eJournals Forum Modernes Theater 24/2

Forum Modernes Theater
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Narr Verlag Tübingen
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Obgleich Stimmen und Emotionen in enger Verbindung stehen, ist dieser Relation bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurden. Mit Stimmen vermögen wir Emotionen darzustellen und hervorzubringen, ebenso wie wir auf die Stimmen von anderen Menschen affektiv reagieren. Gerade das postdramatische Theater macht von dem Potential, mit stimmlichen Verlautbarungen Emotionen bei den Zuhörenden hervorzurufen, auf unterschiedlichste Weisen Gebrauch, etwa mit dem Einsatz von eigentümlichen, von besonders markanten, ungewöhnlichen und einzigartigen Stimmen. Interessant erscheint am Fall dieser Stimmen, dass sie die Zuhörenden in affektive Konfliktlagen zu versetzen vermögen. Der Beitrag widmet sich dem Verhältnis von Stimme und Emotion im postdramatischen Theater und sucht über die Herausstellung von eigentümlichen Stimmen einer besonderen Art der Stimm- und Gefühlsinszenierung auf die Spur zu kommen. Gegliedert ist der Aufsatz in drei Teile: 1) allgemeine Darstellung der Verbindung von Stimme und Emotion; 2) postdramatische Theaterstimmen und ihre emotionalen Wirksamkeiten und 3) affektive Kräfte von eigentümlichen Stimmen.
2009
242 Balme

Stimme und Emotion

2009
Jenny Schrödl
Stimme und Emotion. Affektive Wirksamkeiten im postdramatischen Theater Jenny Schrödl (Berlin) Obgleich Stimmen und Emotionen in enger Verbindung stehen, ist dieser Relation bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurden. Mit Stimmen vermögen wir Emotionen darzustellen und hervorzubringen, ebenso wie wir auf die Stimmen von anderen Menschen affektiv reagieren. Gerade das postdramatische Theater macht von dem Potential, mit stimmlichen Verlautbarungen Emotionen bei den Zuhörenden hervorzurufen, auf unterschiedlichste Weisen Gebrauch, etwa mit dem Einsatz von eigentümlichen, von besonders markanten, ungewöhnlichen und einzigartigen Stimmen. Interessant erscheint am Fall dieser Stimmen, dass sie die Zuhörenden in affektive Konfliktlagen zu versetzen vermögen. Der Beitrag widmet sich dem Verhältnis von Stimme und Emotion im postdramatischen Theater und sucht über die Herausstellung von eigentümlichen Stimmen einer besonderen Art der Stimm- und Gefühlsinszenierung auf die Spur zu kommen. Gegliedert ist der Aufsatz in drei Teile: 1) allgemeine Darstellung der Verbindung von Stimme und Emotion; 2) postdramatische Theaterstimmen und ihre emotionalen Wirksamkeiten und 3) affektive Kräfte von eigentümlichen Stimmen. In Bezug auf den Stimmeinsatz des postdramatischen Theaters lässt sich ein veränderter Umgang und ein Funktionswandel konstatieren: Über ihre semantisch-expressive Funktion hinaus kommt der (Sprech-)Stimme forciert eine performative Funktion zu. Sie konstituiert in ihrem Erscheinen Wirklichkeiten und verfügt über Dimensionen der Materialität, der Ereignishaftigkeit sowie der Wahrnehmung. Postdramatisches Theater behandelt Stimmen nicht mehr allein als Medien dramatischer Sprache und psychologischer Figuren, sondern stellt sie als sinnlichmaterielle Phänomene aus, welche Sprache und personelle Darstellung irritieren oder stören können. Damit werden gleichsam Potentiale sinnlicher Wahrnehmungen und Erfahrungen für das Publikum geschaffen. In dem Zusammenhang spielt die Produktion und Wahrnehmung von Emotionen bzw. Gefühlen 1 über stimmliche Phänomene eine herausragende Rolle. Wenn beispielsweise chorische Stimmen (bei Volker Lösch oder Christoph Marthaler) laut werden, Schauspieler sich beim Schreien oder Flüstern verausgaben (bei Frank Castorf oder René Pollesch), elektronisch verstärkte Stimmen den Raum durchqueren, ohne dass gleich erkennbar ist, wer genau spricht (bei Luk Perceval oder Dimiter Gotscheff) - dann rufen die Erscheinungen stets auch affektive Wirksamkeiten beim Publikum hervor. Im komplexen Feld stimmlich evozierter Emotionen im Theater erscheint der Einsatz von “eigentümlichen Stimmen” 2 besonders interessant. Diese markanten, ungewöhnlichen und einzigartigen Stimmen provozieren nämlich nicht nur starke, sondern zudem gemischte Gefühle und versetzen so die Zuhörenden in Konfliktlagen zwischen diversen, auch einander widersprechenden Empfindungen sowie zwischen der Anziehungs- und Abstoßungskraft der Stimme. Während die Theaterpraxis demnach eine enge Verknüpfung zwischen Stimmlichkeit und Emotionalität vornimmt, ist bezüglich der wissenschaftlichen Reflexionen über Stimmen und Emotionen auffällig, dass selten auf die Verbindung der beiden Phänomene und Kategorien eingegangen wird. Zwar Forum Modernes Theater, Bd. 24/ 2 (2009), 169-182. Gunter Narr Verlag Tübingen 170 Jenny Schrödl beschäftigt sich die Psychologie schon seit längerem mit der Frage der Darstellung von Gefühlen über die Stimme, 3 ebenso wie sich in Theater-, Film- und Kunstwissenschaften punktuell mit historischen wie zeitgenössischen Stimm- und Emotionsinszenierungen auseinandergesetzt wird, 4 zu theoriefähigen Konzepten und/ oder einer besonderen Akzentuierung der Verbindung zwischen Stimme und Emotion verdichten sich diese aber nicht. Dies mag auch insofern verwundern, als beide Kategorien quasi unabhängig voneinander derzeit eine hohe Konjunktur in den akademischen Debatten erfahren. 5 Vor diesem Hintergrund möchte ich in diesem Beitrag den Versuch unternehmen, ein Feld der Beziehungen von Stimme und Emotion zu eröffnen, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. In einem ersten Schritt wird es mir um die Entfaltung diverser grundlegender Aspekte bezüglich stimmlich inszenierter und evozierter Emotionen gehen. Die Stimmen im postdramatischen Theater und ihre emotionalen Wirkungspotentiale stehen in einem zweiten Schritt im Mittelpunkt meiner Auseinandersetzung. Schließlich werde ich mich in einem dritten Schritt mit den eigentümlichen Stimmen beschäftigen und damit versuchen, exemplarisch einer bestimmten Art der Stimm- und Gefühlsinszenierung im postdramatischen Theater auf die Spur zu kommen. Stimmemotion: Verschiedene Aspekte einer Verbindung Hinsichtlich der Relation von Stimmlichkeit und Emotionalität lassen sich zunächst zwei Perspektiven unterscheiden: Zum einen ist die Stimme an eine Person gebunden, ja sie gilt in unserer Kultur geradezu als ‘akustischer Personalausweis’, als unverwechselbares Indiz eines Individuums. Über die Sprechstimme vermitteln sich neben Alter, Geschlecht oder Herkunft auch die emotionale Verfasstheit und Gestimmtheit eines Menschen. Gefühle und Empfindungen wie Trauer, Schmerz, Aggression, Freude, Furcht, Fröhlichkeit oder Begehren einer sprechenden Person können mit stimmlichen Verlautbarungen dargestellt und zugleich hervorgebracht werden, wobei die Darstellungsweisen auf Sets von wiederholbaren Zeichen und Akten beruhen, die im Kontext einer jeweiligen Zeit und Kultur stehen. Beispielsweise gilt in der zeitgenössischen, westlichen Kultur eine Sprechweise mit hoher Tonlage, großer Variabilität, erhöhter Lautstärke und schnellem Sprechtempo als Indiz für Freude und eine tiefe Tonlage, geringe Variabilität, leise Lautstärke und langsames Sprechtempo als Zeichen für Traurigkeit. 6 Zum anderen ist die Stimme als Auslöser von Emotionen zu verstehen - der menschlichen Stimme wird im Allgemeinen die Fähigkeit zugesprochen, Gefühle und Empfindungen bei anderen Menschen hervorzurufen oder anzuregen. Auf diesen engen Zusammenhang von Stimmlichkeit, Emotionalität und Hören hat u.a. Roland Barthes verwiesen, wenn er schreibt: “Es gibt keine menschliche Stimme auf der Welt, die nicht Objekt des Begehrens wäre - oder des Abscheus: Es gibt keine neutrale Stimme”. 7 Im Spektrum von Lust und Unlust, von Begehren und Abscheu vermögen Stimmen unterschiedlichste Gefühle und Empfindungen hervorzurufen wie etwa Begeisterung, Freude, Unheimlichkeit oder Gereiztheit. Dass wir von Stimmen affektiv betroffen werden können, liegt nach Gernot Böhme daran, “dass wir in unserer eigenen leiblichen Präsenz im Raum durch die Stimmen, die wir hören, modifiziert werden”. 8 Insofern wir leiblich in den Raum hinaus spüren, tangieren uns andere Phänomene wie die Stimme und verändern unter Umständen unsere leibliche und affektive Befindlichkeit, “indem man sich eng oder weit fühlt, gedrückt oder gehoben und noch vieles mehr” 9 . Stimme und Emotion 171 Beide Komponenten, die stimmliche Verlautbarung der Gefühle des sprechenden Subjekts und die stimmliche Evokation von Emotionen beim zuhörenden Subjekt, stehen freilich in komplexen Zusammenhängen. So kann beispielsweise das über die Stimme veräußerte Gefühl des oder der Sprechers/ in auf Zuhörende übertragen werden. Die von stimmlichen Verlautbarungen evozierten Emotionen beim Hörenden müssen aber nicht notwendigerweise identisch sein mit denen des oder der Sprechenden - gefühlsbetonte Stimmaufführungen vermögen möglicherweise andere, auch gegenteilige oder gar keine Empfindungen bei Zuhörenden hervorzurufen. Nicht zuletzt bedarf es keinesfalls einer Gefühlsinszenierung von Seiten des oder der Sprechenden; durch bestimmte akustische Reize können vielmehr beim Zuhörenden Emotionen hervorgebracht und evoziert werden, ohne dass der oder die Sprecher/ in überhaupt etwas Bestimmtes fühlen muss bzw. vorgibt zu fühlen. Diese verschiedenen Möglichkeiten der Verbindung von Stimme und Emotion im Spannungsfeld zwischen Erzeugung und Wahrnehmung verdeutlichen bereits die hohe Komplexität des Themas, welches kaum durch einzelne Perspektiven und Ansätze zu erfassen ist. Im Zusammenhang mit Gefühlsdarstellungen, -evokationen und -wahrnehmungen über Stimmen erscheinen mindestens drei Aspekte zentral: 1. Emotionen sind generell nie etwas rein Innerliches oder Subjektives, sondern sie stehen im Zusammenhang mit einer dem betroffenen Subjekt äußerlichen Situation. Die Kritik am sogenannten ‘Innenweltdogma’ von Gefühlen spielt(e) vor allem in der Phänomenologie eine entscheidende Rolle. 10 In diesem Sinne formuliert etwa Hartmut Böhme: Gefühle sind, wiewohl subjektiv gespürt, durchaus objektiv. [...] Gefühle sind Atmosphären, die dem Ich entgegentreten, geradezu entgegenschlagen, von denen es angesogen, überwältigt, niedergeschlagen, bedrückt, mitgerissen, emporgehoben, angesteckt, durchdrungen, überströmt u.ä. wird. 11 Das heißt, die Affekte und Empfindungen, die Stimmen beim Hörenden auszulösen vermögen, sind nicht allein dem Hörenden zuzuschreiben, sondern sie sind, in Doris Koleschs Worten, “Effekte komplexer Prozesse des - bewussten oder unbewussten - Wahrnehmens und Darstellens, des Zeigens, Beobachtens und Interpretierens”, 12 also der Interaktion zwischen Sprechenden und Hörenden. Selbstverständlich lösen gleiche oder ähnliche Stimmen nicht bei jedem Menschen das Gleiche aus. Je nach Dispositionen und Konstitutionen des wahrnehmenden Subjekts (Bildung, Verfasstheit, Einstellung oder Haltung) unterscheiden sich analoge Situationen zwischen verschiedenen Wahrnehmenden - in diesem Sinne sind die Situationen je subjektiv und individuell geprägt. Dennoch stehen Stimmen und ihre emotionalen Präsentationen und Wirkungen immer auch in einer Abhängigkeit zur jeweiligen Zeit und Kultur, was die intersubjektive Teilbarkeit und Verhandelbarkeit einer Erfahrung bedingt und ermöglicht. Vor diesem Hintergrund lässt sich also festhalten, dass stimmlich präsentierte und wahrgenommene Emotionen sich weder ausschließlich als subjektive/ innerliche Vorgänge noch ausschließlich als objektive/ äußerliche Phänomene begreifen lassen. Sie sind vielmehr Zwischengeschehnisse, die in der Interaktion zwischen Menschen oder zwischen Menschen und Umwelt entstehen. 2. Mit welchen Gefühlen und Affekten wir auf Gehörtes (re-)agieren und wie wir stimmlich Emotionen darstellen und hervorbringen, ist kulturell und sozial konstituiert. Was wir als angenehmen oder unangenehmen Klang, als nervige oder anziehende Stimme empfinden, variiert kulturell und historisch. Affektives Verhalten wird gelehrt und erlernt und zwar nach Kolesch nicht nur “vermittels kognitiver und sprachlicher Prozesse, sondern 172 Jenny Schrödl insbesondere auch in - häufig unbewusst bleibenden - gesellschaftlichen Interaktionen und körperlichen Vollzügen”. 13 Zugleich scheint es aber auch, wie neuere neurowissenschaftliche Untersuchungen belegen, sogenannte emotionale Archetypen im Bereich des Hörbaren zu geben, die im Wesentlichen von Zeit und Kultur unabhängig funktionieren, wie z.B. laute und raue Töne, die zur Drohung o.ä. gebraucht werden und Furcht/ Rückzugsverhalten oder Aggressivität/ Angriffsverhalten auslösen können. 14 Die kulturelle Konstitution von Stimmen und Emotionen verweist auf den komplexen Bereich der Inszenierung, welcher bei Stimmen von Schauspieler/ innen besonders auffällig ist. Zur Inszenierung von Stimmen gehören - gerade im Bereich des Theaters - neben Übungen und Proben eine Reihe von Techniken wie Körpertechniken, rhetorische Verfahren, “theaterspezifische Techniken der Deklamation, Artikulation und Atmung, akustisch-elektronische Techniken wie Mikrophon, Mikroport oder Vocoder aber auch medizinische Operationen oder chemische Verfahren” 15 . In diesem Zusammenhang ist allerdings ebenfalls zu betonen, dass die Stimme nie vollständig gestaltbar, inszenierbar, kontrollierbar und steuerbar ist: Die Stimme ist Sprechenden wie Hörenden stets auch entzogen, sie geht in ihrer Qualität eines Überschusses über Intentionen, Wünsche, Könner- und Kennerschaft von Subjekten hinaus. Sie ist, mit anderen Worten, immer auch ein Ereignis, welches sich eben dadurch definiert, dass es “sich jeder durchgängigen Regie” 16 entzieht. Für die Inszenierung und Evokationen von Emotionen durch die Stimme bedeutet dies, dass es keine vollständige Determiniertheit der affektiven Situationen durch einzelne Subjekte oder durch soziokulturelle Faktoren gibt. Menschen können mit ihren stimmlichen Verlautbarungen Erscheinungen, Wirkungen und Wahrnehmungen strategisch vorbereiten und in bestimmte Bahnen lenken, dennoch können sie weder die Erscheinungen von Stimmen noch ihre sinnlich-affektiven Wirkungen vollständig festlegen oder determinieren. Sie schaffen allein ein Potential, einen Möglichkeitsraum für bestimmte Erfahrungen und Wirksamkeiten. 3. Emotionen stehen in komplexen Zusammenspielen mit dem Leib/ Körper einerseits und mit dem Geist/ Kognitiven andererseits. In der abendländischen Geschichte hat das hierarchisierte Drei-Schichten-Modell von Leib - Seele - Geist eine lange Tradition, wobei scharf zwischen Leib/ Seele und zwischen Seele/ Geist unterschieden wurde. 17 Emotionen selbst erhalten in dieser Ordnung einen ambivalenten Status, sie sind etwas, das man zwar hat und das offensichtlich zum Leben gehört, gleichzeitig stellen sie eine Gefahr dar und müssen beherrscht und handhabbar gemacht werden. Die ‘Entleiblichung’ und ‘Entmächtigung’ der Gefühle vollzieht sich nach Böhme in komplexen Prozessen der Introjektion: Die Macht der Gefühle wurde entmythologisiert; sie wurden zu seelischen Regungen verinnerlicht, die Seele selbst aber - umso mehr die Vernunft - wurde prinzipiell autonom und folglich dazu aufgerufen, die Regie für die Gefühle zu übernehmen. 18 In den heutigen Debatten um Gefühle wird hingegen stärker der Zusammenhang, statt der hierarchisierte Dualismus, von Emotionen mit körperlichen und geistigen Prozessen hervorgehoben. Im Sinne der phänomenologischen Tradition zeichnen sich Gefühle gerade durch ein leibliches Betroffensein von ihnen aus. Auch die Neurowissenschaften stellen den Zusammenhang von Körper und Gefühlen heraus, wenn etwa Antonio R. Damasio behauptet, gewisse Körperzustände seien nicht die Symptome eines Gefühls, sondern umgekehrt die “Körperzustände” seien es, die “die Empfindungen verursachen” 19 . In ähnlicher Weise der Herstellung eines Zusammenhangs wird mit der Relation Stimme und Emotion 173 von Emotion und Rationalität verfahren. So behauptet Ronald de Sousa beispielsweise, dass Gefühle unsere begrenzten rationalen Vermögen unterstützen und überhaupt erst in bestimmte Bahnen lenken, indem sie etwa unsere Aufmerksamkeit ausrichten, Wertigkeiten vornehmen und Relevanzen setzen. 20 Im Zusammenhang mit stimmlich produzierten und erfahrenen Emotionen heißt dies einerseits, dass Stimmen stets leiblich-körperlich produziert werden, und andererseits, dass das, was wir hören, immer leiblich-körperlich gespürt und empfunden wird. Die Stimme stiftet gar, wie Dieter Mersch es ausdrückt, einen direkten körperlichen Kontakt zwischen Sprechenden und Hörenden. “Der Kontakt hat, qua Berührung, einen leiblichen Impuls. Es ist mitunter dieser leibliche Impuls, der entscheidet, ob ich zuhöre, ob ich das Gesagte aufnehme, mich innerlich abwende oder gar den anderen abweise”. 21 Ebenso geht die stimmliche Produktion mit rationalen Prozessen einher, so wie wir mit Affekten und Emotionen Haltungen zu (stimmlichen) Geschehnissen einnehmen, sie bewerten und beurteilen. Theaterstimmen und emotionale Wirksamkeiten Wie eingangs angedeutet, lässt sich bezüglich der Stimmästhetik des postdramatischen Theaters eine Verschiebung der Inszenierungs- und Präsentationsweisen von Stimmen feststellen, auch als Resultat verschiedenster künstlerischer Bemühungen seit den historischen Avantgarden und den 1960er Jahren. Im Vordergrund steht nicht mehr allein das, was verlautbart wird, und somit die Artikulation von Sprache und Rede, die Darstellung von Figuren, die Erzählung und Repräsentation einer Geschichte. Man konzentriert sich vielmehr darauf, wie etwas verlautbart wird, und setzt so den Fokus auf die Ausstellung der Stimme und den Vollzug des Sprechens selbst, auf die Hervorbringung von materiellen Erscheinungen von Stimmen im Hier und Jetzt einer Aufführung. Die Stimme als theatrales Element erhält auf diese Weise einen autonomen Status diesseits von Sprache und Subjekt, diesseits von semantischen, expressiven und instrumentellen Funktionen. 22 Kennzeichnend für zeitgenössische Stimmästhetik ist zudem eine Heterogenität von stimmlichen Artikulationsweisen und experimentellen Erkundungen, wobei man vier Formen des Stimmeinsatzes unterscheiden kann: Körper-Stimmen, solistische Stimmen, chorische Stimmen und elektronische Stimmen. 23 Einen zentralen Stellenwert nimmt im postdramatischen Theater die Ausstellung der Körperlichkeit der Stimme und des Sprechens ein, welche sich in diversen Formen zeigen kann, etwa durch Schreien, Flüstern, Anstrengung, Atmen, Keuchen, Husten, Schnaufen, Lachen, Weinen oder Klagen. Zudem erhalten im postdramatischen Theater solistische Stimmen besonderes Gewicht: Zu denken wäre hier etwa an das verausgabende Sprechen von Solisten in Laurent Chétouanes Inszenierungen, an den Einsatz von Laiendarsteller/ innen und unprofessionellen Stimmen bei Rimini Protokoll oder Christoph Schlingensief, an die Polyphonie der einzelnen Stimme, die durch intervokale Techniken erreicht wird, sowie an die Einsätze von eigentümlichen, besonders markanten Stimmen von professionellen Sprecher/ innen. Neben den solistischen bekommen vor allem chorische Stimmen eine tragende Rolle im postdramatischen Theater wie in Inszenierungen von Frank Castorf, Volker Lösch, Christoph Marthaler, Einar Schleef, Jossi Wieler oder Robert Wilson. Und nicht zuletzt erfahren elektronisch verstärkte, veränderte, verzerrte oder vervielfältigte Stimmen einen erhöhten Einsatz, beispielsweise bei Dimiter Gotscheff, Luk Perceval Réne Pollesch oder der Wooster Group. 174 Jenny Schrödl Wesentlicher Aspekt der Stimmästhetik des postdramatischen Theaters ist vor diesem Hintergrund eine Dekonstruktion von traditionellen Idealen und Vorstellungen der (theatralen) Stimme und des Sprechens (Wohlklang, Verständlichkeit, Repräsentation von Rollen), wie sie sich in Deutschland seit Mitte des 18. Jahrhunderts etabliert haben. Gleichfalls löst sich postdramatische Stimmästhetik nicht vollständig von den Vorgaben des dramatischen Theaters und mithin von traditionellen Rede- und Sprechstilen auf der Bühne. Das heißt auch, dass sich in gegenwärtigen Aufführungen nicht ausschließlich experimentelle Stimmeinsätze finden, sondern solche existieren vielmehr neben traditionellen Formen wie deutlicher Aussprache und wohlklingender Rede. Erreicht wird damit eine Vielfalt an Formen stimmlicher Verlautbarung, die gleichfalls Vorstellungen davon aufweichen und erweitern, was traditionell als menschliche Stimme galt und gilt. So lassen sich Übergänge zwischen Stimme und Geräusch ebenso finden wie Übergänge zwischen Sprech- und Singstimmen, zwischen Live-Stimmen und mediatisierten Stimmen sowie zwischen Ein- und Mehrstimmigkeiten. Mit der Veränderung der theaterästhetischen Funktionen und der Erweiterung des Spektrums des Stimmlichen im postdramatischen Theater geht eine modifizierte Erfahrungs- und Wirkungsästhetik der Stimme einher. Theaterstimmen sind nicht mehr primär darauf ausgerichtet, von Seiten der Zuschauenden/ -hörenden verstanden oder in Hinblick auf eine darzustellende Figur erkannt zu werden, sondern mit ihnen werden vielmehr ästhetische Erfahrungsräume und sinnlich-affektive Betroffenheiten provoziert, die oftmals ihren Ausgangspunkt in der Irritation von Verstehensvorgängen sowie von habitualisierten Wahrnehmungs- und Hörmodi nehmen. Charakteristisch erscheint eine intensive, sinnlich-affektive Kraft und Betroffenheit von und durch Stimmen, die zumeist mit einer Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf das stimmliche Geschehen, auf die Art und Weise der Artikulation im Hier und Jetzt einer Aufführung einhergeht und eine Gewärtigung von Selbst und Anderen einschließt. Die Verbindung zwischen Bühne und Publikum, zwischen stimmlich Verlautbarenden und Hörenden wird auf diese Weise explizit zum Thema. In diesem Zusammenhang spielt auch die Evokation und Hervorbringung von Emotionen und Empfindungen beim Publikum eine entscheidende Rolle. Mit verschiedensten stimmlichen Verlautbarungen werden Potentiale geschaffen, affektive Wirksamkeiten bei den Zuhörenden hervorzurufen. Zu denken wäre beispielsweise an die chorischen Auftritte bei Einar Schleef, Christoph Marthaler oder Volker Lösch, bei denen mit Stimmen dichte Atmosphären hervorgebracht werden. Ebenso ist an die Einsätze von mikrophonverstärkten Stimmen zu erinnern, etwa bei René Pollesch, Luk Perceval oder Dimiter Gotscheff, mit denen in Form von akustischen Großaufnahmen Effekte der Nähe und Intimität zwischen Sprechenden und Hörenden evoziert werden. Auch das körperbetonte Sprechen und Verlautbaren, im Schreien, Weinen, Verausgaben oder Klagen, birgt verschiedene Potentiale emotionaler Wirksamkeiten, die vom Mitleiden an der Qual oder dem Schmerz des anderen Menschen über anziehend faszinierende bis hin zu beunruhigenden und abstoßenden Anmutungen reichen. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Vielfalt und Heterogenität von dargestellten und evozierten Emotionen zu betonen. Affektive Stimmdarstellungen und -erfahrungen umfassen nicht nur die sogenannten ‘großen Gefühle’ 24 , sondern vielmehr auch die subtileren, weil zumeist nicht klar abgrenzbaren und bestimmbaren, affektiven Formen wie Stimmungen, Atmosphären und Empfindungen. 25 In der Stimmforschung (hier insbesondere zur Sing- und Opernstimme) hat der Topos des Begehrens und des Erotischen einen großen Stellenwert. In diesem Sinne Stimme und Emotion 175 besprechen beispielsweise Daniel Charles, Roland Barthes, Michel Poizat, Elisabeth Wood, Tiina Rosenberg oder Clemens Risi mit ganz unterschiedlichen Theorien, Akzenten und Ausrichtungen die Gesangsstimme im Kontext mit der Evokation von Anziehungskraft, Genuss und Erotik. 26 Im Zusammenhang von Stimme und Emotion im postdramatischen Theater ist allerdings hervorzuheben, dass die Ausrichtung auf das Erotisch-Anziehende von Singwie Sprechstimmen eine Verkürzung und Vereinseitigung des Komplexes darstellt. Wie gerade die Erfahrung innerhalb verschiedenster theatraler Arbeiten zeigt, können mit Stimmen eine Vielzahl von Affekten hervorgerufen werden (wie auch dargestellt und gezeigt werden), die nicht nur anziehende Kräfte beinhalten, sondern durchaus ebenfalls abstoßende (wie im Schrecken, Schock, in der Unsicherheit, Überforderung oder Überreizung). Die Heterogenität und Komplexität von evozierten Emotionen im Theater lässt sich anhand von einem Beispiel illustrieren. In René Polleschs Inszenierung Insourcing des Zuhause. Menschen in Scheiss-Hotels (2001) spielen die stimmlichen Verlautbarungen der drei Schauspielerinnen (Christine Groß, Nina Kronjäger, Claudia Splitt) und die Evokation von Emotionen beim Publikum eine entscheidende Rolle. Auf Hockern oder auf dem Boden sitzend, liefern sich die drei Akteurinnen einen fulminanten Schlagabtausch nach dem anderen. Mit hoher Geschwindigkeit fliegen Wörter, Sätze und Geräusche hin und her, ein Wort ergibt das nächste, eine Stimme löst die nächste pausenlos ab, während beständig Wörter lauthals in den Raum geschrien werden. Auf diese Weise sprechen die Schauspielerinnen die gesamte Zeit in der etwa einstündigen Inszenierung; derartige Sprechsituationen werden nur kurz unterbrochen durch sogenannte Clips, in denen die Akteurinnen zu körperlichen Aktionen übergehen, pantomimische Nummern o.ä. aufführen. Der Stimmeinsatz der drei Schauspielerinnen ist durch folgende Elemente geprägt: durch eine hohe Sprechgeschwindigkeit, die vor allem durch die fehlende Pausensetzung zwischen den einzelnen Redebeiträgen entsteht. Zudem nutzen die Schauspielerinnen eine spezifische Sprechmelodie, welche sich durch erhöhten Tonfall und ansteigende Intonation auszeichnet und jeden Satz wechselweise wie eine Frage, einen Ausruf oder eine Erkenntnis erscheinen lässt. Schließlich ist der Stimmeinsatz geprägt durch wiederholt ausgestoßene Schreie - ein Wort oder Halbsatz wird unvermittelt heraus geschrien, ohne dass es dafür einen nachvollziehbaren Grund gebe. Diese drei Elemente (Sprechgeschwindigkeit, Sprechmelodie, Schrei) führen nun dazu, dass für die Zuhörenden eine alleinige Fokussierung auf das Gesagte und auf die inhaltliche Komplexität des Textes durchkreuzt wird und die Wahrnehmung vielmehr auf die Art und Weise des Sprechens gelenkt wird. Damit verbunden vermögen die stimmlichen Verlautbarungen von Groß, Kronjäger und Splitt im Laufe der Aufführung starke Emotionen und Empfindungen beim Publikum hervorzubringen, welche ich im Folgenden kurz ausführen möchte. Zu erwähnen ist zunächst das Gefühl der Unsicherheit, das eine/ n beim Hören der Schauspielerinnen befallen kann. Akustisch nicht genau zu verstehen und nachvollziehen zu können, wovon die Rede ist, kann ebenso irritieren wie der Moment, in dem ich nicht erkenne, wer eigentlich spricht. Letzteres kommt u.a. durch die Angleichung und Entindividualisierung der Stimmen zustande - alle drei Schauspielerinnen sprechen im ähnlichen Duktus, womit eine sofortige Identifikation von Stimme und Sprecherin unterminiert wird. Verunsicherung ist ein stark empfundenes und gleichfalls wissenschaftlich un(an)erkanntes Gefühl, es wird nicht einmal als eigenständige Emotion begriffen. 27 Ein Grund dafür mag in der uneindeutigen Verfasstheit liegen, die diese 176 Jenny Schrödl Empfindung mit sich bringt - sie tendiert dazu, sich mit anderen Gefühlen zu vermischen, und wird daher eher als Komponente von abgrenzbareren und eindeutigeren Gefühlen verstanden. So kann Verunsicherung beispielsweise im Zusammenhang mit Angst auftreten, man ist dann beunruhigt oder fühlt sich bedroht, aber auch mit Hoffnung und Interesse. Diese Vielseitigkeit der Verunsicherung wird auch in Insourcing des Zuhause virulent: Das Sprechen und die stimmlichen Artikulationen der Schauspielerinnen kann den einen Zuhörer so sehr verwirren, dass er frustriert und enttäuscht wird. Bei einer anderen Zuhörerin kann indes die von den Verlautbarungen ausgelöste Irritation zum Anreiz werden, sie kann ihr Interesse und ihre Neugier anstacheln. Eine weitere Empfindung, die bei Polleschs Inszenierung eine Rolle spielt, ist der Schrecken oder der Schock. Vor allem die Schreie der Schauspielerinnen können die Zuhörenden erschrecken und eine kurze Schockerfahrung freisetzen. Verbunden ist diese Empfindung mit einer schwer beherrschbaren körperlichen (Re-)Aktion und einer gesteigerten Erregtheit: man fährt oder zuckt zusammen und ist - bestenfalls - gleich hernach aufgeregt, hellwach. Und selbst wenn man nach einiger Zeit in Insourcing des Zuhause das Prinzip verstanden hat, also weiß, dass die Schauspielerinnen immer wieder schreien werden, verlieren die Schreie bis zum Ende kaum etwas von ihrer Kraft. Dies liegt unter anderem an ihrem Überraschungseffekt, da sie trotz ihrer Wiederholung im Moment ihres Auftauchens unvorhersehbar sind. Das Publikum weiß demgemäß nur, dass die Schreie auftauchen werden, aber eben nicht, wann geschrien und wer von den Schauspielerinnen schreien wird. Das Moment des Plötzlichen, Unvorhersehbaren gehört - ebenso wie die starke Intensität des Erlebens - wesentlich zum Schrecken und wird bei Pollesch durch die unregelmäßige Setzung der Schreie evoziert. 28 Ein weiterer Aspekt affektiver Wirksamkeit des Sprechens und der Stimmen ist die zum Schrecken/ Schock nahezu gegenteilige Empfindung des Komischen und Lustigen. Die komische Wirkung trägt in der Inszenierung dementsprechend nicht nur zur allgemeinen Aufheiterung bei, sondern sie führt auch zur physisch-psychischen Entspannung jeder/ s Einzelnen. In zahlreichen Situationen von Insourcing des Zuhause wird gelacht, wobei dieses Lachen vom ausufernden Lachkrampf über kurze Lacher bis hin zum müden Lächeln reichen kann. Die Komik entsteht oftmals im Zusammenhang mit einem Sprachwitz, indem überraschend scheinbar beziehungslose Diskurse zusammengebracht werden. Auch die Übertragung einer abstrakten und quasi neutralen Wissenschaftssprache in die Ich-Form und die damit einhergehende verulkende Abwertung wissenschaftlicher Sprache und Diskurse trägt immer wieder zum Lachen und zur Erheiterung bei. Neben Komik, Schrecken und Verunsicherung spielt nicht zuletzt auch das Empfinden einer gewissen Gereiztheit, Überforderung und Erschöpfung beim Hören der Stimmen eine nicht unwesentliche Rolle. Nach Andrzej Wirth wird der pausenlose Redefluss bei Pollesch sogar zu einer an den Boxkampf erinnernden Kraftprobe für Akteurinnen und Publikum zugleich. 29 Sowohl in einzelnen Sprechszenen als auch zum Ende der Aufführung hin überfällt die Zuhörenden unter Umständen das Gefühl, nicht mehr zuhören zu können, sich weder auf die Stimmen noch auf das Gesprochene konzentrieren zu können. Dies wird durch die Sprechgeschwindigkeit, aber auch durch die Sprechmelodie und Schreie der Schauspielerinnen erreicht sowie durch die zeitliche Dauer, in der sich die Sprechsituationen bewegen. Die permanente stimmliche Beschallung, die übrigens nicht nur die Stimmen umfasst, sondern auch die lautstarke Musik, die in den Clips gespielt wird, kann nicht nur dazu Stimme und Emotion 177 führen, dass man sich der auditiven Flut im positiv gemeinten rauschhaften Sinne hingibt, sondern sie kann auch zur Überreizung der Sinne beitragen und mithin eine eher negativ zu verstehende Überreizung und Erschöpfung implizieren, die ebenso ein Wegdriften oder Abschalten der Aufmerksamkeit vom Geschehen umfassen kann. Affektive Kräfte von eigentümlichen Stimmen Eine besondere Rolle nehmen im postdramatischen Theater eigentümliche Stimmen von Schauspieler/ innen und Virtuos/ inn/ en ein, etwa von David Bennent, Sophie Rois, Volker Spengler, Graham Valentine oder André Wilms. Kennzeichnend für diese Stimmen ist ihre besondere Auffälligkeit; sie treten durch ein bestimmtes Merkmal (durch eine gewisse Klangfarbe oder Tonhöhe, durch eine Brüchigkeit, eine körperliche Spur oder einen Widerspruch zur visuellen Erscheinung) prägnant hervor, so dass sie sofort bemerkbar und (wieder-)erkennbar sind. Das besondere Merkmal der eigentümlichen Stimme ist schwerlich reflexiv zu fassen, ist kaum mit allgemeinen Kategorien zu beschreiben und ist dennoch forciert wahrnehmbar und intensiv erlebbar - es gleicht einer Qualität des materiellen Überschusses der Stimme, welcher nicht vollständig von Subjekten kontrolliert, inszeniert und handhabbar gemacht werden kann, sondern sich in der Begegnung zwischen verlautenden und wahrnehmenden Subjekten ereignet. Dies soll nicht heißen, dass das Eigentümliche der Stimme der artikulierenden Person quasi natürlich gegeben ist oder diesem nur widerfährt. Ereignis und Inszenierung schließen sich nicht aus, insoweit vermag das Eigentümliche der Stimmen durchaus antrainiert und stilisiert sein sowie das Ereignen der Stimme vorbereitet und in bestimmten Bahnen gelenkt werden kann. Neben der besonderen Auffälligkeit solcher Stimmen charakterisiert sie eine Singularität - sie sind einzigartig und gehören eben zu einer bestimmten Person und sind auf diese Weise nicht wiederholbar, ersetzbar oder von einer anderen Person kopierbar, darin ähneln sie der individuellen Stimme. In ihrer Auffälligkeit und Prägnanz unterscheiden sich eigentümliche Stimmen dennoch von individuellen Stimmen bzw. gehen über diese hinaus: Während jede Stimme über eine individuelle, singuläre Nuance verfügt, die sich aus persönlicher Klangfarbe, Resonanz, Tonhöhe, Modulation, Melodie sowie Besonderheiten bei der Bildung bestimmter Laute zusammensetzt, ist damit noch nicht gesagt, ob diese Stimme in besonderer Weise hervortritt und bemerkbar wird. Zumeist bedarf es wiederholten und geübten Hörens, um die je spezifische Stimme zu erkennen und einer bestimmten Person zuzuordnen. Den eigentümlichen Stimmen eignet hingegen eine besondere Prägnanz und Eindringlichkeit - bei ihrem Erklingen beanspruchen sie eine sofortige Auffälligkeit und Aufmerksamkeit, sie prägen sich sogleich ins Gedächtnis der Zuhörenden ein. Die Gründe dafür, im Theater solch eigentümliche Stimmen einzusetzen, sind freilich vielfältig. Heiner Goebbels beispielsweise, für den “die Arbeit mit eigentümlichen Stimmen” eine “unbewusste gemeinsame Formel” für seine künstlerischen Arbeiten darstellt, 30 gibt zwei Gründe für den privilegierten Einsatz solcher Stimmen an: Zum einen sei die eigentümliche Stimme nicht ersetzbar, auch nicht umbesetzbar, sondern singulär - er wendet sich damit gegen ein traditionelles Stimm- und Schauspielideal, der Stimme das Eigene zu nehmen. 31 Zum anderen eigne sich die eigentümliche Stimme nach Goebbels besonders dafür, das große klangliche Spektrum der menschlichen Stimme hörbar zu machen: 178 Jenny Schrödl ein jäher, unwiederholbarer Ausdruck, ein riskanter Sprung, die gebrochene Stimme, der unverwechselbare Akzent; Flüstern, Zögern, Lachen und Seufzen, Räuspern und Ächzen am Rande des Geräuschs; die Fistelstimme oder die Fragilität ihres Überschlagens ebenso wie ein kraftvoller, ungeschönter Ruf oder die kunstvolle Verzierung. 32 Daran lässt sich der Gedanke anschließen, dass es beim Einsatz und bei der Ausstellung von eigentümlichen Stimmen nicht nur um die Entfaltung eines vielfältigen Klangspektrums der menschlichen Stimme geht, sondern auch um die forcierte Präsentation stimmlicher Materialität, ihrer Klanglichkeit, Körperlichkeit und Fluidität. Dem Einsatz von eigentümlichen Stimmen im Theater liegen also verschiedene Antriebe zu Grunde, wobei ein weiterer entscheidender Beweggrund, so meine These, in dem Potential dieser Stimmen liegt, die Zuhörenden emotional zu tangieren und zu bewegen. Denn hervorstechend an diesem Stimmtypus ist nicht nur eine forcierte Auffälligkeit, Bemerkbarkeit und (Wieder-) Erkennbarkeit von Seiten der Zuhörenden, sondern vor allem ein mit ihrem Erscheinen einhergehendes Auslösen starker Empfindungen und Emotionen bei den Zuhörenden. Das, was sich durch eigentümliche Stimmen in und an einem Menschen ereignet, scheint erst einmal ein Spektrum von Empfindungen und Gefühlen zu umfassen. Betrachtet man zum Beispiel Sophie Rois’ Auftritte, dann wird deutlich, dass kaum eine Kritik - sei es für Theateraufführungen, Fernsehfilme oder Lesungen - ohne eine Bemerkung über ihre Stimme und die damit verbundenen emotionalen Wirkungen auf den oder die jeweilige/ n Hörer/ in auskommt. Ihre Stimme wird als rau, brüchig, geräuschvoll, heiser etc. beschrieben und ihre affektive Wirkung als eindringlich, mitreißend, anziehend, störend oder befremdend. Es geht in dem Zusammenhang aber nicht nur um starke affektive Eindrücke, sondern präziser um gemischte Empfindungen und Gefühle. Rois’ Stimme evoziert massive Anziehungskräfte, denen gleichzeitig Abstoßungskräfte eigen sind. Sie provoziert also gemischte Empfindungen wie Gefallen und gleichzeitig Missfallen, Irritation und zugleich Interesse (o.a.). Sabine Schouten bezeichnet Rois’ Stimme dementsprechend als “zugleich aufwühlend und befremdend”. 33 Man könnte auch sagen, dass solch eigentümliche Stimmen wie die von Rois die Zuhörenden in eine Konfliktlage bringen und zwar im doppelten Sinne: Einerseits durchlebt der oder die Zuhörende verschiedene, auch divergierende Empfindungen und Gefühle am eigenen Leib. Der oder die Zuhörende fühlt sich zwischen verschiedenen emotionalen Empfindungen und Bewertungen hin- und hergerissen, was aber sogleich ihre starke Intensität und Bemerkbarkeit im Hier und Jetzt der jeweiligen Situation unterstützt. Andererseits erlebt der oder die Zuhörende einen Konflikt zwischen der Anziehungskraft und der Abstoßungskraft der jeweiligen Stimme, ein Konflikt zwischen dem Verfallen an und dem Abgrenzen von der Stimme. Mit anderen Worten: die eigentümliche Stimme birgt ein Potential für den oder die Zuhörende/ n, sich dieser vollkommen hinzugeben und sich mithin im Fremden, Uneigenen aufzulösen. Zugleich appelliert diese Stimme an eine Distanznahme von ihr und einen Rückzug ins Eigene durch den oder die Zuhörende/ n. Mit diesen Stimmen werden Zuhörende also aufgefordert, sich ihnen weder gänzlich hinzugeben noch vollständig zu ihnen in Distanz zu treten. Weder rein abstoßende noch rein verschmelzende Bewegungen sind hier gefordert, sondern das Einlassen auf ein konfliktreiches Dazwischen, auf das Durchleben von Unterschiedlichem bzw. von Differenz. Aber woher kommt das Affizierungspotential dieser eigentümlichen Stimmen? Die Bedingungen der Möglichkeit, andere Menschen in der beschriebenen Weise zu tangieren, ihre Befindlichkeiten zu modifizie- Stimme und Emotion 179 ren und sie in eine emotionale Konfliktlage zu bringen, liegen meines Erachtens zunächst in einer Ambivalenz oder gar Vielstimmigkeit der Stimmen selbst begründet. Rois’ Stimme etwa bewegt sich zwischen verschiedenen akustischen Parametern und Registern. Ihre Klangfarbe ist rau und die Tonlage relativ tief, was in unserem Kulturkreis zumeist als angenehm empfunden wird. Gleichzeitig erscheint die Stimme von Rois jedoch brüchig, heiser oder schrill, was wiederum eher als unangenehm empfunden wird. Die beiden Komponenten von Rois’ Stimme sind zugleich geschlechtlich besetzt und entfalten gemeinsam ein geschlechtliches Zwischen. Rois’ Stimme tendiert zum Kippen von einem eher männlich konnotierten ins weiblich konnotierte Register, hält sich als Klangerscheinung in einem Zwischenbereich auf. Diese vermeintlich gegensätzlichen Anmutungen des Stimmklangs können beim Hörenden ein Wechselbad der Eindrücke hinterlassen und ambivalente Empfindungen hervorrufen. Ein weiteres Beispiel für die ambivalente Erscheinung von eigentümlichen Stimmen ist Graham Valentines vokaler Einsatz, etwa bei einem Monolog in Christoph Marthalers Maeterlinck (2007). In der Szene steht Valentine im hinteren Teil der Bühne, die als eine Nähstube des 19. Jahrhunderts ausgestattet ist. Sein Monolog ist zunächst geprägt durch den unvermittelten Wechsel zwischen verschiedenen Sprachen: formuliert er eben noch Sätze auf Französisch, so geht Valentine plötzlich ins Englische über, dann wiederum ins Flämische usw. Während er so spricht, wird keine Übersetzung auf dem Screen sichtbar. Anstelle dessen sind die unterschiedlichen klanglichen Erscheinungsweisen der Sprachen präsent sowie auch die stimmliche Verlautbarung selbst hier eine forcierte Ausstellung erfährt: In seinem Monolog geht Valentine ins Singen über, wobei es sich so anhört, als singe er mit zwei Stimmen, kommt dann wieder ins Sprechen, ändert allerdings die Register, spricht mal mit hoher Kopfstimme, mal mit tieferer Bauchstimme. Schließlich endet seine Artikulation mit stark körperbetontem Sprechen, es werden kaum mehr Laute oder Sprachen hörbar, sondern vielmehr ein nonverbales Geräuscharsenal, das aus Gurgeln, Prusten, Spucken und Lallen besteht. Valentines Stimme bewegt sich auf diese Weise in verschiedenen Zwischenräumen - zwischen Sprech- und Singstimme, zwischen hohem und tiefem Register, zwischen Sprache und Geräusch - und erzeugt so eine Vielstimmigkeit der einzelnen Stimme, welche ebenso anziehende wie abstoßende Empfindungen beim Publikum provoziert. Das Affizierungspotential der eigentümliche Stimme hat aber noch (mindestens) eine andere Bedingung, die ich als Hingabe an die Stimme, an ihre Setzung oder an ihr Ereignen/ Erscheinen von Seiten des verlautenden Subjekts bezeichnen möchte. Wie bereits angesprochen, eignet den eigentümlichen Stimmen ein singulärer Rest, ein Überschuss, der über die Verfügungsgewalt, die Könner- und Kennerschaft des verlautenden Subjekts hinausgeht. Zugleich zeichnet sie aber auch eine Beherrschung und Inszenierung durch die verlautenden Subjekte aus. Mit anderen Worten: Bei der eigentümlichen Stimme befinden sich die sie artikulierenden Subjekte selbst in einer Konfliktlage. Diese spannt sich zwischen der Hin- und Aufgabe an die Stimme/ Situation einerseits und der Kontrolle und Verfügung über die Stimme/ Situation andererseits auf. Das, was uns also an solch eigentümlichen Stimmen affiziert und emotional tangiert, ist (neben ihrer ambivalenten Erscheinung) demnach der doppelte Anspruch von Aussetzung/ (Hin-)Gabe an uns und von Kontrolle/ Macht über uns durch die Erscheinung der Stimme. Anmerkungen 1 Begrifflich unterscheide ich hier nicht zwischen Emotion und Gefühl, sondern verwende diese synonym, wie es auch der Wort- 180 Jenny Schrödl geschichte zu entnehmen ist; vgl. Doris Kolesch, Theater der Emotionen. Ästhetik und Politik zur Zeit Ludwigs XIV., Frankfurt a.M. / New York 2006, S. 28. Darüber hinaus differenziere ich die Termini Emotion/ Gefühl, Empfindung, Stimmung und Atmosphäre graduell, insofern sie sich in zeitlichen und modalen Komponenten sowie in den Verhältnissen von Aktivität und Passivität wie von Subjekt und Objekt voneinander unterscheiden können. 2 Den Terminus der “eigentümlichen Stimme” entlehne ich den Überlegungen zum Einsatz der Stimme im Musiktheater von Heiner Goebbels. Vgl. Heiner Goebbels, “Mindestens schwer verzweifelt. Ein Essay über den Umgang mit der Stimme im zeitgenössischen Musiktheater”, in: www.heinergoebbels. com, Archive_Texts_Texts by HG, S. 1-5. (18.12.2009) 3 Vgl. Klaus R. Scherer (Hrsg.), Vokale Kommunikation. Nonverbale Aspekte des Sprachverhaltens, Weinheim/ Basel 1982; Bernd Tischer, Die vokale Kommunikation von Gefühlen, Weinheim 1993. 4 Vgl. z.B.: Gernot Böhme, “Die Stimme im leiblichen Raum”, in: Doris Kolesch [et al.] (Hrsg.), Stimm-Welten. Philosophische, medientheoretische und ästhetische Perspektiven, Bielefeld 2009, S. 23-32; Adolf Dresen, “Das rhetorische Defizit - über das schwierige Verhältnis von affectus et intellectus”, in: Hans-Peter Bayerdörfer (Hrsg.), Stimmen - Klänge - Töne. Synergien im szenischen Spiel, Tübingen 2002, S. 375-392; Joseph Imorde, “Die Stimme des Predigers - Quasi Vox Omnipotentis Dei”, in: Clemens Risi, Jens Roselt (Hrsg.), Koordinaten der Leidenschaft. Kulturelle Aufführungen von Gefühlen, Berlin 2009, S. 78-88; Hermann Kappelhoff, “Die Ikone spricht”, in: Doris Kolesch, Jenny Schrödl (Hrsg.), Kunst-Stimmen, Berlin 2004, S. 162- 177; Doris Kolesch, “Gesten der Stimme. Zur Wirksamkeit theatraler Situationen am Beispiel von Emanuelle Enchanted und In Real Time”, in: Bayerdörfer 2002, S. 153-163; Jens Roselt, “Monströse Gefühle. Die Kunst der Klage”, in: Kolesch [et al.] 2009, S. 157-169; Katharina Rost, “Lauschangriffe. Das Leiden anderer spüren”, in: Kolesch [et al] 2009, S. 171-187; Jenny Schrödl, “Erfahrungsräume. Zur Einführung in das Kapitel”, in: Kolesch [et al] 2009, S. 145-156. 5 Das Interesse an der Sprechstimme ist im Laufe des letzten Jahrzehnts in den Geistes-, Kultur- und Kunstwissenschaften stetig gewachsen. Doris Kolesch und Sybille Krämer behaupten in dem Zusammenhang gar, dass die Stimme “den Nukleus dessen [bildet], worum Geistes-, Human- und Kunstwissenschaften kreisen”. (Doris Kolesch, Sybille Krämer, “Stimmen im Konzert der Disziplinen. Zur Einführung in diesen Band”, in: Dies. (Hrsg.), Stimme. Annäherung an ein Phänomen, Frankfurt/ M. 2006, S. 7-15, hier S. 7.) Für die Renaissance der Stimme geben die Autorinnen verschiedene Gründe an, wozu die Allgegenwart von Technologien und von mediatisierten Stimmen in unserer Kultur, das Interesse an Kategorien der Körperlichkeit, Präsenz, Ereignishaftigkeit und Wahrnehmung in den Wissenschaften ebenso gehören wie die Praktiken der Künste. (Vgl. Kolesch/ Krämer 2006, S. 9.) In vergleichbarer Weise wie die Stimme (wenn auch in ungleich größerem Maße) rückt das Feld der Emotionen/ Gefühle in den Mittelpunkt akademischen Interesses der letzten Jahre und zwar im gesamten Bereich der Human-, Natur-, Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften. Im Bereich der Theater- und Kunstwissenschaften speist sich das Interesse aus den vielfältigen künstlerischen Inszenierungen und Aufführungen von Emotionen, die freilich im Theater und in anderen Künsten eine lange Tradition und einen besonderen Stellenwert innehaben, wobei sie produktions-, werk- und rezeptionsästhetisch von Belang sind. (Vgl. Brigitte Scheer, “Gefühl”, in: Karlheinz Barck [et al.] (Hrsg), Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, Band 2, Stuttgart/ Weimar 2001, S. 629-660; Doris Kolesch, “Gefühl”, in: Erika Fischer-Lichte [et al.] (Hrsg.), Metzler Lexikon Theatertheorie, Stuttgart/ Weimar 2005, S. 119-125.) In den aktuellen kunst- und theaterwissenschaftlichen Auseinandersetzungen spielt über emotionale Darstellungen hinaus vor allem die Evokation und Produktion von Gefühlen, Empfindungen und Stimmungen beim Publikum eine wesentliche Rolle. Mithin richtet sich die Aufmerk- Stimme und Emotion 181 samkeit forciert auf das Spannungsfeld von Erzeugung und Wahrnehmung von Emotionen, auf die “Wechselwirkungen zwischen RezipientIn und Kunstwerk”. (Mieke Bal, “Einleitung: Affekt als kulturelle Kraft”, in: Antje Krause-Wahl [et al.] (Hrsg.), Affekte. Analysen ästhetisch-medialer Prozesse, Bielefeld 2006, S. 7-19, hier S. 7.) So gehen beispielsweise Clemens Risi und Jens Roselt für ihren Sammelband Koordinaten der Leidenschaft von der Leitthese aus, “dass Gefühle Aufführungscharakter haben, das heißt, sie werden in konkreten Wahrnehmungs- und Erfahrungssituationen evoziert”. (Clemens Risi, Jens Roselt, “Einleitung”, in: Risi/ Roselt 2009, S. 7-19, hier S. 8.) 6 Vgl. Klaus R. Scherer, “Die vokale Kommunikation emotionaler Erregung”, in: Scherer 1982, S. 287-306, hier S. 300. 7 Roland Barthes, “Die Musik, die Stimme, die Sprache”, in: Ders., Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn, Frankfurt/ M. 1990, S. 279-285, hier S. 280. 8 G. Böhme 2009, S. 30. 9 G. Böhme 2009, S. 31. 10 Vgl. z.B.: Hermann Schmitz, Der Gefühlsraum, Bonn 2005; Bernhard Waldenfels, Bruchlinien der Erfahrung. Phänomenologie, Psychoanalyse, Phänomenotechnik, Frankfurt/ M. 2002; Hartmut Böhme, “Gefühl”, in: Christoph Wulf (Hrsg.), Vom Menschen. Handbuch Historische Anthropologie, Weinheim/ Basel 1997, S. 525-548. 11 H. Böhme 1997, S. 535f. 12 Kolesch 2006, S. 32. 13 Kolesch 2006, S. 32. 14 So beschrieb es der Neurowissenschaftler Eckart Altenmüller in seinem Vortrag im Rahmen des Workshops “Hinhören - Weghören - Überhören”, der am 13.02.2009 am Institut für Theaterwissenschaft der FU-Berlin stattfand und der vom Projekt B10 des SFB 447 durchgeführt wurde. 15 Doris Kolesch, “Stimmlichkeit”, in: Fischer- Lichte [et al.] 2005, S. 317-320, hier S. 319. 16 Martin Seel, “Ereignis. Eine kleine Phänomenologie”, in: Nikolaus Müller-Schöll (Hrsg.), Ereignis. Eine fundamentale Kategorie der Zeiterfahrung. Anspruch und Aporien, Bielefeld 2003, S. 37-47, hier S. 40. 17 Vgl. H. Böhme 1997, S. 531. 18 H. Böhme 1997, S. 531. 19 Antonio Damasco, Descartes Irrtum, München 2002, S. 204. 20 Ronald de Sousa, Die Rationalität des Gefühls, Frankfurt/ M. 1997. 21 Dieter Mersch, “Präsenz und Ethizität der Stimme”, in: Kolesch/ Kärmer 2006, S. 211- 236, hier S. 212. 22 Vgl. u.a.: Erika Fischer-Lichte, Ästhetik des Performativen, Frankfurt/ M. 2004, S. 219-227; Helga Finter, “Die soufflierte Stimme. Klang- Theatralik bei Schönberg, Artaud, Jandl, Wilson und anderen”, in: Theater heute 1 (1982), S. 45-51; Kolesch 2005, S. 317-320; Hans-Thies Lehmann, Postdramatisches Theater, Frankfurt/ M. 1999, S. 274-283; Patrick Primavesi, “Geräusch, Apparat, Landschaft: Die Stimme auf der Bühne als theatraler Prozeß”, in: Forum Modernes Theater 14 (1999), S. 144-172. 23 Vgl. Kolesch 2005, S. 318f. 24 Gemeint sind damit Emotionen (wie Freude, Hass, Liebe, Wut, Trauer oder Furcht), die in sowohl klassischen als modernen Auffassungen als Basisemotionen gehandelt werden. Kennzeichnend für sie ist eine heftige Empfindung, relativ kurze Dauer und Objektbzw. Kontextgebundenheit, wobei sie in sich recht abgrenzbar zu anderen Gefühlen sind und gleichsam die Basis für andere, vermeintlich schwächere Formen bilden. In dem Zusammenhang ist dennoch zu betonen, dass in den Auffassungen und Listungen der Emotionen sich nicht zwei finden lassen, “die identisch wären, so dass den Listen sowie den Versuchen, einzelne ‘Basisemotionen’ zu erklären, etwas Willkürliches anhaftet.” Vgl. Christiane Voss, Narrative Emotionen. Eine Untersuchung über Möglichkeiten und Grenzen philosophischer Emotionstheorien, Berlin/ New York 2004, S. 13. 25 Unter Atmosphären werden derartige affektive Anmutungen begriffen, die sich zwischen einer Umgebung einerseits und einem wahrnehmenden Subjekt andererseits herstellen. Unter Stimmung werden stärker kontinuierliche affektive Zustände eines Subjekts begriffen, die zumeist keinen Gegenstandsbezug aufweisen. Mit Empfindung bezeichnet man oftmals die leiblich-körperliche Dimension des Fühlens. 182 Jenny Schrödl 26 Vgl. Daniel Charles, “Zur Erotik der Stimme oder vom Erotismus, als Musik betrachtet”, in: Ders., John Cage oder die Musik ist los, Berlin 1979, S. 139-161; Michel Poizat, The Angel’s Cry. Beyond the Pleasure Principle, Ithaka 1992; Clemens Risi, “Hören und Gehört Werden als körperlicher Akt. Zur feedback-Schleife in der Oper und der Erotik der Sängerstimme”, in: Erika Fischer-Lichte [et al.] (Hrsg.), Wege der Wahrnehmung. Authentizität, Reflexivität und Aufmerksamkeit im zeitgenössischen Theater, Berlin 2006, S. 98-113; Tiina Rosenberg, “Stimmen der Queer-Diven: Hosenrollen in der Oper und Zarah Leander auf der Schlagerbühne”, in: Kolesch [et al.] 2009, S. 189-211; Elisabeth Wood, “Sapphonics”, in: Philip Brett [et al.] (Edd.), Queering the Pitch. The New Gay and Lesbian Musicology, New York/ London 1994, S. 27-66. 27 Vgl. Anne Hamker, Emotion und ästhetische Erfahrung. Zur Rezeptionsästhetik der Video- Installation “Buried Secrets” von Bill Viola, Münster 2003, S. 66. 28 Vgl. Hans Richard Brittnacher, “Schrecken/ Schock”, in: Achim Trebeß (Hg.), Metzler Lexikon Ästhetik. Kunst, Medien, Design und Alltag, Stuttgart/ Weimar 2006, S. 340-341. 29 Andrzej Wirth, “René Pollesch. Generationsagitpoptheater für Stadtindianer”, in: Anja Dürrschmidt, Barbara Engelhardt (Hrsg.), Werk-Stück. Regisseure im Portrait, Berlin 2003, S. 126-131, hier S. 127. 30 Vgl. Goebbels 2009, S. 1. 31 Goebbels 2009, S. 2. 32 Goebbels 2009, S. 2. 33 Sabine Schouten, Sinnliches Spüren. Wahrnehmung und Erzeugung von Atmosphären im Theater, Berlin 2007, S. 142.