eJournals Kodikas/Code 33/3-4

Kodikas/Code
0171-0834
2941-0835
Narr Verlag Tübingen
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2010
333-4

Das Buch als Kultur- und Wirtschaftsgut - Eine exemplarische Analyse europäischer Buchmärkte

2010
Annika Cornils
Das Buch als Kultur- und Wirtschaftsgut - Eine exemplarische Analyse europäischer Buchmärkte Annika Cornils; Leuphana University Lüneburg The paper analyses the states Germany, Great Britain, Poland and Rumania as European book market nations and compares them in an exemplary way. The focus will be only on the fiction sector of the book market. The dichotomy of the book, in its cultural and economic functions, will be the focus of the discussions. Questions concerning the paradoxical characteristics of the double function as well as discrepancies and similarities of the national market structures emphasise the topicality and the needs of a common European book market. The following research presents an unprecedented comparison between the above mentioned countries understanding the book market both as a cultural and an economical structure. 1 Einleitung und Forschungsstand Seit den 1980er Jahren ist eine zunehmende Beschleunigung auf den verschiedenen Ebenen der europäischen Literaturmärkte feststellbar; zunächst in den westeuropäischen Staaten, seit der Wende 1989/ 90 auch auf den osteuropäischen Buchmärkten. Neben der Konzentration und Konsolidierung im Verlagswesen 1 und Buchhandel, stieg auch die werbe- und medienwirksame Inszenierung von Literatur durch Buchmessen, Literaturpreise und zahlreiche Marketingaktivitäten. Die zentrale Frage dieser Abhandlung ist dabei, inwieweit diese Faktoren in den teilweise recht unterschiedlichen europäischen Ländern eine ähnliche oder gar gleiche Bedeutung und Ausprägung haben, und ob von einem europäischen Buchmarkt die Rede sein kann. Konkret wird dazu folgenden Kernfragen nachgegangen, die anhand der vier Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) exemplarisch analysiert und erörtert werden: - Worin unterscheiden sich der kulturelle und der ökonomische Wert des Gutes Buch? - Wie beeinflussten die Jahrzehnte des Sozialismus den polnischen bzw. den rumänischen Buchmarkt im Vergleich zu den marktwirtschaftlichen Literaturbetrieben Deutschlands und Großbritanniens und welche Konsequenzen lassen sich daraus ziehen? - Welche Parameter der Buchpolitik und Buchökonomie sind für die vier Buchmärkte gleichermaßen relevant und worin bestehen Unterschiede? Die Doppelnatur des Buches 2 als Kultur- und Wirtschaftsgut spielt dabei in allen Teilen des Beitrags und bei allen Fragestellungen eine teils offensichtliche, teils latente Rolle. Als eine der wichtigsten Kulturindustrien in Europa erhält das Buchwesen (im Gegensatz zu beispielsweise staatlichen Theatern) die geringste finanzielle Unterstützung von den Regierungen oder K O D I K A S / C O D E Ars Semeiotica Volume 33 (2010) No. 3 - 4 Gunter Narr Verlag Tübingen Annika Cornils 248 der Europäischen Kommission und gehört nicht in den Non-Profit-Bereich wie andere Kulturinstitutionen. Vielmehr hat das Buch neben der kulturellen auch eine marktwirtschaftliche Funktion, die den Beteiligten im Literaturbetrieb 3 Umsatz und Gewinn bringen soll. Das Buch kann somit als Kulturgut in einer kapitalistischen Gesellschaft betrachtet werden, das für kulturelle Vielfalt sorgt und den kulturellen sowie transnationalen Austausch fördert. Durch seine technische Reproduzierbarkeit seit Erfindung des Buchdrucks und in der heutigen Zeit durch digitale Verfügbarkeit, hat es sich zum Massenmedium gewandelt. 4 Als Grundlage für diese Untersuchung wurden jeweils die zwei bevölkerungsreichsten ostbzw. westeuropäischen Nationen ausgewählt, um einen objektiven Vergleich zwischen den nationalen Buchmärkten zu ermöglichen (vgl. Fischer Weltalmanach 2008: 521). Deutschland ist dabei mit etwa 82,5 Mio. Einwohnern der mit Abstand einwohnerstärkste Staat der EU. Als zweiter westeuropäischer Staat wird Großbritannien mit etwa 60,2 Mio. Einwohnern analysiert. 5 In Osteuropa (bzw. in den neuen EU-Mitgliedsstaaten seit 2004) sind Polen mit 38,2 Mio. und Rumänien mit 21,6 Mio. Einwohnern die deutlich bevölkerungsreichsten Staaten. 6 Diese statistischen Faktoren werden um folgende spezifische Merkmale ergänzt, die in dieser Analyse herausgearbeitet werden: In Deutschland, das als “Wiege des Buchdrucks” gilt, ereigneten sich entscheidende Entwicklungen im Bereich des Buchmarktes zuerst und wurden von dort in den Rest Europas und die Welt verbreitet. Zudem ist die Bundesrepublik eine der führenden Buch produzierenden Nationen Europas und nirgendwo ist das Netz aus Verlagen und Buchhandlungen ausdifferenzierter als in der BRD. Großbritannien kommt als insularer Staat Westeuropas insofern eine wichtige Bedeutung zu, als die englische Sprache weltweit dominierend ist und Großbritannien nach China und den USA drittgrößter Buchproduzent ist. Der weltweite Export englischsprachiger Literatur aus Großbritannien spielt eine wichtige Rolle für den globalen Buchhandel. Auch hier ist das Buchmarkt-System seit vielen Jahrhunderten verankert und als eine Nation mit intensiver literarischer Vergangenheit (u. a. Shakespeare, Austen, Shaw) kommt Großbritannien eine wichtige Position im Bereich der Belletristik zu. Welche Veränderungen entstehen, wenn eine Buchnation von Konzentrationsprozessen überrollt wird, kann in Großbritannien beobachtet werden. Seit 2004 Mitglied der EU, ist Polen als einwohnerstärkstes und flächenmäßig größtes mittelosteuropäisches Land bereits seit der Wende 1989/ 90 im Umbruch zu einer Marktwirtschaft, der auch in der Buchbranche zu Veränderungen führte. Als großer Lizenznehmer organisiert sich der polnische Buchmarkt seit dem Zerfall des Kommunismus nach westlichen Gesichtspunkten und mit großer Geschwindigkeit neu, so dass auch hier seit einigen Jahren Konzentrationsprozesse stattfinden. Rumäniens marktwirtschaftlicher Buchmarkt befindet sich noch in der Aufbauphase. Die osteuropäische Nation blickt zwar wie auch Polen auf eine lange Buchtradition zurück, Kriege und Kommunismus hemmten eine stete Entwicklung jedoch über lange Zeit. Das erst 2007 zur EU beigetretene Land ist besonders im Bereich der Buchdistribution noch stark entwicklungsbedürftig und nimmt in Europa in Bezug auf die Buchproduktion zurzeit noch einen der hinteren Plätze ein. Besonders im Hinblick auf die junge Mitgliedschaft in der EU wird auch die zweitgrößte osteuropäische Nation in die Untersuchung miteinbezogen. In einer kulturwissenschaftlichen Betrachtungsweise der Doppelnatur “Buch als Kulturgut versus Buch als Wirtschaftsgut” wird zunächst herausgearbeitet, welche zwei Bedeutungsträger auf dem Buch liegen. Zum einen ist es als Träger von Geist und Wissen ein immaterielles Gut, dem in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik ein besonderer Stellenwert eingeräumt Das Buch als Kultur- und Wirtschaftsgut 249 wird. Zum anderen ist das Buch eine Ware, mit der zahlreiche Beteiligte in der Wertschöpfungskette Profit machen wollen. Dieses Kapitel bildet die Grundlage für die folgende Analyse der vier europäischen Buchmärkte. Wissenschaftliche Arbeiten, welche sowohl die westals auch die osteuropäischen Staaten hinsichtlich ihrer Buchmärkte vergleichend untersuchen, existieren bisher noch nicht. 7 Dagegen sind einige Studien verfügbar, die entweder west- oder osteuropäische Buchmärkte analysieren - meist anhand einzelner literaturbetrieblicher Parameter wie beispielsweise die Buchpreisbindung (siehe u. a. Obert 2000 und Everling & Rürup & Füssel 1997) oder in Bezug auf den Sozialismus in Osteuropa (siehe wierk 1981). Marcel Canoy, Jan C. van Ours und Frederick van der Ploeg haben 2006 eine Statistik zur Buchökonomie in den 20 OECD-Staaten 8 herausgegeben, die u. a. die Buchproduktion sowie Markt- und Buchcharakteristika eruiert und ebenfalls die Frage der Buchpreisbindung ausführlich diskutiert. Für die einzelnen Länder existieren mehrere, unterschiedlich ausführliche Erhebungen und Analysen: Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gibt seit 1952 jährlich seinen Branchenbericht “Buch und Buchhandel in Zahlen” heraus und die Publishers’ Association sowie die Booksellers’ Association aus Großbritannien stellen diverse Studien und Statistiken nicht nur zum eigenen Land, sondern auch zu anderen Buchnationen zur Verfügung. Ebenfalls veröffentlicht die Publishers’ Association seit 2005 jährlich die Studie “UK Book Publishing Industry Statistics” als Pendant zum deutschen Branchenbericht - diese ist jedoch lediglich auf den Buchverkauf ausgerichtet und von geringerer Ausführlichkeit als die Studie des Börsenvereins. Von Kirsten Schlesinger (1999) liegt eine ausführliche Analyse zum verbreitenden Buchhandel in Großbritannien vor; ein ähnliches Werk hat Klaus Ziermann (2000) für den deutschen Buch- und Taschenbuchmarkt 1945-1995 publiziert. Da sich in den vergangenen zehn Jahren insbesondere in Bezug auf die Konzentration und Konsolidierung großer Buchhandlungsketten Veränderungen auf dem britischen und deutschen Buchmarkt ergeben haben, müssen die Angaben für diesen Beitrag um neuere Quellen ergänzt werden. Für Polen ist die Studie von ukasz Go biewski und Kuba Fro ow “The Polish Book Market” von 2007 als aktuellste Quelle zu nennen. Das 2006 in zweiter Auflage erschienene Buch “Book Market in Poland” von Go biewski bietet neben Zahlen viele weitere Informationen über den polnischen Buchmarkt. Die neueste Studie des Rumänischen Verlegerverbands AER stammt aus dem Jahr 2002. Da sich in den vergangenen Jahren auch die rumänische Buchindustrie transformiert hat, können diese Zahlen lediglich als Richtung weisend für die derzeitige Situation gelten und werden, soweit vorhanden, mit aktuelleren Quellen verglichen. 2 Der kulturelle Wert des Buches Die Kultur einer Gesellschaft ist von Traditionen, Normen und weiteren Mustern geprägt. Kulturgüter zählen zu den kreativen Artefakten einer Gesellschaft, denen u. a. in Form von Literatur Ausdruck und Gestalt verliehen wird. In seiner frühen Funktion zeigte sich der hohe kulturelle Wert des Buches vor allem darin, dass es wenigen Gelehrten (vor allem in Klöstern und später in Universitäten) vorbehalten war, zu schreiben. Das Buch stellte einen kostbaren Speicher für Wissen dar, der schon aufgrund der niedrigen Alphabetisierungsquote der Bevölkerung nur Wenigen zugänglich war. Mit der Bibel als dem “Buch der Bücher” behielt das Medium noch lange Zeit einen hohen kulturellen Stellenwert und ist somit grundlegend für das abendländische Denken. Zumindest in der heutigen Zeit haben nicht mehr alle Bücher einen gleichermaßen geistig-kulturellen Wert, insbesondere im Hinblick auf die verschiede- Annika Cornils 250 nen Genres, die auf dem Markt zu finden sind. So kann behauptet werden, dass Ratgeber und ähnliche Formate nicht mehr oder weniger Kultur bzw. Geist besitzen als andere Bedarfsgüter (vgl. Meyer-Dohm 1967: 93). In Bezug auf das Genre Belletristik wird in der Gesellschaft kontrovers diskutiert, welche Werke tatsächlich als kulturell wertvoll bezeichnet werden dürften und welche als triviale Lektüre der Bezeichnung als Kulturgut nicht genügten (vgl. ebd.). Dieser Diskurs beinhaltet eine Unterscheidung zwischen hoher Kultur und populärer Kultur, wobei klassische Literatur in diesem Zusammenhang der Hochkultur und Trivialliteratur der Populärkultur zugeschrieben wird; diese Unterscheidung bezieht sich auch auf weitere Bereiche der Kultur wie beispielsweise der klassischen Musik gegenüber der Popmusik (vgl. Mayer 2008: 582). In Bezug auf die Literatur sind es vor allem die in den Bestsellerlisten platzierten Titel, die als populär und für die Massen produziert gelten. Neben seinem kulturellen Wert besitzt das Buch zudem einen symbolischen Wert, der sich insbesondere im Zuge der Verbreitung anderer Medien gewandelt hat. Dienten mit Klassikern gefüllte Bücherregale im Wohnzimmer lange Zeit als Statussymbol und als Zeichen von Bildung, sind an deren Stelle heute vermehrt große Flachbild-Fernsehgeräte gerückt. Auch wenn das Fernsehen in der europäischen Kultur seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Funktion als Leitmedium vom Medium Buch übernommen hat (vgl. Faulstich 2004: 31), ist die gesellschaftliche Relevanz des Buches immer noch sehr hoch. Dem gedruckten Wort wird häufig ein höherer Wahrheitsgehalt zugesprochen als den audio-visuellen oder digitalen Medien. Etwas, das geschrieben und damit auf einem Medium sichtbar fixiert ist, wird in unserer Gesellschaft teilweise (noch) als endgültiger bewertet als etwas Gesprochenes oder Gesehenes - womöglich deshalb, weil es beliebig häufig gelesen werden kann und nicht nur in einem flüchtigen Moment wahrnehmbar ist. Daraus lässt sich schließen, dass das Buch zur Akkumulation von Humankapital einen wichtigen Beitrag leistet. Da sich ein literarischer Text erst durch das Verstehen erschließt, ist neben der Fähigkeit lesen zu können, oft auch Hintergrundwissen in unterschiedlichem Umfang notwendig - insbesondere bei komplexen Texten oder Fachliteratur (vgl. Grau 2006: 15 und Tietzel 1995: 12). 3 Der Gebrauchswert der Ware Buch Das Buch ist zweifellos auch ein wirtschaftliches Gut, da es auf einem Markt angeboten wird und die Nachfrager bereit sind, dafür einen Preis zu entrichten (vgl. Tietzel 1995: 7). Seinen wirtschaftlichen Wert erhielt das Buch jedoch erst mit der Erfindung des Buchdrucks, da es durch die in der Folge massenhaftere Produktion zu einem niedrigeren Preis abgesetzt werden konnte (vgl. ebd.: 43). Doch weist das Gut Literatur Merkmale auf, die darüber hinaus eine Einordnung als “Marktgut” notwendig machen: “Damit es [das Buch; A. C.] ‘Unterhaltung’ oder ‘Belehrung’ stiften kann, damit, ökonomisch gesprochen, das Haushaltsgut ‘Lektüre’ produziert werden kann, braucht man außer einem Buch Lesezeit, die Fähigkeit zu lesen, vielleicht auch eine Brille oder einen Sessel.” (Tietzel 1995: 11) Um den Prozess nachvollziehen zu können, durch welchen ein Buch überhaupt zu einem Wirtschaftsgut werden kann, eignet sich das marxistische Modell der Ware, in welchem dargelegt wird, wie aus einem Objekt erst ein Produkt und daraus eine Ware wird. Karl Marx definiert den Begriff Ware dabei als “[…] ein[en] äußerer Gegenstand, ein Ding, das durch seine Eigenschaften menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt.” (Marx 1980: 49) Die Ware besteht aus einem relativen Tauschwert und aus einem Gebrauchswert, der sich Das Buch als Kultur- und Wirtschaftsgut 251 jedoch erst mit seiner tatsächlichen Nutzung entfaltet (vgl. ebd.: 50 ff.). “Um Ware zu werden, muß das Produkt dem andren, dem es als Gebrauchswert dient, durch den Austausch übertragen werden. Endlich kann kein Ding Wert sein, ohne Gebrauchsgegenstand zu sein.” (Ebd.: 55) Daraus ergibt sich, dass ein Produkt, solange es nicht als Ware realisiert wird, auch keine ist - es hat lediglich die Möglichkeit, Ware zu werden. Auf das Gut Buch angewendet bedeutet dieses Modell, dass es zwar eine Ware ist, weil es den Lesern zur Verfügung steht, jedoch erst seinen Gebrauchswert verwirklicht, wenn es auch gelesen wird. Den Tauschwert des Buches betreffend lässt sich eine Besonderheit feststellen: Der Tauschwert ist zwar von Titel zu Titel unterschiedlich hoch, unterscheidet sich zumindest in einigen Ländern jedoch von dem anderer Marktgüter, da er durch den festen Ladenpreis keiner Verhandlungsbasis oder anderen Wettbewerbsbedingungen unterliegt. Durch seine ständige Verfügbarkeit und die partielle Herabsetzung seiner Inhalte zur bloßen Unterhaltung und Zerstreuung, hat sich das Buch teilweise zu einem unreflektiert rezipierten Massenmedium entwickelt. Dabei hatte die Demokratisierung des Buches zwangsläufig eine Kommerzialisierung zur Folge, wenn von einer freien Marktwirtschaft ausgegangen wird. Mehr noch, beide Faktoren bedingen sich. Indem immer mehr Menschen lesen lernten und ein Bedürfnis nach Literatur entwickelten, entstand die kontinuierlich steigende Anzahl sowohl der publizierten Titel als auch ihrer produzierten Auflagen. Der zunehmende Austausch von Literatur über nationale und kontinentale Grenzen hinweg, verlief quasi Hand in Hand mit der Ausgestaltung des Handels mit dem Trägermedium Buch und seiner Professionalisierung. Dadurch, dass das Buch als Paperback 9 den meisten Menschen zu relativ günstigen Preisen zur Verfügung steht, was erst durch die massenhafte Produktion mit kommerziellen Interessen möglich wurde, ist es zu einem demokratisierten Gut geworden. Diese Entwicklung kann sowohl negativ als auch positiv bewertet werden. Zum einen wird die Kommerzialisierung des Kulturguts Buch als negativ dargestellt, da die Idee des Buches in diesem Zuge verloren gehe und durch die scheinbar grenzenlose Publikationsvielfalt “die konsumfertige, schnellgerichtartige Zubereitung anspruchsvoller Literatur” (Meyer-Dohm 1967: 58) sowie die Zunahme trivialer Titel steige, deren alleiniges Ziel Profitabilität zu sein scheint. Auf der anderen Seite stellt gerade dieser Umstand eine Möglichkeit für unbekannte oder kritische Autoren dar, ihr Buch in einem der zahlreichen Verlagshäuser verlegen zu lassen. Die massenhafte Herstellung und Verbreitung kann somit als eine Folge der Fortentwicklung der Gesellschaft betrachtet werden. Auf diese Entwicklung wird im folgenden Kapitel eingegangen. Folglich ist das Buch sowohl ein Produkt (eine Ware) als auch eine Metapher der Sprache bzw. des Gedankens, der Idee. Durch die massenhafte Produktion büßt das Kulturgut Buch einen Teil seiner Bedeutung als ein besonderes, schöpferisches Gut ein und wird zu einem gewöhnlichen, alltäglichen Gebrauchsgut wie viele andere Gegenstände auch. Es zeigt sich, dass das Buch zumindest in der heutigen Zeit nie nur Kulturgut und nie nur Wirtschaftsgut ist, sondern stets beides in sich vereint. Seine innere Unterscheidung liegt darin, dass das ästhetische Artefakt Buch ein Werk, sein kommerzieller Nutzen der Wert ist (vgl. Grau 2006: 97). 4 Entwicklung der osteuropäischen Buchmärkte nach dem politischen Wandel 1989 In einer Übersicht über den polnischen und den rumänischen Buchmarkt stellt Siegfred Taubert eine funktionierende Produktion und Distribution dar, die über das Land verteilt in Annika Cornils 252 vielen Buchhandlungen und Verkaufsstellen eine stetige Verfügbarkeit des Buches gewährleistete (vgl. Taubert 1972: 351, 378). Dass dies nicht unhinterfragt hingenommen werden darf, zeigen die Dokumentationen über die Zeit nach 1989, in der bis heute zumindest in Rumänien kein vollkommen funktionierendes Vertriebssystem vorhanden ist. 10 In den 1980er Jahren verschlechterten sich die Bedingungen auf dem rumänischen Buchmarkt, es wurden immer weniger Titel sowohl einheimischer als auch ausländischer Autoren publiziert. Nach der Wende dauerte es daher einige Zeit, bis sich die Literaturszene an die neuen Umstände gewöhnt und ihre Themen dem neuen Zeitgeist angeglichen hatte: “Die etablierten Schriftsteller, die vor der Wende besonders durch ihre ansatzweise kritische (auch rein literarische) Stellungnahme zum Kommunismus ein großes Publikum für ihre Bücher gewonnen hatten, hatten es schwierig, sich der neuen Zeit anzupassen und an ihre früheren Erfolge anzuknüpfen, denn die Literatur wurde nicht mehr nach ihrem subversiven Potenzial befragt.” (Dondorici 2007: 114) Diese Art Literatur, die der herrschenden Ideologie des sozialistischen Rumäniens widersprach, erwähnt auch Ion Bogdan Lefter. Er sieht die 1980er Jahre als Zeitraum des literarischen Wandels in Rumänien hin zur Postmoderne durch eine junge und kritische Generation (vgl. Lefter 1999: 113). Dass diese überhaupt publiziert werden konnte, ist wohl auf die Lockerung der Zensur nach 1965 zurückzuführen, in deren Folge zunehmend auch Romane mit systemkritischen Inhalten erschienen. Nach 1989 waren es insbesondere Aufzeichnungen wie Tagebücher aus der Zeit des Kommunismus (bzw. von Exil-Autoren), die als nichtfiktionaler Bereich im Genre Belletristik in den Buchhandlungen zu finden waren (vgl. ebd.: 51). Die rumänische Buchindustrie entwickelte sich somit nach der Wende langsamer als beispielsweise die polnische, wie im Folgenden deutlich wird. Dennoch entstanden in den ersten Jahren der 1990er Hunderte neue Verlagshäuser, von denen sich eine Großzahl jedoch nicht etablieren konnte und wieder verschwand (vgl. ebd.: 91). Seit 1990 stiegen die Preise für Bücher stetig und auch die Konkurrenz durch elektronische Medien (Radio und Fernsehen) nahm zu, die während des Kommunismus u. a. aufgrund der Zensur nicht im gleichen Umfang verfügbar waren (vgl. Balaban 2007: 7). Nach der Wende setzte in Polen eine schnelle Privatisierung des Buchmarktes ein. Die größten Veränderungen zeigten sich in der “[…] Abschaffung der Zensur, der Aufhebung der staatlichen Papierzuteilung und der staatlichen Kontrolle der Lizenzvergabe.” (Grosser 1997: 11) Durch den großen Nachholbedarf der Bevölkerung an Literatur, konnten zu Beginn der 1990er Jahre viele neue oder privatisierte Verlage auf den Markt treten. Dies änderte sich ab 1994, als das Angebot die Nachfrage erstmals überstieg und viele Verlage ihre Auflagen reduzieren mussten, um bestehen zu können. Auch auf der Seite des verbreitenden Buchhandels fanden Veränderungen statt. Etwa zwei Drittel der 1.700 staatlichen Buchläden des Großhändlers Dom Ksi ki wurden ihren früheren Besitzer zurückgegeben oder verkauft. Darüber hinaus entstanden neue Buchhandlungen und auch die Zahl der privaten Großhändler stieg an; wobei sich die Infrastruktur dadurch nicht verbesserte, da viele Großhändler ihre Bücher nur in ihrer Umgebung (in den größeren Städten) vertrieben und einige Buchhandlungen somit gar nicht die Möglichkeit hatten, die komplette jährliche Buchproduktion anzubieten (vgl. Grosser 1997: 13 ff.). Das Buch als Kultur- und Wirtschaftsgut 253 5 Buchpolitik und Buchökonomie in Europa - Deutschland, Großbritannien, Polen und Rumänien im Vergleich Das übergeordnete, repräsentative Organ der im Buchwesen vertretenen Berufe bilden die Berufsverbände, welche die Interessen ihrer Mitglieder auch auf politischer Ebene durchzusetzen versuchen und teilweise an der Entstehung und Ausgestaltung dieser Rahmenbedingungen beteiligt sind; auf diese wird zunächst eingegangen. Daran anschließend werden zwei Kategorien näher beleuchtet: zum einen die gesetzlichen Bestimmungen wie das Urheberrecht und die Preisbindung bei Verlagserzeugnissen, zum anderen die medienwirksamen Ereignisse wie Buchmessen und Literaturpreise. Dabei geht es nicht um eine detaillierte Erörterung dieser Rahmenbedingungen, sondern vielmehr um ihre Darstellung und Analyse hinsichtlich der Parallelen und Unterschiede in ihrer Entwicklung und Bedeutung für die vier Staaten. 5.1 Ständegesellschaften und Verbände des europäischen Buchwesens Die Entwicklung erster Verleger- und Buchhändlerverbände begann in Deutschland und Großbritannien bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts mit der zunehmenden Ausdifferenzierung der einzelnen branchenspezifischen Professionen in Europa. Deutlich später, erst im 20. Jahrhundert, bildeten sich Schriftstellerverbände wie der 1921 in London gegründete P.E.N.- Club oder in Deutschland der Verband der Schriftsteller 1969 (vgl. Dette 2000: 431 f.). Im Hinblick auf den Schwerpunkt des vorliegenden Beitrags wird an dieser Stelle das Hauptaugenmerk auf die Ständegesellschaften der Verleger und Buchhändler gelegt, die zumindest in den Jahrzehnten nach ihren Gründungen sehr einflussreich waren und auf internationalen Verlegerkongressen ab 1881 u. a. Themen wie das Urheberrecht behandelten und somit Veränderungen für die Branche anstießen (vgl. Müller 2002: 182). Mit der Gründung des Börsenvereins der deutschen Buchhändler zu Leipzig (Börsenverein) wurde 1825 der Grundstein für weitere Vereinigungen gelegt, die mit großem zeitlichem Abstand auch in anderen Staaten entstanden. Die originäre Aufgabe des Börsenvereins als Organisation der Börse bestand darin, den Zahlungsverkehr unter den Händlern auf der Leipziger Buchmesse zu regeln. 1886 wurde der Deutsche Verlegerverein gegründet und beide Organisationen schlossen sich 1925 zum Börsenverein des Deutschen Buchhandels zusammen. Dieser fungiert seitdem als Ständeorganisation sowohl der Verleger als auch der Buchhändler (Groß- und Einzelhändler) und hat demnach auch eine vermittelnde Funktion für alle drei Handelsstufen inne. Dies hat jedoch nicht nur positive Auswirkungen: “Publishers and book retailers or wholesalers can be on opposing sides; major corporations (which provide the bulk of Börsenverein finances) and one-man-band publishers have little in common.” (Weidhaas 1995: 554) Doch liegt der Schwerpunkt heute auf übergeordneten gesellschaftlichen Themen und im vermittelnden Bereich: “Politik für das Buch als Wirtschafts- und Kulturgut und für den Erhalt und Ausbau der Literaturvielfalt ist neben der Leseförderung eine zentrale Aufgabe des Börsenvereins.” (Bode 2005: 61) Drei Richtung weisende Entscheidungen brachte der Börsenverein bereits im Jahrhundert seiner Gründung für seine Mitglieder auf den Weg: Die Aufhebung der staatlichen Zensur 1848 und im gleichen Zuge die Anerkennung des Schutzes des Autors bzw. seines Werks. Vierzig Jahre später wurde mit der Krönerschen Reform 11 der Annika Cornils 254 feste Ladenpreis für Bücher eingeführt, deren Ergebnis alle Mitglieder des Börsenvereins verpflichtet waren und welche einen einheitlichen Buchpreis an allen Verkaufsstellen gewährleistete (vgl. Faulstich 2004a: 132). Seit 1834 ist der Verein Herausgeber des Börsenblatts, einer der weltweit ältesten Fachpublikationen für den Buchhandel, die ein wichtiges Informationsmedium für die Branche darstellt. Neben einem redaktionellen Teil, der über aktuelle Entwicklungen auf dem Buchmarkt berichtet, haben Verlage die Möglichkeit, in einem großen Anzeigenteil auf ihr Verlagsprogramm und einzelne Titel hinzuweisen. Dazu erscheinen regelmäßig Beilagen, in denen Titel aufgeführt werden, für welche die Preise geändert oder die Buchpreisbindung aufgehoben wurde. Eine wichtige Publikation des Börsenvereins ist die jährlich erscheinende Studie “Buch und Buchhandel in Zahlen”, die Aufschluss über die Entwicklungen des deutschen Buchmarktes gibt und Vergleiche zu den Vorjahren in Bezug auf Umsätze und andere Zahlen anstellt sowie Veränderungen kommentiert. Während der deutsch-deutschen Teilung gab es einen Börsenverein für die Bundesrepublik mit Sitz in Frankfurt am Main und einen für die DDR mit Sitz in Leipzig; beide brachten weiterhin das Börsenblatt heraus, so dass bis zur Wiedervereinigung je eine Frankfurter und eine Leipziger Ausgabe erschienen. Seit 1991 ist die Hauptgeschäftsstelle des Börsenvereins in Frankfurt am Main ansässig. In Großbritannien gibt es seit jeher zwei große Organisationen mit maßgeblicher Repräsentanz für die Branche: Die 1895 gegründete Booksellers’ Association (BA) und die 1896 gegründete Publishers’ Association (PA), die jeweils den Interessen des verbreitenden bzw. des herstellenden Buchhandels dienen und ihren Sitz in London haben. Auffallend ist, dass diese Vereinigungen in Großbritannien erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts und damit 70 Jahre später als in Deutschland entstanden. Die BA vertritt Buchhändler sowohl im Vereinigten Königreich als auch in der Republik Irland. Sie versteht sich als Dienstleisterin für ihre Mitglieder und sieht ihre Aufgaben u. a. in der Organisation von Konferenzen oder der Beratung bei kaufmännischen Belangen. 12 Die PA repräsentiert die britischen Verlage über die Grenzen Großbritanniens hinaus, betreibt Lobby-Arbeit für die Buchbranche in Bezug auf den Urheberschutz und andere relevante Themen ihrer Mitglieder. 13 Wie auch der Börsenverein erstellen beide Verbände jährliche Statistiken über die britische Buchindustrie. Das größte Branchenmagazin The Bookseller wird - anders als sein deutsches Pendant - nicht von den Ständegemeinschaften herausgegeben, sondern von der Nielsen Business Media. Das 1858 gegründete (also bereits vor dem Entstehen beider Associations) Magazin definiert sich wie folgt: “It is the weekly source of incisive, objective industry news and analysis, reaching all major booksellers and publishers in the UK and in nearly 100 countries worldwide.” 14 Eine gleichwertige Organisation existiert in Polen seit 1990: Die in Warschau ansässige polnische Buchkammer Polska Isza Ksi ki (PIK) vereint Verlage, Buchhandlungen, Großhändler, Drucker und andere auf dem Buchmarkt agierende Unternehmen unter ihrem Dach. 15 Erste Bemühungen, sich gemeinschaftlich zu organisieren, gab es in Warschau. Dort wurde 1873 ein Verband von Verlegern und Händlern gegründet, der einige Jahre die Aktivitäten seiner Mitglieder auf dem florierenden Buchmarkt koordinierte (vgl. Bieñkowska & Chamerska 1990: 22). Danach bildete sich 1908 die polnische Buchhändlervereinigung Zwi zek Ksi garzy Polskich, welche sich 1918 mit Verlegern und Händler der ehemaligen drei Sektoren zum Generalverband Powszechny Zwi zek Ksi garzy i Wydawców Polskich zusammenschloss. Dieser wiederum wurde 1926 in eine Vereinigung der Verleger und eine der Buchhändler zweigeteilt, die nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch nicht fortbestanden (vgl. ebd.: 31). Durch die Verstaatlichung eines Großteils des Buchwesens hatten entsprechende Ständeorganisationen im kommunistischen Polen nicht die gleichen Aufgaben wie in den Das Buch als Kultur- und Wirtschaftsgut 255 westeuropäischen Ländern. Neben zwei staatlichen Verbänden für Verleger und die Buchgesellschaft existierten kleinere Vereinigungen der wenigen privaten Verleger oder Buchhändler. Staatliche Verbände wie die heute noch existierende Buchhändler-Vereinigung Stowarzysenie Ksi garzy Polskiech brachten u. a. Branchenmagazine heraus (vgl. Taubert 1972: 353 f. und Bieñkowska & Chamerska 1990: 39). Abgesehen von der heutigen Buchkammer existieren andere, für die polnische Buchbranche bedeutende Institutionen wie die Biblioteka Analiz, welche bis dato das einzige Unternehmen ist, das über sämtliche aktuelle Daten des polnischen Buchmarktes verfügt und diese in Form von Statistiken und Studien 16 bereitstellt. Auch veröffentlicht sie Branchenmagazine wie seit 1992 das monatliche Magazynu Literackiego Ksi ki. Der Schwerpunkt des Buchinstituts Instytut Ksi ki liegt in der Bereitstellung von Informationen über polnische Literatur und deren Autoren (vgl. Go biewski & Fro ow: 12). Seine übergeordnete Aufgabe besteht darin, “[…] die Lesebereitschaft zu fördern, das Buch als Medium und die Leselust im Land zu verbreiten, sowie für die polnische Literatur in der Welt zu werben.” 17 Der rumänische Verlegerverband Asociatia Editorilor din Romania (AER) mit Sitz in Bukarest wurde 1991 gegründet und sieht sich u. a. als Vermittler zwischen Verlagen und dem Staat: “The main objective of The Romanian Publishers’ Association [Hervorh. im Original] consists of protecting and representing the Romanian book publishers’ interests in front of any legislative institutions, public authorities, non-governmental organizations and in front of the public at large. It also consists of promoting the real values of the Romanian culture and spirit through activities that offer a different perspective to the relation between the cultural events and the public to which they are addressed.” 18 Ebenfalls erstellt der AER Analysen zum rumänischen Buchmarkt. Dass die aktuellste Studie über den rumänischen Buchmarkt aus dem Jahr 2002 stammt, zeigt die bisher noch sehr unkontinuierliche Form der statistischen Markterhebungen. Ioana Gruenwald vom Buchinformationszentrum Bukarest beklagt dies und begründet diesen Zustand damit, dass sich die Verlage der Wichtigkeit solcher Studien häufig nicht bewusst seien, bzw. ihnen Mitarbeiter fehle, Anfragen zu beantworten oder Fragebögen zu Verkaufszahlen etc. auszufüllen. 19 In der Zeit vor 1989 gab es wie auch in Polen keine mit Deutschland oder Großbritannien vergleichbaren Verbände. Zwar existierte das staatliche Buchzentrum Centrala Carþii, dessen Aufgabe jedoch vor allem darin bestand, Verkaufsstatistiken zu erstellen, den landesweiten Buchhandel zu kontrollieren und Buchmessen zu veranstalten. Ihr monatliches Magazin beinhaltete Informationen zu neuen Publikationen und anderen Buchmarkt-Themen (vgl. Taubert 1972: 379). Als Organ der Verlage und des Handels trat das Buchzentrum hingegen nicht in Erscheinung. Auf europäischer Ebene existieren zwei Dachorganisationen, die sich für die gemeinsamen Belange der nationalen Verleger- und Buchhändler-Verbände einsetzen. Die Federation of European Publishers (FEP) wurde 1967 gegründet und repräsentiert derzeit 26 Mitgliedsstaaten der EU bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums (u. a. auch den deutschen Börsenverein, die britische Publishers’ Association und die polnische Buchkammer). Die FEP beschäftigt sich mit europäischer Gesetzgebung und berät ihre Mitgliederorganisationen bei verschiedenen Themen bspw. bezüglich des Urheberrechtes. 20 Sie veröffentlicht verschiedene Statistiken zur europäischen Buchproduktion und stellt Vergleiche einzelner Länder an. Die European Booksellers Federation (EBF) der auch Polen, Deutschland und Großbritannien angehören, gibt ebenfalls Statistiken heraus, die sich vor allem auf den Buchhandel in Europa beziehen. In ihrer heutigen Form existiert sie seit 1994. 21 Darüber hinaus gibt es im interna- Annika Cornils 256 tionalen Bereich zwei weitere Vereinigungen, die sich für das Buchwesen engagieren. Die International Publishers Association (IPA) mit Sitz in Genf vereinigt nationale und regionale Verlegervereine von allen fünf Kontinenten mit dem Ziel, die Bedeutung des Publizierens für die wirtschaftliche, kulturelle und politische Entwicklung der Gesellschaft zu stärken. Die bereits 1896 in Paris gegründete IPA tritt für Publikationsfreiheit und die Ausweitung des Urheberrechtes ein und war Initiatorin der Berner Konvention. 22 Auf der Seite des verbreitenden Buchhandels existiert ebenfalls eine internationale Vereinigung, die International Booksellers Federation (IBF), welche 1956 ins Leben gerufen wurde und als unabhängige Organisation sowohl Buchhändler-Vereinen als auch individuellen Buchhändlern eine Mitgliedschaft bietet. Die IBF sieht ihre Aufgabe neben einer weltweiten Vernetzung insbesondere darin, Lobbyarbeit für den Buchhandel zu betreiben. 23 Es wurde deutlich, dass die nationalen Organisationen der vier Staaten im Kern ähnlichen Aufgaben nachgehen und die Interessen ihrer Mitglieder in Politik und Gesetzgebung durchzusetzen versuchen. In Deutschland und Großbritannien sind die Verbände seit weit über hundert Jahren aktiv und in der Branche etabliert. Dies zeigt auch den Einfluss, den sie bei Themen wie der oft strittigen Buchpreisbindung auf Politik und Wirtschaft haben. Dahingegen sind die Vertretungen der polnischen und rumänischen Verleger und Buchhändler auch im eigenen Land noch nicht im gleichen Ausmaß gefestigt. Dies wird größtenteils darin zu begründen sein, dass private Standesorganisationen in der Zeit des Kommunismus keine Relevanz hatten bzw. gar nicht existierten und sich die staatlichen Gesellschaften eher für die Verbreitung des Buches in der Bevölkerung einsetzten und keine institutionellen Interessen verfolgten. Auch in den stark differierenden Mitgliederzahlen zeigt sich die unterschiedliche Bedeutung der Verbände auf nationaler Ebene: Während z. B. der deutsche Börsenverein etwa 6.000 Mitglieder zählt, sind es in der polnischen Buchkammer (bisher) lediglich 240. Die im Verhältnis zur Gründung der EU recht alten europäischen Dachorganisationen zeigen das Bemühen, auch in der Buchbranche Regelungen über die nationalen Grenzen hinaus zu entwickeln und einheitliche europäische Standards zu schaffen. Das gleiche gilt für die international agierenden Organisationen, die weltweite Netzwerke und einheitliche Bestimmungen schaffen wollen. 5.2 Das Urheberrecht: “Schutz des geistigen Eigentums” Etwa seit der Französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Ruf nach einem “Schutz des geistigen Eigentums” von Dichtern und Schriftstellern laut. Die strukturellen Veränderungen im Buchvertrieb und die stete Zunahme der Buchproduktion sowie der Wandel vom Lateinischen zu nationalen Schriftsprachen in den Büchern, verlangten eine neue Organisation ihrer Vervielfältigungsberechtigungen (vgl. Volpers 2002: 2659). Bis dahin war es den Autoren in Europa zum einen nicht möglich, gegen die stark verbreiteten ungenehmigten Nachdrucke ihrer Werke vorzugehen. Zum anderen mussten sie das Recht an ihrem Werk zumindest für eine bestimmte Zeit an den Verleger abtreten. Zwar gab es in vielen Ländern Bestimmungen, wer “autorisiert” war, Bücher zu drucken, dies hatte seine Gründe meist jedoch in der Kontrolle über die Buchproduktion und dessen Inhalte (vgl. Finkelstein & McCleery 2005: 76). Im Gegensatz zum Originalverleger, der neben den Honorarkosten für den Autor zudem das Risiko des nicht einschätzbaren Erfolgs eines Buches trug, hatte der Nachdrucker betriebswirtschaftliche Vorteile, da auf ihn lediglich Produktions- und Vertriebskosten zukamen. Dies machte das damals noch nicht strafbare Nachdrucken besonders Das Buch als Kultur- und Wirtschaftsgut 257 attraktiv (vgl. Tietzel 1995: 158). Deutsche und britische Verleger der Originalwerke versuchten auf verschiedenen Wegen, gegen den Nachdruck vorzugehen. Neben angedrohten oder umgesetzten Sanktionen setzten sie teilweise auf Subskription: Die Käufer zahlten im Voraus für ein Buch und erhielten es dafür günstiger als es nach Erscheinen verkauft wurde sowie die ersten Abdrucke, die zum damaligen Technikstand die besten waren. Durch die damit gesicherte erste Abnahmemenge konnten die Verlage ihre Auflagen zudem besser kalkulieren und durch die Vorauseinnahmen steigerten sie ihre Liquidität (vgl. Finkelstein & McCleery 2005: 63 sowie Tietzel 1995: 203 f.). Jedoch war die Subskription teilweise mit Mängeln behaftet und es kam u. a. vor, dass die Bücher nicht an ihre Abonnenten ausgeliefert wurden oder die thematischen Inhalte hinter den Erwartungen der Leser zurückblieben. 5.3 Buchpreisbindung in Europa “The fixed book price agreement (FBP) involves retail prices maintenance, by which the publisher reserves the right to set the retail prices of books. Since the publisher also influences wholesale prices, he effectively sets gross margins for retail outlets. The cultural merits ascribed to such agreements have almost reached mythical proportions. No public debate in Europe on the cultural value of books is complete without a discussion of the FBP.” (Canoy & Ours & Ploeg 2006: 743) Buchpreisbindung bedeutet, dass ein publiziertes Buch zu einem vom Verlag festgelegten Ladenpreis in jeder Region des Landes und an allen Verkaufsorten zu diesem Preis abgegeben werden muss. Der Preiswettbewerb findet dabei nur auf der Ebene der Verlage statt, die neben der Deckung ihrer Kosten (plus Gewinn) auch beachten müssen, in welchem Preisrahmen die Konkurrenz ähnliche oder gar substituierende Titel anbietet. Es wird zwischen kollektiver und individueller Preisbindung unterschieden. Bei der ersten unterliegen ausnahmslos alle Verlagserzeugnisse der Preisbindung, bei der zweiten kann der Verlag individuell für jeden seiner Titel entscheiden, ob dieser zu einem festen Ladenpreis oder vollkommen frei verkauft werden soll (vgl. ebd.: 750). Das Thema Buchpreisbindung wird in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene kontrovers diskutiert und beide Positionen bringen nachvollziehbare Argumente für ihren Standpunkt an. Auf der einen Seite setzen sich die Verlegervereinigungen, die Ende des 19. Jahrhunderts die Initiatoren für einen festen Ladenpreis waren, für eine Beibehaltung oder Einführung der Buchpreisbindung ein. Sie begründen ihre Forderung zum einen mit der kulturpolitischen Aufgabe des Buchhandels, der Bevölkerung ein vielfältiges Angebot an Büchern verfügbar zu machen und der Gefahr, dass dies bei einer freien Preisgestaltung nicht mehr in dem gewünschten Ausmaß möglich sei. Zudem sind so Querfinanzierungen und Mischkalkulationen möglich, da Bestseller nicht zu Dumping-Preisen und weniger gutverkäufliche Bücher nicht zu abschreckend hohen Preisen verkauft werden können bzw. müssen. Die Verlage sind nicht auf staatliche Subventionen für ihre weniger populären Titel angewiesen. Auf der anderen Seite steht das Argument, eine Preisbindung würde Wettbewerb verhindern und es wäre für alternative Verkaufsstellen (Tankstellen, Internet etc.) weniger attraktiv, Bücher anzubieten (vgl. ebd.: 746 ff.). Ebenso könnte sich der Markt durch feste Preise nicht mit Hilfe von Angebot und Nachfrage selbst regulieren. Auf europäischer Ebene forderte das Europäische Parlament bereits 1993 im Rahmen des Gutenberg-Programms zur Förderung des Buches in Europa “ein System eines europaweit geltenden festen Buchpreises” (Schwarz 1994: 476) sowie eine Mehrwertsteuerbefreiung für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften. Doch auch 18 Jahre später Annika Cornils 258 ist die Buchpolitik innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU nicht einheitlich geregelt. Noch immer gibt es Unterschiede in der Besteuerung der Bücher und der festen bzw. freien Ladenpreise. Diese Uneinheitlichkeiten spiegeln sich auch in den vier analysierten Staaten wider. 5.3.1 Feste Ladenpreise in Deutschland Die in Deutschland bestehenden festen Ladenpreise ermöglichen auch kleineren Buchhandlungen (noch) auf dem Markt zu bestehen und zumindest in Bezug auf die Verkaufspreise nicht von Ketten und anderen Verkaufsstellen verdrängt zu werden. Wie auch in Großbritannien ist die deutsche Buchhandlungslandschaft von teilweise gigantischen Filialen großer Buchhandelskonzerne geprägt - dass sich trotzdem noch viele unabhängige Sortimenter durchsetzen können, liegt nicht zuletzt in der in Deutschland vorgeschriebenen Buchpreisbindung begründet. Diese wurde 2002 gesetzlich durchgesetzt und 2006 überarbeitet. 24 Im ersten Paragraph des Buchpreisbindungsgesetzes (BuchPrG) wird der Zweck des Gesetzes erörtert: “Das Gesetz dient dem Schutz des Kulturgutes Buch. Die Festsetzung verbindlicher Preise beim Verkauf an Letztabnehmer sichert den Erhalt eines breiten Buchangebots. Das Gesetz gewährleistet zugleich, dass dieses Angebot für eine breite Öffentlichkeit zugänglich ist, indem es die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen fördert.” (Franzen & Wallenfels & Russ 2006: 1; § 1 Zweck des Gesetzes, BuchPrG in der Fassung vom 14.07.2006.) Seitdem ist es den Verlagen nicht mehr freigestellt, ihre Erzeugnisse preislich zu binden, sie sind dazu verpflichtet (vgl. Baier 2007: 16). Durch das BuchPrG ist der Handel gezwungen, den vom Verlag festgesetzten Ladenpreis eines Titels beizubehalten; Rabattschlachten wie im Vereinigten Königreich sind hierzulande nicht zulässig. Dies gilt jedoch nur für neue Bücher. Gebrauchte Bücher sind nicht preisgebunden, was sich vor allem Internethändler wie Amazon zu Nutze machen, indem sie neben neuwertigen Titeln auch gebrauchte Bücher zu günstigeren Preisen anbieten. Da das BuchPrG nicht über die Ländergrenzen hinweg gültig ist, können in Deutschland produzierte Titel beispielsweise in der Schweiz (wo die Preisbindung 2007 außer Kraft gesetzt wurde) unter den vom Verlag festgesetzten Preisen verkauft werden. Umgekehrt unterliegen importierte Bücher der Preisbindung, wenn sie überwiegend für den deutschen Markt produziert wurden, wie es bei Fremdsprachenlehrbüchern oder deutschsprachigen Titeln aus Österreich oder der Schweiz der Fall ist. Hier müssen die Importeure verbindliche Preise festlegen, wenn diese nicht vom Verlag vorgegeben sind (vgl. Weuster 2007: 93). Dagegen sind fremdsprachige Bücher nicht preisgebunden und unterliegen damit dem Preiswettbewerb. Da in Deutschland jedoch Preisfestsetzungspflicht für Bücher besteht, müssen die Buchhändler für importierte Titel Preise festsetzen, die den im Verlagsstaat vorgeschriebenen oder empfohlenen Nettopreis (d. h. ohne Mehrwertsteuer) nicht unterschreiten darf (vgl. ebd.: 111). Die Preisbindung kann nur durch den Verlag aufgehoben werden. Die Aufhebung wird im Börsenblatt bekannt gegeben und ist frühestens 18 Monate nach Erscheinen des Titels möglich oder wenn eine aktualisierte oder anderweitig veränderte Auflage erscheint. Im Modernen Antiquariat werden die Bücher, die der Preisbindung nicht mehr unterliegen, “verramscht”, d. h. als Mängelexemplare gekennzeichnet und somit zu einem günstigeren Ladenpreis verkauft. Mängelexemplare können bereits vor Ablauf dieser Zeit von der Buchpreisbindung befreit werden. In der Novellierung des BuchPrG wurde 2006 festgelegt, “[…] dass ein Mängelexemplar sowohl einen tatsächlichen Mangel als auch eine entsprechende Kennzeichnung ausweisen muss, damit es nicht mehr der Preisbindung Das Buch als Kultur- und Wirtschaftsgut 259 unterliegt […]” (Franzen & Wallenfels & Russ 2006: 2; § 7 Abs. 1 Nr. 4, BuchPrG in der Fassung vom 14.07.2006) und nicht durch bloße Kennzeichnung die Buchpreisbindung umgangen werden kann - oder die Remission des Exemplars, weil es sich nicht verkaufen lässt. Inwieweit diese Neuerung in der Praxis jedoch berücksichtigt wird, bleibt zu fragen, da viele reduzierte Bücher in den Buchhandlungen nach wie vor bis auf den Stempel augenscheinlich keine Mängel aufweisen. 5.3.2 Freie Ladenpreise in Großbritannien, Polen und Rumänien Im Gegensatz zu Deutschland existiert in Großbritannien, Polen und Rumänien keine gesetzliche Buchpreisbindung. Dementsprechend ist es für die Buchhändler wichtig, beim Einkauf möglichst hohe Rabatte zu erzielen, um die Bücher zu einem günstigen Preis an die Endkunden abgeben zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben. Durch ihre zentralen Masseneinkäufe können insbesondere Buchhandlungsketten höhere Rabatte bei den Verlagen und Großhändlern (Grossisten) durchsetzen und ihre Bücher zu niedrigen Ladenpreisen an die Kunden weitergeben. Dass dieses Verfahren den seit einigen Jahren boomenden Filialisten zugute kommt und unabhängige Sortimenter auf der Strecke bleiben, zeigt sich insbesondere in Großbritannien. Dort wurde 1995 nach fast hundert Jahren das Net Book Agreement (NBA) abgeschafft, das bis dahin für feste Ladenpreise sorgte. Nach mehreren gescheiterten Versuchen gelang es den britischen Ständeverbänden in Gemeinschaftsarbeit, im Jahre 1900 das NBA (in Anlehnung an die Regelung im deutschen Sprachraum) ins Leben zu rufen. Jedoch blieb es bis zu seinem Zusammenbruch umstritten und wurde durch verschiedene Gesetze infrage gestellt. 1995 lösten sich viele britische Verlage aus der Übereinkunft und setzten keine verbindlichen Verkaufspreise für ihre Titel mehr fest. Auch auf europäischer Ebene wurde in dieser Zeit über die Zulässigkeit der grenzübergreifenden gebundenen Buchpreise zwischen Großbritannien und Irland diskutiert. Darüber hinaus ließ sich das NBA auf dem unregulierten US-amerikanischen Buchmarkt, der eine große Bedeutung für das britische Exportgeschäft mit Büchern hat, insbesondere durch den dort bereits einsetzenden Internethandel, nicht aufrechterhalten. Zwei Jahre später wurde die vertikale Preisbindung für Bücher (sie bezeichnet die Verpflichtung der einzelnen Handelsstufen Verlag - Großhändler - Einzelhändler, sich an die vorgegebenen Preise zu halten), die bisher als Ausnahmeregelung vom britischen Kartell genehmigt war, als endgültig unzulässig erklärt (vgl. Obert 2000: 13ff. und Stratmann 2006: 358). Die Filialisten profitieren von der fehlenden Buchpreisbindung, indem sie Werbeaktionen in der Art “buy 2 and get 3” starten. Auch existieren Internetseiten, auf welchen die Preise eines Titels bei verschiedenen Buchhandlungen und Online-Shops miteinander verglichen werden können und so der günstigste ausgewählt werden kann. 25 Dennoch haben sich die durchschnittlichen Buchpreise zwischen 1995 und 2000 um 18,6 Prozent erhöht und lediglich Bestseller und akademische Bücher wurden günstiger (vgl. Weuster 2007: 58). “Der allgemeine Konsumentenpreisindex stieg im gleichen Zeitraum dagegen nur um 10,9 %.” (Ebd.) Während die Buchpreise im kommunistischen Polen und Rumänien vom Staat festgelegt wurden, ist es den Buchhändlern heute freigestellt, zu welchen Preisen sie die Bücher anbieten. Mit der Entscheidung der polnischen Buchkammer, sich nicht für feste Ladenpreise auf dem polnischen Buchmarkt einzusetzen, scheint die Debatte dort beendet zu sein: “Finally, Polska Izba Ksi ki (Polish Chamber of Books) has definitvely rejected the idea of statutory regulation of the book market in Poland (including fixed price system).” (Go biewski 2006: 158) Jedoch haben die Verlage die Möglichkeit, empfohlene Preise auf das Buch zu drucken Annika Cornils 260 und damit eine völlige freie Preisgestaltung des verbreitenden Buchhandels zumindest einzuschränken. Doch zeigt sich beim stationären Buchhandel in Polen eine Tendenz, wie sie in den westlichen EU-Staaten schon seit einigen Jahren zu sehen ist: Die unabhängigen Buchhandlungen können sich immer weniger gegen die verstärkt aufkommenden Ketten durchsetzen, die Bücher günstiger einkaufen und somit auch günstiger als die kleinen Buchhändler verkaufen können. Die unabhängigen Sortimenter konkurrieren ebenfalls mit Supermärkten und Buchclubs, die nur gut verkäufliche Bücher im Angebot haben und damit zwar in ihrer Vielfalt eingeschränkt sind, diese Titel jedoch 10 bis 15 Prozent günstiger anbieten. Vor allem seit dem Anstieg des Online-Versandhandels ist auch auf dem rumänischen Buchmarkt der Preiskampf unter den Buchhändlern entbrannt. 26 Auf im Internet bestellte Bücher gewähren die Händler oder Verlage bis zu 20 Prozent Preisnachlass und auf Buch(verkaufs)messen werden Bücher mit hohen Rabatten angeboten. Auch Supermärkte haben vermehrt Bücher in ihrem Sortiment und verkaufen diese bis zu 35 Prozent günstiger als die Buchhandlungen. Bezogen auf alle Mitgliedsstaaten der EU stellen die vier vorgestellten Staaten kein Abbild der tatsächlichen Situation auf den nationalen europäischen Buchmärkten dar, da etwa die Hälfte der Mitgliedsstaaten eine Buchpreisbindung besitzt und weitere - wie u. a. Belgien - derzeit Regelungen erarbeiten. 27 Auf europarechtlicher Ebene besteht eine Diskussion über die grenzüberschreitenden gebundenen Buchpreise in Bezug auf den gleichen Sprachraum. Dies betrifft insbesondere Deutschland und Österreich, bis zum Fall des NBAs gab es ebenfalls Diskussionen zur Buchpreisbindung zwischen Großbritannien und Irland. 28 Etwa 70 Prozent der in Österreich verkauften Bücher stammen aus deutschen Verlagen. Der Europäische Gerichtshof entschied im Fall des grenzüberschreitenden Buchhandels, dass Verleger oder Importeure einen Verkaufspreis festsetzen dürfen, welcher für den jeweiligen Mitgliedstaat verbindlich ist (vgl. Franzen & Wallenfels & Russ 2006: 76 f.). Dies stellt eine Ausnahme zum europäischen Wettbewerbsrecht dar, welches besagt, dass Preisfestsetzungen zwischen EU-Staaten unzulässig sind. Auch bezüglich der vom Staat erhobenen Steuer werden Bücher in vielen Ländern bevorzugt behandelt und ihnen damit ein besonderer Status als wichtiges Kulturgut zuerkannt. So gilt in Deutschland ein “halbierter Steuersatz” von sieben Prozent auf Bücher - derselbe wie auch für Lebensmittel. In Rumänien beträgt der erst vor einigen Jahren eingeführte Steuersatz für Verlagserzeugnisse derzeit neun Prozent. Bücher sind in Großbritannien seit Aufhebung der Buchpreisbindung von der Mehrwertsteuer befreit. Zur Förderung des Buchmarktes wird auch in Polen derzeit keine Steuer auf Bücher erhoben. Diese Regelung gilt allerdings nur bis 2010 und der Satz wird danach bei voraussichtlich sieben Prozent liegen (vgl. Go biewski & Fro ow 2007: 3). Der reduzierte oder erlassene Mehrwertsteuersatz gilt für gedruckte Bücher. Auf E-Books fällt in allen Ländern der reguläre Steuersatz an und bei Hörbüchern hat die Europäische Kommission im Frühjahr 2009 zwar einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz erlaubt, umgesetzt wurde er zumindest in Deutschland bisher jedoch noch nicht. Auch gilt die Buchpreisbindung nicht für diese Formen der Literatur. 29 Insbesondere für E-Books, die ein Substitut für das gedruckte Buch darstellen, ist derzeit in Deutschland umstritten, ob sie der Buchpreisbindung unterliegen (sollen) oder nicht. Als Einwand gegen die Preisbindung wird ihre Beschränkung auf körperliche Trägermedien angegeben, und dass E-Books durch ihre digitale Form leicht in andere Länder verkauft werden können, wo sie nicht preisgebunden sind (vgl. Franzen & Wallenfels & Russ 2006: 50 f.). Der deutsche Buchmarkt zeigt, dass die Buchpreisbindung keinen Einfluss auf die Ausbreitung von Filialisten hat. Dennoch besteht der Unterschied zu Großbritannien darin, Das Buch als Kultur- und Wirtschaftsgut 261 dass es noch viele unabhängige Buchhandlungen gibt, die sich zwar die so genannten “1a- Lagen” in Einkaufszentren und -straßen nicht leisten können, jedoch ein lückenloses Vertriebsnetz auch in entlegene Orte gewährleisten. Dass freie Buchpreise nicht zwangsläufig zu einer geringeren Büchervielfalt führen müssen, zeigt sich in der seit Jahren steigenden britischen Titelproduktion (wobei an dieser Stelle keine Aussage über die Qualität der publizierten Bücher erfolgen kann und soll). Dagegen ist die Titelproduktion in Polen seit einigen Jahren rückläufig und in Rumänien wird wohl erst in mittlerer Zukunft eine klare Richtung feststellbar sein. 5.4 Die Funktion der europäischen Buchmessen im Wandel der Zeit Die Bedeutung der Buchmessen hat sich in den vergangenen Jahrhunderten stark gewandelt. Waren sie zunächst ein Ort, an welchem Manuskripte ausgetauscht wurden und dadurch erst im Land verbreitet werden konnten, dienen sie heute in erster Linie dem Lizenzhandel und der Kontaktpflege. Hierfür nutzen die Teilnehmer die Messe als Plattform für ihre nationalen, internationalen und globalen Geschäftsbeziehungen. Zudem haben Buchmessen heute die Funktion eines Seismographen, der die Situation und die Entwicklungstendenzen eines (nationalen) Buchmarktes aufzeigt. Sie bieten dem Literaturbetrieb und seinen Akteuren die Möglichkeit, das erhöhte Medieninteresse am Buch(-markt) zu nutzen, um die Bevölkerung für Literatur und das Lesen zu begeistern. Ihren Ursprung hatten die Buchmessen Ende des Mittelalters mit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, in dessen Folge die Buchproduktion rasch anstieg und Distributionswege für die Bücher gesucht wurden. Die erste Buchmesse etablierte sich bereits wenige Jahre nach Gutenbergs Erfindung in Frankfurt am Main, 30 wo sich die Drucker jährlich trafen, um ihre Manuskripte über Händler zu verbreiten. Mit der Ausdifferenzierung des Verlagswesens und der Entstehung neuer Berufsbilder wandelte sich auch die Bedeutung der Messe allmählich von einem Tauschzu einem Kommissionshandel. Die Händler kauften die Bücher auf Kommission und rechneten im Folgejahr mit den Druckern ab. Bereits im 16. Jahrhundert entstanden erste Messekataloge, die einen Überblick auf das Angebot der Neuerscheinungen boten. In dieser Zeit baute die Frankfurter Buchmesse ihre Bedeutung als zentrale Buchmessestadt in Europa aus. Eine Verlagerung von Frankfurt nach Leipzig als wichtigste Messestadt folgte Mitte des 18. Jahrhunderts im Zuge politischer und kultureller Veränderungen. Durch die verbesserten Vertriebsmöglichkeiten infolge der Industrialisierung verloren die Buchmessen im 19. Jahrhundert ihre Funktion für den Warenaustausch und wandelten sich zu reinen Mustermessen, zu welchen kaum mehr die Verleger selbst, sondern lediglich ihre Vertreter anreisten, um Geschäfte abzuwickeln. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang sowohl der Leipziger als auch der Frankfurter Buchmesse ein Neuanfang, und in den vergangenen Jahrzehnten etablierten sie sich als wichtige jährliche Branchentreffen mit individuellen Schwerpunkten neu. So entwickelte sich bereits 1946 in Leipzig eine jährlich im Frühjahr stattfindende Autoren- und Publikumsmesse, deren Besonderheit heute die Vielzahl an Lesungen darstellt, bei welchen die Autoren in direkten Kontakt mit den Lesern treten und der Literaturvermittlung hiermit eine wichtige Bedeutung zukommt. Während der deutsch-deutschen Teilung fand in Leipzig die Internationale Leipziger Buchmesse zweimal jährlich statt - im Frühjahr und im Herbst (vgl. Taubert 1972: 256). Ebenfalls bildet das Hörbuch seit einigen Jahren einen Themenschwerpunkt der Leipziger Buchmesse. In Frankfurt hingegen treffen sich seit 1949 erneut sämtliche Akteure des Literaturbetriebs im Herbst Annika Cornils 262 und die weltgrößte Buchmesse hat dort insbesondere für den Lizenzhandel eine wichtige Funktion. Die stetig wachsende Messe mit immer neuen Aussteller-Nationen wird vom Börsenverein organisiert und bildet den Rahmen für die jährliche Verleihung von Literaturpreisen. Überhaupt hat es sich etabliert, dass viele Buchmessen auch Literaturpreise verleihen. Die Frankfurter Buchmesse ist stark um den Aufbau und die Pflege internationaler Kontakte bemüht und unterhält dafür Auslandsbüros in Bukarest, Peking, Moskau, New York und Neu Delhi. 31 Diese arbeiten eng mit den nationalen Buchmärkten zusammen. In anderen europäischen Ländern entstanden ebenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg Buchmessen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Bedeutungen für die Branche - so beispielsweise die Bologna Children’s Book Fair in Italien seit 1963 32 . In Großbritannien wurden zunächst unregelmäßig Buchmessen veranstaltet, u. a. die World Book Fair 1964 in London. Die vergleichsweise junge London Book Fair findet seit 1996 jährlich mit Unterstützung der Booksellers’ Association als internationale Frühjahrs-Buchmesse für Fachbesucher mit dem Schwerpunkt auf Lizenz- und Rechtehandel statt. Die Messe bezeichnet sich selbst als “[…] the global publishing community’s leading spring forum for booksellers, publishers, librarians and book production services worldwide.” 33 Organisiert wird sie von Reed Exhibitions, die auch für weitere Buchmessen wie dem Salon du Livre in Paris tätig sind. Nachdem die London Book Fair vor einigen Jahren vom Zentrum an den Stadtrand gezogen war, beugte sie sich dem Druck der Branche und findet seit 2007 wieder im Earls Court Exhibition Center statt. In Polen existiert seit 1956 die jährlich zunächst in Posen, seit 1958 in Warschau veranstaltete Mi dzynarodowe Targi Ksi ki (Internationale Buchmesse), welche bis zum Ende des Kommunismus vom staatlichen Außenhandelsunternehmen Ars Polona organisiert wurde und deren internationale Kooperationen vorwiegend mit dem sowjetischen Block stattfanden. Dennoch wurde sie als wichtige Buchmesse für eine Brücke zwischen Ost und West (vgl. Taubert 1972: 368). Seit 1990 wird die Internationale Buchmesse vom privatisierten Ars Polona in Zusammenarbeit mit der polnischen Buchkammer jährlich im April weitergeführt und richtet sich - mit wechselnden Partnerländern und steigender Bedeutung in der Branche - vor allem an Verleger, Autoren und Leser aus Mittel- und Osteuropa (vgl. Go biewski & Fro ow 2007: 4). Das jährlich im Juni stattfindende Bookfest in Rumänien stellt die jüngste der hier angeführten Buchmessen dar. Erst seit 2005 wird die vom rumänischen Verlegerverband organisierte Schau in Bukarest veranstaltet und ist eher auf nationaler Ebene bedeutend. Im Gegensatz zu den bereits genannten Buchmessen ist sie auch eine Verkaufmesse, auf welcher die Besucher Bücher zu günstigeren Preisen als in der Buchhandlung erwerben können. 34 Vorgänger des rumänischen Bookfest war die zwischen 1992 und 2004 jährlich stattfindende Buchmesse Bookarest. 5.5 Literaturpreise als Auszeichnung für Autoren und Verleger Der zentrale Aspekt dieses Kapitels ist die kulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Relevanz von Literaturpreisen. Dafür wird der Blick zuerst auf ihre Bedeutung für Autoren und Verleger im Allgemeinen gerichtet. Daran anschließend werden einige nationale und internationale Literaturpreise vorgestellt, um einen Eindruck für die Bedeutung ihrer jeweiligen Nation und Kultur zu erhalten. Um einen Vergleich ziehen zu können, wurden Auszeichnungen ausgewählt, die jeweils als die bedeutendsten in Deutschland, Großbritannien, Polen Das Buch als Kultur- und Wirtschaftsgut 263 und Rumänien gelten und möglichst über ihre Grenzen hinaus bekannt sind, jedoch ohne diese zu bewerten. In ihrer heutigen Form entstanden Literaturpreise Mitte des 19. Jahrhunderts und wurden häufig genutzt, um den kunstpolitischen Interessen ihrer Stifter Ausdruck zu verleihen (vgl. Vandenrath 2005: 236). Großbritannien war 1823 eines der ersten Länder, das Literaten auszeichnete. Initiiert wurde die Auszeichnung von King George IV. und der von ihm gegründeten Royal Society of Literature (vgl. English 2005: 161). Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielten die Literaturpreise eine steigende Bedeutung in der kulturellen Szene und seit den 1980er Jahren einen immer kommerzielleren Charakter, u. a. durch zunehmende Inszenierung der Auszeichnungen für die Medien und ihrer Benennung nach den Hauptsponsoren. Jährlich werden weltweit unzählige Literaturpreise für die unterschiedlichsten Kategorien und literarischen Genres aus öffentlicher Hand oder von privaten Stiftern vergeben. Neben regionalen und nationalen Preisen, existieren auch viele länderübergreifende oder globale Auszeichnungen. Einer der bedeutendsten und bekanntesten ist der Nobelpreis für Literatur, der seit 1901 jährlich einem Autor, meist für sein Gesamtwerk, verliehen wird und zuletzt 2010 an Mario Vargas Llosa ging. Der Preis wird sowohl an berühmte als auch an weniger bekannte Schriftsteller jeder Nation oder Kultur vergeben und ist derzeit mit zehn Millionen schwedischen Kronen (etwa eine Million Euro) dotiert. 35 Kritisiert wird mitunter, dass SchriftstellerInnen den Preis in der Regel erst in fortgeschrittenem Alter erhalten und jüngere kaum eine Chance haben, ausgewählt zu werden. Nicht nur für die Autoren, auch für die Verlage, in denen die Bücher erscheinen, haben Literaturpreise - vor allem die großen und bekannten, die von den Medien beachtet werden - eine wichtige Funktion. Sie sind gut für das Image der Verlage, die sich mit den Auszeichnungen schmücken können. Den jüngeren Autoren verhelfen sie neben einer Finanzspritze zu einem gesteigerten Bekanntheitsgrad durch die erhöhte Berichterstattung in den Medien und damit einhergehend einer verbesserten Platzierung in den Buchhandlungen. Nicht zuletzt dadurch gelingt es den Preisträgern - allerdings nur der bekannten Literaturpreise - seit einigen Jahren immer häufiger, mit ihren prämierten Titeln in den Bestsellerlisten weit nach oben zu steigen (vgl. Escherig 2007: 23). Dabei sollen Literaturpreise weit mehr sein, nämlich “[…] Instrumente der Hierarchisierung von ästhetischer Kultur, Organe kulturpolitischer Steuerung.” (Cramer 1996: 13) Ihre Aufgabe besteht darin, eine Kultur, eine gesellschaftliche Entwicklung zu repräsentieren. Doch nicht selten wird Kritik an den Auswahlkriterien der Preisträger geübt und die fachliche Kompetenz der Juroren in Frage gestellt. Ebenfalls sei teilweise zu beobachten, dass ein Autor, sobald er einen wichtigen Preis erhalten hat, nahezu automatisch auch andere Preise verliehen bekäme und die wirklich guten Autoren das Nachsehen hätten (vgl. Stiller 1971: 68 und Escherig 2007: 24 f.). Die Jury, die zumeist aus Kritikern, Autoren, Literaturwissenschaftlern etc. besteht, sichtet und bewertet die eingesandten Bücher. Bei einigen Literaturpreisen (besonders bei hoher Präsenz in den Medien) gibt es mehrere Auswahlstufen bis zur Preisverleihung. So wird zunächst eine Longlist veröffentlicht und kurze Zeit vor der Preisverleihung eine Shortlist, auf denen die möglichen Preisträger- Titel angeführt werden. Bücher, die es auf die Shortlist gebracht haben, genießen bereits eine erhöhte Medienaufmerksamkeit und nicht selten erhalten sie aus Verkauf fördernden Gründen einen Aufkleber oder eine Banderole mit einem Verweis auf die Platzierung in der Shortlist. Oft können sich die Autoren nicht selbst für einen Preis bewerben, sondern die Verlage senden je nach Literaturpreis eine bestimmte Anzahl von Büchern aus ihrem Programm ein. Annika Cornils 264 Der mit 40.000 Euro dotierte Georg-Büchner-Preis gilt als der wichtigste deutsche Literaturpreis (vgl. Vandenrath 2005: 237). Zum ersten Mal 1923 an Dichter, Künstler, Schauspieler und Sänger verliehen und vom damaligen Volksstaat Hessen gestiftet, wird er seit 1951 von der Akademie für Sprache und Dichtung als reiner Literaturpreis für deutschsprachige Literatur zur Verfügung gestellt. 2010 ging der Preis an den deutschen Schriftsteller Reinhard Jirgl. Einer weiteren Auszeichnung wird schon durch seine Verleihung zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse eine hohe Bedeutung beigemessen: Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels gilt seit 1950 als bedeutender deutscher Literaturpreis und wurde 2010 an den israelischen Schriftsteller David Grossman überreicht. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis wird auch an nicht deutschsprachige Autoren vergeben und soll nach Auffassung des Börsenvereins (dem Stifter des Friedenspreises) an Schriftsteller gehen, die den Friedensgedanken umsetzen und zu einer besseren Völkerverständigung beitragen (vgl. Philipp & Philipp 2007: 97). Der jüngste hier angeführte, aber schon recht etablierte deutsche Literaturpreis ist der Deutsche Buchpreis, der 2005 ebenfalls vom Börsenverein (mit Unterstützung des Unternehmens Paschen & Companie, der Frankfurter Buchmesse sowie der Stadt Frankfurt am Main) als Pendant zum britischen Man Booker Prize ins Leben gerufen wurde und den besten deutschsprachigen Roman auszeichnet. Auch er wird jährlich auf der Frankfurter Buchmesse verliehen und sein Ziel ist es, “[…] über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit zu schaffen für deutschsprachige Autoren, das Lesen und das Leitmedium Buch.” 36 Melinda Nadj Abonji erhielt die Auszeichnung 2010 für ihren Roman “Tauben fliegen auf”, der im österreichischen Kleinverlag Jung und Jung erschienen ist. Die sich bewerbenden Verlage müssen Mitglied im Börsenverein, bzw. in den schweizerischen oder österreichischen Pendants sein und sich verpflichten, die auf der Shortlist erscheinenden Bücher aktiv zu bewerben (vgl. Vandenrath 2005: 239). Als Auftakt zur Leipziger Buchmesse wird seit 1994 jährlich der Buchpreis zur Europäischen Verständigung verliehen, der u. a. von der Stadt Leipzig gestiftet wird und mit 15.000 Euro dotiert ist. 2010 ging der Preis an den in Budapest geborenen Schriftsteller György Dalos für das 2009 erschienene Buch “Der Vorhang geht auf. Das Ende der Diktaturen in Osteuropa.” Einer von etwa 50 Literaturpreisen in Großbritannien ist der Man Booker Prize, der seit 1968 an Schriftsteller vergeben wird, die Bürger des Commonwealth oder der Republik Irland sind und ihr fiktionales Buch im Jahr der Verleihung veröffentlicht haben. Der renommierte französische Prix Goncourt diente ihm als Vorbild. Zudem muss das Buch auf Englisch geschrieben und darf nicht selbst verlegt worden sein. 37 Der mit 50.000 britischen Pfund dotierte prestigeträchtige und bekannteste britische Literaturpreis ging 2010 an den englischen Autor Howard Jacobsen für seinen Roman “The Finkler Question”. Bereits die Listung auf der Shortlist des von Großkonzernen 38 gesponserten Man Booker Prize gilt als Garant für eine Platzierung auf der britischen Bestsellerliste. Auch wird ihm die Funktion zugeschrieben, die britische Literaturszene zum einen wirtschaftlich erfolgreicher und populärer, zum anderen durch die möglichen Preisträger aus fünf Kontinenten multikultureller gemacht zu haben (vgl. Stratmann 2006: 366). Ergänzend wurde 2005 der Man Booker International Prize initiiert, welcher alle zwei Jahre an einen Autor vergeben wird, der entweder auf Englisch publiziert hat oder dessen Werk in englischer Übersetzung existiert. Dabei wird nicht ein einzelnes Buch, sondern das Gesamtwerk des Schriftstellers ausgezeichnet sowie sein Verdienst an der Literatur und sein Einfluss auf Autoren und Leser weltweit. 39 Die kanadische Schriftstellerin Alice Munro erhielt 2009 den mit 60.000 britischen Pfund dotierten Award. Auch in Polen werden jährlich zahlreiche Literaturpreise für verschiedene Genres verliehen (vgl. Go biewski & Fro ow 2007: 8). Schon vor 1989 wurden mehrere Preise von den Das Buch als Kultur- und Wirtschaftsgut 265 Ministerien oder Zeitungen vergeben. Als bedeutendster gilt heute der mit 100.000 Z otys (etwa 30.000 Euro) dotierte Nagroda Literacka Nike, der seit 1997 an lebende Autoren und meist für belletristische Werke verliehen und von der größten polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza sowie der Beraterfirma Nicom Consulting gestiftet wird. Er wird zudem als Publikumspreis von den Lesern der Gazeta Wyborcza verliehen. Den Gewinnern wird somit eine ausführliche Berichterstattung in der Zeitung gesichert, was wiederum den Verkauf ihrer Bücher fördert. 2010 gewann der Schriftsteller Tadeusz S obodzianek mit seinem Buch “Nasza klasa” den Hauptpreis. 40 Ebenfalls aus Polen stammt der 2006 initiierte und mit 41.000 Euro dotierte mitteleuropäische Literaturpreis Angelus der Stadt Breslau und der Tageszeitung Rzeczpospolita. Er zeichnet das beste Buch des Jahres aus, das in Polen - auch als Übersetzung - erschienen ist und würdigt Autoren, die zeitgenössische Themen behandeln, zum Nachdenken anregen und die Kulturen einander näher bringen. 2008 wurde der Preis zuletzt vergeben und ging an den polnischen Schriftsteller Josef Škvorecký für sein Buch “Przypadki in yniera ludzkich dusz”. 41 In der Sozialistischen Republik Rumänien gab es wie auch in Polen verschiedene Literaturpreise, die regelmäßig für unterschiedliche Genres von den Ministerien verliehen wurden. Der rumänische Schriftstellerverband würdigt auch heute noch Autoren mit seinem Literaturpreis. Das Magazin Romania Literara und der Stiftung Anonimul stiften den mit 10.000 Rumänischen Leu (etwa 2.700 Euro) dotierten Prometheus Award in verschiedenen künstlerischen Kategorien - in der Literatur zum einen als Nachwuchspreis für junge Autoren (Preisträgerin war 2009 Simona Sora), zum anderen für das Gesamtwerk eines Schriftstellers (Ileana Malancioiu erhielt diese Auszeichnung 2009). 42 Alle vier Staaten besitzen eine Vielzahl an Literaturpreisen, die mehr oder weniger bekannt und renommiert sind. Sie haben sich als fester Bestandteil des Literaturbetriebs auf nationaler und teilweise internationaler Ebene etabliert. Auch wenn sich ihre Wirkung nicht immer auf den Verkauf niederschlägt, sind sie für die Autoren und Verlage wichtige Qualitätsprädikate, um nicht nur in den Buchhandlungen besser platziert zu werden, sondern auch, um bei der Verwertung der Nebenrechte oder bei Lizenzverhandlungen mit ausländischen Partnern eine gute Position beziehen zu können. Denn die Übersetzungsrechte eines Buches, das einen Literaturpreis gewonnen hat, lassen sich leichter und gewinnbringender verkaufen. Hierin sieht u. a. James F. English ein Potenzial für die Gewinnertitel: “There can also be opportuities for the literary capital of a prize to produce profits on other, adjacent fields. It is striking that five of the twelve Booker winners from 1982 to 1992 went on to become films, three of them Academy Award winners. […] Apart from their value to the author in film rights, cinematic adaptions tend to give a second life to the novel, boosting its sales beyond those of its original prize-driven success.” (English 2005: 174) Allerdings muss hier eingeräumt werden, dass die Gewinner des Booker-Prizes eine Ausnahme darstellen. Die Werke von Preisträgern anderer (nationaler) Auszeichnungen werden nicht im gleichen Maße verfilmt. Für herausragende Übersetzungen werden ebenfalls Auszeichnungen vergeben, die bislang jedoch wenig öffentliche Aufmerksamkeit erfahren (vgl. Vandenrath 2005: 238). So fördert der Brücke Berlin Preis Übersetzungen mittel- und osteuropäischer Literatur ins Deutsche. Annika Cornils 266 6 Die aktuelle Situation auf den Buchmärkten in Deutschland, Großbritannien, Polen und Rumänien Aufbauend auf die dargestellten Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Entstehung der vier nationalen Buchmärkte sowie ihrer politischen und ökonomischen Parameter, wird im Folgenden der Blick auf ihre gegenwärtige Situation gerichtet. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass insbesondere in den vergangenen 25 Jahren eine beschleunigte Weiterentwicklung der Literaturbetriebe feststellbar ist. Um ein Verständnis hierfür zu erhalten, werden in diesem Teil die Funktionen und Arbeitsweisen sowohl des herstellenden 43 als auch des verbreitenden Buchhandels in Deutschland, Großbritannien, Polen und Rumänien betrachtet und aufgezeigt, wo Ähnlichkeiten und/ oder Verschiedenheiten bestehen. Die Buchproduktion war Anfang des neuen Jahrtausends in Großbritannien und Polen deutlich höher als gegenwärtig. In Deutschland ist sie dagegen derzeit auf dem höchsten Stand und in Rumänien wird ohne verlässliche Zahlen ebenfalls von steigender Buchproduktion ausgegangen. Auch mit Blick auf das Verhältnis der Einwohner (der vier Nationen) pro Buch zeigt sich, dass Großbritannien führend ist und dort pro Einwohner die meisten Titel verlegt werden. Rumänien hingegen bildet auch im Verhältnis zu seiner recht geringen Einwohnerzahl das Schlusslicht. Land Deutschland Großbritannien Polen Rumänien Titelproduktion 96.479 115.420 19.860 etwa 8.000 Einwohner 82,5 Mio. 60,2 Mio. 38,2 Mio. 21,6 Mio. Einwohner pro Titel 855 522 1.923 2.700 Produzierte Exemplare 984 Mio. 855 Mio. 133,6 Mio. 14,19 Mio. Exemplare pro Einwohner 11,92 14,2 2,95 0,66 Tab. 1: Verhältnis von Buchproduktion, Exemplaren und Einwohnern 44 (eigene Darstellung) 7 Schlussbetrachtung und Ausblick Die Konzentration und Konsolidierung auf den Buchmärkten seit den 1980er Jahren bestätigt, dass es sich auch bei der Vermarktung und dem Verkauf des Kulturguts Buch um eine Ware wie viele andere Konsumgüter handelt. In Zeiten marktwirtschaftlich agierender Gesellschaften ist es die konsequente Folge, dass auch Bücher über standardisierte und ökonomisierte Produktions- und Vertriebswege zu den Konsumenten und damit zum Leser gebracht werden. Der pathetische Wunsch nach einer Buchwelt mit kleinen, verwinkelten Buchhandlungen, in denen die Bücher bis unter die Decke gestapelt sind, passt kaum in eine Zeit des beschleunigten Konsums und des allgegenwärtigen Profitstrebens. Dass mitunter noch solch heimelig anmutende Buchläden vorhanden sind, zeugt vom großen Idealismus ihrer Inhaber und möglicherweise von einer guten Portion Eigenkapital, so dass der Umsatz nicht der Existenz bestimmende Faktor der Unternehmung ist, sondern eher ein Hobby und die Leidenschaft für Literatur ausgelebt werden. Dennoch ist Idealismus im Buchwesen noch immer vorhanden: Der Großteil der Autoren verdient zu wenig Geld mit seiner Schriftstellertätigkeit, um allein davon zu leben und geht häufig noch einem anderen (Haupt)beruf nach. Lediglich einige wenige (international) erfolgreiche Bestsellerautoren verdienen viel Geld mit der Schriftstellerei. Wenig anders sieht es im Verlagswesen und im verbreitenden Buchhandel Das Buch als Kultur- und Wirtschaftsgut 267 aus. Hier sind es überwiegend die Verlagskonzerne und Buchhandlungsketten, die durch bestimmte Strukturen und einer guten Marktposition teilweise enorme Gewinne erzielen können. Diesen stehen unabhängige Buchhändler gegenüber, die sich durch ein spezialisiertes Angebot von den Konkurrenten abzugrenzen versuchen und denen womöglich die Liebe zum Buch von größerer Bedeutung ist als endlose Profitsteigerung. Auch kleinere, nicht Konzernen zugehörige Verlage versuchen mit teilweise nicht mainstream-tauglichen Autoren, ihre Botschaften und Ideale durch ein auf ihre Unternehmensphilosophie abgestimmtes Programm zu verwirklichen. Hier zeigt sich, dass das Buch - auch wenn es Massen zugänglich ist und innerhalb einer Marktwirtschaft verbreitet wird - noch eine bedeutende Funktion als Kulturgut hat und nicht ausschließlich als Produkt zur Gewinnmaximierung verstanden wird. “There is no much inter-European book trade, so that book policies hardly distort the single European market. Also, characteristics of book industry, cultural and social features and political preferences of the different countries of Europe differ substantially.” (Canoy & Ours & Ploeg 2006: 758) Damit wird deutlich, dass es nicht einen europäischen Buchmarkt gibt und geben kann, da einem gemeinsamen Markt schon durch die unterschiedlichen Sprachen, die u. a. die Vielfalt Europas kennzeichnen, Grenzen gesetzt sind und diese allein durch Übersetzungen überwunden werden können. Als Ausnahme kann allenfalls englischsprachige Literatur gelten, die in geringer Menge auch in anderen europäischen Staaten als Großbritannien und Irland im Original gelesen wird. Jedoch handelt es sich hierbei insbesondere im Bereich der Belletristik um importierte Bücher aus Großbritannien oder den USA, da fiktive Literatur im jeweiligen Staat in der Regel in der Landessprache produziert wird. Im Vergleich zwischen den Buchmärkten in Ost- und Westeuropa ist erkennbar, dass Polen und Rumänien durch die vier Jahrzehnte des Kommunismus wirtschaftlich und in Bezug auf den Fortschritt auch heute noch hinter dem Westen liegen. Dabei muss jedoch betont werden, dass Polen in allen Bereichen des Buchwesens sehr viel weiter entwickelt ist als Rumänien und in weiten Teilen bereits ähnliche Entwicklungstendenzen aufweist wie Deutschland und Großbritannien. Bezüglich der Buchpolitik und Buchökonomie waren die größten Übereinstimmungen auf den Buchmärkten der vier Staaten feststellbar: Alle besitzen Ständegemeinschaften, haben ähnliche Urheberrechtsgesetze, führen Buchmessen mit (unterschiedlich hoher) internationaler Bedeutung durch und vergeben eine Vielzahl an Literaturpreisen, die zumindest auf Landesebene auf ein Medienecho stoßen und so zur Aufmerksamkeitserregung des Buches als Kultur- und Wirtschaftsgut dienen. Darüber hinaus existieren internationale Buchpreise wie der Literaturnobelpreis, internationale Urheberrechtsvereinbarungen und europäische bzw. internationale Dachorganisationen der nationalen Verlegerverbände, die alle dazu führen, dass sich die Buchmärkte einander annähern und zumindest im normativen Bereich Vereinheitlichungen schaffen. In Bezug auf die Buchpreisbindung zeigt sich dagegen ein ungleiches Bild, welches auf die gesamte EU übertragbar ist: Es bestehen noch keine einheitlichen europäischen Gesetze zur Frage der gebundenen Ladenpreise und somit ist es bisher jedem Land selbst überlassen, eine Regelung zu finden. Es bleibt abzuwarten, wie sich der rumänische Buchmarkt in den kommenden Jahren entwickelt, und ob dort mittelfristig ebenfalls aktuelle Branchenzahlen, Bestsellerlisten und ausgebaute Vertriebswege vorzufinden sind, wie es in Deutschland, Großbritannien und Polen bereits der Fall ist. In diesen drei Ländern wird die Konzentration und Konsolidierung des Buchmarktes aller Voraussicht nach weiter fortschreiten und Konzerne sowie Filialisten das Bild des Marktes immer stärker prägen. Zu hoffen ist, dass die Bedeutung des Buches als Annika Cornils 268 Kulturgut auf diesem Weg nicht verloren geht, und es durch viele Übersetzungen weiterhin einen regen Austausch zwischen den verschiedenen Sprachen geben wird. Mit der vorliegenden Analyse der vier europäischen Buchmärkte trägt dieser Beitrag zum Verständnis der verschiedenen, nationalen Buchmärkte bei, die in dieser Form eines Ost-West-Vergleichs bisher kaum wissenschaftlich erforscht wurden. Literatur Balaban, Delia Cristina 2007: “Wenig lesen, viel fernsehen. Strukturelle Faktoren der Mediennutzung in Rumänien”. In: Münchener Beiträge zur Kommunikationswissenschaft Nr. 8, August 2007. URL: http: / / epub.ub.unimuenchen.de/ archive/ 00002015 [Stand: 21.04.2008]. Benjamin, Walter 2001: Medienästhetische Schriften. 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Annika Cornils 270 Anmerkungen 1 Wenn nicht anders vermerkt, ist mit Verlag stets ein Buchverlag gemeint - andernfalls ist dies explizit erwähnt. 2 Buch wird hier gemäß der Definition der UNESCO verstanden, wonach es sich um nicht periodische gedruckte Veröffentlichungen handelt, die einen Umfang von wenigstens 49 Seiten haben, wobei der Umschlag oder Einband und Vorsatz nicht dazugezählt werden (vgl. Stockem 1988: 7). 3 Im Vordergrund der Analyse stehen die Funktionen von Verlagen und Buchhandel als Hauptakteure auf den Buchmärkten, da sie als feste Größen einen guten Vergleich der vier Staaten zulassen. Die ebenso wichtige Stellung von Autoren und Konsumenten/ Leser wird jeweils im direkten Zusammenhang mit den beiden ersten Faktoren betrachtet, wogegen Druckereien und Institutionen wie Bibliotheken komplett ausgeklammert werden. 4 Siehe hierzu ausführlich Walter Benjamins Aufsatz “Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit” (1936/ 1939). Benjamin bezieht sich dort zwar auf das Medium Film und nicht auf das Buch, jedoch sind viele seiner Ansätze auch auf Letzteres anwendbar. 5 Frankreich hat das Vereinigte Königreich zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Bezug auf die Einwohnerzahlen überholt. In dieser Arbeit wurde dennoch Großbritannien bewusst gewählt, da es zum einen mit seiner Buchproduktion von rund 115.400 Titeln eine Schlüsselfunktion in der gegenwärtigen Entwicklung der europäischen und auch globalen Buchmärkte einnimmt, wie im Verlauf der Arbeit verdeutlicht wird. Zum anderen lag Großbritannien in den 1980er und 90er Jahren - die wegweisend für den strukturellen Wandel in der Branche und die aktuelle Situation auf den Buchmärkten waren - in Bezug auf die Einwohnerzahlen vor Frankreich. So entsteht durch die Differenz von derzeit rund 600.000 Einwohnern keine Verzerrung in der Untersuchung (vgl. Fischer Weltalmanach 2008: 521). 6 Während der Analyse wird die Reihenfolge Deutschland, Großbritannien, Polen, Rumänien stets beibehalten. Dies dient lediglich einer besseren Orientierung und impliziert keine Wertung. Ebenfalls werden Ortsnamen zum leichteren Verständnis in deutscher Schreibweise verwendet. 7 Lange Zeit veröffentlichte die UNESCO Statistiken zur weltweiten Titelproduktion, die zumindest eine Grundlage für quantitative Vergleiche bot. Dieses Zahlenwerk wurde jedoch seit der letzten Erhebung 1996 nicht weitergeführt und bisher wurde keine ähnliche Statistik initiiert. 8 Zu den OECD-Staaten (Organization for Economic Cooperation and Development) gehören: Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Japan, Kanada, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz, USA. 9 Paperback ist ein Synonym für Taschenbuch: Der Buchumschlag besteht hier aus dünnem Karton oder dickerem Papier und wird am Buchrücken geklebt. Im Gegensatz dazu erhält das Hardcover bzw. das gebundene Buch neben einem festen (gebundenen) Einband häufig noch einen Schutzumschlag. 10 Vgl. Interview mit Ioana Gruenwald von BIZ Bukarest auf der Leipziger Buchmesse am 15.03.2008. 11 Die Krönersche Reform ist nach dem Verleger und damaligen Vorsitzenden des Börsenvereins Gustav Adolf Kröner benannt, der sich für die Buchpreisbindung einsetzte. 12 Vgl. www.booksellers.org.uk [29.10.2010]. 13 Vgl. ebd. 14 www.thebookseller.com/ about [29.10.2010]. 15 Vgl. www.pik.org.pl [29.10.2010]. 16 Unter anderem die in diesem Beitrag verwendeten Quellen von Lukasz Golebiewski. 17 http: / / www.instytutksiazki.pl/ de,ik,site,48,99.php [29.10.2010]. 18 http: / / www.aer.ro/ index.php? &newlang=eng [29.10.2010]. 19 Vgl. Interview mit Ioana Gruenwald von BIZ Bukarest auf der Leipziger Buchmesse am 15.03.2008. 20 Vgl. http: / / www.fep-fee.be/ 1.1.html [29.10.2010]. 21 Vgl. http: / / www.ebf-eu.org/ studies.html [29.10.2010]. 22 Vgl. http: / / www.internationalpublishers.org/ index.php/ home-mainmenu-1/ background. [29.10.2010]. 23 Vgl. http: / / www.ibf-booksellers.org/ newsite/ presentation.asp [29.10.2010]. 24 Vor 2002 waren die Buchpreise in Deutschland bereits gebunden, jedoch in privatrechtlicher Form von Sammelreversen. Diese Sammelverträge stellten gegenseitige Verpflichtungserklärungen zur Preiseinhaltung auf mehreren Stufen dar: Verlag Zwischenbuchhändler Bucheinzelhändler. Für eine ausführliche Darlegung der Entwicklung der Buchpreisbindung und der Aktualisierung des Gesetzes im Jahre 2006 siehe u. a. Franzen & Wallenfels & Russ 2006. 25 U. a. auf den Internet-Seiten www.best-book-price.co.uk und www.bookbrain.co.uk. 26 Vgl. Interview mit Ioana Gruenwald von BIZ Bukarest auf der Leipziger Buchmesse am 15.03.2008. Das Buch als Kultur- und Wirtschaftsgut 271 27 Vgl. www.ebf-eu.org [29.10.2010]. 28 Siehe ausführlich u. a. bei Obert 2000. 29 Vgl. http: / / www.boersenblatt.net/ 312963/ [29.10.2010]. 30 “The Büchermeß (book fair) in Frankfurt is first mentioned in a document in 1462, only seven years after Johannes Gutenberg completed his forty-two-line Latin Bible.” (Weidhaas 1995: 555) 31 Vgl. http: / / www.buchmesse.de/ de/ deutsche_buchbranche/ [29.10.2010]. 32 Vgl. www.bookfair.bolognafiere.it [29.10.2010]. 33 www.londonbookfair.co.uk [29.10.2010]. 34 Vgl. Interview mit Ioana Gruenwald von BIZ Bukarest auf der Leipziger Buchmesse am 15.03.2008. 35 Vgl. http: / / nobelprize.org/ nobel_prizes/ literature/ laureates/ [29.10.2010]. 36 http: / / www.deutscher-buchpreis.de/ de/ 176864 [29.10.2010]. 37 Vgl. http: / / www.themanbookerprize.com/ prize/ about/ rules-and-entry [29.10.2010]. 38 Der Preis wurde nach den Firmen Booker und Man Group benannt. Im Jahr 2000 erwarb die Supermarktkette Iceland den Preis von Booker und holte Man als Sponsor dazu, weshalb der Award auch erst in dem Jahr den Zusatz “Man” im Titel erhielt (vgl. Stratmann 2006: 362). 39 Vgl. http: / / www.themanbookerprize.com/ prize/ about/ mbi-faq [29.10.2010]. 40 Vgl. www.nike.org.pl [29.10.2010]. 41 Vgl. http: / / www.angelus.com.pl/ main.php? fid=140&pg=1&id_lang=2 [29.10.2010]. 42 Vgl. http: / / www.anonimul.ro/ 2009_mp_pc_en [29.10.2010]. 43 Zum herstellenden Buchhandel gehören neben Verlagen auch Druckereien und Buchbindereien, auf die hier jedoch nicht eingegangen wird. 44 Die Zahlen für Deutschland und Großbritannien stammen aus 2007, für Polen aus 2006. Bei den produzierten Exemplaren in Rumänien handelt es sich um Werte aus 2002 bzw. Schätzwerte; mittlerweile dürfte die Gesamtproduktion gestiegen sein, da sich auch die Anzahl der Titel seitdem um etwa 2.000 Titel auf 8.000 erhöht hat. Bei den produzierten Exemplaren für Deutschland und Großbritannien muss beachtet werden, dass ein erheblicher Teil exportiert wird - vor allem ins deutsch-, respektive englischsprachige Ausland.