eJournals Kodikas/Code 33/1-2

Kodikas/Code
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
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2010
331-2

Die tierliche Mitteilung "Dies ist ein Spiel" in Batesons 'Theorie des Spiels und der Phantasie' - Analyse und kritische Betrachtung

2010
Claudia Hausmann
Die tierliche Mitteilung “Dies ist ein Spiel” in Batesons Theorie des Spiels und der Phantasie - Analyse und kritische Betrachtung Claudia Hausmann In seiner “Theorie des Spiels und der Phantasie” (kurz: TSP) stellt Gregory Bateson die Entwicklung einer Hypothese über die ‘Rolle der Paradoxien der Abstraktion in der Kommunikation’ dar. Dabei versucht er zu zeigen, dass solche Paradoxien notwendig in jeglicher (menschlicher wie nicht-menschlicher) Säugetier-Kommunikation auftreten, die über die automatische Reaktion auf die Signale eines anderen hinausgehe. Bateson begreift Paradoxien entsprechend als Entwicklungsphänomen von Kommunikation, als Indikator für Kommunikation auf einer ‘höheren Ebene’. Der Autor entdeckte sein Interesse für dieses Phänomen im Verlaufe seiner Zusammenarbeit mit dem Psychiater Jürgen Ruesch, mit dem er 1951 das gemeinhin als epochal bezeichnete Werk Communication: The Social Matrix of Psychiatry (kurz: CSMP) veröffentlichte. Darin entwickeln die beiden Autoren die zu jener Zeit originelle Auffassung der Kommunikation als allgemeines Interaktionsmodell, das allen menschlichen Tätigkeiten zugrunde gelegt werden könne. Rund ein Jahr nach Erscheinen von CSMP erhielt Bateson Forschungsgelder von der Rockefeller-Stiftung, um mit einer kleinen Gruppe von Wissenschaftlern (unter ihnen John Weakland, Jay Haley, anfangs William Fry, später Don D. Jackson) besagte Paradoxien in der Kommunikation zu untersuchen. Als einen ersten entscheidenden Schritt für die Formulierung der Hypothese, die die gemeinsame Untersuchung leiten sollte, bewertet Bateson in der TSP Verhaltensbeobachtungen, die er im Zoo gemacht habe: Er sah junge Affen ‘spielen’. Zu der für ihn damals erstaunlichen Erkenntnis, dass Spielen nicht erst eine Eigenart menschlichen Daseins ist, war der Forscher bereits Anfang der 1950er Jahre gelangt, nachdem er Fischotter im Zoo dabei beobachtet hatte, wie sie mit einem Spielzeug, das zu ihnen ins Becken geworfen wurde, ‘herumtollten’. Was nun die jungen Affen betraf, so sah Bateson diese in eine Interaktionsfolge verwickelt, in der sie Signale oder Handlungseinheiten austauschten, die seiner Einschätzung nach denen des Kampfes ähnelten, für die beteiligten Affen - wie auch für ihn als Beobachter - jedoch offensichtlich kein Kampf waren. Bateson folgerte daraus, dass das Phänomen “Spiel” nur auftreten konnte, wenn die Tiere mit ihren Signalen die Mitteilung “Dies ist ein Spiel” übertrugen. Dies ist für ihn gleichbedeutend damit, dass sie in gewissem Maße zur “Metakommunikation” (ein von ihm in CSMP eingeführter Begriff) fähig waren, d.h. zur Kommunikation über die ausgesendeten und empfangenen (Kampf-)Signale. Auf diese Feststellung des Vorhandenseins ‘höherer Kommunikationsebenen’ im (nicht-menschlichen) Tierreich gründet Bateson seine Annahme, dass es sich beim Spiel um eine wichtige K O D I K A S / C O D E Ars Semeiotica Volume 33 (2010) No. 1 - 2 Gunter Narr Verlag Tübingen Claudia Hausmann 40 Stufe in der Entwicklung der Kommunikation handeln könne - und zwar um eine Entwicklungsstufe, die bereits auf vormenschlicher und vorsprachlicher Ebene das Auftreten besagter Paradoxien unweigerlich mit sich bringe. Innerhalb des Studienprojektes machten es sich Bateson und seine Kollegen zur Aufgabe, solchermaßen relevantes Beobachtungsmaterial zu sammeln, um die ihre Untersuchung leitende Hypothese erweitern und modifizieren zu können. Eines ihrer Ziele bestand dabei darin, den Ansatz Whiteheads und Russells zum Problem der “logischen Typen” auf die von ihnen beobachteten Kommunikationsformen anzuwenden. Nach rund zweijähriger Zusammenarbeit trug Haley die vorläufigen Forschungsergebnisse 1954 auf einer Konferenz der American Psychiatric Association (APA) in Mexico City vor. 1955 veröffentlichte Bateson die Studie dann erstmals unter dem Titel “A Theory of Play and Fantasy; a Report on Theoretical Aspects of the Project for Study of the Role of Paradoxes of Abstraction in Communication”. Zu eben dieser Zeit stellte jedoch die Rockefeller-Stiftung ihre finanzielle Unterstützung aufgrund ‘ergebnisloser Forschung’ ein. Trotz dieser Krise setzte das Forschungsteam seine Arbeit fort. Durch eine Verlagerung des Schwerpunktes auf die Untersuchung logischer Typen in der Kommunikation Schizophrener gelang es Bateson noch 1954, eine zweijährige Weiterfinanzierung durch die Macy-Foundation zu sichern. Aus diesem Projekt ging 1956 die Double-bind-Theorie hervor, eine der wohl meistdiskutierten Theorien über die Verursachung von Schizophrenie. Ich möchte hier nur am Rande erwähnen, dass die Autoren dabei zu einer Neubewertung des Auftretens von Paradoxien gelangten, da sie diese vielmehr mit den pathologischen Folgeerscheinungen widersprüchlicher Kommunikation auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen in Verbindung brachten, denn als notwendige Begleiterscheinung ‘weiterentwickelter’ Kommunikation verstanden. Die von Bateson in der TSP vorgestellten und auf früherer Grundlagenforschung aufbauenden Annahmen und Verallgemeinerungen sind zahlreich. Ein insbesondere aus soziologischer und kommunikationswissenschaftlicher Sicht wirksamer Begriff, den der Autor mit dieser Theorie in die wissenschaftliche Diskussion einführt, ist der des “psychologischen Rahmens”. Auf diesen baut Goffmann, der neben Bateson und Ruesch zu den ersten Wissenschaftlern gezählt wird, die die Erforschung von Interaktion zu einem eigenständigen Untersuchungsgegenstand erhoben haben, seine 1974 veröffentlichte “Rahmen-Analyse” auf. Mit seiner Konzeption sucht Goffmann zu erklären, wie und als was Menschen Situationen verstehen und definieren. D.h., er sucht Antworten darauf zu geben, wie Interagierende, die vor der Frage stünden “Was geht hier eigentlich vor? ”, sich zurechtfinden, ihre Interaktionen deuten und so ihre Alltagswirklichkeit organisieren. Dabei geht er davon aus, dass Individuen eine Situation - verstanden als räumlicher Kontext, innerhalb dessen die Beteiligten auf der Grundlage wechselseitiger Wahrnehmung eine Zusammenkunft konstituieren, wodurch die Situation wiederum erst zur Situation wird - in Erfahrungsschemata einordnen. Die gemeinsame Situation werde damit in einem bestimmten “Rahmen” wahrgenommen und erhalte vor diesem Hintergrund einen Sinn. Situationen erforderten somit immer eine gewisse - wenn auch nicht zwangsläufig bewusste - Interpretationsleistung im ‘Rahmen’ eines bereits bestehenden Wissensvorrats. Wenngleich Bateson mit der Entdeckung und Formulierung des Rahmens einen bedeutenden Ansatz für ein Verstehen der Ordnung und Organisation von Interaktionsabläufen im (Säuge-)Tierreich geliefert haben mag, erscheinen viele der im Aufsatz aufgestellten Thesen und deren Herleitungen fraglich. Nicht alle diskussionswürdigen Aspekte werden hier jedoch Berücksichtigung finden können. Wie ich bereits angedeutet habe, baut der Autor seine Die tierliche Mitteilung “Dies ist ein Spiel” 41 Theorie auf ethologischen Erkenntnissen auf. Als zentrales Moment identifiziere ich dabei seine Auffassung der tierlichen Mitteilung “Dies ist ein Spiel” (den Ausdruck “tierlich” verwende ich in Anlehnung an den Tierpsychologen Hediger, der das diskriminierende Moment in der Abgrenzung ‘menschlich’ vs. ‘tierisch’ durch sprachlich aneinander angeglichene Ausdrücke aufzuheben suchte). Meines Erachtens laufen darin die Fäden seines ‘diffus gewebten Thesennetzes’ zusammen. Ich werde meine Aufmerksamkeit folglich auf eine genaue Betrachtung dieser Mitteilung richten. Vernachlässigt bleiben entsprechend solche Teile des Aufsatzes, die sich - im Bemühen der Autoren, ihre These zu ‘erweitern’ und zu ‘modifizieren’ - mit Phänomenen wie denen der Drohung, Täuschung und Theatralik, dem Ritual, der im Titel erwähnten Phantasie, der Kunst, Magie, Religion usw. beschäftigen, die Anwendung der Thesen auf psychotherapeutische Prozesse betreffen u.v.m. Mein Ziel ist zum einen, Batesons durchaus diffizilen Argumentationsaufbau und Begründungszusammenhang nachzuvollziehen. Zum anderen möchte ich hinsichtlich seiner Referenzen auf das (nicht-menschliche) Tierreich zu zeigen versuchen, inwiefern ich seine Annahmen und Präzisierungsversuche für unangemessen und - in logischer Konsequenz - seine leitende Hypothese, mithin seine TSP für defizitär halte. Mit einer Beschreibung der unterschiedlichen Abstraktionsebenen von Kommunikation, wie er sie in seinem Werk CSMP entwickelt hat, leitet Bateson in die Thematik ein. Für menschliche verbale Kommunikation konstatiert er eine ‘scheinbar einfache Bezeichnungsebene’ (Bsp: “Die Katze ist auf der Matte.”), von der aus sich abstraktere Ebenen in zwei Richtungen verzweigten. Eine Gruppe oder Menge dieser nächst höheren Ebene attribuiert er als “metasprachlich”. Bei solchen Mitteilungen sei das Thema des Diskurses die Sprache selbst (Bsp.: “Das Wort >>Katze<< hat kein Fell und kann nicht kratzen.”). Die zweite Gruppe oder Menge impliziter oder expliziter Mitteilungen nennt er “metakommunikativ”. Er bezeichnet sie als ‘Mitteilungen von Freundschaft oder Feindschaft’ (Bsp.: “Dass ich dir gesagt habe, wo die Katze ist, war nett gemeint” oder “Dies ist ein Spiel”). Ihr Thema sei entsprechend die Beziehung zwischen den Sprechern. In CSMP spricht Bateson auch davon, dass es sich bei diesen ‘Kommunikationen über Kommunikation’ um wechselseitige Anweisungen der Interaktanten handle, wie ihre Mitteilungen zu interpretieren seien. Schon in dem gemeinsamen Werk mit Ruesch stellte Bateson dabei fest, dass die Beschäftigung mit Metakommunikation unweigerlich zu Paradoxien des Russellschen bzw. Epimenidischen Typs führe. Wie aus der logischen Typentheorie bekannt, ging es Russell und Whitehead darum, Elemente und Klassen bzw. Mengen von Elementen logisch voneinander zu trennen, um Widersprüche zu vermeiden. Sie verorteten eine Menge auf einem logisch höheren Abstraktionsniveau als die in ihr enthaltenen Elemente und legten dabei fest, dass eine Menge nicht Element ihrer selbst sein darf. Auf sprachliche Äußerungen übertragen heißt dies, dass Widersprüche immer dann auftreten, wenn eine Aussage zugleich Aussage über sich selbst - und damit über ihren eigenen Wahrheitswert - ist. Dass solche Äußerungen, bei denen zwischen Objekt- und Metasprache nicht unterschieden wird, zu gedanklicher Akrobatik führen, illustriert die semantische Antinomie des Epimenides, - auch bekannt als Lügnerparadoxon oder ‘Kreter’ - beispielhaft. Interessant ist, dass Bateson eben solche Paradoxien auch im (menschlichen) Spiel zu finden erwartete, da diesem die Idee zugrunde liege, so zu agieren, als ob es sich dabei um reale - und nicht fiktive, metakommunikativ festgelegte - Geschehnisse handle. Seine formalen Beschreibungskriterien und die daran geknüpften Überlegungen scheinen nun in seinen Deutungen des beobachteten tierlichen Spiels ihren Niederschlag zu finden: Claudia Hausmann 42 Wie einleitend erwähnt, legt er der Existenz dieses Phänomens einen metakommunikativen Mitteilungsaustausch zugrunde und setzt damit per definitionem zugleich die ‘kommunikative’ - im Sinne einer ‘einfachen’, ‘bezeichnenden’, ‘inhaltlichen’ - Vermittlung eines Ereignisses im Spiel voraus. Aufgrund der Bezogenheit tierlicher Spielhandlungen auf solche des Kampfes, die er durch die Ähnlichkeit der Verhaltensweisen begründet sieht und als Simulation interpretiert, ist für Bateson nun der Sachverhalt des Bezeichnens gegeben. Da Tiere - wie ihm dies seine Beobachtungen der spielenden Affen nahe legten - in ihren Interaktionen Spiel von Kampf zu unterscheiden wüssten, geht er entsprechend davon aus, dass sie zur Differenzierung zwischen den ‘bezeichnenden’ Spiel- und den ‘bezeichneten’ Kampfhandlungen in der Lage seien. Er leitet daraus ab, dass die tierlichen Interaktanten - bewusst oder unbewusst - die eigenen Zeichen bzw. Signale (diese Ausdrücke verwendet er synonym) wie auch die des anderen als Signale zu erkennen vermögen und demzufolge nicht mehr automatisch auf die “Stimmungs-Signale” des anderen reagierten. In diesem Zusammenhang argumentiert der Autor mit Korzybski, dass sich hier die Entdeckung von Karte- Territorium-Relationen abzeichne, d.h. ein Erkennen des Sachverhalts, dass eine Mitteilung, gleich welcher Art, nicht aus den Gegenständen oder Sachverhalten bestehe, die sie repräsentiere. Demgemäß glaubt Bateson, auf der vormenschlichen und vorsprachlichen Ebene Regeln ausgemacht zu haben, wie sich die Beziehung von Worten und Sätzen zu Gegenständen und Geschehnissen entwickelt haben könne. Er begreift folglich das von ihm konstatierte tierliche Bezeichnen als eine Vorstufe menschensprachlicher Bezeichnung. Unter diesen Gesichtspunkten stellt das Spiel der Tiere für ihn einen maßgeblichen Schritt in der Evolution der Kommunikation dar, durch den eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der Sprache geschafften worden sei. Wie teilen Tiere nun - auf besagter metakommunikativer Ebene - konkret einander mit, dass ihre Handlungen spielerisch und nicht kämpferisch gemeint und sie einander freundlich und nicht feindlich gesinnt seien? Seinem Argumentationsaufbau entsprechend sucht Bateson dazu die Metakommunikation “Dies ist ein Spiel” (kurz: “DieS”) zu entschlüsseln. Sie habe im tierlichen Miteinander etwa folgendes Aussehen: ‘Wir sind in Handlungen verwickelt, die nicht das bezeichnen, was durch jene Handlungen, die sie bezeichnen, bezeichnet würde.’ In diesem Sinne - so seine Behauptung - bezeichne das “spielerische Zwicken” (kurz: “sZ”) den “Biss”, bezeichne jedoch nicht, was durch den “Biss” bezeichnet würde. Für Bateson enthält die Mitteilung damit Elemente, aus denen sich notwendigerweise ein Paradoxon des Russellschen bzw. Epimenidischen Typs ergebe. Er macht dies an dem Wort “bezeichnen” fest. Es werde in zwei Abstraktionsgraden verwendet und diese beiden Verwendungsweisen würden als synonym behandelt, was in der Typentheorie nicht zulässig sei. Diese Feststellungen scheinen Bateson als Bestätigung seiner Annahme zu genügen, dass es sich bei auftretenden Paradoxien um ein Entwicklungsphänomen von Kommunikation handle. Seine Erläuterungen beschränken sich im Wesentlichen auf das hier Gesagte. Eine hinreichende Überprüfung und Veranschaulichung anhand empirischen Materials bleiben aus. Jeder, der sich schon einmal mit Epimenidischen Antinomien auseinandergesetzt hat, weiß um die gedanklichen Spiralen, die diese auszulösen wissen. Keine geringere Verwirrung rufen Batesons Thesen in mir hervor, die für mich mehr Fragen aufwerfen, als sie mir Antworten bieten. So stellt sich mir besagte Antinomie in erster Linie als das Resultat seiner eigenen Versprachlichung und Wortverwendung dar. Inwiefern seine Beobachtungen und Schluss- Die tierliche Mitteilung “Dies ist ein Spiel” 43 folgerungen den Sachverhalt zu treffen vermögen, kann erst ein hinreichendes Verständnis seiner dergestalt zum Ausdruck gebrachten Auffassung tierlichen Bezeichnens und Differenzierens zeigen. Dabei möchte ich mit Nachdruck darauf verweisen, dass ich Bateson nicht seine Anthropomorphisierung zum Vorwurf mache. Ohne Deutungen und Bewertungen, die nun einmal den subjektiven Einschätzungen eines Beobachters und seinen sprachlichen Mitteln obliegen, kann tierliches Verhalten nicht als Schlüssel zum Verständnis menschlichen Verhaltens begriffen werden - das Scheitern des radikalen Behaviorismus hat dies mehr als deutlich gemacht. Es scheint sich folglich - im Sinne kognitionsethologisch wie tierpsychologisch orientierter Verhaltensforscher wie z.B. Heini Hediger und Donald R. Griffin - eben jene Vorgehensweise als vielversprechend zu erweisen: i.e. auf der Basis von Analogie und Homologie Vergleichbares im tierlichen Erleben, Verhalten und Kommunizieren anzunehmen, um Einsichten in spezifische wie artübergreifend gültige Verhaltensprinzipien und Kommunikationsformen zu gewinnen. Die grundsätzliche Frage, die sich mir jedoch stellt ist, wie Tiere auf der Basis selbstbezüglicher und einander widersprechender Mitteilungen überhaupt zu Differenzierungsleistungen, zu einem ‘Verstehen’ des jeweils anderen und letztlich zur Verständigung fähig sein sollen. Es gilt dazu vorerst, Batesons grundlegende Annahmen über den tierlichen Interaktionsverlauf genauer zu fassen und zu analysieren - sofern seine durchaus knappen Formulierungen, die Vieles nur andeuten und/ oder unausgesprochen lassen, dies erlauben. Da der Autor seine Diskussion des Spiels zudem als Ausgangspunkt nutzt, um seinen “psychologischen Rahmen” einzuführen, erscheint es mir sinnvoll, eine Betrachtung dieses Begriffs an meine analytischen Bemühungen anzuschließen: Bateson gründet seine Thesen auf die von ihm erkannte Ähnlichkeit zwischen tierlichen Spielhandlungen und solchen des Kampfes, die seiner Ansicht nach durch die Vorgehensweise der Simulation zustande kommt. D.h., er deutet das beobachtete spielerische Verhalten, das er an der von ihm “sZ” genannten Verhaltenseinheit festmacht, als - und reduziert es damit auf - Nachahmung von etwas anderem, von ihm Verschiedenen, i.e. von kämpferischem Verhalten, für das er den “Biss” exemplarisch anführt. Da die Tiere demzufolge im Spiel nur so tun, ‘als ob’ sie sich bissen, ist der (gewissermaßen originäre, ursprüngliche Kampf-)”Biss”wie Bateson sich ausdrückt - ‘nicht existent’, also im Hier und Jetzt des gemeinsamen Interaktionsverlaufs nicht ‘präsent’. Daraus leitet Bateson ab, dass das “sZ” ein Signal darstellt, das - im Sinne der scholastischen Definition ‘aliquid stat pro aliquo’ - ein anderes Ereignis repräsentiert und ergo nicht aus dem be-steht, wofür es (seiner Einschätzung nach) steht. Für Bateson bezeichnet das “sZ” somit den “Biss”. Darin erkennt er einen entscheidenden Schritt in Richtung der genannten Korzybskischen Karte-Territorium-Differenzierung, wobei er wohl das simulierende “sZ” als die Karte, den simulierten “Biss” als das Territorium begreift. Beim Gegenstand der Simulation, dem “Biss”, geht Bateson augenscheinlich davon aus, dass es sich - für Tier wie Beobachter - um eine Verhaltenseinheit handelt, die eindeutig für eine Kampfhandlung steht und diese entsprechend bezeichnet. Er versteht den “Biss” somit als ein unwillkürliches Stimmungszeichen, das Tiere ebenso unwillkürlich als Kampfhandlung deuteten und auf das sie entsprechend automatisch reagierten. Ich nehme an, dass er sich hier auf eine instinktgeleitete Grund(re)aktion auf eine akute Bedrohung bezieht. Wenn er dabei von dem - und somit einem idealisierten - “Biss” spricht, meint er damit wohl eine bestimmte Reizgegebenheit, die zu dem angesprochenen Automatismus führt. Logisch konsequent müsste demnach jede ähnliche Verhaltenseinheit, die von den Parametern abweicht und keine automatische Reaktion evoziert, zwangsläufig eine Simulation des kämpferischen “Bisses” sein. Ob jedoch all jene als “Biss” beschreibbaren Verhaltens- Claudia Hausmann 44 einheiten, die in diversen Handlungsabläufen in ebenso diversen Kontexten beobachtet werden können, nur im genannten Sinne zu deuten sind, wage ich zu bezweifeln. Neben diesen beiden Arten der Bezeichnung sieht Bateson in der tierlichen Metakommunikation zugleich ein ‘Nicht-Bezeichnen’ vermittelt. Er versteht dieses ‘Nicht-Bezeichnen’ jedoch nicht als komplementär zum ‘Bezeichnen’, sondern als dessen Negation, woraus sich zwangsläufig die von ihm konstatierte Verletzung der logischen Typentheorie ergibt. D.h., Tiere vollführen (in noch genauer zu diskutierender Form) in dem von ihm beschriebenen Interaktionsverlauf das “sZ” nicht als eigenständige Verhaltenseinheit, die sie durch ihr Ähnlich-, aber nicht Gleich-Sein von anderen aufgrund ihrer charakteristischen Eigenschaften zu unterscheiden und von dem abzugrenzen wissen, was sie nicht ist und was in diesem Sinne auch ‘nicht bezeichnet’ würde, sondern sie gehen gewissermaßen einen ‘gedanklichen Umweg’. So bezeichnet das “sZ” nach Bateson das, was es qua seiner Eigenart als Simulation simuliert - i.e. den kämpferischen “Biss” -, jedoch qua eben dieser Eigenart ‘nicht wirklich’ vollzieht. Seiner Ansicht nach bezeichnet es folglich zugleich nicht, steht nicht für das, wofür der “Biss” stehe. Es scheint somit dieses ‘Nicht-Tun’ zu sein - vorstellbar als das Ausbleiben z.B. des Schmerz auslösenden Momentes und damit der akuten Lebensbedrohung -, durch das Bateson die Bedeutung des “Bisses” aufgehoben und entsprechend das ‘Nicht-Bezeichnen’ vermittelt zu sehen scheint. Auf ein solches ‘Nicht-Tun’ im tierlichen Droh- und Spielverhalten führt der Autor in den 1960er Jahren die Evolution der Negation zurück, die er wiederum als einen entscheidenden Schritt in Richtung Sprache bewertet. In der TSP, die für diese Arbeit die Vorlage zu bieten scheint, besagt dieses ‘Nicht’ als Bestandteil der Metakommunikation, dass Tiere gegensätzliche, einander negierende, folglich widersprüchliche Signale austauschen, die sich zugleich als Aussage eines Sachverhalts und Aussage über diesen Sachverhalt (und damit den eigenen Wahrheitswert) darstellen. Die tierliche metakommunikative Mitteilung “DieS” hat damit zugleich Stimmungszeichen eines niedrigeren Abstraktionsniveaus gewissermaßen zum ‘Inhalt’ und diesen ‘Inhalt’ auf einer entsprechend höheren (negierenden) Ebene zum Thema. Dass Bateson dies als Paradoxie des Epimenidischen Typs identifiziert, ist aus Sicht der Typentheorie nur logisch schlüssig. Zweifelhaft ist jedoch seine zwangsläufig zu diesen Ergebnissen führende Auffassung, beim Spiel handele es sich um simulierte Handlungen, die entsprechend als solche signalisiert würden. In logischer Folge seiner Erkenntnisse vertritt Bateson nun die These, dass die metakommunikative Mitteilung “DieS” einen paradoxen (psychologischen) Rahmen errichte, der mit Epimenides’ Paradoxon vergleichbar sei. Innerhalb des Rahmens verortet er dazu ein System von Prämissen, die sich ihm wie folgt darstellen: “Alle Behauptungen innerhalb dieses Rahmens sind unwahr”. “Ich liebe dich.” “Ich hasse dich.” Die erste Behauptung werde aufgrund ihrer Selbstbezüglichkeit zur Prämisse für die Bewertung ihrer eigenen Wahrheit oder Unwahrheit. Bateson bezeichnet sie entsprechend als eine widersprüchliche Aussage über sich selbst, denn ist sie wahr, dann ist sie falsch und vice versa. Ihm gemäß hat dies für die anderen rahmeninternen Behauptungen die Folge, dass sie falsch sein müssen, wenn die erste Behauptung wahr ist usf. In Anlehnung an die obige Diskussion der Mitteilung “DieS” sehe ich eine Korrespondenz zwischen dem von Bateson entschlüsselten Teil “Wir sind in Handlungen verwickelt, die nicht das bezeichnen …” und Die tierliche Mitteilung “Dies ist ein Spiel” 45 der ersten Behauptung. Die beiden anderen Prämissen entsprechen den Mitteilungen von Freundschaft und Feindschaft, als die er Metakommunikationen definiert hat. Damit verlagert er die in der Metakommunikation “DieS” inhärenten Behauptungen innerhalb des Rahmens, den sie selbst konstituieren. Im Sinne der Russelschen Typentheorie werden sie damit zum Element ihrer eigenen Menge und evozieren eine Paradoxie. Was nun mit dem psychologischen Rahmen gemeint sei, sucht Bateson mit Hilfe der physischen Analogie des Bilderrahmens wie auch der logischen Analogie der mathematischen Menge zu erläutern. Als Definition schlägt er vor, dass ein solcher Rahmen eine Menge von Mitteilungen oder sinnvollen Handlungen sei bzw. durch eine imaginäre Linie abgrenze. Diese Mitteilungen wiederum seien vermöge ihrer gemeinsamen Prämissen oder wechselseitigen Relevanz Elemente der Menge und als solche in die Linie bzw. den Rahmen eingeschlossenen. Er erläutert, dass das Spiel zweier Individuen bei einer bestimmten Gelegenheit entsprechend als die Menge aller Mitteilungen zu definieren sei, die diese Individuen innerhalb eines begrenzten Zeitraums und modifiziert durch das beschriebene System paradoxer Prämissen austauschten. Der (Spiel-)Rahmen sondere folglich diese Menge an Mitteilungen von anderen ab, die ‘Nicht-Spiel-Mitteilungen’ darstellten. Die Beteiligten könnten einen solchen Rahmen bewusst erkennen und (im Fall menschlicher Wesen) sogar verbalisieren - Bateson nennt hier neben dem Spiel auch “Film”, “Interview”, “Beruf” u.a. als Beispiele - oder aber kein Bewusstsein von ihm haben. Unabhängig von der Bewusstseinsfrage gebe der Rahmen indes Anweisungen, wie die in ihm enthaltenen Mitteilungen zu verstehen seien, und diene dazu, die Wahrnehmungen zu ordnen oder zu organisieren. Veranschaulicht anhand der physischen Analogie des Bilderrahmens lenke er die Aufmerksamkeit auf das, was ‘innen’ sei und erinnere an die Irrelevanz der Mitteilungen außerhalb, die somit unberücksichtigt bleiben könnten. Er sage den Beteiligten zudem - und hier greift Bateson zur Illustration die von ihm bereits in CSMP verwendeten Termini der Gestaltpsychologie auf -, dass für die “Figur” (i.e. das Bild innerhalb des Rahmens) eine andere Art der Interpretation erforderlich sei als für den “Grund” (i.e. den Hintergrund, wie z.B. die Tapete außerhalb des Rahmens). Da nun jeder Rahmen - sei er wie im Fall des Spiels in die Bewertung der enthaltenen Mitteilungen einbezogen oder auch nur geistige Hilfe für ein Verständnis der in ihm enthaltenen Mitteilungen - über eine Menge von Interaktionsmitteilungen kommuniziere, sei er metakommunikativ. Für Bateson trifft damit auch die Umkehrung zu, i.e., jede metakommunikative Mitteilung definiere explizit oder implizit einen Rahmen. Enthält die Metakommunikation Elemente, die zu Paradoxien des Epimenidischen Typs führen, errichtet sie folglich auch einen Rahmen, der mit diesem Paradoxon vergleichbar ist. Auch wenn der psychologische Rahmen weder in der hier verbildlichten Form physisch noch logisch sei, nimmt Bateson an, dass dieser in gewissem Grad real existiere. Er spricht dabei von einer ‘Veräußerlichung psychologischer Charakteristika’. Ich verstehe das so, dass die zeitlich-räumlichen Gegebenheiten bzw. (‘Rahmen’-)Bedingungen und die als Anweisung für nachfolgende Handlungen aufzufassenden Mitteilungen, die innerhalb dieser Gegebenheiten angeboten werden, gewissermaßen die realen, physischen Fixpunkte und Markierungen sind, anhand derer sich der Rahmen als Organisationshilfe und Ordnungsbzw. Erklärungsprinzip (sei es aus Sicht der Beteiligten oder der eines Beobachters) vor dem ‘geistigen Auge’ konstituiert. Bateson geht nun, die Relation zwischen Rahmen und ‘Wahrnehmungsgestalt’ näher untersuchend, davon aus, dass geistige Prozesse eines weiteren Rahmens bedürften, um den “Grund”, vor dem die “Figuren” wahrgenommen werden sollen, seinerseits abzugrenzen. So Claudia Hausmann 46 bereite es uns (Menschen) etwa Unbehagen, wenn wir eine Skulptur im Fenster eines Trödelladens sähen. Was er damit wohl meint ist, dass Bedingungen, die eine Abgrenzung des Grunds vom ‘Rest der Welt’ erschweren, zu Problemen hinsichtlich einer klaren Erfassung und Absonderung der Figur vom Grund führen. Bateson begreift dieses Bedürfnis nach doppelter Rahmung als einen Hinweis darauf, dass geistige Prozesse denen der (Russellschen) Logik ähnelten. Demgemäß vermutet er, dass die Notwendigkeit äußerer Grenzen mit einer Vorliebe für die Vermeidung von Paradoxien der Abstraktion zusammenhänge. Diese Vermutung legt den Umkehrschluss nahe, dass durch eine ‘einfache’ Rahmensetzung im Sinne der Bilderrahmenanalogie eine typentheoretisch nicht zulässige Unterscheidung getroffen wird. Bateson erläutert seine These an einem Beispiel logischer Klassenbildung. So mache es die Definition der Klasse oder Menge der Streichholzschachteln erforderlich, alle jene Dinge, die keine Streichholzschachteln seien, aus- und in eine Hintergrundmenge einzuschließen (man spricht hier auch von Komplementärklassenbildung), i.e. in die Menge der Nicht- Streichholzschachteln. Die Gesetze der Typentheorie schrieben nun vor, dass die Hintergrundmenge (bzw. Komplementärklasse) vom gleichen logischen Typ bzw. Abstraktionsgrad sein müsse. D.h., Komplementärklassen sind selbst wieder Elemente einer - in logischen Zusammenhängen so genannten - ‘Allklasse’ (bzw. eines ‘Universe of Discourse’), die ihrerseits Komplementärklasse in Bezug auf eine höhere ‘Allklasse’ sein kann usw. Die Menge der Nicht-Streichholzschachteln umfasst demgemäß jedoch das gesamte Universum aller möglichen Dinge außer den Streichholzschachteln. Sie ist nach Bateson folglich anderen logischen Typs. Da diese Menge nun selbst wiederum ebenfalls keine Streichholzschachtel sei, enthielte sie sich wider logische Regeln selbst als Element. Paradoxien sind - so der Autor - die unausweichliche Folge. Dieses ganze Problem der Rahmen und Paradoxien - so wie es hier für Bateson aus seinen (gestalt-)theoretischen und (typen-)logischen Erörterungen seiner Beobachtungen resultiert - lässt sich seiner Ansicht nach nun wiederum anhand tierlichen (und auch menschlichen, von mir jedoch vorliegend vernachlässigten) Verhaltens veranschaulichen. Seine Erkenntnisse rekapitulierend stellt er dazu fest, dass im Tierreich drei Arten von Mitteilungen differenzierbar seien: 1) Mitteilungen in Form von Stimmungszeichen, 2) Stimmungszeichen simulierende Mitteilungen (in Spiel, Drohung, Täuschung u.a.) sowie 3) metakommunikative bzw. rahmengebende Mitteilungen, die zur Unterscheidung von Stimmungszeichen und jenen anderen Zeichen, die ihnen ähnlich seien, befähigten. Auf das Spiel der Tiere bezogen entspräche die Mitteilung “DieS” dem dritten Typ. Tiere teilten sich auf diese Weise mit, dass z.B. das “sZ” keine Mitteilung des ersten Typs - i.e. kein “Biss” - sei. Laut Bateson errichtet die Metakommunikation “DieS” demzufolge einen Rahmen jener Art, der Paradoxien evoziere, denn: Sie ziehe eine Linie zwischen (Mitteilungs-)Kategorien unterschiedlichen Abstraktionsniveaus. Sie trennt ihm gemäß folglich Spielhandlungen (des zweiten, logisch höheren Mitteilungstyps) von Kampfhandlungen (des ersten, logisch niedrigeren Mitteilungstyps). Bateson konstatierte nun bereits zuvor eine Verletzung der logischen Typentheorie, die er darauf zurückführte, dass die metakommunikative Spiel-Mitteilung selbst Bestandteil des durch sie konstituierten Rahmens, selbst Element eben der Menge an (simulierenden) Mitteilungen sei, die sie von Mitteilungen Die tierliche Mitteilung “Dies ist ein Spiel” 47 anderen logischen Typs abgrenze. Da die vorliegende Analyse zudem den Schluss nahe legt, dass die simulierende Handlung erst durch die metakommunikative Vermittlung als Simulation erkennbar wird, erscheinen der zweite und dritte Mitteilungstyp Batesons folglich als untrennbar verknüpft - und wider seine Angaben nur schwerlich ‘differenzierbar’. Noch dazu identifizierte der Autor die tierliche Metakommunikation selbst als ein Konglomerat widersprüchlicher Aussagen. Deren genauere Betrachtung hat gezeigt, dass sie eben die abzugrenzenden Handlungen zum Inhalt hat, sie ‘bezeichnet’ und zugleich ‘nicht bezeichnet’, was diese ‘bezeichnen’ würden. Wie Bateson selbst sagt, sei dies auch als Kommunikation über etwas, das nicht ‘existiert’, ‘das es gar nicht gibt’, zu deuten. Die metakommunikative Rahmensetzung im Spiel stellt sich somit als ein auf multiple Weise Paradoxien erzeugendes Phänomen dar. Wie der Autor bei diesem aus seinem Verständnis tierlicher Metakommunikation erwachsenen Widerspruchsszenario noch von einem Ordnungsprinzip ausgehen kann, das Tieren bei ihrem Mitteilungsaustausch als Grundlage für eine Verständigung über ihr gemeinsames Spiel dienen soll, erschließt sich mir nicht. Wenngleich der Autor zuvor auf die Bedeutung eines ‘äußeren’ Rahmens für ‘geistige Prozesse’ verwies, greift er diesen Sachverhalt hier nicht explizit wieder auf. Dieser ‘äußere’ “Rahmen” deutet sich in seinen Ausführungen jedoch insofern an, als sich die in den (Hinter-)“Grund” eingeschlossenen Kampfhandlungen ihrerseits als von anderen möglichen Nicht- Spielhandlungen (innerhalb der Kategorie der Stimmungszeichen) unterschieden darstellen. Für die Abgrenzung der beobachteten Spielhandlungen erscheinen Bateson diese anderen folglich als irrelevant und somit außerhalb des ‘äußeren’, des ‘doppelten’ “Rahmens” verortet. Die Trennlinie(n), wie er sie durch den metakommunikativ errichteten Spiel-Rahmen gezogen sieht, lässt indes logisch betrachtet nicht zu, dass Tiere Spielhandlungen von anderen ‘simulierenden’ Handlungen wie z.B. der Drohung differenzieren können. Es wäre jedoch fatal, wenn dies im Tierreich so wäre, argumentiert doch auch Bateson schon, dass Drohverhalten einen Großteil dessen ausmache, was als Kampf zwischen Artgenossen erscheine. Genauer: jedem ‘eigentlichen’ Kampf, soll heißen: jeder Auseinandersetzung auf Leben und Tod, gehen Drohgebärden voraus, die dem anderen die eigene Kampfbereitschaft kundtun, ‘Überlegenheit’ demonstrieren und dem anderen signalisieren sollen, ‘einzulenken’ (sprich: in Abhängigkeit von dem Kontext also z.B. das übertretene Territorium zu verlassen, von einem paarungsbereiten Weibchen ‘abzulassen’ u.v.m.). Wüsste ein Tier dies nicht zu erkennen und würde es dies als Spiel missdeuten, hinge sein Leben an einem ‘seidenen Faden’. Für mich ist dies nur eines von vielen denkbaren Beispielen, die die Fragwürdigkeit der Thesen Batesons verdeutlichen helfen. Ich möchte an diesem Punkt ansetzen, um unter Einbeziehung ethologischer und tierpsychologischer Erkenntnisse meine eigenen Überlegungen seinen Annahmen in Bezug auf den tierlichen Mitteilungsbzw. Zeichenaustausch gegenüberzustellen. In Annäherung an den Zeichenbegriff lege ich vorab mit Bühler zugrunde, dass jede Wahrnehmung von Signalen bzw. Zeichen, die immer nur selektiv sein kann respektive der Vielfalt und Komplexität des Wahrnehmbaren, mit einer Sinnbzw. Bedeutungszuweisung einhergeht. Bühler erachtet diese Zuweisung und mithin ein ‘Verstehen’ der Tätigkeiten des anderen - wie auch, so möchte ich hinzufügen, der eigenen Handlungen und ihrer jeweiligen Konsequenzen - als konstitutiv für die wechselseitige zweckvolle Beeinflussung, Steuerung und Organisation von Verhaltensweisen, auf die jedes tierliche wie menschliche Gemeinschaftsleben angewiesen sei. Claudia Hausmann 48 Bateson fasst nun die so genannten Stimmungs-Zeichen als eine Kategorie von Mitteilungen bzw. sinnvollen Handlungen auf. ‘Stimmung’ setzt er dabei mit ‘physiologischem Prozess’ gleich, das Stimmungs-Zeichen mit einem äußerlich wahrnehmbaren Ereignis, das Teil dieses Prozesses sei. Einem ethologischen wie (tier-)psychologischen Verständnis gemäß meint dieser von ihm bevorzugte Begriff einen Drang oder Trieb, eine ‘Gefühlslage’ oder Motivation, Bereitschaft oder Tendenz, aus der heraus ein Lebewesen handelt. Diese Stimmung kann als durch die Grundbedürfnisse eines Tieres geleitet erachtet werden, zu denen im Wesentlichen Nahrungsaufnahme, Reproduktion, Bewegung und Wachstum zu zählen sind. Für die höher entwickelten (Säuge-)Tiere, auf die Bateson seine Aufmerksamkeit richtet, sind zudem enge soziale Bindungen (wie die zwischen Mutter und Kind) überlebensnotwendig. Solche, die sich in sozialen Kleingruppen oder größeren Verbänden organisieren, sind überdies auf die Sicherung des Zusammenhalts ihrer Lebensgemeinschaften angewiesen. Dass es zur Äußerung der eigenen Stimmung kommt, hängt dabei ethologischen Erkenntnissen entsprechend von internen wie externen Reizgegebenheiten gleichermaßen ab. D.h., zu den auslösenden Faktoren zählen nicht allein der innere Erregungszustand, die Ausschüttung von Hormonen, neurochemische und andere Prozesse, sondern ebenso die räumlich-zeitlichen wie sozialen Außenbzw. Umgebungsbedingungen, die diese Stimmungsäußerungen begünstigen, erfordern oder aber versagen. Wenn nun ein Lebewesen handelt, so tut es dies seiner Stimmung bzw. seinen Bedürfnissen entsprechend sinnvoll und im Sinne seiner Überlebenssicherung, die auf die Befriedigung dieser Bedürfnisse abzielt, entsprechend zweckhaft. Und es wird dazu die Verhaltensweisen innerhalb seines biologischen Repertoires zum Ausdruck bringen, die mit eben diesen Stimmungen und Orientierungen korrelieren. Diesem Sachverhalt gemäß können die zum Ausdruck kommenden Handlungen eines Individuums als Transformationen seines inneren Zustandes aufgefasst werden, somit als Zeichen, die etwas über seine Stimmung und seine Handlungsorientierung mitteilen. Sie sind im interaktiven Geschehen, das hier im Mittelpunkt des Interesses steht, an einen jeweils anderen (oder auch an mehrere) gerichtet, an dessen Aufmerksamkeit appelliert und der zu bestimmten Reaktionen bzw. Gemeinschaftsaktionen aufgerufen wird. In diesen Aspekten tierlicher Zeichen erkennt Bühler zwei der drei von ihm postulierten Grundfunktionen bzw. Sinndimensionen, die die Semantik im Tierreich mit der menschensprachlichen Bezeichnung gemein habe: die (Erlebnis-)”Kundgabe” bzw. der “Ausdruck” (verstanden als “Symptom” in Relation zum Sender) und die “Auslösung” bzw. der “Appell” (verstanden als “Signal” in Relation zum Empfänger). Nimmt das angesprochene die (als Symptom wie auch Signal wirksamen) Zeichen des aussendenden Tieres wahr, deutet sie und reagiert in dessen Sinne, kann der von Bühler genannte Prozess wechselseitiger zweckvoller Beeinflussung und Verhaltenssteuerung einsetzen. Dem Gesagten entsprechend stellen sich Stimmungs-Zeichen weniger als eine Kategorie denn als Bestandteil bzw. Aspekt jeder Mitteilung dar. Im Zusammenhang mit Stimmungs-Zeichen spricht Bateson von ‘unwillkürlichen’ Signalen und automatischen Reaktionen. Ethologisch betrachtet ist darunter die Steuerung von Handlungseinheiten durch Stimulus-Response-Schemata (kurz: S-R-S) zu verstehen. Sprechen die in interaktiven Abläufen ausgetauschten Signale solche S-R-S in den Tieren an, erfolgt eine diesen Schemata gemäße automatische und eindeutige Bedeutungsbzw. Sinnzuweisung, und es werden ebenso automatische Reaktionen evoziert (Paradebeispiel solcher schematischer Handlungsabläufe ist der Stichlingstanz). Ist dies nicht der Fall, tritt offenkundig das Moment hinzu, das Bateson ‘Erkennen’ nennt. Wechselseitiges ‘Verstehen’ wird dabei nicht länger instinktiv geregelt bzw. gesteuert, sondern es setzen Differenzierungsprozesse ein, die sowohl die Wahrnehmung und Deutung als auch die Äußerung von Verhal- Die tierliche Mitteilung “Dies ist ein Spiel” 49 tensweisen betreffen. Um die aktuellen Zeichen (bzw. Symptome und Signale) des jeweils anderen ein- und zuzuordnen und adäquate Reaktionen ermessen zu können, werden Tiere - so nehme ich an - auf ihre bisherigen (Interaktions-)Erfahrungen in ihrem jeweiligen sozialen Lebensumfeld bzw. Habitat zurückgreifen. Dabei kann wiederholte Erfahrung - z.B. innerhalb des Kontextes “Spiel” - dazu führen, dass Tiere bei bestimmten Reizgegebenheiten neue Automatismen entwickeln, d.h. entweder angeborene Mechanismen modifizieren oder völlig neue S-R-Verknüpfungen erstellen, die jedoch nur so lange gültig sind, bis neue Lernerfahrungen Abänderungen erforderlich machen. Die Ethologie geht entsprechend davon aus, dass Tiere über Verhaltensspektren wie auch Wissensvorräte verfügen, die sich aus ‘instinktiven’ und ‘erkennenden’, angeborenen und erlernten Anteilen zusammensetzen. In ihrer arttypisch unterschiedlichen Gewichtung kennzeichnen sie die Stellung des Tieres in der Darwinschen ‘great chain of being’. Tierliche Interaktionsabläufe - seien sie nun dem Kampf, der Paarung, Jagd oder dem Spiel u.v.m. zuzurechnen - können folglich als solche gedacht werden, in denen automatisierte wie differenzierte Verhaltensweisen Hand in Hand gehen. Ich erachte dies als weiteres Indiz für die Unhaltbarkeit der von Bateson konstatierten Trennungslinie im Spiel. Als zweite Mitteilungskategorie im Tierreich vermeint Bateson ‘simulierende Handlungen’ ausgemacht zu haben, mit denen sich die dritte Kategorie der ‘logisch höheren’ bzw. ‘abstrakteren’ Metakommunikationen als untrennbar verknüpft darstellte. Der Ausgangspunkt seiner Argumentationsführung, i.e., dass sich Ähnlichkeit von Verhaltensweisen und mithin die Verhaltenskategorie des tierlichen Spiels mit dem Simulationsbegriff fassen ließe, wird meines Erachtens dabei weder der Komplexität tierlichen Verhaltens noch dem anzunehmenden Sinn und Zweck besagter Phänomene gerecht. So gebe ich zu bedenken, dass das Verhaltensrepertoire jedes (menschlichen wie tierlichen) Lebewesens schon allein durch seinen biologischen Bauplan begrenzt ist. Einander ähnlich erscheinende Symptome und Signale resultieren somit zwangsläufig aus den solchermaßen bedingten Grenzen der eigenen Ausdrucksmöglichkeiten, und nur das Gesamt der vermittelten Zeichen im jeweiligen sozialen Kontext kann folglich Aufschluss über die Bedeutung einer Handlung geben. Um einmal den von Bateson thematisierten “Biss” zur Erläuterung aufzugreifen, so können diverse interaktive Handlungen in ebenso diversen Zusammenhängen beobachtet werden, die in irgendeiner Form Verhaltenseinheiten enthalten, die als “Biss” beschreibbar wären, jedoch offensichtlich unterschiedliche Funktionen erfüllen und somit jeweils anderer Interpretationen bedürfen: ‘Beißt’ z.B. ein Löwe einer Löwin in den Nacken und dies - so möchte ich im Sinne Batesons sagen - im ‘Rahmen’ einer Interaktionsfolge, die wir als ‘Werbung’ und/ oder ‘Paarung’ bezeichnen würden, so wird dieser “Biss” (ob nun aus unserer Sicht oder der der Beteiligten) eher im Sinne einer ‘sexuellen Stimulation’ denn als Kampfhandlung gemeint und gedeutet worden sein. Ein “Biss” kann auch als Zurechtweisung ausgelegt werden, als Mittel, das Tiere einsetzen, um ihre Stellung zu behaupten und die soziale Struktur innerhalb der Gruppe aufrecht zu erhalten, so z.B. wenn ein ranghöherer Schimpanse einen rangniederen ‘beißt’, der sich vor ihm bei der Nahrungsverteilung ‘bedient’. ‘Beißen’ sich z.B. Zebras gegenseitig in Hals oder Kruppe, so können diese “Bisse” Teil einer kämpferischen Interaktionsfolge sein, sich jedoch ebenso in einem Rahmen ‘abspielen’, der der Fellpflege und Beziehungsstärkung zuzuordnen - und entsprechend als ‘Beknabbern’ o.ä. zu interpretieren - wäre. Aus den Umgebungsbedingungen, vorausgegangenen und folgenden Handlungen, der (an den wechselseitigen Reaktionen ablesbaren) Intensität der ausgetauschten “Bisse” etc. werden die Interaktanten (wie auch die Beobachter) die jeweilige Bedeutung erschließen können, werden sie ‘wissen’, ob ein Verhalten ‘freund- Claudia Hausmann 50 lich’ oder ‘feindlich’ gemeint ist etc. Bateson gemäß müsste es sich bei diesen (und allen weiteren denkbaren) Erscheinungsformen um Simulationen des Kampf-Bisses, folglich um Spiel, Drohung oder Täuschung handeln. Hinsichtlich der genannten Beispiele stellt sich dies jedoch als unangemessen dar und zeigt einmal mehr die Defizite der Thesen Batesons auf. Es steht indes außer Frage, dass simulierendes Verhalten bei Tieren auftritt. Die weit verbreiteten Phänomene von Mimikry und Mimese und in dem Zusammenhang auch die von Bateson erwähnte “Täuschung” sind Beispiele dafür. Sie haben das Element des ‘Fingierens’ gemein und bedürften einer eigenen ethologischen Betrachtung und Analyse. Demgegenüber verstanden als ein Nachahmen des Verhaltens der Mutter oder anderer Artgenossen innerhalb einer Gemeinschaft stellt es im Bereich der maßgeblich auf Lernen und Erfahrung angewiesenen Säugetiere eine der möglichen Arten dar, auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben werden. Das Waschen der Nahrung unter Makaken oder der Werkzeuggebrauch unter Schimpansen (sie nutzen Steine als ‘Hammer und Amboss’, um Nüsse zu zerschlagen, Halme, um Termiten aus Baumstämmen zu angeln u.v.m.) sind Beispiele für Verhaltensweisen, die ein Tier durch Beobachtung und Nachahmung des Verhaltens eines Artgenossen erwirbt (und entsprechend weitergibt). Auch für die Jagd im Gruppenverband z.B. unter Löwinnen liegt es nahe anzunehmen, dass das zum ersten Mal daran beteiligte Tier am Verhalten der anderen lernt. Wiederholte Erfahrung wird dabei nicht nur seine Fertigkeiten schulen, sondern es auch seine ‘Rolle’ an der Gemeinschaftsleistung ‘erkennen’ lassen. Bei einer Vielzahl anderer zu erlernender Verhaltensweisen spielt Nachahmung - wenn überhaupt - eine untergeordnete Rolle. So kann die Anregung der Mutter, es ihr nachzutun, z.B. (wie schon in Brehms Tierleben beschrieben) ein Bärenjunges zum Erklettern eines Baumes bewegen, das dem Schutz vor Feinden und Angreifern dient. Doch auch unabhängig vom Beispiel der Mutter können Kletterversuche bei Jungtieren beobachtet werden. Das Gleiche lässt sich für interaktive Fähigkeiten wie der zu ‘kämpfen’ und vieler anderer für das Überleben notwendiger Verhaltensweisen, zu denen Säugetiere nicht von Geburt an in der Lage sind, konstatieren. D.h., auch ohne dass andere es ‘vormachen’, auch ohne dass Jungtiere ‘Kampf’ zuvor bei Artgenossen beobachtet und/ oder selbst in der Interaktion mit anderen erlebt haben, treten z.B. an ‘kämpferisches’ Verhalten erinnernde ‘spielerische’ Aktivitäten auf. Tiere besitzen folglich - neben der jeweils dazu notwendigen physiologischen Ausstattung sowie Lernfähigkeit - eine gewissermaßen ‘instinktive Neigung’, überlebenssicherndes Verhalten zu äußern. D.h., durch ihre jeweilige Stimmung motiviert und durch Außenreize angeregt suchen sie die Auseinandersetzung mit ihrer (sozialen) Umwelt. Ethologen und Tierpsychologen wie Hediger sprechen diesbezüglich auch von einem (angeborenen) Neugierbzw. Erkundungsverhalten, für das sie eine enge Beziehung zum Spielverhalten gegeben sehen. Das Spiel nun stellt sich als ein Lebensphänomen dar, das Tieren einen Rahmen bietet, ihre (instinktgeleiteten) Bedürfnisse und Neigungen mit dem jeweils anderen auszuleben, die eigenen Stärken und Grenzen zu erfahren und dabei - ihrer genetischen Disposition entsprechend - die Verhaltensweisen zu erlernen, die sie im Ernstfall zum Überleben benötigen. Hediger schreibt dieser Verhaltenskategorie entsprechend Lehrcharakter zu, da sie als Vorübung von adulten Verhaltensweisen begriffen werden könne. Er konstatiert zudem nicht nur eine Verbindung zum genannten Neugierbzw. Erkundungsverhalten, sondern sogar zum Spaß oder Humor. Als Voraussetzung für das Auftreten des Spiels nennt er eine ‘entspannte Lebenssituation’, die Feindfreiheit, Nahrungssicherung und Schutz durch die Eltern oder andere Mitglieder des sozialen Verbandes einschließen. Beim Tier selbst geht er - in genann- Die tierliche Mitteilung “Dies ist ein Spiel” 51 tem Sinne - von einer bestimmten Stimmung bzw. einem ‘Energieüberschuss’ aus, aus der bzw. aus dem innerhalb des ‘Geborgenheits-Kontextes’ eine spontane Äußerung resultiere. Für diese Äußerung in einem solchen Kontext kann (anzunehmenden instinktgeleiteten Schutzmechanismen entsprechend) vorausgesetzt werden, dass sie nicht auf eine (ernsthafte) Verletzung des Interaktionspartners ausgerichtet ist. Wenn also bei einem Tier solch ein (lustgeleiteter) ‘Bewegungsdrang’ (es ist dabei auch von einem ‘Spieltrieb’ die Rede) vorliegt und es die Umgebungsbedingungen als geeignet ‘erkennt’, dann wird es Verhaltensweisen zum Ausdruck bringen, die dem jeweils anderen eben diese (‘Ich will spielen’-)Stimmung und (‘Spiel mit mir’-)Handlungsorientierung kundtun, und der jeweils andere wird sie demgemäß wahrnehmen und zu deuten wissen. Ich nehme somit an, dass im tierlichen Spiel ein stimmungsgeleitetes und situationsabhängiges Ausleben von Verhaltensweisen wie auch ein Erproben und Erlernen von Fähigkeiten und Fertigkeiten neben dem offensichtlichen Lustgewinn im Vordergrund steht. Dies lässt den Schluss zu, dass es dabei nicht um ein ‘Als ob’ geht und Tiere sich dementsprechend auch nicht in der vom Autor postulierten widersprüchlichen Weise Simulation signalisieren. Das Spiel der Tiere kann demgemäß auch nicht als Menge simulierender Mitteilungen - und noch enger gefasst: als simulierte Kampfhandlungen - definiert werden. Es ist mir dabei ein Rätsel, wie der Ethologe Bateson seine These(n) z.B. hinsichtlich der von ihm beobachteten spielenden Fischotter für angemessen halten konnte. Ich behaupte demgegenüber: Kampf ist kein ‘Thema’ im Spiel, sondern - so profan sich das anhören mag - das Spielen selbst. Dass in den tierlichen Spielhandlungen und den damit einhergehenden Zeichenprozessen auf etwas außerhalb des unmittelbaren gemeinsamen Interaktionsraumes verwiesen und dieses ‘andere’ (i.e. der “Biss”) in vorsprachlicher (quasi ‘analog codierter’) Form ‘dargestellt’ wird, erachte ich somit als unbegründet. Vielmehr tauschen Tiere - wie gesagt - im Bühlerschen Sinne als Symptome wie auch Signale wirksame Zeichen aus. Ihr Spiel lässt sich folglich nicht als ein maßgeblicher Schritt in der Evolution sprachlicher Kommunikation, nicht als Vorstufe zur Symbolfunktion der Zeichen verifizieren. Vielmehr ist es als eine Begleitbzw. Parallelerscheinung zur Entwicklung der tierlichen Lernfähigkeit zu begreifen, die wiederum in einer eigens zu klärenden Beziehung zur Entwicklung ‘komplexerer Kommunikation’ steht. Damit verneine ich nicht, dass es so etwas wie eine “Darstellungsfunktion” der Laute, Gebärden und sonstigen Ausdrucksmittel im Tierreich geben kann - und gibt. Schon Bühler selbst hielt dies - mit Blick auf die symbolhafte Kommunikation staatenbildender Insekten - nicht für ausgeschlossen. So kämen die ‘Bienensprache’, wie sie von Frisch untersucht hat, und auch die komplexen Duft- und Klopfzeichen der Ameisen dem Menschlichen sehr nahe. Sie erfüllten jedoch nicht die für eine symbolische Darstellung notwendigen Kriterien der ‘Entstofflichung’ bzw. ‘Selbsterzeugung’ der Zeichen und zugleich eine prinzipielle ‘Ablösbarkeit’ von den Dingen und ihren Eigenschaften (was letztlich, wären sie in Betracht zu ziehen, auch für Batesons Bezeichnungsformen im Spiel zuträfe). Bereits in den 1960er Jahren - nicht lange nach der Veröffentlichung der TSP - ließen jedoch schon die von Struhsaker untersuchten Warnrufe der Grünen Meerkatzen auf eine Bestätigung der Annahme Bühlers schließen. Auch die gebärdenreiche Kommunikation z.B. unter Schimpansen, wie sie von Goodall u.a. beobachtet wurde, bietet Vergleichsmöglichkeiten mit der menschensprachlichen Bezeichnung. Es würde hier zu weit führen, näher auf diese Sachverhalte einzugehen. Was ich jedoch festhalten möchte ist, dass (zumindest Vorstufen von) Symbolfunktionen in den Zeichen der Tiere ausgemacht werden können, und eine Erforschung ihrer Kommuni- Claudia Hausmann 52 kation durchaus Möglichkeiten zum Rückschluss auf die Evolution der (menschlichen) Sprache zu bieten vermag. Gemessen an dem, was wir noch nicht zu entschlüsseln in der Lage waren, bietet die tierliche Kommunikation ein reiches Forschungspotential in dieser Richtung. Das Spiel, wie es Bateson beobachtet hat, und die Schlussfolgerungen, die er daraus zieht, sind jedoch der falsche Ansatz für einen Nachweis (vor-)symbolischer Kommunikation im Tierreich. Dem Gesagten entsprechend können auch die von Bateson festgestellten Differenzierungsleistungen der Tiere nicht in der von ihm angenommenen Weise gefasst werden. Tiere ‘erkennen’ die Signale des anderen nicht (allein) aufgrund deren vermeintlicher Referenz auf ‘externe’ Sachverhalte (was Bateson dazu veranlasst, die Korzybskische Karte-Territorium- Relation ins Feld zu führen). Es ist mir sehr wohl bewusst, dass es sich bei der Frage, in welcher Form Tiere (und letztlich auch wir selbst) Ereignisse wahrnehmen, ihnen Bedeutung zuweisen und Gelerntes und Erlebtes speichern, um fraglos hochkomplexe Sachverhalte handelt, und ich maße mir keinesfalls an, hinreichende Antworten liefern zu können. Es ist jedoch Bateson selbst, der bereits in seiner CSMP - und schon dort unter Verwendung des Begriffs der “Gestalt” bzw. der “Gestalt label” - einen Erklärungsansatz dazu bietet, dessen ich mich hier in gebotener Kürze bedienen möchte. So stellte er a.a.O. fest, dass Individuen formale Relationen, Beziehungen zwischen Objekten und Ereignissen im jeweiligen Kontext ihres Auftretens und damit strukturelle Zusammenhänge erkennen würden. Wie er es auch in der TSP zur Illustration seines Rahmenbegriffs erläutert, werden diese “Gestalten” dabei vom “Grund” getrennt, Sachverhalte von anderen mittels wahrgenommener Unterschiede und Veränderungen abgegrenzt, und auch - so möchte ich ergänzen - aufgrund einer relativen Konstanz (und entsprechend begrenzten Varianz) in ihren Eigenschaften wiedererkannt. Individuen kategorisierten, evaluierten und codierten ihre Erlebnisse in zahlreichen solcher “Gestalt label”, und im Moment der Wahrnehmung und Aktion wendeten sie diese entsprechend auf die gegebene Reihe oder Menge an Objekten oder Ereignissen an. Vergangene Interaktionserfahrungen führten dabei zur Herausbildung von Prämissen hinsichtlich einer Gestaltmarkierung aktueller Geschehnisse und ermöglichten eine Verknüpfung mit dem, was nach ihnen zu erwarten stehe. In solchermaßen identifizierten (Handlungs-)Strukturen vermögen Individuen auch die innerhalb ihres sozialen Miteinanders geltenden Regeln auszumachen sowie die Rollen und Funktionen der Beteiligten zu spezifizieren. “Gestalt label” stellten sich für Bateson demzufolge als interne Reflektionen bzw. Vorstellungsbilder dar, die externe Ereignisse (symbolisch, ‘zeichenhaft’) repräsentierten, ‘übersetzten’ und Erfahrungen systematisierten, die einem Individuum wiederum als Wissensvorrat und Referenzgrundlage zur Verfügung stünden. Was Bateson demnach zuvor mit dem Gestaltbegriff als intrapersonales Ordnungsprinzip zu fassen suchte, kann aus meiner Sicht als Vorarbeit und Grundlage für das Ordnungsprinzip begriffen werden, das er für zwischenmenschliche wie -tierliche Interaktionen als Rahmen diskutiert. Auf der Grundlage von Analogie und Homologie nehme ich bezüglich des Gesagten an, dass ebenso diverse nicht-menschliche Arten - wie auch immer ‘geartete’ - Ordnungsprinzipien herausbilden, die es ihren Vertretern ermöglichen, sich jenseits genetischer Reglementierungen in ihrer (sozialen) Welt zurechtzufinden. Ich gehe ferner davon aus, dass die Wissensvorräte und die darin verfügbaren Ordnungsprinzipien, Kategorien, Gestalt label oder wie immer man sie nennen mag, von sozial lebenden Artgenossen aufgrund ihrer gemeinsamen Erfahrungswelt wohl individuell geprägt, jedoch ähnlich sind und entsprechend relative Übereinstimmungen aufweisen. Ebenso ähnlich sind sich ihre Verhaltensweisen, die Die tierliche Mitteilung “Dies ist ein Spiel” 53 sie ihrem angeboren wie durch Lernen erweiterten Verhaltens- und damit Zeichenbzw. Signalrepertoire entsprechend zum Ausdruck bringen. Im Sinne eines gewissermaßen gemeinsamen Wissens und Könnens stellt sich diese Ähnlichkeit bzw. relative Übereinstimmung als Voraussetzung für ein wechselseitiges Verstehen dar. Nur wenn interagierende Tiere vergleichbare Verhaltensweisen bzw. Signale verwenden, um eine bestimmte Stimmung, Orientierung und Erwartung zu äußern und bestimmte Wirkungen zu erzielen, nur wenn sie über vergleichbare Wissensvorräte verfügen, mit deren Hilfe sie die wechselseitig wahrgenommenen Signale und Wirkungen kategorisieren, strukturelle Zusammenhänge erkennen und deuten, können sie verstehen, was der jeweils andere zum Ausdruck bringt und bei seinem Interaktionspartner bewirken will. Eine solche Art von Konsens ist für unsere (menschliche) Kommunikation eine nicht minder unabdingbare Voraussetzung für eine Verständigung - ob nun im nonverbalen oder verbalen Bereich. Die von mir hier angestellten Überlegungen erlauben es mir nun, von folgenden Annahmen hinsichtlich der von Bateson beobachteten tierlichen Spiel-Handlungen auszugehen: ‘Beißt’ ein junger Affe einen anderen - und ich setze hier mit Blick auf meine Ausführungen voraus, dass bei ihm eine ‘Spiellust’ vorliegt, er diese mit entsprechenden Verhaltensweisen ausdrücken und den anderen zu einer Gemeinschaftsaktion auffordern ‘will’ -, so wird dieser andere ein (nach dem Muster Batesons vorstellbares) ordnendes und organisierendes Vorstellungsbild davon haben bzw. herausbilden, was ihm im Hier und Jetzt des Miteinanders signalisiert wird. Die Intensität des “Bisses”, die begleitenden lautlichen wie kinesischen Äußerungen, die Lebenssituation, in der sie sich befinden, die ggf. vorausgegangenen Interaktionshandlungen usw. werden diesem anderen die Daten für einen Abgleich mit seinem Wissensvorrat bieten, werden ihn auf die Erwartungen seines Artgenossen, die für die anstehende Interaktion geltenden Prämissen schließen lassen etc. D.h., er wird in diesem Sinne ‘erkennen’ können - und zu differenzieren wissen -, was die ausgesendeten Symbole und Signale (und mithin die Verhaltenseinheit “Biss”) in ihrem strukturellen Zusammenhang zum Ausdruck bringen, ‘bedeuten’ und bezwecken. Es können nun von seiner Seite aus Reaktionen (die immer auch zugleich als Aktionen wirken) erwartet werden, die seiner Sinnzuweisung wie auch seiner eigenen Stimmung entsprechen. Lässt er sich auf das Angebot seines Artgenossen ein, (re-)agiert er also für sein Gegenüber erwartungsgemäß, wird sich folglich eine als Spiel kategorisierbare Handlungsfolge entwickeln. Es kann demgemäß von einem ‘Einverständnis’, einer ‘relativen Übereinstimmung’ oder auch einem ‘Konsens’ respektive der Ereignis-Wahrnehmung, -Deutung, der Stimmung der Beteiligten usf. ausgegangen werden. Es ließe sich hier auch mit Bateson sagen, dass die Tiere einen Spiel-Rahmen konstituieren. Und dieser wird so lange unter den wechselseitig anerkannten Prämissen bestehen, bis Stimmung und/ oder Lebenssituation eine Neuorientierung bewirken und zu einer Änderung im Interaktionsverlauf führen. Weicht nun das Verhalten eines Tieres von den Erwartungen seines Interaktionspartners ab, so kann dies heißen, dass es z.B. keine ‘Lust’ (mehr) hat zu spielen und dem anderen seine divergierende Stimmung und Orientierung kundtut, indem es sich beispielsweise abwendet, den gemeinsamen Handlungsraum verlässt o.ä. Korrigiert sein Partner daraufhin seine Verhaltensweisen, wendet sich also z.B. seinerseits ab, so lässt dies auf ein entsprechendes ‘Erkennen’ der signalisierten ‘Unlust’ schließen. Auch für diesen Fall einer nicht zustande kommenden spielerischen Interaktion (bzw. deren Beendigung) wäre somit eine ‘Überein- Claudia Hausmann 54 stimmung’ feststellbar. Sie hätte allerdings zur Folge, dass kein Spiel-Rahmen errichtet (bzw. ein bestehender Spiel-Rahmen aufgelöst) würde. Unerwartete (Re-)Aktionen können jedoch ebenfalls darauf hinweisen, dass ein Tier die Handlungen des anderen ‘missverstanden’ bzw. abweichend vom anderen interpretiert hat. Diskrepante Erfahrungswerte, die durch den angeborenen Anteil des Wissens nicht ausgeglichen werden können, sind hier als Ursache vorstellbar. Eine weitere wäre an der denkbaren ‘Uneindeutigkeit’ bzw. Widersprüchlichkeit der ausgesendeten Signale festzumachen. So wird eine wahrgenommene, ganzheitliche Handlung für ein Tier z.B. dann schwerlich kategorisierbar sein, wenn sich ihm ein anderes ‘spiellustig’ in ‘entspannter’ Umgebung nähert, ‘freundliche’ Laute dabei äußert, es dann jedoch ‘zu fest beißt’ u.ä. In solchen Fällen würde es meines Erachtens Sinn machen, von einer klassischen Antinomie zu sprechen, verstanden als (zwei) ‘Wahrheit’ beanspruchende ‘Aussagen’, die einander negieren. Das ‘gebissene’ Tier wird folglich nicht klar unterscheiden können, ob das andere ‘Spiel’ oder ‘Kampf’ meint; es ist jedoch anzunehmen, dass es dem empfundenen Schmerz (als Primärreiz) Ausdruck verleihen wird. Löst dieser Reiz bei ihm eine (automatische) Flucht- oder aber Verteidigungs- und somit Kampfhandlung aus, droht die augenscheinlich intendierte Handlung in ihr Gegenteil ‘umzuschlagen’. ‘Misslingende Verständigung’ wäre in diesem Zusammenhang die unausweichliche Folge. Die unerwartete Reaktion des ‘gebissenen’ vermag dem ‘beißenden’ Tier indes Aufschluss darüber geben, wie fest ein “Biss” sein darf, damit seine Handlungen als Spiel-Handlungen vom anderen verstanden werden. Ergreift es (für den anderen wahrnehmbare) korrektive Maßnahmen, so ließen diese auf ein Erkennen des Sachverhalts und den angesprochenen Lerneffekt schließen. Seinem Gegenüber mögen die korrigierten Zeichen ‘Klarheit’ über die ‘gemeinte’ Handlung verschaffen und so zu einer denkbaren Lösung des Konflikts führen usw. usf. Wie schon beim (wechselseitigen) tierlichen Verhalten handelt es sich also offensichtlich auch beim tierlichen ‘Erkennen’ um ein sehr viel komplexeres und differenzierteres Phänomen, als Bateson dies in seiner TSP zugrunde legt. Meine Ausführungen und mein (versuchtes) Anvisieren realer Abläufe machen zudem deutlich, dass die vor allem als Symptome und Signale wirksamen tierlichen Zeichen und die Art und Weise ihrer wechselseitigen Vermittlung im realen Interaktionsgeschehen eine untrennbare Einheit bilden und die jeweiligen Sinnzuweisungen von den kontextuellen Bedingungen wie auch von den (angeborenen und erlernten) Wissensvorräten der Beteiligten abhängen. Vor dem Hintergrund der von mir angedeuteten Vielzahl an zu berücksichtigenden Faktoren erschließen sich Tiere die Ereignisse in ihrer sozialen Welt ergo - ganz im Sinne des ‘Kybernetikers’ Bateson - aus dem strukturellen Zusammenhang (, den ich möglichen Detailwahrnehmungen als vorangestellt bzw. vorausgehend annehmen möchte). Tiere produzieren einander ähnliche Verhaltensweisen und sie simulieren bzw. ahmen Verhalten nach; es ist denkbar, dass sie sich ‘symbolhaft’ über Sachverhalte verständigen, und möglich, ein (wie Bateson es als Vorform der Negation interpretiert hat) ‘Nicht-Tun’ aus dem willkürlichen Ausbleiben ihrer Handlungen - wie in der beispielhaft angeführten ‘unerwarteten Reaktion’ auf ein ‘Spielangebot’ skizziert - abzulesen. Ich habe jedoch Gründe dafür vorgelegt, dass ihre Spielhandlungen nicht - gewissermaßen in Kombination dieser Aspekte - zu dem werden, was sie sind, indem sie negieren, was sie darstellten. Tierliche Spiel- Handlungen können weder als Simulation noch als (vor-)symbolische Kampf-Darstellung begriffen werden. Und Tiere erkennen und differenzieren Zeichen nicht (allein) aufgrund ihrer Die tierliche Mitteilung “Dies ist ein Spiel” 55 ‘symbolhaften’ Funktion als Zeichen. Bateson stützt somit die gesamte Entwicklung seiner Hypothese auf fehlerhafte Voraussetzungen. Durch eben diese fehlerhaften Voraussetzungen sieht er den Nachweis für Metakommunikationen wie der Mitteilung “DieS” im Tierreich gegeben, deren Auftreten er wiederum - als Ausgangspunkt seiner Theorie - der Existenz des Phänomens ‘Spiel’ zugrunde gelegt hat. Respektive der von mir vorgebrachten Gegenargumente und beispielhaften Erörterungen kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass Tiere sich - im Sinne des griechischen ‘meta’ - ‘jenseits’ von ihren Interaktionen in einer ‘irgendwie’ eigenständigen, separierbaren, noch dazu ‘abstrakteren’ Mitteilungsart darüber austauschen, ob ihre Handlungen ‘freundlich’ oder ‘feindlich’, spielerisch oder kämpferisch usw. gemeint und zu verstehen sind. In der Wirklichkeit ihrer kommunikativen Prozesse geht es dabei - wie gesagt - um eine Vielzahl an sich wechselseitig beeinflussenden Faktoren, aus denen sie sich die Bedeutung der Zeichen erschließen und sich darüber verständigen. Dabei bilden die unterschiedlichen Zeichen plus Kontextualität plus Wissen der Beteiligten usw. eine umfassende Matrix. Die Trennung von Zeichen mag zum Zweck bestimmter Erörterungen statthaft sein. Batesons Trennung, seine “triadische Konstellation” der automatischen, simulierenden und metakommunikativen Mitteilungszeichen, erweist sich jedoch als unzutreffend und unzureichend zur Erfassung der realen und hochkomplexen Abläufe im tierlichen Miteinander, und gleichermaßen sind seine Erörterungen zu bewerten. Schon für den Bereich bewusster ‘menschensprachlicher’ Kommunikation bietet sein Begriff der Metakommunikation in vielerlei Hinsicht Anlass zu Kritik, die an anderer Stelle genauer zu üben wäre. Grundsätzlich ist jedoch festzuhalten, dass Batesons Definition selbst nicht widerspruchsfrei ist. Der Autor war sich dessen bewusst - er wies, wie gesagt, selbst darauf hin, dass die Beschäftigung mit Metakommunikation zu Paradoxien führen müsse -, sah sich allerdings nicht zu einer Korrektur veranlasst. Es ist somit nicht verwunderlich, dass mit seiner quasi Eins-zu-eins-Übertragung der (vermeintlich) unterschiedlichen Abstraktionsebenen sprachlicher auf den Bereich (vornehmlich) ‘unbewusster’ und ‘nonverbaler’ Kommunikation das Problem der Russellschen Antinomien erneut auftaucht. Par conséquent stellen sich mir die von ihm postulierten Paradoxien der Abstraktion in tierlicher (Meta-)Kommunikation vielmehr als das zwangsläufige Resultat ungenauer theoretischer Grundlagen und unangemessener ‘Erkenntnisse’ aus der Praxis dar denn als kommunikations-immanente Erscheinungen im Tierreich. Wie in meinen skizzierten Beispielen ersichtlich, schließe ich damit nicht das Auftreten von Widersprüchen im tierlichen Mitteilungsaustausch aus. Ich habe jedoch beispielhaft angedeutet, dass widersprüchliche Zeichen eine ‘Unentscheidbarkeit’ mit sich bringen. Tiere, die sich mit ihnen konfrontiert sehen, können folglich nicht ‘erkennen’, nicht ‘verstehen’, was gemeint ist. Damit ist der Grundstein für Konflikte gelegt, die, bleiben im oben beschriebenen Sinne korrektive Maßnahmen aus, folgenschwere Konsequenzen haben können. Wechselseitiges ‘Verstehen’ wie auch eine ‘Verständigung’ über das Miteinander - ob es dabei nun zu Spiel- oder anderen Handlungen kommt oder auch nicht - setzt aus meiner Sicht demnach unabdingbar voraus, dass die ausgetauschten Zeichen im Kontext ihres Auftretens für die Beteiligten ‘entscheidbar’ sind, also in irgendeiner Form bestehendem (und zwischen den Interaktanten relativ übereinstimmendem) ‘Wissen’ zugeordnet und entsprechend gedeutet werden können. Ungleich schwerer als klassische Antinomien sind für mich dabei solche des Russellschen Typs im Tierreich vorstellbar, denn dies wirft die Frage nach der Anwendbarkeit des Begriffs Claudia Hausmann 56 der Metakommunikation auf tierliche Kommunikation auf. Hinsichtlich der weitreichenden Auseinandersetzung, die für eine adäquate Beantwortung erforderlich wäre, hier jedoch ebenfalls nicht geleistet werden kann, möchte ich dazu nur einen mir wesentlich erscheinenden Grundgedanken zur Diskussion stellen. So wäre meines Erachtens nur ein Mitteilungsaustausch in seiner Ganzheitlichkeit, der einen (nachfolgenden oder vorausgehenden) (Mitteilungs-)Zusammenhang bzw. Sachverhalt in wiederum dessen Ganzheitlichkeit thematisiert bzw. kommentiert, als metakommunikativ beschreibbar. Damit wende ich mich - meinen Ausführungen gemäß - explizit gegen Batesons Auffassung, es gebe so etwas wie eine einzelne, separierbare metakommunikative Mitteilungsart oder auch, wie er in CSMP sagt, metakommunikative, den anderen ‘übergeordnete’ Aspekte in jeder Mitteilung (welche Parameter auch immer für deren Anfang und Ende gelten mögen), mittels derer Beziehungs- und Selbstdefinitionen wie auch Verstehensanweisungen erfolgten usf. Ich gehe indes insofern mit ihm konform, als ich hinsichtlich des tierlichen Verhaltens die beschriebene Konstituierung eines Rahmens, im Speziellen des Spiel-Rahmens, für metakommunikativ etikettierbar halte. Aber: Meine Voraussetzungen sind gänzlich andere und ich verstehe Metakommunikation - wie Bateson sie als “DieS” verbalisiert - dabei wie gesagt als das Gesamt der Einheit von (zeichenhafter) Aktion und Reaktion, die respektive aller skizzierten Einflussfaktoren zu einem Einvernehmen hinsichtlich nachfolgender (Varianten von) Verhaltensweisen und geltender Regeln und Rollen führen. Die solchermaßen initiierten Interaktionsfolgen - und die damit einhergehenden kommunikativen Mitteilungen - werden folglich nicht nach den Vorgaben Batesons mit jeder Mitteilung metakommunikativ aufs Neue verhandelt und ‘gerahmt’, sondern vielmehr so lange ‘einvernehmlich’ ablaufen, bis im beschriebenen Sinne eine Neuorientierung und Verhaltensänderungen seitens der Tiere erfolgen. Und dieser Zeichenaustausch in seiner Ganzheitlichkeit wiederum, mit dem die Interaktanten sich die Auflösung des Rahmens signalisieren - und ihn damit quasi komplettieren -, wäre ebenso als Metakommunikation - verbalisierbar als ein “Das Spiel ist zu Ende” - zu fassen. Gesetzt den Fall, es würden nunmehr innerhalb eines einmal gesetzten Rahmens dem solchermaßen kategorisierten Verhalten widersprechende Mitteilungen ausgetauscht, dann - und ich denke ‘nur dann’ - lägen kontradiktorische ‘Aussagen’ auf unterschiedlichen Ebenen vor. Der anzunehmende Effekt indes bleibt für die Beteiligten derselbe: Es drohen Konflikte aufgrund der ‘Unentscheidbarkeit’ der Zeichen. Erfolgen in diesen Zusammenhängen ‘korrektive Maßnahmen’ eines beteiligten Tieres - ein signalisiertes “Nicht-so-gemeint-Sein” bzw. “Ich meine etwas anderes” - und werden diese vom anderen als solche ‘erkannt’ und angenommen, so wäre, in logischer Folge meiner Annahmen, dieser Austausch in seiner Ganzheitlichkeit ebenfalls metakommunikativ in Bezug auf die vorangegangenen Interaktionen. Die Tiere würden dementsprechend einen neuen Rahmen etablieren. Laut Bateson müssen nun - und dies ist die Quintessenz seiner Theorie - in solchen Kommunikationsabläufen notwendig “Paradoxien der Abstraktion” auftreten, die er entsprechend als Entwicklungsphänomene von Kommunikation bewertet. Er macht sie damit zu Indikatoren für (und unabdingbaren Bestandteilen von) ‘komplexerer’ Kommunikation. Die Deklaration dieser zentralen These, mit der er seine TSP beschließt, ist die logische Folge seines Argumentationsaufbaus. Er hat dazu die Entwicklung bzw. Entwicklungsgeschichte der Paradoxien am Beispiel des tierlichen Mitteilungsaustausches im Spiel zu exemplifizieren und zu verifizieren versucht. Ich habe jedoch dargelegt, weshalb Bateson meines Erachtens mit diesem Versuch gescheitert ist. Infolgedessen sehe ich die ‘Zwangsläufigkeit’ von “Paradoxien der Abstraktion” nur in Zusammenhang mit seinen unangemessenen ethologischen Die tierliche Mitteilung “Dies ist ein Spiel” 57 Erkenntnissen - i.e. seiner Fehleinschätzung (vor-)symbolischer Zeichen im tierlichen Spiel - und einer dementsprechend defizitären Auffassung über tierliche Metakommunikationen gegeben, wobei definitorische Ungenauigkeiten hinsichtlich seines per se widersprüchlichen Begriffs der Metakommunikation zu weiterer Konfusion beitragen. Sind die Voraussetzungen innerhalb einer Theorienbildung unhaltbar, kann auch das Ergebnis, sprich: Batesons finale Behauptung, nur als unhaltbar gelten. Die Unangemessenheit seiner These zeigt sich mir nicht minder mit Blick auf das (anzunehmende) ‘reale’ Geschehen im tierlichen Mitteilungsaustausch: So hat meine kritische Auseinandersetzung ergeben, dass sich ‘Erkennen’, ‘Verstehen’ und ‘Verständigung’ nicht aus Widersprüchen, nicht aus der ‘Unentscheidbarkeit’ ausgetauschter Zeichen generieren können. Es ist wohl richtig, dass Zeichen jenseits der Eindeutigkeit ‘automatisierter Sinnzuweisungen’ eine potentielle Mehrdeutigkeit besitzen und mit dieser Mehrdeutigkeit auch das Auftreten von Widersprüchen gegeben ist. Insofern können sie durchaus als Entwicklungsphänomene von Kommunikation begriffen werden. Ich verstehe Widersprüche jedoch als Begleiterscheinung, d.h. als mögliches, nicht notwendiges Moment ‘komplexerer’ Kommunikation, denn: Ihr Auftreten in kommunikativen Zeichenprozessen bringt - wie gesagt - das Problem mit sich, nicht entscheiden bzw. unterscheiden zu können, was gemeint ist, was wiederum massive Konflikte bzw. Störungen zur Folge haben kann. Sozial lebende Tiere sind jedoch überlebensnotwendig darauf angewiesen, Zeichen ‘erkennen’, (ähnliche) Verhaltensweisen differenzieren zu können usw. Sie bedürfen in ihrem kommunikativen Austausch - wie ich dies anvisiert habe - einer ‘relativen Übereinstimmung’ in ihren Wahrnehmungen und Deutungen, eines ‘Einvernehmens’ darüber, was folgt oder auch nicht folgt, um ihr Miteinander zu ordnen und zu organisieren. Es kann somit vorausgesetzt werden, dass sich ihre soziale Kommunikation vielmehr an der Vermeidung von Widersprüchen und potentiellen Konflikten orientiert denn an deren beständiger Evozierung. So erstaunlich es hinsichtlich der Vielzahl an Einflussfaktoren erscheinen mag, von dem ‘Gelingen’ eines wechselseitigen Mitteilungsaustausches ausgehen zu können - es ist der Verlauf der Evolutionsgeschichte (insbesondere) der Säugetiere selbst und die mit ihr einhergehende beständige (Weiter-)Entwicklung von Kommunikation, an deren ‘Spitze’ wir unsere (menschliche) Sprache sehen, durch die ich einen gewissermaßen ‘lebendigen Nachweis’ dafür gegeben sehe, dass dem so ist. Batesons Ordnungs- und Organisationsprinzipien, die auf intrapersonaler Ebene die Wahrnehmung und Bedeutungszuweisung, auf Interaktionsebene die Konstituierung von Rahmen ermöglichen, haben sich zur Erläuterung dieses Sachverhalts als hilfreiche Beschreibungskriterien und Erklärungsansätze erwiesen. Der Autor beschreibt geistige Prozesse dementsprechend als logisch bzw. der ‘Russellschen Logik ähnlich’. Mit seiner These widerspricht er jedoch eben diesen von ihm selbst eingeführten Prinzipien, denn es ist das Merkmal von Paradoxien und Antinomien, den Gesetzen der Logik zuwider zu laufen. Ich behaupte somit, dass 1) das ‘Gelingen’ von (‘einfacher’ wie ‘komplexerer’) Kommunikation als eine Grundbedingung für die Überlebensfähigkeit sozialer Lebewesen betrachtet werden kann, 2) Widersprüche bzw. Paradoxien als anzunehmende Ursache für das ‘Misslingen’ von Kommunikation, für ‘gestörte’ Kommunikation zu erachten sind, und Claudia Hausmann 58 3) dementsprechend nicht sie als ein notwendiges Entwicklungsphänomen, als Indikator ‘komplexerer’ Kommunikation zu bewerten sind, sondern vielmehr die Fähigkeit der Kommunizierenden, sie im Regelfall zu vermeiden bzw. auftretende zu lösen und Konflikte zu bewältigen. Meine Überlegungen scheinen einen denkbaren Grund dafür zu liefern, weshalb Batesons von der Rockefeller-Stiftung gefördertes Studienprojekt nach zwei Jahren aufgrund ‘ergebnisloser Forschung’ eingestellt wurde. Es wundert folglich nicht, dass der Autor im Nachhinein, i.e. im Rahmen seiner Erforschung der Kommunikation ‘Schizophrener’, zu einer Neubewertung der “Rolle der Paradoxien” gelangt - seine Double-bind-Theorie gibt Zeugnis davon. Hier wie da ist es jedoch sein Verständnis von Metakommunikation, durch das meines Erachtens der Erkenntnisgewinn seiner Theorien auf vereinzelte Aspekte seines Denkens reduziert wird. Dies habe ich, wenn auch nur unter dem genannten Gesichtspunkt, mit meiner kritischen Betrachtung seiner TSP zu zeigen versucht. Ich möchte entsprechend abschließend als deren Ergebnis festhalten, dass Bateson mit dem Versuch, seine leitende Hypothese am Beispiel der tierlichen Mitteilung “DieS” zu verifizieren, gescheitert ist, und dass seine Auffassung vom zwangsläufigen Auftreten von Paradoxien vielmehr die Entwicklung und Existenz ‘komplexerer Kommunikation’ in Frage stellt, als dass sie sie bestätigt. Literatur Bateson, Gregory: “Eine Theorie des Spiels und der Phantasie.” In: Bateson, Gregory (1981): 241-261. (Orig.: “A Theory of Play and Fantasy. A Report on Theoretical Aspects of the Project for Study of the Role of Paradoxes of Abstraction in Communication.” Paper delivered to a Symposium of the American Psychiatric Association on Cultural, Anthropological, and Communications Approaches, March 11, 1954, at Mexico City. Approaches to the Study of Human Personality. American Psychiatric Association. Psychiatric Research Reports 2 (1955): 39-51.) --: Ökologie des Geistes. 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