihm erschienen, der Einzige mit unverlarvtem Gesicht unter lauter Masken dazustehen, als plötzlich unter Angekleideten nackt.” (T 54) Als ungeachtet dessen einer der Männer versucht, Fridolin gewaltsam zu demaskieren, erklärt sich seine Warnerin, die schöne Unbekannte, bereit sich für ihn zu opfern: Die dunkle Tracht fiel wie durch einen Zauber von ihr ab, im Glanz ihres weißen Leibes stand sie da, sie griff nach dem Schleier, der ihr um Stirn, Haupt und Nacken gewunden war, und mit einer wundersamen runden Bewegung wand sie ihn los. Er sank zu Boden, dunkle Haare stürzten ihr über Schultern, Brust und Lenden - doch ehe noch Fridolin das Bild ihres Antlitzes zu erhaschen vermochte, war er von unwiderstehlichen Armen erfaßt, fortgerissen und zur Türe gedrängt worden. (T 56) Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers Traumnovelle 153 Fridolin, der nun unter der Bedingung freigelassen wird, keine weiteren Nachforschungen über die Ereignisse in der geheimen Villa anzustellen, kann die Frau nicht ohne Maske sehen, da er von “unwiderstehlichen Armen erfaßt, fortgerissen und zur Türe gedrängt” (T 56) wird. Auf diese Weise bleibt auch dieses erotische Abenteuer ohne Erfüllung, wie alle anderen in der Novelle, von denen keines “zu Ende gelebt worden” (T 53) war. Stattdessen befindet sich aber nun die begehrte Frau in Todesgefahr. Doch schon beim Verlassen der Villa besinnt Fridolin sich darauf, dass er sich “nur alles genau einpräge” (T 57), da er fest entschlossen ist, […] auf alle Gefahr hin die Aufklärung des Abenteuers, sobald es anging, in Angriff zu nehmen. Sein Dasein, so schien ihm, hatte nicht den geringsten Sinn mehr, wenn es ihm nicht gelang, die unbegreifliche Frau wiederzufinden, die in dieser Stunde den Preis für seine Rettung bezahlte. (T 57) Während seiner Fahrt in der “Trauerkutsche” (T 44), die wiederum den Tod symbolisiert, hat Fridolin ambivalente Gefühle der unbekannten Frau gegenüber. Von seinen bürgerlichen Konventionen und Moralvorstellungen bestimmt, versucht er sich von jeglichen Schuldgefühlen zu befreien und eine Machtposition zu gewinnen, indem er ihre Aufopferung in Frage stellt und sie als Prostituierte abwertet, für die es eigentlich kein Opfer bedeuten könne, sich mehreren Männern hinzugeben. Aber welchen Anlaß hatte sie, sich für ihn zu opfern? Zu opfern -? War sie überhaupt eine Frau, für die, was ihr bevorstand, was sie nun über sich ergehen ließ, ein Opfer bedeutete? Wenn sie an diesen Gesellschaften teilnahm - und es konnte heute nicht zum ersten Mal der Fall sein, da sie sich in die Bräuche so eingeweiht zeigte -, was mochte ihr daran liegen, einem dieser Kavaliere oder ihnen allen zu Willen zu sein? Ja, konnte sie überhaupt etwas anderes sein als eine Dirne? Konnten alle diese Weiber etwas anderes sein? Dirnen - kein Zweifel. Auch wenn sie alle noch irgendein zweites, sozusagen bürgerliches Leben neben diesem führten, das eben ein Dirnenleben war. (T 57f.) Gleichzeitig sieht er in ihr seine Retterin, die sich in ihrem Edelmut und in ihrer Selbstlosigkeit für ihn geopfert hat: Und doch, wenn er nun wieder dieser Frau dachte, die ihn von Anfang an gewarnt hatte, die nun bereit war, für ihn zu bezahlen - in ihrer Stimme, in ihrer Haltung, in dem königlichen Adel ihres unverhüllten Leibes war etwas gewesen, das unmöglich Lüge sein konnte. (T 58) Die Zweiteilung des Bildes von Weiblichkeit in ‘unanständige Frau’ (Hure) oder ‘anständige Frau’ (Heilige, Engel) taucht hier deutlich in der Form eines Zwiespaltes auf. Für Fridolin selbst ist es hilfreich, die Unbekannte zum einen zur Prostituierten zu ‘degradieren’, um eine Machtposition zu gewinnen, zum anderen für die Rechtfertigung seines Begehrens, das noch nicht gestillt ist, ihr “königlichen Adel” zuzuschreiben. Auf diese Weise kann Fridolin guten Gewissens sein Begehren vor sich selbst rechtfertigen: “Er schwor sich zu, nicht zu ruhen, ehe er das schöne Weib wiedergefunden, dessen blendende Nacktheit ihn berauscht hatte.” (T 60) Vor allem beflügelt ihn die Fantasie, eine derart unwiderstehliche Attraktivität besessen zu haben, unter deren Einfluss die Unbekannte bereit war, jedes Opfer für ihn einzugehen. Oder hatte vielleicht nur seine, Fridolins plötzliche Erscheinung als Wunder gewirkt, sie zu verwandeln? […] Vielleicht gibt es Stunden, Nächte, dachte er, in denen solch ein seltsamer, unwiderstehlicher Zauber von Männern ausgeht, denen unter gewöhnlichen Umständen keine sonderliche Macht über das andere Geschlecht innewohnt? (T 58) Gekoppelt mit Selbstmitleid zeigt sich hier seine Wunschvorstellung, ein leidenschaftlich begehrter Mann zu sein - eine Allmachtsphantasie, in die er sich hineinsteigert. Auf seinem Dalia Aboul Fotouh Salama 154 Rückweg in die Stadt wird er von seinen Gefühlen und Gedanken über die letzten Ereignisse bedrängt: “Die Vorstellung der Dinge, die sich eben jetzt in der Villa ereignen mochten, erfüllte ihn mit Grimm, Verzweiflung, Beschämung und Angst.” (T 60) Fridolins Gefühle werden hier erstmals direkt in reflektierenden Worten ausgedrückt, wobei die direkte Benennung seiner Gefühle von einer beginnenden Bewusstwerdung zeugen. “So hätte diese unsinnige Nacht mit ihren läppischen, abgebrochenen Abenteuern am Ende doch eine Art von Sinn erhalten. So heimzukehren, wie er nun im Begriff war, erschien ihm geradezu lächerlich” (T 60). Fridolin fühlt sich als Versager, was ihn dazu führt, in Selbstmitleid zu vergehen: “Dieser Gemütszustand war so unerträglich, daß Fridolin beinahe bedauerte, von dem Strolch, dem er begegnet war, nicht angefallen worden zu sein, ja beinahe bedauerte, nicht mit einem Messerstich zwischen den Rippen an einer Planke in der verlorenen Gasse zu liegen.” (T 60) Der Gedanke an Albertine, der ihm erst ziemlich spät auf seinem Nachhauseweg kommt, führt ihn dazu, sich seiner unterdrückten Wünsche, die er nicht ausgelebt und immer wieder verschoben hat, bewusst zu werden. Und nun erst dachte er an Albertine - doch so, als hätte er auch sie erst zu erobern, als könnte sie, als dürfte sie nicht früher wieder die Seine werden, ehe er sie mit all den andern von heute nacht, mit der nackten Frau, mit Pierrette, mit Marianne, mit dem Dirnchen aus der engen Gasse hintergangen. […] Was lag ihm an eines andern, was an seinem eigenen Leben? Sollte man es immer nur aus Pflicht, aus Opfermut aufs Spiel setzen, niemals aus Laune, aus Leidenschaft, oder einfach, um sich mit dem Schicksal zu messen? (T 60f.) Albertines Vorwurf, dass er seine Wünsche aus Rücksicht auf gesellschaftliche Normen unterdrücke, verleitet Fridolin nun dazu, diese Kontroll- und Beherrschungsmechanismen in Frage zu stellen. Zum anderen wurde ihm vorgeworfen, das wahre Wesen der Frauen als eigenständige Personen mit individuellen sexuellen Gefühlen und Wünschen zu verkennen. Durch Fridolins ambivalente Wahrnehmung der Unbekannten wird hier, wie auch an anderen Stellen, wiederum jene patriarchalische Ordnung erkennbar, die keine Alternative als die der ‘anständigen Frau’ und der ‘Dirne’ gelten lässt (Scheible 1996: 186). 12 Die Tote in der Leichenhalle Schließlich kommt Fridolin nach seiner nächtlichen Odyssee nach Hause, als Albertine gerade aus einem Traum erwacht, den sie zunächst nur widerstrebend erzählt und der alles in den Schatten stellt, was er selbst in der Nacht erlebte. Zu den Höhepunkten dieses Traumes gehört, dass Albertine im Rahmen einer Massenorgie sich dem seinerzeit im Sommerurlaub begehrten Dänen hingibt und laut lachend ihren Mann verhöhnt, der, nur weil er seiner Frau um jeden Preis treu bleiben will, schwere Folterungen erduldet und am Ende ans Kreuz geschlagen werden soll. Fridolin ist von dem Traum seiner Frau schockiert und wiederum bloßgestellt: Je weiter sie in ihrer Erzählung fortgeschritten war, um so lächerlicher und nichtiger erschienen ihm seine eigenen Erlebnisse, soweit sie bisher gediehen waren, und er schwor sich, sie alle zu Ende zu erleben, sie ihr dann getreulich zu berichten und so Vergeltung zu üben an dieser Frau, die sich in ihrem Traum enthüllt hatte als die, die sie war, treulos, grausam und verräterisch, und die er in diesem Augenblick tiefer zu hassen glaubte, als er sie jemals geliebt hatte. (T 70) Nun endgültig zur Rache entschlossen, beschließt Fridolin die abgebrochenen Liebesabenteuer der vergangenen Nacht am nächsten Tag zu Ende zu führen. In seinem geplanten Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers Traumnovelle 155 Rachefeldzug sucht er am nächsten Tag zwischen seinen Arztpflichten und -terminen die Stationen der letzten Nacht auf. Doch Mariannes schmerzliche Liebe weist er erneut zurück und der Maskenverleiher Gibiser entpuppt sich als Zuhälter seiner Tochter. Schließlich erfährt er, dass Mizzi mit einer Geschlechtskrankheit im Krankenhaus liegt, was ihn nun endgültig dazu führt, sich als Versager zu sehen, dem “alles mißlingen mußte” (T 86), da seine Begegnungen erneut nicht zu einem erotischen Liebesabenteuer führen, wie er es sich in seiner Imagination als Rache an Albertine vorgestellt hat. Im Gegensatz zu den verschiedenen heldenhaften Rollen, die er spielen wollte, die jedoch zum Scheitern verurteilt waren, fühlt er sich nur in seiner ihm vertrauten Rolle als Arzt wohl und in Sicherheit: “Fridolin fühlte sich beinahe glücklich, als er, von den Studenten gefolgt, von Bett zu Bett ging.” (T 75) Doch auch im Krankenhaus wird er an seinen Konflikt mit Albertine erinnert, als er eine junge Patientin “mit dem verdächtigen Spitzenkatarrh” (T 76), die ihm zulächelt, als dieselbe erkennt, “die neulich bei Gelegenheit einer Untersuchung ihre Brüste so zutraulich an seine Wange gepreßt hatte.” (T 76) Endgültig verstört und irritiert den Frauen gegenüber verliert er sich in Misogynie, indem die Bilder der treuen Ehefrau und der Hure ineinander verschmelzen: “Eine wie die andere, dachte er mit Bitterkeit, und Albertine ist wie sie alle - sie ist die Schlimmste von allen.” (T 76) Und er bezeichnet die Frauen des Maskenballs als “Damen […] aus Freudenhäusern zusammengetrieben” (T 77) und als “ausgesuchte Ware.” (T 77) Die einzige Lösung scheint ihm, die unbekannte Frau vom Maskenball zu suchen. In der Leichenkammer des Pathologisch-anatomischen Instituts findet er eine Frau, über deren Selbstmord er am Vorabend in der Zeitung gelesen hatte und in deren Leiche er die Gesuchte vermutet. Als er im Pathologisch-anatomischen Institut “durch den schwach beleuchteten Gang” (T 92) schreitet, nimmt er die Atmosphäre wiederum über das Geruchsempfinden war: “Ein vertrauter, gewissermaßen heimatlicher Geruch von allerlei Chemikalien, der den angestammten Duft dieses Gebäudes übertönte, umfing Fridolin.” (T 92) Die adjektivischen Bezeichnungen des Geruchseindrucks im Bereich von Fridolins Arbeitswelt als “vertrauter” (T 92) und “heimatlicher Duft” (T 92) beziehen sich also nicht mehr nur auf die Art des Geruches, sondern beschreiben die Empfindungen, die diese Gerüche bei Fridolin auslösen (vgl. Krotkoff 1972: 83). Der “festlich erhellte […] Raum” (T 92) des Labors, der Leichenschausaal, “der kahle hohe Raum war durch die zwei offenen, etwas heruntergeschraubten Flammen eines zweiarmigen Gaslüsters schwach beleuchtet” (T 94), sowie der Anblick der Leichen, von denen einige “nackt” (T 94), andere aber mit “Leinentücher[n]” (T 94) bedeckt sind, erinnern an die Umstände des Maskenballs. Die verhüllten und nackten, hier jedoch nun leblosen Körper erinnern an die maskierten und vor allem nackten Frauen der Geheimgesellschaft, die dort ebenfalls zur Schau gestellt worden waren. Im Gegensatz zum Maskenball, wo Fridolin nicht einmal die Gelegenheit hatte, das Antlitz der maskierten Unbekannten zu sehen, gibt er sich hier nun einer intensiven Betrachtung des Frauenkörpers, der “ihm fahl entgegenleuchtete” (T 94) und dessen “lange, dunkle Haarsträhnen” (T 94) an die Unbekannte erinnern, hin: Der Kopf war zur Seite gesenkt; lange, dunkle Haarsträhnen fielen fast bis zum Fußboden herab. […] Fridolin […] ließ seinen Blick den toten Körper entlang schweifen, vom wandernden Schein der elektrischen Lampe geleitet. War es ihr Leib? - der wunderbare, blühende, gestern noch so qualvoll ersehnte? Er sah einen gelblichen, faltigen Hals, er sah zwei kleine und doch etwas schlaff gewordene Mädchenbrüste, zwischen denen, als wäre das Werk der Verwesung schon vorgebildet, das Brustbein mit grausamer Deutlichkeit sich unter der bleichen Haut abzeichnete, er sah die Rundung des mattbraunen Unterleibs, er sah, wie von einem dunklen, nun geheimnis- und sinnlos gewordenen Schatten aus wohlgeformte Schenkel sich gleichgültig Dalia Aboul Fotouh Salama 156 öffneten, sah die leise auswärts gedrehten Kniewölbungen, die scharfen Kanten der Schienbeine und die schlanken Füße mit den einwärts gekrümmten Zehen. […] wie von einer unsichtbaren Macht gezwungen und geführt, berührte Fridolin mit beiden Händen die Stirne, die Wangen, die Schultern, die Arme der toten Frau; dann schlang er seine Finger wie zu einem Liebesspiel in die der Toten, und so starr sie waren, es schien ihm, als versuchten sie sich zu regen, die seinen zu ergreifen; ja ihm war, als irrte unter den halbgeschlossenen Lidern ein ferner, farbloser Blick nach dem seinen; und wie magisch angezogen beugte er sich herab. (T 94ff.) Freytag (2007: 76) erkennt hier richtig in Fridolins begehrendem Blick auf diesen toten Körper, der für ihn Schönheit und Verwesung vereint, auch die Präsenz der anderen Frauen: Der “gelbliche, faltige Hals” (T 95) erinnert an den von Marianne, die “Mädchenbrüste” (T 95) an die des Mädchens am Strand und Fridolins Berührung ihrer Finger “wie zu einem Liebesspiel” (T 96) an die Zärtlichkeit Albertine gegenüber. Im “Antlitz” (T 95) der toten Frau, das “ebenso gut einer Achtzehnjährigen als einer Achtunddreißigjährigen angehören” (T 95) könnte, lagern sich gewissermaßen die beiden Frauentypen der Kindfrau und der reiferen Frau übereinander bzw. werden beide Frauentypen vereint. Dem toten Körper gegenüber, der nicht zurückblicken kann, behält er einen machtvollen, kontrollierenden Blick und wird nicht durch den Blick des Gegenübers überwältigt. Nur in dieser grauenvollen Form des Sehens bzw. Blickens löst sich seine Angst auf (Freytag 2007: 77). Als Fridolin, der durch den Aufruf seines Kollegen “jählings zur Besinnung” (T 96) kommt, “seine Finger aus denen der Toten” (T 96) löst, kommt es ihm vor, “als ob jetzt, eben erst in diesem Augenblick, dieses Weib gestorben sei” (T 96), und er verlässt am Ende im Pathologisch-anatomischen Institut den toten Körper einer ihm fremden Frau: […] er wusste: auch wenn das Weib noch am Leben war, das er gesucht, das er verlangt, das er eine Stunde lang vielleicht geliebt hatte, und, wie immer sie dieses Leben weiter lebte; - was da hinter ihm lag in der gewölbten Halle, im Scheine von flackernden Gasflammen, ein Schatten unter andern Schatten, dunkel, sinn- und geheimnislos wie sie - ihm bedeutete es, ihm konnte es nichts anderes mehr bedeuten als, zu unwiderruflicher Verwesung bestimmt, den bleichen Leichnam der vergangenen Nacht. (T 98) Fridolin, der kurz zuvor zu der Erkenntnis gelangt ist, dass er sich die sehnlichst gesuchte Unbekannte “mit den Zügen Albertines vorgestellt” (T 91) und “dass ihm ununterbrochen seine Gattin als die Frau vor Augen geschwebt” (T 91) hatte, löst sich damit von dem tief verwurzelten Frauen-bild, das sich in zwei pauschale Typisierungen des Weiblichen aufspaltet: Zum einen die konventionelle Vorstellung von der treuen Gattin, Hausfrau und Mutter und zum anderen das gefährlich lockende, auf geheimnisvolle Weise verführerische Weib. Erst die Symbiose von gegensätzlichen Objekten seines Begehrens in der Gestalt Albertines ermöglicht Fridolin eine Rück- und Einkehr, allenfalls eine Resituierung in das reale Leben, in eine neue Wirklichkeit, in der er die ihm misslungene klischeehafte Rolle des männlichen überlegenen Verführers, Retters und Ehebrechers ablegt und für die ihm die Frauen, denen er begegnet ist, als Projektionsfläche dienten. Als Fridolin schließlich bei seiner Heimkehr neben der schlafenden Albertine im Ehebett auf seinem Kissen seine Maske findet, fühlt er sich von Albertine ertappt und erkannt: Die verlorene Maske auf seinem Kopfkissen als Zeichen des Verständnisses und der Versöhnung löst bei ihm einen kathartischen Schock aus, bei dem alle verdrängten Konflikte hervorbrechen und er in einem ‘psychischen’ Zusammenbruch den Gefühlen freien Lauf lässt. (Turpel 2010: 69) Frauenbild(er) in Arthur Schnitzlers Traumnovelle 157 21 Siehe zum Erzählen Scheffel (1998: 123-137). Weinend bricht er mit den Worten zusammen: “Ich will dir alles erzählen.” (T 99) Fridolin wird nun selbst zum Erzähler all der Erlebnisse und Emotionen, die der Leser bereits durch die personale Erzählsituation mitverfolgen konnte. In der Verschmelzung von Elementen einer Alltags-, Traum- und Märchenwelt wird eine fiktive Wirklichkeit konstruiert, die ihren eigenen Gesetzen folgt. Zudem wird der Faktualität und Fiktionalität des Erzählens eine neue Rolle zugewiesen, da Fridolin die eigenen traumhaften Abenteuer zwar nicht zu Ende erlebt, jedoch durch den Akt des Erzählens den Zugang zu seinen inneren Erfahrungsräumen eröffnet, die mittels Narration sprachlichen Ausdruck finden. 21 Fridolins Akt eines faktualen Erzählens von den nächtlich wahrgenommenen Frauenbildern kann als eine Art Beichte und Eingeständnis an seine Frau Albertine, die all die anderen Frauen vertritt und repräsentiert, gelesen werden. Erst diese Enthüllung vermag die psychologisch realistische Voraussetzung für eine Des-Illusionierung beider Ehepartner zu verschaffen und eine Demaskierung konventionell begründeter Rollen-bilder zu begründen, sodass sich beide, deren Augen durch die intern erlebten geträumten Bilder geöffnet worden sind, am Ende “für lange” (T 100) als in einer neuen Wirklichkeit “erwacht” (T 100) betrachten können. 13 Imaginierte Frauen-Bilder als Konstrukt des männlichen Egos Nach den obigen Ausführungen ist zu erkennen, dass die verschiedenen Frauen, denen Fridolin auf seiner nächtlichen traumähnlichen Reise begegnet, jeweils ein Konstrukt seiner subjektiven Wahrnehmung, seiner internen Konflikte und Wünsche sind, die er entsprechend seiner derzeitigen Gemütsverfassung nach selektiven Kriterien unbewusst kreiert hat. Die Frauenbilder, die in seiner Wahrnehmung entstehen, entsprechen verschiedenen Konstrukten des Weiblichen, wie sie um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kultur- und gesellschaftsspezifisch waren. Diese Konstrukte haben dabei die Funktion, ähnlich wie bei einer Traumarbeit, zum einen lang Verdrängtes freizulegen und zum anderen zu einer Bewusstseinswerdung beizutragen. Fridolins nächtliche Reise in eine “ferne, fremde Welt” (T 31), die durch eine Konfrontation weiblichen Strebens nach eigener Identität und Freiheit mit männlicher Identitätsverstörung ausgelöst wurde, bringt ihn zu einer Wirklichkeit, die mit der Erkenntnis verbunden ist, dass die männliche Selbstfindung nur über eine Revidierung eines Frauenbildes führen kann, die in der Hinterfragung kulturell bestimmter Typisierungen der Frau besteht und ihre Aufspaltung in die Extrempole ‘Hure’ und ‘Engel’ (Heilige) relativiert. Diese Infrage-Stellung des alten Frauenbildes und die Bereitschaft zur Revidierung eröffnen einen neuen Bezug zum anderen Geschlecht, der zu einem besseren Verständnis füreinander, einer Nähe der beiden Geschlechter zueinander, führen soll, sodass sie “einander traumlos nah” (T 100) sein können. In diesem Kontext fungiert nochmal das eingangs zitierte Märchen als ein wichtiges Verbindungsglied. Ähnlich wie die kluge Scheherazade, die durch das ‘Erzählen’ von Geschichten sowohl ihr eigenes als auch das Leben aller Frauen im Königreich rettet, kommt auch hier dem ‘Erzählen’ eine rettende Funktion zu. Zudem revidiert auch der Sultan Schahrajar, genauso wie Fridolin, angeregt durch seine ‘nächtlichen Reisen’ in Scheherazades abenteuerliche Geschichten aus Tausendundeiner Nacht, seine Ansicht über Frauen, entgeht seiner Misogynie und heiratet Scheherazade. 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