eJournals Italienisch 40/79

Italienisch
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
2018
4079 Fesenmeier Föcking Krefeld Ott

Azzurro

2018
Ruedi Ankli
1 Azzurro Azzurro war als Sommerhit nicht nur der Soundtrack des Jahres 1968, sondern ist laut einer Umfrage der Società Dante Alighieri von 2004 das bekannteste italienische Lied weltweit, noch vor Nel blu dipinto di blu alias Volare oder O sole mio Fünf Tage vor der Veröffentlichung der Single von Adriano Celentano am 15 Juni ’68 wurden die ‘Azzurri’ Fußball-Europameister Im Juli 2006 wurden sie im Circo Massimo von Rom mit eben diesem Evergreen - sozusagen als Ersatz für die Nationalhymne - für ihren Sieg über Frankreich im Endspiel der Weltmeisterschaft in Deutschland gefeiert 50 Jahre geistert Adriano Celentanos Hit schon durch die Welt Der auf dem Single-Cover bunt gekleidete Dandy im Sportcoupé feierte am 6 Januar 2018 seinen 80 Geburtstag, am gleichen Tag, an dem Paolo Conte 81 Jahre alt wurde Conte hatte den Song gemeinsam mit dem sprachgewaltigen Paroliere Vito Pallavicini geschrieben Der Song war für den damals äußerst beliebten Hitlieferanten Italiens maßgeschneidert Exakt zehn Jahre nachdem Domenico Modugno in Sanremo Nel blu dipinto di blu mit ausgebreiteten Armen selber und erfolgreich interpretierte, folgte das himmelblaue ‘Azzurro’ auf das eher dunkelblaue ‘Blu’ Beide Lieder haben gemeinsam, dass sie gegen die damals vorherrschenden Moden entstanden Modugno setzte sich gegen den statischen Habitus der Lieder des Festivals von Sanremo durch, Celentano gegen den typischen Stil der ‘canzone balneare’, des Strandhits Zwar ist das Vokabular der Sommerhits vorhanden, aber die Richtung ist eine andere, wie «der Zug der Wünsche, der in die Gegenrichtung fährt» («il treno dei desideri/ nei miei pensieri all'incontrario va» Statt ans Meer zur Sonne kehrt der Zug zurück zum Sänger, der ein Stück Afrika in seinem Garten sucht, zwischen dem Oleander und dem Baobab, und in seiner Einsamkeit nicht einmal einen Priester findet, mit dem er plaudern könnte («neanche un prete per chiacchierar») Für den auch in Italien angebrochenen Mai 1968 war das von Enzo Jannacci und Dario Fo ein Jahr zuvor geschriebene Vengo anch’io, no tu no mit dem Thema der gesellschaftlichen Randfigur vielleicht der passendere Soundtrack, aber mit Azzurro ging eine Botschaft um die Welt, die typisch für die Forderung ‘Phantasie an die Macht’ der 68er Bewegung war, nur anders: Die Botschaft entsprach der Macht der Phantasie, und während es vielleicht zunächst die Verse von Vito Pallavicini waren, welche die Herzen der Italiener eroberten, so war es die packende Melodie von Paolo Conte und die Interpretation von Adriano Celentano, die Azzurro Flügel verliehen Ruedi Ankli