eJournals Kodikas/Code 34/3-4

Kodikas/Code
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
2011
343-4

Als ob's Gefühle wären

2011
Simone Neuber
Als ob’s Gefühle wären Warum auf Fikta bezogene und durch diese individuierte Gefühle dennoch keine als-ob-Gefühle sind Simone Neuber My paper wishes to criticise the claim that epistemic states such as perceptions and emotions can be subject to modifications in the way suggested by pretence theorists. To do so, I will first map the terrain which is characterised by as if talk in order to highlight two dimensions which seem to be at stake: an abstention from evidential knowledge (a-modification) as well as an abstention from talking about full-fledged objectivity (g-modification). Both seem to and often do coincide but talk about fictional entities seems to be a realm where they don’t. This might make it attractive to eliminate g-modifications altogether in order to found such talk in pretence, as it has been suggested by Kendall Walton. To show why this does not really help, I will look at two different ways of pretence reference, intra-and extra-fictional, to point out that taking them to be merely continuous is problematic. At least some kind of epistemic intentional relation has to be acknowledged, even if it is not necessarily referential. But if we can agree on this somehow intentional relation, it should suffice to show why our ficta-directed emotions indeed are and cannot be modified. Reconsidering Walton’s cognitivist presuppositions, I hope to show that it is due to the nature of an emotion’s formal object that ficta-relative emotions cannot be but non-modified. Hamlet existiert so wenig wie die Schlümpfe. Sofern wir dennoch irgendwie Bezug auf derartige Fikta nehmen, liegt es nahe, davon auszugehen, dass es uns zumindest so scheint, als ob derartige Dinge existierten, wenn wir auch nicht die Überzeugung haben, dass es sie wirklich gibt, wie es etwa Angela Merkel gibt. Ihnen gebührt bestenfalls eine als-ob-Existenz, was auch immer das konkret implizieren mag. Ist dem aber so, dann gibt es gute Gründe davon auszugehen, dass auch unsere Relation zu diesen eigentümlichen Relata gegenüber dieser - mindestens modifizierten Existenzweise - nicht indifferent ist, denn mindestens scheidet ein psychophysischer Kontakt zu dem, was nicht ist, aus. Was nicht wirklich existiert, das ist eben kein Relatum einer wirklichen Relation. Das bedeutet aber, dass die Wirklichkeit unserer perzeptuellen und emotionalen Beziehungen zu fiktionalen Realität gerechtfertigt in Frage gestellt werden kann. So machen einige Theoretiker den Vorschlag, nicht, wie der common sense es nahe legen mag, davon auszugehen, dass wir Hamlet sehen, wenn wir seine Repräsentation perzipieren, sondern höchstens in einer quasi-perzeptuellen Beziehung stehen, deren echtes Perzept aber bestenfalls der Schauspieler ist. Alles andere ist Bezugnahme als-ob. Ähnliches gilt ihnen zufolge auch von unseren Gefühlen. Wo das wirkliche Relatum wissentlich fehlt, sind diese Gefühle ihrerseits Quasi-Gefühle oder als-ob Gefühle. K O D I K A S / C O D E Ars Semeiotica Volume 34 (2011) No. 3 - 4 Gunter Narr Verlag Tübingen Simone Neuber 216 Das Ziel meines Beitrags ist eine kritische Prüfung dieser Annahme, also der Frage, ob wir dazu berechtigt sind, davon auszugehen, dass auch unsere epistemischen Bezugnahmen, vornehmlich Perzeptionen und Gefühle, eine als-ob-Modifikation erfahren. Hierzu werde ich zunächst (1.) die Geographie des als ob abstecken, um die Kategorie des als ob in ihrem wesentlichen Wahrheits - und Wirklichkeitsbezug anzusiedeln, dessen spezifische Modifikation sie darstellt. Unter Punkt 2. werde ich einen engeren Begriff der Rede des als ob ansprechen, um fiktive Präsenz als in einem bestimmten Sprechen-als-ob und Handeln-als-ob fundiert anzunehmen, ein Punkt, der in Teil drei hinsichtlich zweier Weisen der fundierenden Rede analysiert werden soll: das verschwörerische als ob (3.1.) und das mitwisserische als ob (3.2.). Letzteres bereitet dann den Boden für das eigentliche Problem, um das es hier geht, nämlich den Sinn und Zweck einer Ausdehnung der Rede des als ob auf unsere epistemischen Beziehungen zu und etwa auch unsere Gefühle gegenüber fiktionalen Entitäten. Ich werde dafür die hierzu paradigmatische Theorie von Kendall L. Walton in näheren Augenschein nehmen (4.1.), um in diesem Zusammenhang denn auch genauer auf kognitivistische Gefühlstheorien einzugehen (4.2.); es wird sich nämlich zeigen, dass kognitivistische Gefühlstheorien schwerlich davon ausgehen können, dass unsere Gefühle gegenüber fiktionalen Entitäten nicht ihrerseits als-ob-Gefühle sind. Dennoch will ich unter Punkt 5. zu einem konservativen Gegenprogramm anheben, das eine andere Form des Kognitivismus stark macht, ehe ich unter Punkt 6. die Frage stelle, ob es nicht problematisch ist, Fikta als genuine Erfahrungsobjekte zuzulassen. Hierbei wird die Fallibilität unserer fiktabezogenen Meinungen eine wesentliche Rolle spielen, die, so schlage ich vor, erlaubt, zumindest von einem schwundstufigen Objektivitätsbezug auszugehen. Unter Punkt 7. werde ich schließlich überlegen, welche Art der Modifikation Gefühlen gegenüber Fikta angesichts der Tatsache eignet, dass sie uns etwa nicht motivieren, und wie zu erklären ist, dass Emotionen ihrer Individuation durch Fikta gegenüber indifferent sind. 1 Präliminarien und die Dimensionen des als ob Um eine rudimentäre Geographie des als ob zu skizzieren: Die Rede vom als ob hat ihren Sinn und Zweck vor dem Hintergrund eines bestimmten Wirklichkeits- oder Echtheitsrahmens, auf welchen sie sich abgrenzend bezieht. Wer sagt, es sei, als ob p, der sagt, dass es aufgrund bestimmter Indizien so wirke, als ob p, dass es also den Anschein hat, dass p, dass er aber nicht glaubt, dass wirklich p, oder aber nicht wirklich glaubt, dass p, weil er etwa unsicher ist und nicht mehr artikulieren will als ein: es scheint, dass p. “Als ob” erscheint dergestalt als doppelte Abgrenzung, nämlich i. von der Überzeugung, dass wirklich p, ii. von der wirklichen bzw. genuinen Überzeugung, dass p 1 . Modifiziert ii. auf eine bestimmte Weise das Faktum der Überzeugung, 2 so modifiziert i. nicht das Faktum der Überzeugung, sondern deren Geltungsbereich. Dies kann auf zwei Weisen verstanden werden. Einerseits abgrenzend, dass ich eben nicht glaube, dass wirklich p, sondern etwa wirklich q, andererseits aber auch einschränkend, dass ich nicht glaube, dass wirklich p, wohl aber, dass es dennoch so scheint, als ob p. Uns soll es im Folgenden hauptsächlich um Modifikationen des Geltungsrahmens gehen, und zwar um einschränkende. Ich spreche hierbei von G-Modifikationen. Abgrenzende werden für das Folgende keine Rolle spielen, sofern sie eben Überzeugungen sind, dass etwas anderes als p der Fall ist. Sofern ich Modifikationen des Faktums der Überzeugung thema- Als ob’s Gefühle wären 217 tisiere, spreche ich von A-Modifikationen, wobei “A” für den epistemischen Anspruch steht, der hier eine Modifikation erfährt. 3 Die philosophisch signifikanten A-Modifikationen hat schon Aristoteles in seinen Überlegungen zur phantasia zum Thema gemacht, als er bemerkte, das Verb phainesthai werde dann verwendet, wenn wir bezüglich eines Anscheins nicht sicher wären 4 . Die Modifikation indiziert entsprechend eine Distanzierung von der veridischen Natur des Anscheins. Dies deutet an, dass es mit der gegenseitigen Unabhängigkeit von A- und G-Modifikation nicht weit her sein kann, sofern die Distanznahme vom Objektivitätsanspruch in der Tat einen besonderen Geltungsbereich, nämlich just jenen des subjektiven Anscheins, beschreibt, und somit jede A-Modifikation an eine G-Modifikation gebunden ist. Daran soll hier auch festgehalten werden. A-Modifikationen sind epistemische Rückzugsstrategien auf einen subjektiven Anschein, in denen sich, unter Abstraktion von Objektivitätsansprüchen, eine Dimension evidenter und infallibler (Selbst-) Gegebenheit sedimentiert. Wer sagt, es scheine ihm, dass er Schmerzen habe, der sagt, er habe Schmerzen und der hat dies auch. Wer sagt, es scheine ihm, als ob er blau sehe, der ist zwar noch nicht darin gerechtfertigt, dass er auch wirklich etwas Blaues sieht, wohl aber darin, dass es ihm eben so scheint. Artikuliert er also diesen Bereich des Anscheins, dann zieht er sich, metaphorisch gesprochen, auf sich selbst zurück. Dies lässt sich auch so ausdrücken: In diesem Minimalbereich, der sich in der a-modifizierten Rede artikuliert, artikuliert sich, sofern von Objektivitätsansprüchen abstrahiert ist, also eine Dimension der G-Modifikation vorliegt, der schwundstufige Bereich nichtobjektivierbarer Subjektivität selbst. 5 Wir können ihn abkürzend als das Mir des Anscheins fassen. Diese Dimension wird uns erst am Ende dieses Aufsatzes wieder beschäftigen, dennoch aber war es wichtig, sie hier einzuführen. Obschon, wie sich soeben gezeigt hat, jede A-Modifikation mit einer G-Modifikation einher geht, macht es dennoch Sinn, beide Dimension zu unterscheiden. Der Grund liegt darin, dass es Arten von g-modifizierter Rede gibt, die gerade nicht an der Infallibilität der amodifizierten Rede partizipiert. Das heißt aber, dass es Fälle geben muss, in denen es scheint, dass p, ohne dass es nur mir scheint, dass p, denn sonst wären G- und A-Modifikation koinzidierend. Es ist klar, was ich mit dieser Dimension der G-Modifikation im Auge habe: Es ist jene Dimension sich von singulärer Subjektivität ablösenden, sich also gleichsam objektivierenden, oder immerhin kollektivierenden Anscheins, die seit Platon die Philosophie vor Kopfzerbrechen stellt. Das Kopferzerbrechen ist darin fundiert, dass der Schein hier beansprucht, genuines Bezugsobjekt zu sein. Welche Probleme dies bereitet, wird die folgenden Absätze detailliert beschäftigen. Halten wir zunächst jedoch nochmals fest: Der Schein, um den es hier geht, umfasst all jene Anscheine, die nicht schiere subjektive Vorstellungschimären sind, sondern intersubjektiv zugängliche Anscheine, die dennoch keinen Anspruch erheben können, die Sache, als die sie anscheinen, selbst zu sein. Dass ich hierbei Illusionen noch nicht ausgegrenzt habe, ist durchaus gewollt, wenn sie auch im Folgenden keine Rolle spielen werden. Es geht hier nur um all jene Anscheine, die genau als repräsentationaler Gehalt ein Schein-Sein fristen, das durch einen auktorialen Akt, der sprachlicher Natur sein kann, nicht aber sein muss, initiiert wird. Die Art meiner Argumentation tendiert im Folgenden hauptsächlich in Richtung nichtsprachlicher Fikta, kann aber mit ein wenig Mühe auch auf sprachliche bezogen werden. Simone Neuber 218 2 Fiktive Präsenz und fiktives Sprechen und Handeln Bislang wurde die Rede vom als ob betrachtet, sofern es eine doppelte Abgrenzung leistet, nämlich einerseits vom epistemischen Anspruch, das Wirkliche ihm adäquat zu erfassen - das war die A-Modifikation -, andererseits, im Erfassen auf Wirkliches bezogen zu sein, was als G-Modifikation eingeführt wurde. Es liegt auf der Hand, dass auch die Rede von Fiktionalität abgrenzend ist, sofern sie einen negativ auf das Wirkliche bezogenen Gegenstandsbereich charakterisiert. Bezeichnet als ob also primär eine Modifikation der Haltung 6 , nämlich einerseits ihren epistemischen, andererseits ihren Geltungsanspruch, so charakterisiert “fiktional” den ontologischen Status einer Entität. 7 Fiktionale Existenz ist also nicht-wirkliche Existenz, mithin nicht wirkliche Existenz und das legt nahe: eben keine Existenz, sondern bloß scheinbare Existenz. 8 Sofern derartige Entitäten nicht wirklich existieren, kommen ihnen auch ihre Eigenschaften nicht wirklich zu bzw. keine wirklichen Eigenschaften zu. Um hier kontroverse, gegenstandstheoretische Überlegungen außen vor zu lassen, soll dies für unseren Kontext nur heißen, dass etwa Hamlet nicht wirklich ein dänischer Prinz ist, sondern bloß fiktionaliter, entsprechend Schlümpfe nicht wirklich blau sind, sondern bloß fiktionaliter, wobei “fiktionaliter” der ausbuchstabierte Fiktionalitätsoperator ist, der eben genau der G-Modifikation entspricht. Wer behauptet, Schlümpfe seien blau, der redet, sofern er sich auf Fiktionales bezieht, eben g-modifiziert und das heißt: mindestens abkürzend, sofern er eigentlich meint: Fiktionaliter: Schlümpfe sind blau. Diese Rede nun lässt sich auf eine zweifache Weise rekonstruieren: Wir können sie ontologisch inflationär als genuine Bezugnahme auffassen. Tun wir dies, dann gehen wir davon aus, dass mit unserer Rede ein besonderer Gegenstand gemeint ist, der einem besonderen Gegenstandsbereich entstammt. In diesem Fall der Betrachtung bleibt das Urteil in gewisser Weise gegenüber dem Bezugsobjekt indifferent, sofern es sich nur auf einen besonderen Gegenstandsbereich bezieht, obschon man in Rechnung stellen muss, dass fiktionalen Entitäten ihre Eigenschaften in anderem Sinne zukommen mögen als realen. 9 Die ontologisch deflationäre Lesart geht dagegen davon aus, dass es die Gegenstände dieses Gegenstandsbereiches nicht gibt, auch nicht als irgendwie geartete besondere, etwa bloß-intentionale Bezugsobjekte. Das heißt aber, dass sich das sich vermeintlich auf etwas beziehende Urteil gar nicht wirklich beziehen kann, womit sich die Frage stellt, wie mit derartigen vermeintlichen Bezugnahmen umzugehen ist, denn schließlich fällen wir Urteile wie “Schlümpfe sind blau”. Einer der einflussreichsten antirealistischen Ansätze, vertreten durch unter anderem Kendall Walton, geht davon aus, dass diese Urteile, die unmöglich Bezüge einschließen, da ihr Bezugsobjekt nicht existiert, genau den Status haben, den ihr vermeintliches Objekt gleichfalls hat: Sie sind fingiert. Anstatt also davon auszugehen, dass wir uns faktisch auf als-ob-Objekte beziehen, geht er lieber davon aus, dass es in solchen Fällen so scheint, als ob wir uns bezögen. De facto nehmen wir aber keinen Bezug, sondern praktizieren Sprache im Leerlauf. 3 Zwei Typen von prätentionsfundierter Existenz 3.1 Das verschwörerische ‘als ob’ Eben wurde festgestellt, dass unsere Bezugnahme auf Fikta auf eine doppelte Weise aufgefasst werden kann. Entweder beziehen wir uns im gewöhnlichen Sinne, wenn auch auf einen Als ob’s Gefühle wären 219 besonderen Gegenstandsbereich - diese Option wurde als Realismus dargetan und scheint prima facie mit der G-Modifikation zu koinzidieren -, oder aber wir beziehen uns auf modifizierte Weise, nämlich bloß scheinbar, womit gerade kein besonderer Gegenstandsbereich präjudiziert ist. Um den Unterschied nochmals zu verdeutlichen: Wer über etwas redet, das als-ob existiert, der redet wirklich über etwas, nur eben über etwas, was auf besondere Weise ist. Wer indes redet, als ob er sich auf etwas bezöge, der bezieht sich nicht wirklich auf etwas, sondern er redet nur so, als ob. Eine Dimension derartiger fingierter Bezugnahmen ist schnell ausgemacht: Sie eignet allen vermeintlichen Sprechakten, die innerhalb von repräsentationalen Gebilden im weiten Sinne statthaben, also etwa innerhalb von Filmen oder im Theater. 10 Das wohl augenfälligste Beispiel ist der Wortkulissenbau eines Schauspielers, der, ins Leere deutend, den “wunderschönen Sonnenuntergang” preist. Freilich ist da kein wirklicher Sonnenuntergang, wohl aber fingiert er einen. De facto bezieht er sich dabei auf nichts; de jure aber, also fingiert-geltungsmäßig, bezieht er sich auf einen Sonnenuntergang und leitet uns durch sein Fingieren - Theaterkonventionen mögen hierbei eine beliebig starke Rolle spielen - an, es ihm gleich zu tun. Der Wortkulissenbau mag ein besonders augenfälliges Beispiel derartig fingierten Bezugs sein, sofern hier das Bezugsobjekt schlicht fehlt, doch zeigt sich rasch, dass es dabei nicht bleiben kann, sondern mindestens auch Fälle einbezogen werden müssen, da das Objekt nicht wirklich präsent, sondern etwa nur durch in einem Stellvertreter gleichsam anwesend ist. Ein wiederum augenfälliges Beispiel ist auch hier die spielinterne Bezugnahme, etwa jene des Schauspielers auf seine Schauspielerkollegin, die er mit “Oh fair Ophelia” ansprechen mag. Dass seine Bezugnahme nicht Ausdruck seiner Überzeugung ist, dass da Ophelia vor ihm steht, liegt auf der Hand. Viel eher spielt er, indem er sich auf Kollegin X bezieht, einen sich auf Ophelia Beziehenden, wobei natürlich sein Bezug auf Ophelia, wenn er auch über einem wirklichen Bezug auf Frau X superveniert, kein wirklicher Bezug auf Ophelia ist. Dass er dabei einem durch und durch ähnlich ist, der sich auf Ophelia wirklich bezieht, gehört zum Teil des Spiels, deutet aber nicht an, dass es wirklich Ophelia gibt, auf die er sich doch irgendwie bezöge. Diese Beobachtung scheint trivial, dennoch sei ihre Quintessenz hier festgehalten: Der schauspielernde Schauspieler ist keiner, der sich auf Scheinobjekte bezieht, sondern er ist einer, der sich scheinbar auf Objekte bezieht, und genau darin schauspielert er. Seine, sich freilich konventioneller Zeichen bedienende Rede, wie auch seine sich charakteristischer Bewegungen bedienenden als-ob-Handlungen haben eine Modifikation erfahren. Es liegt nun nahe, davon auszugehen, dass seiner sich etwa auf den fingierten Sonnenuntergang beziehenden Rede just die behauptende Kraft fehlt, doch wäre das zu einfach, denn der Bereich dessen, was hier modifiziert ist, deutet sich schon als weiter an. Das Zeigen des Schauspielers auf den Sonnenuntergang ist nicht minder ein modifiziertes Zeigen als sein scheinbarer Gruß des Vaters oder die Scheinfrage nach dem Sein oder Nichtsein Hamlets. Ja, alles spielinterne Sichverhalten ist ein modifiziertes Sichverhalten, und entsprechend liegt es nahe, die Modifikation, worin auch immer sie konkret bestehen mag, zumindest schon einmal als Binnendifferenz festzuhalten, die überhaupt allen intentionalen Handlungen, ob Behauptungen, Fragen, Sprechhandlungen oder sonstigem Verhalten, eignen kann. Alles, was schlicht gegenüber x geschehen kann, kann auch modifiziert gegenüber x* geschehen, nämlich genau dann, wenn x eben nicht existiert. Die Akte sind also scheinbar an x vollzogene Akte. Sie sind Spiel, sie tun, als wären sie die Akte, die sie darstellen, selbst. Husserl spricht vom Gegenbild 11 eines Aktes und dieser Rede mag man sich hier anschließen. Simone Neuber 220 Ohne allzu gravierende theoretische Voraussetzungen zu machen, kann man die konkrete Natur derartiger Gegen-Akte darin sehen, dass sie im weiten Sinne konstitutiv, nicht expressiv sind. Sie instantiieren keinen Fall der Gattung, dazu sie gehören, sondern stellen diesen dar. Sind sind nicht vollzogen, sondern als Bild eines Vollzuges in einem sie abbildenden schauspielernden Vollzug da. Fasst man die Gesamtheit dieser abbildenden Akte zusammen, so sind sie, metaphorisch gesprochen, durchaus so etwas wie weltbildende Akte. 12 Derartige Weltbildung kann nun rein privat geschehen, wenn man sich dem Tagträumen hingibt; sie kann aber auch intersubjektiv sein, und das ist der Fall bei der Interaktion mit Repräsentationen. Gemäß ihrer intersubjektiven Natur eignet derartigen Gegenakten eine besondere Anweisung an den Beobachter, Zuschauer oder Hörer, nämlich sie in ihrer weltbildenden Leistung aufzugreifen, um sich seinerseits genau darin in der Weltbildung zu engagieren, als er die dergestalt errichtete Welt gelten lässt. Weltbildenden Gegenakte sind dergestalt Geltungsansprüche, wenn auch besondere, nämlich solche, die im Anspruch das, was gelten soll, überhaupt erst etablieren. 13 3.2 Das mitwisserische ‘als ob’ Sofern diese weltbildenden Unternehmen mit dem Anspruch an den Zuschauer verbunden sind, sich seinerseits, nämlich geltenlassend, in diesem Spiel zu engagieren, kann man die hier in Frage stehende Modifikation, sofern sie weltbildend ist, als verschwörerisch, sofern sie auf die weltbildenden Akte Bezug nimmt, als mitwisserisch bezeichnen. Mitwisserische Bezugnahmen sind alle solchen Akte, die, in einem fingierenden Geltenlassen engagiert, auf eben das, was durch das Fingieren gilt, Bezug nehmen. Unser obiges Beispiel “Schlümpfe sind blau” ist ein solcher Fall der mitwisserischen Rede; sie lässt das gelten, was Peyo in die Welt gebracht hat. Ich greife hier die Metaphorik von Gareth Evans auf 14 , die andeutet, dass es schwer wird, zwischen innerfiktionaler und metafiktionaler Rede kategorisch zu unterscheiden, sofern ja auch unsere Rede über Fikta etwas zu Gegenstand macht, was nicht existiert. 15 Sofern es sich hier um ein verstehendes Geltenlassen handelt, liegt nahe, das dieser verschwörerischen Rede adäquate Verstehen in einem mitwisserischen Geltenlassen zu sehen. Sehen wir von illusionsgetäuschten Naiven ab, besteht der die Sachlage erschöpfende Verstehensakt in einem Durchschauen dessen, dass die Rede eben mit einem Augenzwinkern geschieht. Wer dies weiß, der denkt im entsprechenden Fall eben nicht an ein Objekt, das es ja nicht gibt, sondern der tut so, als dächte er an eins, das er etwa augenzwinkernd “Hamlet” nennt. Die mitwisserische Rede ist somit selbst Repräsentation, nämlich Bild der Rede, die wirklich Bezug nimmt. Wer sie richtig versteht und vollzieht, versteht und vollzieht sie gemäß fiktionalem Irrealismus als bloßes Bild der Bezugnahme und lässt sie eben bildhaft gelten. Diese Anmaßung an das Verstehen, das nur dann adäquat ist, wenn es den Bild-Status des fiktionalen Diskurses durchschaut, teilt diese Rede mit nichtsprachlichen Repräsentationen, denn auch sie werden erst dann als Repräsentationen vollständig und erschöpfend erfasst 16 , wenn sie als etwas darstellend, was sie gleichzeitig doch nicht sind, aufgefasst werden. 17 Stellt man die repräsentationsadäquate Rezeption also theoretisch in den Mittelpunkt, so liegt nahe, auch hier das Verschwörerische und Mitwisserische am Werke zu sehen. Auch hier geht es schließlich um Anleitungen, das zu sehen, was nicht wirklich da ist, um den Anschein gelten zu lassen. Dass in beiden Fällen von Mitwissertum eine Asymmetrie vorliegt, ist augenfällig. Wo die Rede, ob fiktionsbezogen oder genuin referierend, immer von sich weg, auf etwas hin leitet Als ob’s Gefühle wären 221 und darin verweisend ist, ist diese Verweisungsstruktur bei Perzepten eher die Ausnahme, womit - semiotische Bildtheorien machen dies zur Quintessenz - nichtsprachliche Repräsentationen strukturell eher sprachlichen Zeichen überhaupt denn nichtreferierenden ähneln. Ihr Problem ist dann aber gerade nicht die Frage, wie damit umzugehen ist, ob das Gemeinte nun existiert oder nicht, sondern eher, wie damit umzugehen ist, dass das wirkliche Perzept selbst nicht das ist, was durch es ansichtig wird. Das scheint recht trivial. Ich betone es dennoch, weil sich damit eine Schwierigkeit jener Ansätze andeutet, die semantische Probleme schlicht auf Repräsentationen übertragen. Das Problem, von einer scheinbaren Vermittlung, eben der fiktionalen Rede, zu imaginieren, dass sie eine genuin referierende sei, ist jedoch etwas anderes als von einer Sache zu imaginieren, dass sie eine andere sei. Der klassische Fall eines imaginierten Perzepts ist wohl schlicht gegenständliche Imagination, also jene, da wir uns etwas, das Wahrnehmungsobjekt sein könnte, vorstellen. In solchen Fällen ist die Perzeption imaginiert und nicht aktuell vollzogen. Entsprechend glauben wir auch nicht, die Sache zu sehen. Das scheint gerade bei visuellen Repräsentationen anders zu sein, denn hier scheint ein genuiner perzeptueller Bezug auf nicht nur den Bildträger, sondern auch das Bildobjekt vorzuliegen, wovon Selbstzuschreibungen wie etwa: “Ich sehe Hamlet” zeugen. Entsprechend liegt nahe, hier von einer irgendwie gearteten perzeptuellen Beziehung auf visuelle Repräsentationen auszugehen. Dass diese keine schlichte Perzeption ist, drängt sich angesichts des oben angesprochenen bildadäquaten Sehens auf, das immerhin einen besonderen Charakter aufweist. Um diesem Rechnung zu tragen, macht etwa Wollheim den Vorschlag, diesem genuinen Sehen durch eine spezifische doppelte Intentionalität - auf Bildträger und Bildgehalt - auf die Spur zu kommen, 18 ein Vorschlag, der an solche erinnert, die eine ikonische Differenz stark machen. Woran er jedoch festhält, ist, dass wir in der Tat von einer perzeptuellen und damit genuinen Bezugnahme ausgehen müssen, denn so sehr das Bild auch verweisen mag und so wenig dasjenige, darauf es verweist, auch existieren mag, so verweist das Bild doch irgendwie just auf sich, um selbst der Ort des Hineinsehens zu sein, in dem eine Sache sichtbar wird. Wollheims Ansatz hat jedoch ein Erklärungsproblem. Es besteht darin, dass seine Sonderform der Perzeption allerlei Abweichungen unserer gewöhnlichen Intuitionen bezüglich einer Wahrnehmungsbeziehung zulassen muss, die der formalen Nichtidentität von Ursache und intentionalem Objekt geschuldet sind. Eine unmittelbare Konsequenz ist etwa, dass die Symmetrie von Bezugnehmendem und Objekt der Bezugnahme (“ich sehe x”) gerade nicht gilt, also nicht automatisch eine x-bezügliche Wahrheit ist, dass x auch von mir gesehen wird. 19 Ferner betrifft die physische Distanz nur die Ursache, nicht das intentionale Objekt, was nicht minder perzeptionsatypisch ist. Dennoch scheinen viele fiktionale Wahrheiten gerade von dieser Asymmetrie zu leben. Denken wir etwa an Fälle, da etwas unbemerkt auf der Bühne geschieht, dass es Bühnengeheimnisse zwischen Zweien gibt, ohne dass wir stets mithörender Dritter im Bunde sind, oder dass Leute Tarnkappen tragen, die funktionieren*, auch wenn wir sie scheinbar sehen, was doch auf eine irgendwie geartete Sichtbarkeit und Gesehenheit hindeuten würde. Gegeben die Möglichkeit derartiger fiktionaler Wahrheiten, gegeben die Tatsache, dass wir nicht Teil der fiktionalen Welt sind, und gegeben die Tatsache, dass Perzeptionen als wirkliche Relationen nur zwischen Relata derselben ontologischen Ordnung (und in der korrekten kausalen Relation) bestehen können, wendet sich aber das Blatt und macht für einige Theoretiker, paradigmatisch hier Walton, die Überlegung attraktiv, das, was oben mit Bezug auf die Rede und fiktionsinterne Akte gesagt wurde, nun auch im Falle von allen Simone Neuber 222 epistemischen Rezeptionsformen am Werke zu sehen. Wozu Repräsentationen anleiten, ist nicht ein Sehen, sondern ein Spiel, das genau darin besteht, so zu tun, als sei man ein etwa Hamlet-Sehender, wo man doch tatsächlich nur den Schauspieler sieht. Die perzeptuelle Beziehung auf das Bildobjekt ist damit nicht weniger fingiert als das Bildobjekt selbst, und nur darum kann sie ihm ja eignen. Dass hierbei unsere faktische Perzeption des Bildträgers eine wesentliche Rolle spielt, anerkennt Walton wohl, wenn auch dem dreifachem Ausrufungszeichen, dass die Perzeption den Bildträger betrifft. Ihre Rolle für das fingierende Geschehen ist konkret, Requisit der fingierten Hamlet-Bezugnahme zu sein, darüber eben diese superveniert. Derartig den je eigenen Perzeptionsakt umfingierend, sind solche Repräsentationsbezüge wesentlich de se 20 , also das imaginierende Subjekt betreffend, dessen Leib gleichsam als Requisit dient. Es folgt, dass unsere Selbstzuschreibung perzeptueller Bezugnahmen auf das fiktionale Objekt (“ich sehe Hamlet”) nicht länger für bare Münze zu nehmen sind. Anstatt Ausdruck der perzeptuellen Bezugnahme zu sein, sind sie Teil unseres so Tuns, als ob wir ein Hamlet Sehender wären. Sie sind Akte mitwisserischen Sehens, eben als-ob-Perzeptionen. 4 Mitwisserische Gefühle 4.1 Vom Sinn und Zweck der Quasi-Gefühle Was Perzeptionen eignet, eignet Gefühlen nicht minder, denn wer sich Gefühle gegenüber Fikta zuschreibt, betritt nicht weniger den Bereich unmöglicher Bezüge. Der Theoretiker, der dies nicht anerkennt, unterliegt Walton zufolge nicht minder einer Illusion als jener, der glaubt, einen Schein-Seher vor sich zu haben, also einen, der Anscheine intendiert, wo er doch faktisch nur einen scheinbar Sehenden vor sich hat. 21 Damit komme ich zum eigentlichen Kernpunkt, mit dem Walton für eine hitzige Debatte gesorgt hat. Dass unser Mitleid mit Anna Karenina gespielt ist, will irgendwie nicht so recht einleuchten. 22 Was hinter den Quasi-Gefühlen, die Walton hier vorliegen sieht, steckt, und ob die Annahme berechtig ist, sei nun betrachtet. Es hat sich im letzten Absatz angedeutet, dass die Rede vom modifizierten Bezug im engen Sinne Akte betrifft, deren Gegencharakter gerade im mitwisserischen oder verschwörerischen Moment besteht. Es ist daher sinnvoll, davon auszugehen, dass dasjenige, was zur Modifikation beiträgt, der Sinn und Zweck des Aktes ist. Anstatt mit einer etwa ausdrückenden oder bezugnehmenden Absicht einher zu gehen, sind sie, zumindest die bislang betrachteten konstitutiven Akte, an eine - im weiten Sinne - geltenlassen-auffordernde Absicht gebunden. Es sei bemerkt, dass dies nicht Waltons Ansicht entspricht, sofern er den Quasi- Status des Aktes am ontologischen Status des intentionalen Korrelats bemisst, um sich notfalls Automatismen der Prätention zu bemühen, eine Ansicht, die ich nicht teile, gegen die ich hier aber nur am Ende indirekt argumentieren will. Teilt man meine Auffassung dessen, was möglicher Gegenstand von Modifikationen ist, so muss man sich an absichtsgeleitete Akte halten. Emotionen und Perzeptionen sind aber im engen Sinne gerade nicht absichtsgeleitete Zustände, und nur, wer einer vitiösen Mehrdeutigkeit von “intentional” und “Akt” aufsitzt, wird absichtsgeleitete Handlungsakte mit objektintendierenden (epistemischen) Zuständen in einen Topf werfen. 23 Walton vermeidet diese naive Konfusion zumindest dadurch, dass er diese Zustände genau in dem Maße in den Blick nimmt, als sie zugeschrieben sind. Damit kommt, so mag es scheinen, immerhin eine mini- Als ob’s Gefühle wären 223 male Absichtlichkeit ins Spiel, denn wenn schon Akte nicht mitwisserisch sein können, so können sie doch immerhin mitwisserisch zugeschrieben werden. Indes zeigt sich, dass eine theoretische Annahme Waltons diese feine Trennung von Zuschreibung des Zustands und Zustand selbst zu unterlaufen scheint, und diese Annahme ist mit der kognitivistischen Gefühlstheorie verbunden, der ich nun einen knappen Exkurs widmen will, weil überhaupt nur auf ihrer Basis fiktabezogene Emotionen zum Problem werden. 4.2 Der Kognitivismus als Kernaspekt der Quasi-Gefühle Der Kognitivismus, als hier ganz weit gefasste Theorie, zieht die Konsequenz aus einer schon von Cannon 24 vorgebrachten Kritik an reinen sensorischen feeling Theorien, denen zufolge Gefühle just im Quale bestehen. Ein solcher Ansatz hat jedoch mit dem Problem zu kämpfen, dass rein sensorische Zustände gar nicht hinreichend scheinen, ein Gefühl auch zu individuieren. Ist dem aber so und sind wir dennoch in der Lage, auf unsere Zustände Bezug zu nehmen, dann scheint ein weiteres, nämlich kognitives Kriterium gefordert, das ferner, um Probleme der logischen Privatheit zu vermeiden 25 , ein solches sein muss, das sprachlicher und damit intersubjektiver Bezugnahme eignet. Der Kognitivist bringt hierfür das in Anschlag, was man in Anlehnung an Kenny 26 als das formale Objekt der Gefühle fassen mag. Gefühle sind entsprechend gerade keine sensorischen und introspektiv zugänglichen Zustände, sondern intentionale Bezüge, die genau durch das Objekt, daran sie logisch gebunden sind, das Gefühl sind, das sie sind. 27 Genauer übernimmt das intentionale Objekt eine doppelte Funktion, sofern es einerseits Ursache, andererseits Individuationsmoment ist. Als Letzteres fungiert es als eine Art äußeres Kriterium für das Wissen um das Zumutesein. Gemeinhin wird davon ausgegangen, das formale Objekt werde adäquat durch eine Überzeugung charakterisiert, genauer, durch eine bestimmte Wertüberzeugung. Entsprechend scheinen die Möglichkeit einer Selbstzuschreibung mit einer Überzeugung, x betreffend, logisch verbunden, etwa derart, dass nur derjenige sich Neid gegenüber x zuschreibt, der x auch für erfolgreich etc. hält. 28 Gemäß dieser Korrelation von Gefühl und Werturteil deutet sich an, warum es so schwierig ist, dasjenige, was nicht existiert, zum legitimen Objekt derartiger Wertungen zu machen. Das logische Subjekt, das hier werttragend sein soll, existiert ja gar nicht, und damit ist die Bezugnahme auf es als Objekt, dem eine Werte zusprechende Zuwendung eignet, eben nicht möglich. Eine Lösung, die darauf hinweist, es gehe doch nur um die angenommene bzw. geglaubte Existenz des Gegenstandes, nicht um die faktische, kommt nicht wirklich weiter, denn in der Regel haben wir diese Überzeugung bezüglich Fikta gerade nicht. Schreiben wir uns aber im Wissen, dass diesen Tod keiner gestorben ist, Trauer zu, so ist das schlicht irrational, denn nichtgestorbene Tode beweint man rationaliter nicht. 29 Wollen wir die Rationalität dieser Zuschreibung retten - und genau das beabsichtig Walton -, dann liegt es nahe, hierin eben einen durch und durch rationalen Schachzug zu sehen, nämlich schlicht und ergreifend den mitwisserischen uptake eines verschwörerischen Geltungsanspruchs. Wir haben kein Gefühl, wir tun einfach so als ob. Unsere Selbstzuschreibung belegt entsprechend nicht das faktische Gefühl, sondern nur das Faktum, dass wir in einem Spiel engagiert sind, also modifiziert reden: The fact that Charles describes himself as “terrified” of the slime and that others do as well proves nothing [was für Ernstgefühle sprechen würde, S.N.] […] We do not take Charles literally when he says, “There was a ferocious slime on the loose. I saw it coming.” Why must we when he adds, “Boy, was I scared! ”? (Walton 1993: 197) Simone Neuber 224 Ich habe oben angeführt, dass es zu einer Komplexion der Trennung von Zuschreibung des Zustands und Vorliegen des Zustands komme, und sie zeigt sich hier. So sehr man nämlich meinen mag, Charles schreibe sich doch irgendwie sehr wohl etwas zu, was vorliegt, so darf man nicht übersehen, dass der Zustand ja durch ein Objekt individuiert ist, das gerade einem Akt der prätendierten Bezugnahme entsteigt. Sind aber Emotionen prätentionsbasiert individuiert, dann liegt nahe, diesen prätentionalen Status auch auf sie zu übertragen, es sei denn, es gibt gute Gründe, die dagegen sprechen. 30 Hiermit sollte hinreichend motiviert sein, warum es sich überhaupt lohnt, dafür zu argumentieren, dass auf Fikta bezogene und durch sie individuierte Gefühle keine prätendierten Gefühle sind, denn was dem common sense eine klare Sache scheint, erweist sich nun als echtes Problem. 5 Ein konservativer Vorschlag und kognitivistische Alternativen Der Kognitivismus, den Walton zentral setzt 31 , geht davon aus, dass Gefühle an bestimmte evaluative Urteile dergestalt gebunden sind, dass sie diese voraussetzen, und damit eben auch die Existenz des Objekts, das nur, weil es existiert, die Wertung auch genuin verdient. 32 Wer nun aber von dieser Option ausgeht, wird immer mit dem Problem konfrontiert, wie wir das, davon wir glauben, dass es existiert, rational auf dieselbe Weise bewerten und fürchten oder bemitleiden können wie das, wovon wir ausgehen, dass es nicht existiert. Unterschiedliche Ursachen sollten zumindest hier, wo die Rationalität des Fühlenden in Frage steht, unterschiedliche Wirkungen zeitigen, denn der, der sich von seiner Fürwahrnahme von x distanziert und dennoch auf x genau so reagiert, als habe er dies nicht getan, scheint durch und durch widersprüchlich zu fühlen. Indes ist dies nicht die einzige Spielart des Kognitivismus, die man ins Feld führen kann und angesichts der benannten Probleme ins Feld führen sollte. Die meiner Ansicht nach erfolgreichste Alternative geht davon aus, dass Emotionen nicht in Urteilen fundiert sind, sondern dass sie selbst eine irgendwie geartete Urteilsstruktur haben 33 und zwar eine solche, die genau die Wertigkeit der entsprechenden Anscheine relativ zu mir als Wertsubjekt betrifft. 34 Gemäß dieser Option fühlen wir nicht, weil wir glauben, dass etwas so und so ist, und ferner überzeugt sind, dass es wirklich existiert und daher diese Wertung auch wirklich verdient, sondern wir erfahren es auf Basis unserer emotionalen Regung als uns so und so angehend, und weil die Angelegenheit uns dergestalt betrifft, nehmen wir überhaupt erst ein Interesse an der Existenz des entsprechenden Gegenstandes. Dieser Lösungsansatz, der Gefühle nicht in Urteilen fundiert, sondern sie selbst zu Urteilen macht, ist zunächst erschreckend simpel. Hingegen scheint er nicht nur derartige Gefühle durch und durch irrational zu machen, sofern wir jetzt - wider besseres Wissen - Hunde, die wir gar nicht für wirklich halten, für gefährlich halten 35 , sondern auch die Tugenden von Waltons Ansatz einzubüßen, indem er davon ausgeht, dass es in der Tat einen genuinen Bezug auf dasjenige gibt, was doch gerade nicht existiert. Wie aber sollten wir an der Existenz dieses Hundes Interesse nehmen, wenn dieser Hund nicht existiert und entsprechend nichts da ist, an dessen Existenz wir Interesse haben könnten? Hierfür gibt es natürlich verschiedene Strategien, die unter anderem fiktionale Objekte oder Charaktere bemühen, die eine der Existenz von abstrakten Objekten analoge Quasi- Existenz fristen. Doch auch, wenn diese Strategien verfügbar sein mögen, so droht der hier skizzierten Option dadurch eine verschärfte Unplausibilität, dass sie nicht nur davon ausgeht, dass diese bloß-intentionalen Objekte eben mögliche intentionale Objekte, sondern auch Als ob’s Gefühle wären 225 noch, dass sie möglicher Gegenstand genuiner emotionaler oder auch perzeptueller Erfahrungen sind. Das scheint aber unseren Erfahrungsbegriff ins Bodenlose auszuweiten, der doch genau den Gegenstandsbereich der Wirklichkeit zu betreffen, ja, der geradezu als definiens des Wirklichen fungieren zu können scheint. Das Dilemma um Wahrheit, Wirklichkeit und Bezugnahme zeigt sich nun als ein Dilemma, das um den Erfahrungsbegriff oszilliert, der irgendwo zwischen subjektivem Erlebnis und objektiver Kenntnisnahme angesiedelt ist. Folgen wir etwa Kant darin, dass Erfahrung “das Urteil [ist], welches eine empirische Erkenntnis ausdrückt” 36 , wobei gilt: “In der Erfahrung und durch dieselbe werde ich vermittelst der Sinne belehrt; allein wenn ich ein Objekt der Sinne mir bloß willkürlich denke, so werde ich von demselben nicht belehrt und hänge bei meiner Vorstellung in nichts vom Objekte ab, sondern bin gänzlich Urheber derselben”, dann deutet sich an, dass sicherlich nicht jede beliebige Vorstellung (“das Bewusstsein, einen solchen Gedanken zu haben”) schon eine Erfahrung ist, “weil der Gedanke keine Erfahrung, Bewusstsein aber an sich nichts Empirisches ist”. Erfahrung heißt also: empirische Erfahrung und entsprechend empirisch muss der Gegenstand sein. Kants Ansatz ist hiermit keineswegs legitimiert. Wohl aber soll er als Plädoyer angeführt werden, dass gute Gründe dafür bestehen, genuine Kenntnisnahmen - und also solche sollen Gefühle hier verstanden werden - nicht auf jeden beliebigen phantastischen Akt auszudehnen, 37 sondern Erfahrungen im weiten Sinne immerhin noch an einen Bereich geteilter Objekte bzw. Objektitäten zu binden. Fikta sind sicherlich keine gewöhnlichen empirischen Objekte. Dennoch sind sie oft auch keine bloßen Vorstellungen. Immerhin spannen sie, obschon nicht einen Bereich genuiner raumzeitlicher Objekte, wohl aber einen Bereich intersubjektiver - wenn auch mitwisserischer - Geltung auf, in welchem, und das ist entscheidend, anders als im Falle bloßer Chimären, etwa auch Irrtumsanfälligkeit vorliegt. Ich schlage daher - gegen Walton - vor, dass all jene Fikta, die in einem prinzipiell intersubjektiv zugänglichen repräsentationalen Geschehen fundiert sind, in der Tat in einem gewissen Sinne Objekte möglicher Erfahrung sind, wobei freilich alles davon abhängt, was hier genau mit dem “gewissen Sinn” gemeint ist. 6 Fikta und ihre Erfahrbarkeit Walton schlägt eine Kontinuitätslinie imaginativer Interaktion vor, die von Kinderspielen bis zu Fikta reicht. Gemeinsam ist ihnen, die Bezugnahmen durch und durch zu fingieren, wobei repräsentationstragende Objekte bestenfalls Requisiten sind, davon etwas glauben gemacht wird. Es liegt nun in der Natur von Requisiten, mehr oder minder geeignet zu sein für das, wozu sie dienen sollen; der Idealfall des Requisit scheint zu sein, dasjenige, als was es im Spiel fungiert, auch wirklich zu sein, zumindest erleichtert es dem Zuschauer den Transfer, wenn das innerfiktionale Haarekämmen durch eine wirkliche Bürste inszeniert wird und nicht durch eine Gießkanne. Walton abstrahiert weitestgehend von dieser Dimension, und das ist zunächst konsequent: Wenn die Gehalte ohnehin nicht perzipiert, sondern imaginiert sind, dann kann das, was wir wirklich sehen, auch keine Rolle für das Imaginieren spielen, es bestenfalls noch erleichtern, nicht aber so, dass es selbst als genuiner perzeptueller Gehalt fungiert. Eine Beobachtung spielt ihm dabei zunächst in die Hände: Wenn etwa prinzipiell sowohl die Gießkanne als auch die Bürste eine Bürste repräsentieren kann, und wenn gilt, dass die Fürwahrnahme des Zuschauers in der Tat nicht entscheidend ist für das, was innerfiktional gilt, dann darf das gießkannengeleitete Haarekämmen prinzipiell keinen Unterschied Simone Neuber 226 zum bürstengeleiteten bedeuten, denn es kommt ja nicht auf das an, was wir de facto sehen, sondern auf das, was wir glauben machen. Würde diese Differenz in der Tat keinen Unterschied bedeuten, dann wäre Walton wohl zuzustimmen, doch scheint die Beobachtung schlicht falsch. Denken wir, um dies zu verdeutlichen, weniger an Bürsten und Gießkannen, sondern lieber an ein stark kubistisch überformtes Bild von Malevitch, etwa den Kopf einer jungen Bäuerin, im Gegensatz zu einem doch irgendwie lebensechteren Bild, etwa dem Brustbild einer Bäuerin von van Gogh oder gar eine Portraitfotografie. Was, um hier um der Sache willen, eine recht naive Perspektive einzunehmen, sie fundamental unterscheidet, scheint darin zu liegen, dass es uns im einen Fall ganz leicht fällt, die Bäuerin zu sehen, und sich der Anschein perzeptuell förmlich aufdrängt, das andere Mal es uns aber sogar schwer fällt, sie überhaupt in die gesehenen Formen zu imaginieren. Welche Rolle die Imagination in der künstlerischen Interaktion auch spielen mag, sie spielt wohl - sieht man von der Rolle, welche die Einbildungskraft in der Wahrnehmung spielt, einmal ab - kaum bei der Genese visueller Repräsentationen eine derart fundierende Rolle, wie Walton ihr zugesteht. In der Tat können wir das Desiderat, in Darstellungen (etwa einer Frau) ausgerechnet diese Konfigurationen als Frau zu imaginieren, überhaupt nur dann sinnvoll artikulieren, wenn wir das “dies da” je seinerseits spezifizieren können, und das scheint überhaupt nur durch Rekurs auf den visuellen Anschein möglich. Mit anderen Worten: Die Individuation dessen, davon glauben gemacht werden soll, dass es x sei, setzt schon voraus, es als x auch zu sehen. Indes muss mein Vorschlag offensichtlich erklären, wie wir mit dem “dies da” oder “diese Frau” umgehen, worauf wir vermeintlich perzeptuell bezogen sind, wenn es doch nicht existiert und wir eben auf nichts bezogen sind. Walton zufolge ist der auf das dies-da verweisende Akt eine Schein-Geste, die eben nicht impliziert, auch das Objekt des vermeintlichen Bezugs anzunehmen. Die hier vorgeschlagene Position scheint ontologisch inflationärer, doch lässt sich diese Inflation dann vermeiden, wenn wir uns just in diesem Punkt Walton und Evans darin anschließen, dass diese hinweisende Rede - was mit der Zuschreibung des Zustandes ist, wird gleich zu überlegen sein - in der Tat mitwisserisch ist. Indem wir sagen: “Dies da ist furchterregend” oder “dies da macht mir Angst”, nehmen wir faktisch Bezug auf den Repräsentationsträger, wir meinen ihn jedoch auf besondere Weise, nämlich als etwas, das aufgrund bestimmter rekognitionstragender 38 Merkmale, die es als Repräsentationsträger faktisch aufweist, erlaubt, als x erkannt und gesehen zu werden. Faktisch sind wir also nicht bezogen auf den Hund und wir meinen dies auch nicht wirklich, wenn wir sagen, “dieser Hund” sei etwa der von Baskerville. Wohl aber ist da etwas Perzeptionsgegebenes, das uns erlaubt, es als etwas aufzufassen, darauf wir uns eben vermittelt und bloß mitwisserisch beziehen können. Unsere deiktische Bezugnahme ist also in der Tat abkürzend und das “dies da”, das wir vermeintlich schlicht sehen, meint eigentlich ein: “Dies da erlaubt aufgrund bestimmter Merkmale, die es hat, als Hund gesehen zu werden” bzw. “dies da erlaubt aufgrund bestimmter Merkmale, die es hat, als furchterregend erschlossen zu werden”. Sofern die Erschließung indes genuin perzeptueller Natur ist und überhaupt nur auf deren Basis anhebt, handelt es sich in der Tat um eine irgendwie geartete perzeptuelle Bezugnahme auf den Anschein, wenn auch als dessen Begriff. Dasselbe gilt nun für unsere Gefühle, die nicht minder an bestimmte sie tragende Merkmale gebunden sind, kraft deren sie eben ein mögliches formales Objekt just dieser Emotion sind. Somit gilt: Wie wir etwas als etwas genuin rekognitional sehen können, auch wenn Als ob’s Gefühle wären 227 es nicht existiert, so können wir es als uns so und so angehend erfahren, wenn es nicht existiert. 7 Modifikationen und als-ob Bezugnahmen Hierbei ist natürlich darauf zu achten, den Bereich der möglichen Erfahrung nicht ad libitum auszudehnen, was so viel heißt wie: nicht seinen Bezug zu möglicher Kenntnisnahme ganz und gar zu kappen. Doch wurde schon darauf hingewiesen, dass repräsentationale Fikta, anders als bloße subjektive Chimären, eines zumindest aufweisen, was genuinem Objektivitätsbezug eignet: eine Dimension der Fallibilität der Bezugnahme. Wir können uns entsprechend nicht nur darin irren, dass “dies da” Hamlet ist, wenn wir die Schauspieler verwechseln, wir können uns auch in ihrer charakterlichen Einschätzung irren und etwa fälschlich Mitleid mit dem Bösewicht haben, was in Tagträumen ungleich schwerer ist. In dieser Loslösung vom bloß subjektiven Spielraum, scheint also eine Dimension zu liegen, der uns die ad-libitum-Ausweitung der Objekte ansatzweiser Erfahrung erspart. Reicht aber Fallibilität in der Tat schon aus, um genuine Objektivität zu fundieren? Spielt nicht viel eher die Tatsache eine Rolle, dass Fikta eben gerade kein Teil der Wirklichkeit sind, sofern sie eben keine raumzeitlichen Objekte sind? In der Tat darf man hier von einer bloß schwundstufigen Objektivität reden. Das ändert aber nichts daran, dass es genau der Erfahrung selbst geschuldet ist, dass diese Objekte den ontologisch schwundstufigen Status haben, den sie haben. Anstatt ihre Schwundstufigkeit also als Indiz ihrer Nichterfahrbarkeit zu sehen, schlage ich lieber vor, die Sonderform der Erfahrung, die Repräsentationen erlauben, zur Basis machen, darauf sich diese schwundstufige Form an Objektivität überhaupt erst einstellt. Hier ist nicht der Ort, die Natur dieser erfahrungsbasierten Abstufung darzulegen, doch halte ich die von Lambert Wiesing zu Recht hervorgehobenen Ansatzpunkte in Husserls Überlegungen zum Widerstreit für besonders wertvoll. 39 Sofern Repräsentationsbewusstsein als Moment konzipiert wird, das an eine besondere Erfahrung - etwa eine besondere Enttäuschung perzeptueller Erwartungen - gebunden wird, sollte es nicht schwer sein, genau diesen fundierenden Bereich genuiner Erfahrung zuzulassen. 40 Was sich dabei zeigt: Indem Repräsentationsträger aufgrund ihrer rekognitionstragenden Merkmale eine mögliche Erfahrung anheben lassen und sich dergestalt dem so und so Erfahrenwerden andienen, verabschieden sich derartige bloße Scheinobjekte aus der Erfahrungswelt genau dadurch, dass sie sich eben nur ansatzweise in sie integrieren lassen. Dass wir faktisch dabei auf den Repräsentationsträger bezogen sind, ändert nichts daran, dass er uns eine Bezugnahme erlaubt, die genuin perzeptuell ist, wenn auch durch und durch von dem gewöhnlichen Sehen abweichend, was eine Funktion der mehrfach angesprochenen Nichtidentität von Ursache und Objekt unserer Perzeption ist. Wichtig ist hier indes: Nur weil sich der perzeptionsbasierte Bezug auf das formale Objekt als derart asymmetrisch erweist, stellt sich so etwas wie Repräsentationsbewusstsein ein. Es verunmöglicht also nicht unsere perzeptuelle Bezugnahme, sondern nützt sie aus, um sich an ihr aufzuzehren. Man mag sich überlegen, wie man mit dem Bereich puren Anscheins umgeht, der hier als Bezugsrahmen angenommen wurde. Es liegt nahe, hier doch einen Rekurs auf irgendwie geartete Objekte anzunehmen, doch habe ich für eine Option plädiert, die dies vermeidet, indem sie derartige Fikta über realen Aspekten und Merkmalen supervenieren lässt, um die Bezugnahme auf “dies da” in der Tat als Form der mitwisserischen Bezugnahme aufzufassen. Welche Reifikation des Anscheins hierbei implizit sein mag, ist an anderer Stelle zu erörtern. Simone Neuber 228 Hiermit stellt sich freilich die Frage, was das für die Individuation der entsprechende Gefühle bedeutet. Lässt sich aus dem Faktum, dass dasjenige, was Gefühle individuiert, von derartiger Natur ist, nicht ein Argument filtrieren, dass die entsprechenden Gefühle eben doch irgendwie modifiziert sind? Und lässt sich die Trennung von Zuschreibung und Gefühl, wobei nur erstere Modifikationen erfahren kann, in der Tat aufrecht erhalten, wenn Gefühle etwas sind, was prinzipiell auch zuschreibbar ist und in der Regel zugeschrieben wird? Eine Antwort auf diese Frage tut gut daran, sich auf die eingangs gemachte Unterscheidung der beiden Modifikationen des als-ob zu besinnen, nämlich A- und G-Modifikationen. In den letzten Absätzen haben wir uns damit beschäftigt, wie uns die Entitäten, darauf die gmodifizierte Rede Bezug nimmt, erspart bleiben, um Waltons Lösung zu betrachten, der die g-modifizierte Rede gerade nicht als bereichsbeschränkt - denn den Bereich gibt es ja nicht -, sondern als modifizierten Bezug auffassen wollte, genauer: als fingierten Bezug, weshalb er natürlich auch die Möglichkeit dieser g-modfizierten Rede eliminiert. Was bei der Darstellung Waltons völlig aus dem Blick getreten ist und aus dem Blick treten konnte, sofern es ihm primär um Fragen und Probleme der Referenz ging, ist die eingangs angedeutete Affinität der beiden Dimensionen der Modifikation, deren Differenz genau darin fundiert wurde, dass nicht jede g-modifizierte Rede die Infallibilität der a-modifizierten Rede erbt, und ein Sonderfall schienen Fikta zu sein. Blicken wir aber nun auf das Verhältnis von Gefühlszuschreibungen und grespektive amodifizierter Rede, so zeigt sich, dass diese, zumindest in gewisser Hinsicht, ihrerseits amodifizierte Zuschreibungen sind. Wenn auch Differenzierungen vorzunehmen sind, so scheinen jedoch Gefühle als werterschließende Zustände in gewisser Weise die erstpersonale Evidenz von Schmerzzuständen zu teilen, die wir gerade als Paradigma dieses Bereichs gerne anführen. Wenn mir etwa etwas traurig scheint, dann habe ich schon individuationslogisch gute Gründe dafür; und dass es mich traurig stimmt, stimmt dann auch. Ich kann mich natürlich darin irren, dass es diese reaktionsfundierte Prädikation auch verdient, doch ist dies ein anderes Problem. Das scheint nun gerade Gefühle nicht von anderen epistemischen Zuständen zu unterscheiden, denn schließlich kann sich jeder Bezug auf Objektivität auf eine derartige Schwundstufe schieren Anscheinens zurückziehen. Entsprechend gehe ich auch davon aus, dass unsere epistemischen Zustände insgesamt in der Tat keine Modifikation erfahren können. Der Grund ist schlicht und ergreifend die oben bemerkte Engführung von a- und g-modifizierter Rede. Zwar wurde darauf hingewiesen, dass eine Trennung durchaus Sinn macht, sofern Rede über Fikta zumindest fallibel ist. Das heißt aber nicht, dass, sofern sich das Bezogensein selbst artikuliert, nicht auch eine Wahrheit ausgedrückt wäre, von der Walton abstrahiert und abstrahieren muss, weil seine Auflösung der möglichen G-Modifikation eben auch dieser Dimension der A-Modifikation ihren Status aberkennt und sie faktisch miteliminiert. Was diese Prävalenz von Referenzproblemen vor solchen der Intentionalität bedeutet, drückt Ryle an einer Stelle unverblümt aus: Make-believe is compatible with all degrees of skepticism and credulity, a fact which is relevant to the supposed problem, ‘How can a person fancy that he sees something without realising that he is not seeing it? ’ […] The fact that people can fancy that they see things […] without realising that it is nothing but fancy, is simply a part of the unsurprising general fact that not all people are, all the time, at all ages and in all conditions, as judicious or critical as could be wished. (Ryle 2011: 258) Als ob’s Gefühle wären 229 Was bislang gesagt wurde, eignet Perzepten tout court. Gefühle nun aber haben das Besondere an sich, dass sie, anders als andere epistemische Zustände, von dieser Rückzugsdimension gerade nicht abstrahieren können, ein Punkt, von dem die Debatte um die Natur der Werte zeugt, die Moore etwa aufgrund ihrer Subjektrelativität als queer entities abtut. Das heißt aber, dass derartige Prädikation immer nur über Gegenstände, sofern sie relativ zu mir erschlossen sind, gefällt werden, und sich hier das Subjekt des Anscheins auf eine Weise artikuliert, von der gerade nicht abstrahiert werden kann, was im Bereich von “Bäume tragen Blätter” als schier objektivem Faktum zumindest möglich scheint. 41 Solomon prägt für diese streng nichtreduzierbare Relation den Begriff der Surrealität 42 , womit er eine streng von subjektiven Werten abhängige und konstituierte Dimension der Realität anspricht, die bestenfalls über realen Eigenschaften superveniert, deren Salienzen und Wertobjekte jedoch nicht ohne Rekurs auf eben das Subjekt des Anscheins begründet werden können. Wichtiger als die Nomenklatur ist aber, was dies für unsere Zuschreibungen von Gefühlen gegenüber Fikta denn heißt. Teil des Problems um Repräsentationen ist, dass eine Sache mit sich identisch ist und eben nicht zugleich ein Schauspieler und Hamlet im selben Sinne ist. Just dieses Problem der Überdeterminiertheit betrifft nun aber auch Objekte, sofern sie Gegenstand von Wertungen sind. Ohne hieraus einen Wertirrealismus zu folgern, denn sicherlich ist es etwas am Objekt, was die Werte legitimiert, so kommt uns ein Moment dieser Ansicht zumindest entgegen: Wenn derartige Prädikationen ohnehin eine Dimension der Surrealität betreffen, die genau durch reale Merkmale fundiert ist, so lässt sich fragen, warum diese Surrealität nicht auch Fikta umfassen soll, deren Schein-Sein sich gerade solchen realen Merkmalen verdankt. So wenig also Fikta gewöhnliche empirische Gegenstände sind, so scheinen sie dennoch daher mögliche Objekte derartiger Zuschreibungen, weil sich eine starke strukturelle Affinität zwischen den Objekten von Wertungen allgemein und Gehalten von repräsentationalen Fikta auftut. Damit werden zwei Punkte attraktiv, die für eine schlechthin nichtmodifizierte Natur von Gefühlen zu sprechen scheinen. Zum einen sind Gefühle eben wesentlich Ausdruck von Subjektivität, was sie mit Wahrnehmungszuständen freilich teilen. Walton, das wurde gesagt, abstrahiert bei seiner Reduktion der g-modifizierten Rede auf als-ob-Rede hiervon. Eine solche Selbstartikulation kann aber gar nicht modifiziert geschehen, denn das würde bedeuten, dass sich das Subjekt des Anscheins modifiziert artikulieren kann, was einen starken Selbstbezug implizierte, der gerade diese Dimension strenger Subjektivität wiederum unterminieren würde. Ferner wurde aber gesagt, dass derartige formale Objekte ohnehin einen Bereich der Surrealität umschreiben, der von realen Merkmalen lebt, die jedoch relativ zum jeweiligen Subjekt des Anscheins salient werden. 43 Das heißt aber, dass derartige Bezugnahmen auf das Objekt, sofern es Grundlage der Individuation des Gefühls ist, dieses formale Objekt betreffen, sofern es surreal, also etwas ist, das gerade nur über Momenten superveniert, nicht aber eine vollständige physikalische oder objektive Entsprechung hat. “Dies macht mir Furcht” ist dergestalt sowohl genuin referentiell als auch Ausdruck einer konstitutiven Beziehung, nämlich auf dies als Objekt, das gerade in der Beziehung auf Subjektivität furchterregend ist. Genau diese teils referentielle, teils konstitutive Beziehung eignet nun aber Fikta, wenn auch hier das “dies” in seiner referentiellen Dimension mitwisserisch ist. 44 Nicht minder als das wertprädikative “dies”, welches Bezug auf das formale Objekt nimmt, hat es aber ein fundamentum in re, so dass wir auch hier genuin auf Objektivität bezogen sind, obschon wir diese mitwisserisch interpretieren. Was dies heißt: Es ist in der Tat der Bereich der de dicto Bezugnahme, also des Rahmens des Mitwisserischen, der das Objekt der Emotionsindividua- Simone Neuber 230 tion beschreibt; es sind aber nicht nur reale Momente, die dieses konstituieren, sondern formale Objekte sind auch noch in einer Art und Weise gegeben, dass sie just in der Liga fiktionaler Objekte zu spielen scheinen, was nahe legt, letztere, sofern sie intersubjektiv zugängliche Repräsentationsgehalte sind, in der Tat als Objekte der emotionalen Erschließung zuzulassen und zwar einer solchen, die gar nicht von der Natur des Objekts affiziert werden kann, denn davon abstrahiert sie ja, sofern sie Bezug auf ausgerechnet formale Objekte nimmt, die, das hat sich gezeigt, “surreal” sind. Dies soll nicht bedeuten, dass Gefühle gar nicht von der Natur ihres Objektes beeinflusst werden. Es spielt durchaus eine Rolle, ob diese surrealen Momente letztlich auf “dies da”, wie es ist, oder “dies da”, wie es bloß mitwisserisch scheint bezogen werden, 45 und dies zeigt sich etwa daran, dass wir gegenüber fiktionalen Entitäten keine Handlungen vollziehen, selbst dann, wenn sie uns in leidenschaftliche Wut versetzen mögen. Um diesem Moment Rechnung zu tragen, ist es nicht nötig, hier nun doch die Kategorie der Quasi-Gefühle zu bemühen. Es reicht aus, auf praktische Rationalität zu rekurrieren, die eben weiß, an welchen Objekten gerechtfertigt Handlungen vollzogen werden können und an welchen nicht. Fikta sind aufgrund ihres ontologischen Status schlicht keine möglichen Kandidaten, an denen wir Handlungen vollziehen. 46 Müssten wir aber, wenn es doch echte Gefühle wären, nicht mindestens Handlungswünsche haben? Das gilt nur dann, wenn in der Tat alle Emotionen auch derartig motivierend sind, was umstritten ist. Ich will hier aber eine andere Strategie einschlagen und einfach darauf hinweisen, dass wir in der Tat gegenüber Fikta genuine Handlungswünsche haben, wenn auch der Form, die nicht Bezug auf mich selbst als Handlungssubjekt nimmt. Wir haben den Wunsch, dass irgendwer an unserer statt, die Handlung an Ophelia vollbringe, und spüren also eine value pull emotion 47 , nicht aber einen blinden desire push, der uns selbst zum Handeln drängte. Der Wunsch nach einer Handlung und die Hoffnung, dass sie geschehe, mögen sich so als recht eng erweisen, was aber vom Thema wegführte. Fazit Es ist, dafür wurde plädiert, durchaus möglich und auch nötig, die besondere Natur der fiktabezogenen Gefühle anzuerkennen, ohne davon auszugehen, dass es sich hierbei um Gefühle im Modus des als ob handelt. Der Vorteil, der mit diesem Ansatz zu verbuchen ist, liegt darin, dass er den kernigen Begriff der als-ob Modifikation wahrt, der darin besteht, dass es sich eben nicht um eine Modifikation handelt, die einem theoretischen Desiderat entspricht, wie es bei Walton der Fall scheint, sondern einer Intention des Sprechers, sich in einem verschwörerischen Geltungsgeschehen mitwisserisch zu engagieren. Unsere epistemischen Zustände, kraft deren sich derartige fiktionale Entitäten als dasjenige konstituieren, als was sie anscheinen, sind dabei nicht ihrerseits modifiziert und können es nicht sein, weil dieser Dimension der A-Modifikation keine eigene Modifikation eignet. Warum dies keine ontologische Inflation mit sich bringt, wurde damit begründet, dass wir einerseits auf Reales, nämlich den Repräsentationsträger, perzeptuell bezogen sind, und die darüber supervenierende, ausgesagte Bezugnahme in der Tat als mitwisserische verstanden werden kann. Warum diese mitwisserische Bezugnahme nicht dazu führt, dass die Zustände ihrerseits modifiziert sind, wurde auf die Tatsache zurückgeführt, dass Gefühle - a-modifiziert, wie derartige Zuschreibungen ihrer Natur nach sind - primär und zunächst eben Artikulationen von Anscheinen sind. Als ob’s Gefühle wären 231 Literatur Aristoteles 1995: Über die Seele. Einleitung, Übersetzung und Kommentar von Horst Seidl (nach W. Theiler), Hamburg: Meiner Boruah, Bijoy 1988: Fiction and Emotion. A Study in Aesthetics and the Philosophy of Mind, Oxford: Clarendon Press Budd, Malcolm 1992: “On Looking at a Picture”, in: Jim Hopkins, Anthony Savile (eds.): Psychoanalysis, Mind and Art. 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With Six Supplementary Essays, Cambridge: Cambridge University Press: 205-226 Yanal, Robert J. 1994: “The Paradox of Emotion and Fiction”, in: Pacific Philosophical Quarterly (1994): 54-75 Yanal, Robert J. 1999: Paradoxes of Emotion and Fiction, University Park: Pennsylvania State University Press Zemach, Eddy M. 1996: “Emotion and Fictional Beings”, in: Journal of Aesthetics and Art Criticism, 54 (1996): 41-48 Anmerkungen 1 Was der internen und der externen Negation entspricht, die beide eine negative Abgrenzung von “ich glaube, dass p” bedeuten, nämlich in Form von: ich glaube, dass nicht-p, das andere mal von: ich glaube nicht, dass p. Für uns ist hier entscheidend, das “ich glaube, dass nicht-p” nicht als “ich glaube, dass q” zu lesen, sondern als: ich glaube, dass nicht wirklich p, wohl aber scheinbar. 2 Das Modifizierte ist also das “ich glaube wirklich”. 3 Ich erlaube mir, die Abkürzungen “A” und “G” in der Schreibung dem Folgewort anzupassen, spreche also von a-modifizierter Rede. 4 “Sodann sagen wir auch nicht, wenn wir unsere Wahrnehmungstätigkeit genau auf das wahrnehmbare Objekt richten, dass dieses uns als Mensch erscheine, sondern eher, wenn wir es nicht klar wahrnehmen, und es dann entweder wahr oder falsch ist.” Über die Seele, III.3.: 12ff. 5 Vgl. dazu Wittgenstein 1984: 106, Shoemaker 1968. Ich folge hier recht eng den Überlegungen in Falk 2011. 6 Vgl. dagegen Reicher, die von “Gegenständen als ob” redet. Das kann man daher tun, weil sie ja durch ein als ob Spiel getragen werden. 7 Ich klammere hier Fragen aus, ob Napoleon, sofern er in einer Fiktion vorkommt, identisch ist mit dem wirklichen Napoleon. Vgl. dazu die detaillierten Überlegungen in Lamarque und Olson 1994. 8 Oder bestenfalls Existenz in einer möglichen Welt. Vgl. dazu etwa Zemach 1996. Zum Verhältnis möglicher und fiktionaler Welten vgl. Ronen 1994. 9 Vgl. dazu Reicher 2011: 62. 10 Zu derartigen Sprechakten vgl. als locus classicus Searle 1975, dem zufolge fiktionale Akte prätendierte Sprechakte sind. Einen anders gearteten sprechakttheoretischen Ansatz vertritt Currie, der nicht von prätendierten Sprechakten ausgehen will, sondern von genuinen Akten, die jedoch zur Prätention einladen. Ich führe hier der Einfachheit halber beide Theorien recht eng, um, von Searle ausgehend, über Curries Ansicht in Waltons Ansatz zu münden, sofern sich Currie Walton ohnehin verpflichtet sieht. 11 Vgl. Husserl 1977 Text 2, b. 12 Auf die Art der Genese mit Bezug auf Charaktere geht etwa detailliert ein Schiffer 1996. 13 Vgl. diesbezüglich Currie 1990. 14 Der indes nur die mitwisserische Verwendung anführt. Vgl. dazu Evans 1982: 353-63. Verschwörerisch ist also mein Gegenbegriff. 15 Zur Problematik vgl. komprehensiv, wenn auch inflationär, Reicher 2011. Als ob’s Gefühle wären 233 16 Was kein notwendiges Kriterium ist, denn Illusionen sind möglich. Dass durchaus ein legitimer derartiger Anspruch gestellt werden kann, zeigt sich indes daran, dass unser fikta-adäquates Verhalten entscheidend von diesem Repräsentationsbewusstsein abhängt. Wer versucht, in einem Landschaftsbild Blumen zu pflücken, macht etwas falsch. 17 Wobei das Mitwisserische hier in je einem Besonderen besteht: Die mitwisserische Rede ist dann verstanden, wenn sie als sich nicht beziehend verstanden wird, also nur als sozusagen Bild eines bezugnehmenden Aktes; die Repräsentation ist dann richtig gesehen, wenn sie als nicht die Sache selbst, sondern als Bild der Sache gesehen ist. 18 Zur twofold attention vgl. Wollheim 1980. Diese mit dem Typus des in-Sehens verbundene Form ersetzt Wollheims früheren Ansatz des als-Sehen, wie ihn etwa auch Budd 1992 stark macht. Zur Kritik an Wollheims Konzeption vgl. Nanay 2005. 19 “The audience at such a play are spectators of a world they are not in. They see what they may well describe as, say, Othello in front of a certain palace in Venice; and they see that from a certain point of view […] But they are not themselves at any specifiable distance from that palace; unlike Othello who may be […] It is just because of these failures of identity that we can sensibly say that we are, as spectators, at a crtain distance from the senery and the actors, but not from the palace or from Othello; if identity held, we should, in being 150 feet from Sir Laurence, be just that distance from Othello.” (Williams 1999: 35f) 20 So Walton 1993: 30. 21 Zu ähnlichen Ansätzen vgl. Meinong 1902, Witasek 1904, an einigen Stellen der theoriewandlungsfreudige Husserl 1980, Ryle 2002, sowie Mulligan 2009. 22 Vgl. dazu die Legion an Literatur zum Paradox der Fiktion, wobei als Kritiker Waltons vornehmlich zu nennen Neill 1991, Feagin 1995 und 1996, Moran 1994, Lamarque 1981, Yanal 1994 und 1999, Carroll 1978, Boruah 1988. 23 Wobei auch Husserls affine Neutralitätsmodifikation gerade von allem Willentlichen absehen will. Dies bedürfte weiterer Überlegungen. 24 Cannon 1929. 25 Vgl. Wittgensteins Privatsprachenargument. 26 Kenny 1963. 27 Wobei x für ein gewöhnliches Objekt, p für einen Sachverhalt steht. Ich unterscheide hier der Einfachheit halber nicht zwischen objektualen und propositionalen Intenta. 28 Ein “Who is Who among the Passions” in Gestalt einer klassifikatorischen Übersicht versucht Solomon 1993: 222-308. 29 So schon die vielsagende Definition von Nico Frijda, die ich hier Vendrell Ferrán 201: 94 entnehme: “emotions are elicited by events appraised as real, and their intensity corresponds to the degree to which this is the case.” 30 Ein weiteres, von diesen theoretischen Überlegungen unabhängiges, wohl aber deren Konsequenz stützendes Indiz ist natürlich die fehlende motivierende Kraft, die fiktabezogene Gefühle haben, und auch diese führt Walton zum Wohle seiner Überlegungen argumentativ an. Gegeben, dass Gefühle nicht nur physiologisch sich niederschlagende, sondern auch entschieden motivationale Zustände sind, so scheint doch auffällig, dass wir auf fiktionale Szenarien gerade nicht wirklich handelnd reagieren, was wir wohl tun würden, wären die Szenarien real. Entsprechend konstatiert Walton: “Fear emasculated by substracting its distinctive motivational force is not fear at all.” Walton 1993: 202. 31 Ich vernachlässige hier den Alternativansatz der Gedankentheorie, als deren Vertreter etwa Lamarque, Boruah, sowie Carroll zu nennen sind. 32 Vgl. die erfolglosen versuche Boruahs, die Wertung von Existenzüberzeugungen zu lösen. 33 Zu Gefühlen als einer Art Urteil vgl. Nussbaum 2001, Solomon 1993. Moderater, wenn auch in eine ähnliche Richtung tendierend: Helm 2001 und 2002, sowie Roberts 1988 und 2003. Ich werde diese umstrittene Position hier nicht verteidigen, wenn ich auch denke, dass dies - gegeben freilich eine genaue Bestimmung dessen, was sich hinter der urteilsartigen Struktur verbergen mag - gelingt. Zur Kritik am zu eng gefassten Urteilsbegriff vgl. Greenspan 1981 und 1988, sowie Stocker 1998. 34 Vendrell Ferrán plädiert für annahmebasierte Gefühle, um Waltons fiktionalistische Position zu attackieren; auch hiervon weiche ich ab. 35 Ich verzichte auf ein Argument gegen diesen Punkt, gegen den ich an anderer Stelle vorgehe. 36 Kant 1913: 519f. Simone Neuber 234 37 Wobei durchaus eine Imaginationsprojekte in der Tat derartige Erschließungen ermöglichen mögen. Man denke hier etwa an die entscheidungsfindenden Vorstellung als phantasia bouleutikê vgl. in Aristoteles’ Über die Seele: III.7. 38 Zu einer ähnlichen Strategie vgl. Lopes 1996. 39 Vgl. dazu die frühen Passagen in Husserls Auseinandersetzungen zum Bildbewusstsein, wenn sich auch Husserl im Laufe seiner Lehre von modifizierten Akten von der Relevanz des Widerstreits distanziert. 40 Dieser Ansatz scheint an einen Illusionismus gebunden, doch ist dem nicht so. Ich zeige dies an anderer Stelle. 41 Vgl. dagegen die Subjektivitätsthese, die Koch 2006 vorschlägt. 42 Solomon 1993: 128, 148. 43 Ich folge hier Roberts. 44 Vgl. ähnlich Lamarque und Olson, die von einer nicht rein denotativen Funktion auch der extrafiktionalen Namen ausgehen. Etwa Lamarque und Olson 1991: 81. 45 Eine Einflussnahme wurde mit Bezug auf den Kognitivismus bereits angesprochen, nämlich die Sensitivität von Gefühlen gegenüber Überzeugungen bezüglich ihres Objekts. Zwar haben wir dafür plädiert, dass Gefühle ihrerseits überzeugungsartig sind, das heißt aber nicht, dass sie nicht indifferent gegenüber guten Gründen wären. Kenntnisnahmen führen hier naheliegend zu einer Modifikation des Gefühls, schlicht, weil sich durch die Kenntnis bezüglich x eben der Charakter von x ändert. 46 Aber, so ein möglicher Einwand: Widerspricht die Hypostasierung dieser Wünsche nicht der Tatsache, dass wir oft enttäuscht sind, wenn der Held denn wirklich gerettet wird, weil etwa dann das Stück “kitschig” endet und unsere ästhetischen Erwartungen enttäuscht? Nein, das tut es nicht, und der Grund hat sich bereits angedeutet, denn es kommt hier nicht zu einem moralischen Konflikt von Wünschen, sondern bestenfalls zu einem Konflikt von moralischen Wünschen und ästhetischen Erwartungen. 47 Ich folge hier terminologisch der Unterscheidung von Mulligan 1998.