eJournals Forum Modernes Theater 25/1

Forum Modernes Theater
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Narr Verlag Tübingen
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In seinem Bewegungs-Bild erklärt Deleuze das Umgehen mit Posen im Tanz für anachronistisch, die er im Sinne des Klassischen Balletts als bloße Aktualisierung transzendenter Formen betrachtet. Der vorliegende Text folgt Deleuzes Argument, dass der Tanz die Pose im 20. Jahrhundert für aus der Analyse gewonnene “beliebige Momente” und zugunsten eines neuzeitlichen Verständnisses von Bewegung aufgebe, und führt choreographische Beispiele der 1970er bis 1990er Jahre an. Im zeitgenössischen Tanz jedoch entsteht, so die These, ein erneutes, verändertes Interesse an der Pose, das nicht als anachronistisch abgetan werden kann: Als Bewegungszitat bildet sie in der Auseinandersetzung mit ihrer Wiedererkennbarkeit den Ausgangspunkt für Fragen der Aneignung historischen Bewegungsmaterials (Hardt), für Verweise auf “Lücken der Zu-Ordnung” (Brandstetter) bzw. für ihre eigene Auflösung im choreographischen Verfahren des Morphing. Letzteres vermag durch Irritation in der Choreographie PIECE, als ein Unkenntlich-Machen fungierend, herausgehobene Momente zu gestalten und gleichzeitig Deleuzes Frage nach dem stetigen Werden der Bewegung zu reflektieren.
2010
251 Balme

Über herausgehobene Momente im Tanz

2010
Katarina Kleinschmidt
Abb. 1: Die Berliner Choreographin Thérèse Nylén arbeitet in ihrem Solo PIECE für die Performerin Zufit Simon mit Zitaten der Tanzgeschichte. (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Loulou d’Aki) Über herausgehobene Momente im Tanz. Katarina Kleinschmidt (Berlin) In seinem Bewegungs-Bild erklärt Deleuze das Umgehen mit Posen im Tanz für anachronistisch, die er im Sinne des Klassischen Balletts als bloße Aktualisierung transzendenter Formen betrachtet. Der vorliegende Text folgt Deleuzes Argument, dass der Tanz die Pose im 20. Jahrhundert für aus der Analyse gewonnene “beliebige Momente” und zugunsten eines neuzeitlichen Verständnisses von Bewegung aufgebe, und führt choreographische Beispiele der 1970er bis 1990er Jahre an. Im zeitgenössischen Tanz jedoch entsteht, so die These, ein erneutes, verändertes Interesse an der Pose, das nicht als anachronistisch abgetan werden kann: Als Bewegungszitat bildet sie in der Auseinandersetzung mit ihrer Wiedererkennbarkeit den Ausgangspunkt für Fragen der Aneignung historischen Bewegungsmaterials (Hardt), für Verweise auf “Lücken der Zu-Ordnung” (Brandstetter) bzw. für ihre eigene Auflösung im choreographischen Verfahren des Morphing. Letzteres vermag durch Irritation in der Choreographie PIECE, als ein Unkenntlich-Machen fungierend, herausgehobene Momente zu gestalten und gleichzeitig Deleuzes Frage nach dem stetigen Werden der Bewegung zu reflektieren. Forum Modernes Theater, Bd. 25/ 1 (2010), 65-76. Gunter Narr Verlag Tübingen 66 Katarina Kleinschmidt In seinen “Thesen zur Bewegung” äußert sich Gilles Deleuze wie folgt über den Tanz: Der grundlegende Fehler besteht stets darin, die Bewegung aus Momenten oder Positionen zu rekonstruieren […] die Bewegung [bringt so] nur eine ‘Dialektik’ der Formen, eine ihr Ordnung und Maß verleihende ideale Synthese zum Ausdruck. Eine so aufgefasste Bewegung besteht also im geregelten Übergang von einer Form zur anderen, das heißt in einer Ordnung von Posen oder hervorgehobenen Momenten wie in einem Tanz. 1 Um so mehr gaben Tanz, Ballett und Pantomime die Figuren und Posen auf, um das Nicht- Gestellte, Nicht-Gestelzte freizusetzen, das die Bewegung auf den beliebigen Moment bezieht. 2 Deleuze vergleicht hier die Vorstellungen von Bewegung in der Antike mit jener der Neuzeit und bezieht sie auf den Tanz des 19. bzw. des 20. Jahrhunderts. Erstere rekonstruiere Bewegung aus Positionen und Übergängen, die Wissenschaft der Neuzeit hingegen beziehe sie nicht mehr auf Positionen, im Sinne einer bloßen Aktualisierung transzendenter Formen, sondern auf beliebige Momente. Da es seither nicht mehr eine dialektische Ordnung der Formen sei, die Bewegung ausmache, konnte sich ihr durch Analyse in jedem beliebigen Moment angenähert werden. Das heiße für den Film, dem bekanntlich Deleuzes Interesse im hier zitierten Bewegungs-Bild gilt, dass sich das Herausgehobene, Auffallende oder Singuläre “in welchem Moment auch immer” 3 ereignen könne. Diese Äußerungen sollen den Ausgangspunkt bilden für Fragen nach verschiedenen Konzeptionen von “herausgehobenen Momente[n]” 4 im Tanz, besonders im zeitgenössischen Tanz, sowie nach den zu ihrer Hervorbringung verwendeten choreographischen Verfahren. Inwiefern lassen sich Deleuzes Überlegungen übertragen? Untersucht werden soll dazu - neben der Erwähnung einiger Beispiele der 1970er bis 1990er Jahre - das Solo PIECE der Berliner Choreographin Thérèse Nylén, ein Stück für eine Performerin (Zufit Simon). 5 Deleuze erklärt ersteres Konzept, das im Aktualisieren von idealen Formen dem des Klassischen Balletts entspricht, in dem die Übergänge zwischen Sprüngen und Balancen nicht weiter von Interesse sind, für anachronistisch. 6 Im zeitgenössischen Ballett jedoch, in den Stücken William Forsythes der 1980er und 1990er Jahre, ist eine Dynamisierung der Posen zu beobachten. Balancen und Sprünge sind hier derart beschleunigt, dass sie nicht mehr grundsätzlich herausgehoben sind. Die Bewegungen des hierarchisch in Posen und Übergängen geordneten Systems des Klassischen Balletts sind sozusagen ‘demokratisiert’. 7 Nach Posen oder gehaltenen Figuren, die als Höhepunkte einer Schrittfolge gelten würden, sucht man bei William Forsythes Tänzern […] vergeblich. Sie streifen Figuren wie die Arabesque lediglich, sie nähern sich ihnen an, bevor diese im permanenten Fluss der Bewegung wieder verschwinden. 8 Diese Beschleunigung resultiert bei Forsythe aus der Überlegung, dass das Ideal einer Pose wie der Arabesque niemals erreicht werden kann. Der Tänzer könne lediglich durch die Pose hindurchgehen, “ohne sie vollständig zu besetzen”, so Gabriele Brandstetter. 9 Choreographisch entsteht hier die Möglichkeit, Momente aus dem Bewegungsfluss herauszuheben, daraus, “in die interne Organisation des Tänzerkörpers ein[zugreifen], indem er Verbindungen kappt und neue schafft”, 10 wie es Gerald Siegmund beschreibt. Forsythe untersucht das System von Posen, zerlegt es, um neue Verbindungen zwischen ihnen zu finden. Diese Verbindungen werden dann wiederum durch dynamische Variationen - durch Verlangsamungen oder Stopps - derart bearbeitet, dass auch sie hervortreten können und nicht länger nur Übergänge sind. Ein ‘Zwischenschritt’ wie das chassé, bei dem ein Fuß sich in den Raum hinein schiebt und Über herausgehobene Momente im Tanz 67 vom anderen rasch ‘gejagt’ und eingeholt wird, wird dabei oft verlangsamt, die widerständige Qualität des Gegen-den-Boden- Schiebens wird verstärkt und tritt so besonders hervor. Im Folgenden soll auf Deleuzes Überlegungen zur Konzeption des Tanzes im 20. Jahrhundert eingegangen werden, nach der eine Abkehr von der Pose stattfinde, die im Ballett der Demonstration der Körperbeherrschung diente. 11 Diese Abkehr erfolgte zugunsten eines veränderten Bewegungs- und zudem Körperkonzepts, das zu Anfang des Jahrhunderts auch die Tanzbewegung auf den beliebigen Moment bezog. Zum Herausheben von Momenten seien nun künstlerische Verfahren - wie z. B. das der Montage - nötig, um beliebige Momente zu besonderen zu machen. Da Deleuze sich mit letzterer Äußerung wieder auf den Film bezieht, möchte ich diese anhand einiger Beispiele (Pina Bausch, Rui Horta, Thérèse Nylén) auf Tanz zu übertragen versuchen, wobei unterschiedliche Verfahren zur Hervorhebung herausgearbeitet werden. Zunächst folge ich dabei Deleuze dahingehend, dass der Tanz im 20. Jahrhundert die Pose aufgebe. Im Weiteren jedoch entwickelt dieser meines Erachtens ein erneutes, jedoch verändertes Interesse an der Pose, das nicht als anachronistisch abgetan werden kann. Dafür möchte ich Pose nicht in erster Linie als Pause, vielmehr mit Gabriele Brandstetter als Möglichkeit zu einer “fleischliche[n] Tradierung” verstehen. 12 Bereits Étienne-Jules Marey und Eadweard Muybridge zeigten in ihren Chronophotographien - etwa des Pferdegalopps - der Bewegung inhärente Momente anstelle der Posen von Pferden, wie dies zuvor der Fall gewesen sei. 13 Deleuzes Zitat über das neue Interesse des Tanzes am ‘Ungestelzten’ bezieht sich auf die Bewegungskonzeption des Ausdruckstanzes. 14 In diesem Zusammenhang sei an die Überlegungen des Tänzers, Choreographen und Tanztheoretikers Rudolf von Laban erinnert, der wesentlich für dessen Entwicklung verantwortlich zeichnete und auf den sich auch Forsythe bezieht. Laban untersuchte Bewegung systematisch in Bezug zum Raum (“Raumharmonielehre”), entwickelte eine Notationsmöglichkeit (später Laban- Notation genannt) und arbeitete acht “dynamische[n] Grundaktionen” (Drücken, Wringen, Gleiten, Schweben, Peitschen, Stoßen, Tupfen, Flattern) heraus. 15 Diesen ordnete er Richtungen im Raum zu, da “der Körper und seine Glieder [fähig sind], gewisse dynamische Nuancen in der Bewegung in gewissen Zonen des Raumes besser auszuführen als in anderen”. 16 So konnten die aus der Analyse gewonnenen Bewegungen besonders bearbeitet und dynamisch hervorgehoben werden, ohne der disziplinierenden und normierenden Arbeit zur Herstellung von Posen im klassischen Ballett unterstellt zu sein. 17 Die “Akkumulation von Gewöhnlichem” Wie werden nun laut Deleuze beliebige Momente zu besonderen? Diese Produktion von Singularitäten […] vollzieht sich nun über die Akkumulation von Gewöhnlichem […], so dass das Singuläre dem Beliebigen entnommen wird, es selber nur nicht-gewöhnliches oder nicht-reguläres Beliebiges ist. 18 Es brauche also eine Umwandlung, ein künstlerisches Verfahren, wie etwa die Montage Sergej Eisensteins. Dieser habe in seinen Filmen mit beliebigen Momenten gearbeitet, sich dabei aber “die Höhepunkte und die Schreie aus[gesucht], er treibt die Szenen zu ihrem Höhepunkt und lässt sie dann miteinander kollidieren”. 19 Für den Tanz ist ein solches Montage- Verfahren bereits vielerorts für das deutsche Tanztheater Pina Bauschs beschrieben worden. 20 Bausch arbeitet mit alltäglichen Bewe- 68 Katarina Kleinschmidt gungen, mit Sprache und Gesten, trägt dieses Alltägliche zusammen und bindet es in ihr (vom Modern Dance geprägtes) Bewegungsvokabular ein. Besonders Herausgehobenes entsteht dabei oft durch das Aufeinandertreffen von “Gegensätzliche[m] - Bilder, Szenen, Bewegungen, Stimmungen, Musik, Figuren, Emotionalitäten”, 21 wobei dieses Gegensätzliche aus den (Alltags-) Erfahrungen ihrer Tänzer stammt. In einer Szene ihrer Version von Blaubart von 1977 rennen Tänzer über die Bühne, springen laut rufend in die Luft, gefolgt von einigen schnell und flüchtig angedeuteten Beinpositionen und Oberkörperneigungen aus dem Vokabular des Modern Dance. 22 Nur eine Tänzerin sitzt ruhig auf einem Stuhl, bis sich ein großer Mann auf ihren Schoß setzt. Er verdeckt die kleine, zierliche Frau fast gänzlich. Langsam fällt diese vom Stuhl - ein Vorgang, der eine Abwandlung von der alltäglichen Bewegung erfordert, da sie sich unter dem Gewicht des Mannes herauswinden muss. 23 So ist dieses Fallen eher ein Gleiten, das mit der Entspannung als einem Prinzip des Modern Dance arbeitet. Möglich wäre es hier, von einer solchen “Produktion von Singularitäten” zu sprechen, bei der “das Singuläre dem Beliebigen entnommen wird”, 24 einer Häufung von alltäglichen Bewegungen, die aber so gesetzt sind, dass die Hektik und Aufregung der springenden Männer mit der Ruhe der Frau kontrastieren und in diesem Kontrast - ähnlich einer Eisensteinschen Kollision - ein herausgehobener Moment entsteht. Im Hinblick auf eine “Akkumulation von Gewöhnlichem”, als eine Mischung aus Alltäglichem und tänzerischem Vokabular, ließe sich auch an die US-amerikanischen Choreographinnen Yvonne Rainer und Trisha Brown denken, prominente Vertreterinnen des Postmodern Dance in New York. Ihre Arbeit, vor allem der 1960er und 1970er Jahre, ist in diesem Zusammenhang interessant, da alle erdenklichen Bewegungen in ihren Choreographien gleichermaßen benutzt wurden und somit von einer weiteren Art der “Demokratisierung” von Bewegung zu sprechen ist, 25 wie sie eingangs schon - in anderer Art für Forsythe - erwähnt wurde. Der Tanz Rainers und Browns zeichnete sich zwar gerade durch ein gleichmäßiges Fließen ohne herausstechende Momente aus, dennoch soll er hier kurze Erwähnung finden, auf die später weiter eingegangen wird. In ihrem Solo Primary Accumulation (1972) spiegelt Trisha Brown, entspannt auf dem Rücken liegend, zunächst immer abwechselnd die Aktion eines Armes durch die eines Beins und anders herum. Nach jeder Bewegung bringt sie das Körperteil zurück in die Ausgangsposition, die Rükkenlage, wobei niemals Pausen entstehen, da - bevor der eine Arm die Ausgangsposition erreicht - das andere Bein schon zu spiegeln beginnt. Durch dieses System der Überlappung entsteht ein Fließen ohne herausgehobene Momente, das auch weiter besteht, wenn die Choreographie immer komplexer wird. Herausheben durch Verzögerung bei Rui Horta Wie kann nun aber “nicht-reguläres Beliebiges” anders als im Beispiel von Bausch entstehen? 26 Herausgehoben (aus dem Bewegungsfluss) können Bewegungen durch dynamische Wechsel sein, wie bereits für Laban und Forsythe angedeutet. Dies ist in ausgeprägter Weise in den Choreographien Rui Hortas der Fall, der in den 1990er Jahren mit der Frankfurter Compagnie S.O.A.P. Dance Theatre gearbeitet hat. 27 Horta verbindet in seinen Stücken das Vokabular unterschiedlicher Tanz- und Bewegungsformen: Klassisches Ballett, Modern Dance, Contact Improvisation, Capoeira oder auch Alltagsgesten. Dies geschieht durch das Prinzip von Verzögerung (suspension) und dem Loslassen dieser Spannung (release). Dabei wird zunächst eine Über herausgehobene Momente im Tanz 69 aufwärts strebende Spannung aufgebaut und dann losgelassen, wodurch sehr schnelle Bewegungen hervorgebracht werden. Die Verzögerung ereignet sich dabei meist in extremen Balance-Situationen, die aus allen der oben genannten verschiedenen Tanz- und Bewegungsformen stammen können - im Sinne Deleuzes also womöglich das Hervorheben eines beliebigen Moments. In diesen Verzögerungen wird zum Beispiel das Gewicht so stark auf ein Bein und dazu der Oberkörper zur selben Seite hin verlagert, dass der Tänzer zu dieser Seite zu fallen droht, er sich nur durch den Gegenzug des anderen Beins in der Balance halten kann und für einen Moment nicht klar ist, in welche Richtung sich diese Spannung entladen wird. Für die Wirkung der Bewegungssequenzen sind verschiedene Dynamiken oder Dynamikwechsel ausschlaggebend, wobei sich die verzögerten Bewegungen gegen die schnelleren, entspannteren abheben und sozusagen herausgehoben sind. Dieses Konzept von Herausheben durch Verzögerung lässt sich anhand von zwei Punkten an das der Pose anschließen, wie es Brandstetter vorschlägt. Diese leitet Pose vom lateinischen “pausare”, innehalten, ab, was allerdings nicht Stillstand bedeuten muss. 28 Zum einen, so Brandstetter, die wiederum Bernhard Waldenfels zitiert, bewege sich die Pose zwischen dem “Übergang ins Erwartete und Umschlag ins Unerwartete”, wobei hier die Perspektive und “das Zeiterlebnis des Zuschauers” angesprochen sind. 29 Zum anderen sei das Innehalten im höfischen Tanz der Renaissance ein “Atemholen”, ein “Augenblick der Verwandlung und ein reflexives Moment innerhalb der Tanzbewegung und ihrer Unübersichtlichkeit”. 30 Auch bei Horta ist im Moment der Verzögerung nicht sicher, ob der Tänzer sich in der Balance wieder fangen und in der Choreographie weitergehen kann oder ob er fallen und der Verlauf des Stücks “ins Unerwartete” umschlagen wird. Außerdem sind die Verzögerungen an die Atmung gekoppelt, auch sie sind ein “Atemholen”, ein Einatmen. Und sie strukturieren die Choreographie, machen sie übersichtlicher durch dynamische Variationen. Somit ist dieses Verfahren zum Herausheben von Momenten durch Arbeit an der Bewegungsdynamik unterschieden von dem der Montage bei Bausch, bei der sich die Kontrastierung zum Einen durch das hektische Umherspringen der Gruppe gegen die langsam-gleitende Bewegung der Einzelnen und zum Anderen eher ‘inhaltlich’ ergibt, durch die Narration dieser Szene. Versatzstücke und amorphe Sequenzen in Thérèse Nyléns PIECE Deleuze problematisiert im Weiteren seine eigene Differenzierung: Ob man die “Bewegung aus erstarrten Posen oder unbewegten Schnitten” zusammensetze, 31 mache keinen Unterschied: in beiden verfehlt man die Bewegung, weil man sich ein Ganzes vorgibt, weil man unterstellt, dass ‘alles gegeben ist’, während sich die Bewegung nur herstellt, wenn das Ganze weder gegeben ist noch gegeben werden kann. Sobald man sich das Ganze in der ewigen Ordnung der Formen und Posen oder in der Gesamtheit beliebiger Augenblicke vorgibt, ist die Zeit entweder nur noch Bild der Ewigkeit oder aber Konsequenz einer Gesamtheit: für die wirkliche Bewegung ist kein Platz mehr. 32 Wie ließe sich diese Überlegung in Bezug auf herausgehobene Momente im Tanz heute denken? Dazu soll nun die Aufführung des Solos PIECE betrachtet werden, und hierbei genauer die erste von drei Szenen. Dieses Stück scheint in seinem Umgang mit Zitaten der Tanzgeschichte geradezu die Problematik der herausgehobenen Momente zu reflektieren und durch das choreographische Verfahren des Morphing ein ‘geöffnetes Ganzes’ zu inszenieren, das Deleuze als Ausweg für das oben zitierte Problem sieht. 33 Die herausge- 70 Katarina Kleinschmidt hobenen Momente sind in PIECE zunächst im Sinne des von Deleuze als anachronistisch bezeichneten Tanzverständnisses als Posen und Über-Gänge angesprochen - eben als Zitate, im Sinne von Vor-Bildern, die nun aktualisiert werden -, um diese dann im Verlaufe der ersten Szene des Stückes im Morphing aufzulösen. 34 Die Performerin geht zügig, doch ohne Hast über die Bühne und führt am Ende dieser Gänge Bewegungen aus oder nimmt Posen ein, die Zäsuren in den Fluss ihres zielstrebigen Gehens setzen. So platziert sie sich aufrecht stehend in der hinteren rechten Ecke, mit hüftbreit geöffneten, parallel ausgerichteten Füßen. Sie beugt den Oberkörper weit nach unten und setzt nacheinander die Hände auf den Boden, so dass ihr Körper mit dem Boden ein Dreieck bildet. Dabei sind die Fingerspitzen ihren Füßen zugewandt. Sie stellt ohne Eile oder Anstrengung die Füße ein Stück zurück, in eine Art erste Ballettposition, die Fußspitzen nach außen, die Fersen jedoch nicht ganz zusammen, und verharrt einen Moment. Dann dreht sie die Hände wieder in die andere Richtung, die Fingerspitzen vom Körper weg zeigend, tritt mit ihren Füßen etwas näher an ihre Hände heran, so dass diese parallel nebeneinander stehen. Sie richtet sich auf, wobei sie die Wirbelsäule aufrollt, und der Kopf als letztes in der Senkrechten ankommt. Das Gelächter im Publikum lässt erkennen, dass diese Anleihe an Self unfinished von 1998 erkannt wurde, eines der am meisten getourten Stücke des renommierten Choreographen Xavier Le Roy. Ein anderes Mal steuert die Performerin auf einen weit vorne links gelegenen Ort der Bühne zu, lässt sich auf dem Boden nieder, streckt im Sitzen simultan ein Bein und beide Arme nach hinten und legt den Kopf auf ihr vorderes, gebeugtes Bein. In dieser Pose pausiert sie. Die ‘Schwimmbewegung’, in der sie die Arme weit diagonal zur Seite streckt und in einem Bogen weiter bis hinter den Rücken führt, erinnert an den “Sterbenden Schwan” aus dem Karneval der Tiere (vgl. Abb. 1). 35 Die obige Beschreibung zeigt: In PIECE werden (‘statische’) Posen oder auch kurze Bewegungssequenzen wie Versatzstücke aus einem anderen Kontext genommen und ausgestellt: Sie wirken wie Zitate aus bekannten Stücken der Tanzgeschichte. 36 Die Performerin ‘verortet’ sie mit ihren Gängen über die Bühne an einer bestimmten Stelle, an der sie sie später im Stück zudem wiederholt. Durch diese Wiederholungen können sie wiedererkannt werden und erscheinen - besonders durch die weiter unten beschriebene Art des Ausstellens - auch dem Zuschauer als Zitate, dem sie nicht gleich ein ‘Quellen-Stück’ in den Sinn kommen lassen. In der letzten der drei Szenen des Stückes werden sie bei der Wiederholung zudem ‘belegt’, indem die Performerin für die jeweilige Bewegung verschiedene Kostüme anzieht, die auf das ‘Quellen-Stück’ verweisen, und diese Kostüme dann stellvertretend für die Posen dort auf der Bühne platziert, wo sie sie zuvor ‘verortet’ hat (vgl. Abb. 2). Selbst wer die Versatzstücke nicht schon aus anderen Stükken kennt: durch die ständigen Wiederholungen sind sie bald allen Zuschauern bekannt, sie sind wiedererkennbare Momente, die Ausschnitte aus ganz verschiedenen Tanzstücken in PIECE vereinen. Um hier von Posen zu sprechen - und dies bietet sich durch die herausgehobene Position der Versatzstücke durchaus an, die zudem im Sinne von ‘Posing’ “den Eindruck des Gewollten” machen - sei ihre Funktion im Zusammenhang mit den Tableaux vivants erwähnt, 37 deren beliebtes Darstellungsmittel sie waren. 38 Durch die Pose wurden aus der Bildenden Kunst bekannte Gemälde und Skulpturen nachgestellt, so Brandstetter. Pose ist somit hier in ihrer Funktion einer “(korporale[n]) Überlieferung von Bildern” aufgerufen, als “fleischliche Tradierung und Traditionsbildung”. 39 Mit dieser Platzierung “zwischen dem Einhalt und der Bewegung” lassen Über herausgehobene Momente im Tanz 71 Abb. 2: Durch die Kostüme werden die Zitate in PIECE ‘belegt’ und zudem auf der Bühne ‘verortet’. (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Loulou d’Aki) sich auch jene Zitate fassen, 40 die als kleinere Bewegungssequenzen kurze Pausen an ihrem Ende aufweisen. 41 (Abb. 2) Neben den Gängen über die Bühne und den kurzen Pausen der Versatzstücke geschieht das Ausstellen auch durch einen besonderen ‘Ein- und Ausgang’, durch eine Art ‘neutrale Grundposition’: Dabei stehen die Füße der Performerin - wie schon im Beispiel oben - parallel und hüftbreit nebeneinander, in einer Position, die als neutraler Ausgangspunkt u.a. in zeitgenössischen Tanztechniken verwendet wird. Häufig kommt noch ein Abrollen der Wirbelsäule, ein graduelles Hinunterbeugen hinzu, das mit dem Sinken des Kopfes beginnt, oder die Performerin rollt bei Zitaten auf dem Boden die Wirbelsäule beim Aufstehen sequenziell auf. Mit den derart hervorgehobenen Zitaten sind ‘Schlüsselmomente der Tanzgeschichte’ angesprochen, die als ‘Vor-Bilder’ wiederholt und - im Fall der Schwanenbewegung im Sinne des Klassischen Balletts als Ideal verstanden - aktualisiert werden. Dabei sind aber gerade verschiedene Tanzkonzepte gegenwärtig, wie zeitgenössischer Tanz am Beispiel von Xavier Le Roy, Yoga, Ausdruckstanz sowie (europäisch-amerikanischer) Moderner und Indischer Tanz. 42 Auf diese Weise werden also divergierende Konzepte von herausgehobenen Momenten angesprochen. Im Laufe der ersten Szene nun werden die Versatzstücke immer wieder aneinandergereiht und überlappen sich mehr und mehr, so dass ein kontinuierliches Fließen der Bewegung entsteht. Dieses choreographische Verfahren möchte ich als Morphing betrachten, ein Verfahren der Verflüssigung, des stetigen Werdens, das das Unabgeschlossene zu inszenieren vermag. Morphing lässt einen fließend wirkenden Übergang aus einem Bild zu einem anderen entstehen. Dabei werden [e]inzelne Punkte der digitalisierten Bilder […] graduell ersetzt, der Computer errechnet Übergangswerte […], und die graduellen Zwischenstufen werden wie beim Film so schnell hintereinander gezeigt, dass der Eindruck einer Transformation entsteht. 43 72 Katarina Kleinschmidt Dieser “Eindruck einer Transformation” ist auf PIECE übertragbar, denn hier werden die Zitate derart miteinander verbunden, dass deren Konturen verwischen. Dabei kommt es in einigen Sequenzen zu Momenten ihrer (fast) völligen Auflösung, denn die Performerin geht hier - bevor sie ein Versatzstück erreicht - schon in das nächste über. In diesem Ineinander-Übergehen sind die einzelnen Versatzstücke kaum noch zu identifizieren. Allein durch den Aufbau der Szene, dadurch, dass der Zuschauer den choreographischen Vorgang des Kombinierens von Zitaten durchschauen kann - das allmähliche und wiederholte Überlappen der bekannten Bewegungen -, sind die Sequenzen noch als aus den Versatzstücken zusammengesetzt erkennbar. Freilich gelingt dieses (annähernd völlige) Aufgehen der Zitate im Bewegungsfluss nur an einigen Stellen. Diese jedoch vermögen die Wahrnehmung zu irritieren, da es in ihnen - zudem vor dem Hintergrund der zuvor permanenten Wiederholungen, des ständigen Wiedererkennens - nicht gelingt, Momente festzuhalten und zu identifizieren. Gerade diese Momente der Irritation sind aber die besonders beeindruckenden in PIECE. Sie bilden mithin herausgehobene Momente. Die Arbeit an der Bild- und Zitathaftigkeit von Posen ist im zeitgenössischen Tanz nicht selten: Brandstetter beschreibt “Zitathaftigkeit als Pose” für Stücke Meg Stuarts als ein Verfahren der Verdichtung, 44 das “Interaktionsposen des Alltags” analysiert, 45 rekombiniert und so eine “Posenlandschaft” entstehen lässt, die “auf die Lücken der Zu-Ordnung [verweist]”. 46 Faszinierende Momente ergäben sich dabei gerade aus dem “Wechsel [von][…] Ver-Fremdung und Defiguration”, 47 aus Abweichung und Neuformung, die aber sichtlich aus der Schichtung der bekannten Posen entsteht. Hier ließen sich auch die Momente der Irritation in PIECE durch das Auflösen der Wiedererkennbarkeit im Morphing anfügen. Ein ähnliches Verfahren erörtert Yvonne Hardt anhand der Choreographie Giszelle (2001) von Xavier Le Roy (in Zusammenarbeit mit Eszter Salamon). Darin erfolgt ein ähnliches Ausstellen und Aneinanderreihen von Bewegungszitaten, das allerdings nicht bis zur annähernd völligen Auflösung der Wiedererkennbarkeit führt, sondern eher über den “enorm schnellen Wechsel von Bewegungsqualitäten […] ein neues Bewegungsmaterial [erzeugt]” und dabei den performativen Aneignungsprozess von u. a. historischem Bewegungsmaterial sichtbar macht. 48 Zurück zu Deleuzes Zitat, dass Bewegung sich nur herstelle, “wenn das Ganze weder gegeben ist [sic! ] noch gegeben werden kann”. 49 Bei einem geschlossenen Ganzen werde sie verfehlt, da so “die Zeit entweder nur noch Bild der Ewigkeit oder aber Konsequenz einer Gesamtheit” sei: Das Ganze sei nur durch Relation (seiner Objekte) zu definieren. 50 Es sei offen, kein geschlossenes Ensemble, sondern im Gegenteil das, wodurch das Ensemble niemals völlig geschlossen […] ist […]. Das Ganze erzeugt sich, bringt sich unaufhörlich in einer anderen Dimension […] hervor, […] als das reine unablässige Werden. 51 Möglicherweise lässt sich an dieser Stelle Deleuzes Überlegung mit den Praktiken in PIECE zusammendenken. Denn durch den Aufbau der Szene - das Kombinieren, Überlappen und Morphen der Versatzstücke - wird deutlich, dass es unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten gibt. Das ‘Ganze’ der Choreographie ist offen, ein Endpunkt scheint nicht erreichbar. Der Bewegungsfluss, der sozusagen zwischen den scheinbar unerschöpflichen Möglichkeiten und den tatsächlichen Entscheidungen der Performerin entsteht, könnte immer weiter geführt werden. Für dieses potenziell stetige Werden, die Transformation, ist Morphing hierbei das Verfahren. “Es visualisiert eine Metaphorik (das ‘Flüssige’)” und steht für das Unabgeschlossene, so Bergermann: 52 Über herausgehobene Momente im Tanz 73 Morphing zeigt das Amorphe, weniger eine Form - wie der griechische Stamm morph nahe legt - als vielmehr die Potentialität von Form. Die ‘ing-Form’ erinnert an die Verlaufsform des Verbs, eine unabgeschlossene, zeitlich suspendierte Form, die nicht ankommt, nicht fest wird. 53 Es kann nun eine Verbindung gezogen werden zwischen den gemorphten Sequenzen in PIECE und den Ansätzen Trisha Browns in den 1970er und William Forsythes ab den 1980er Jahren. Denn Forsythe schafft durch seine Arbeit am System des Balletts zwischen den Posen neue Verbindungen, die durch dynamische Variationen zu herausgehobenen Momenten werden können, so dass nicht mehr unbedingt die konventionellen Posen aus dem rasanten Bewegungsfluss seiner Stücke herausstechen; Brown ist ebenfalls mit den Strukturen beschäftigt, die Bewegung organisieren. “Her major concern has always been to find the schemes and structures that organize movement […]”, so Sally Banes. 54 In den Accumulations - zu denen auch die oben beschriebene Primary Accumulation zählt - ist das mathematische System der Akkumulation das choreographische Prinzip (1; 1, 2; 1, 2, 3 usw.). Nur sind es bei ihr meist Gesten und Alltagsbewegungen, wie aus Banes Beschreibung ersichtlich wird: “raise the forearm, raise the whole arm, brush hair back at the temple, turn the had to the side […]”. 55 Außerdem wähle sie die liegende Position auf dem Rücken, um den Beinen dieselben Funktionen zu ermöglichen wie den Armen. Das kontinuierliche Fließen ohne herausgehobene Momente resultiert neben den oben genannten Überlappungen auch aus der Vorgabe, dass alle Bewegungen bequem durchführbar sein sollten. Mit der Idee des Morphings in PIECE aber, einem digitalen Verfahren, kommt ein anderer Aspekt hinzu, der Deleuzes Vorwurf des Anachronismus gegenüber dem Tanz, im Umgang mit vorgegebenen idealen Formen, den Posen, zu widerlegen vermag. Nicht nur ist das Etablieren der zitathaften Versatzstücke wesentlich für deren Auflösung im Bewegungsfluss der gemorphten Sequenzen, was über die Irritation durch das (fast gänzliche) Auflösen der Wiedererkennbarkeit zu neuen herausgehobenen Momenten führt. Auch werden in PIECE die Zitate immer näher aneinander gelagert, bis die einzelnen Bewegungssequenzen (fast) nicht mehr zu identifizieren sind, sie ineinander zu fließen scheinen. Damit ergibt sich durch die Choreographie nicht nur der Eindruck des Morphings, diese spiegelt zudem auch sein Verfahren. Bergermann bezeichnet Morphing als “eine Variante der Verhandlung des Digitalen”. 56 Es verweist auf die Eigenheit des digitalen Verfahrens, das mit 0: 1-Schritten operiert, diese Schritte im Morphing jedoch so weit teilt, dass die Diskontinuität durch den Eindruck des kontinuierlichen Fließens verschwindet. Die Differenzen im “Sprunghafte[n]/ Treppenartige[n]” werden soweit reduziert, 57 bis das Sprunghafte zwischen den Stufen verschwindet und nur der stufenlose Übergang zurückbleibt. Ist das choreographische Morphing also eine Reflexion der Darstellung von Bewegung im ‘digitalen Zeitalter’? Hier schlösse sich auch der Kreis zu dem, was Deleuze in seinem “Bewegungsbild” umtreibt: Auch im ‘digitalen Zeitalter’ entgeht uns die Bewegung, wenn wir versuchen, die unbewegten Schnitte einander unendlich - wie im (digitalen sowie getanzten) Morphing - anzunähern. Und wie an den ganz verschiedenartigen Beispielen sichtbar geworden ist, vom Umbau des Ballettsystems über choreographische ‘Montage’, dem Prinzip der Verzögerung oder (getanztem) Morphing: Diese Suche nach der Bewegung reflektiert auch der Tanz in seinen Verfahren. Er arbeitet in den unterschiedlichsten Ausprägungen beständig daran, jenseits eines anachronistischen Posenmodells ‘Singuläres’ zu produzieren, auch mit und an der Pose. Und dabei geschieht dieses Singuläre auch in den Momenten, in denen die choreographischen 74 Katarina Kleinschmidt Verfahren die bekannten Bewegungen soweit aufgelöst haben, dass diese die Wahrnehmung zu irritieren vermögen und somit herausgehobene Momente erzeugen. Anmerkungen 1 Gilles Deleuze. Kino I. Das Bewegungs-Bild. Frankfurt/ Main, 2 1990, hier 16-17. 2 Deleuze 1990, 20. 3 Deleuze 1990, 21. 4 Deleuze 1990, 19; zur beliebten Verbindung von Deleuzes Bewegungs-Bild mit dem Tanz siehe auch Gabriele Brandstetter / Gabriele Klein, ed. Methoden der Tanzwissenschaft. Modellanalysen zu Pina Bauschs “Le Sacre du Printemps.” Bielefeld, 2007a; Susanne Foellmer. Am Rand der Körper. Inventuren des Unangeschlossenen im zeitgenössischen Tanz. Bielefeld, 2009 sowie Annamira Jochim. Meg Stuart. Bild in Bewegung und Choreographie. Bielefeld, 2008. 5 Die Aufführung von PIECE habe ich am 06.07.2009 im BAT Theater, Berlin, im Rahmen der Abschlusspräsentationen des Masterstudiengangs Solo/ Dance/ Authorship des Hochschulübergreifenden Zentrums Tanz Berlin gesehen. Der vorliegende Aufsatz ist aus den Diskussionen entstanden, die im Rahmen der Lehrveranstaltung Choreographie und die anderen Medien von Susanne Foellmer im Masterstudiengang Tanzwissenschaft der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2008/ 09 stattgefunden haben. Susanne Foellmer möchte ich hier auch herzlich für die Unterstützung und die redaktionelle Arbeit danken. 6 Deleuze 1990, 17. 7 Vgl. S. 4 dieses Aufsatzes. In Anlehnung an eine “‘Demokratisierung’ des Tanzes und des tanzenden Körpers” wie André Lepecki sie mit Bezug auf Sally Banes “Democracy’s Body” erwähnt, vgl. André Lepecki. “‘Am ruhenden Punkt der kreisenden Welt’. Die vibrierende Mikroskopie der Ruhe.” ReMembering the body: Körper-Bilder in Bewegung. Ed. Gabriele Brandstetter / Hortensia Völckers. Ostfildern- Ruit, 2000. 336-366. Vgl. auch Sally Banes. Democracy’s Body: Judson Dance Theatre, 1962-1964. London, 1983. 8 Gerald Siegmund. “Räume eröffnen, in denen das Denken sich ereignen kann.” William Forsythe. Denken in Bewegung. Berlin, 2004. 9-80, hier 51-52. 9 Gabriele Brandstetter. “Schnittfiguren. Intersektionen von Bild und Tanz.” Figur und Figuration. Studien zu Wahrnehmung und Wissen. Ed. Dies. [et. al.] München, 2007b. 13-32, hier 14. 10 Siegmund 2004, 29; Beispiele von Forsythes Balletten sind Artifact (1984) und Limb’s Theorem (1990) mit dem Ballett Frankfurt, Frankfurt am Main. 11 Jochim 2008, 137. 12 Gabriele Brandstetter. “Pose - Posa - Posing - Zwischen Bild und Bewegung.” Fashion Body Cult. Ed. Elke Bippus / Dorothea Mink. Stuttgart, 2007c. 248-265, hier 261. 13 Deleuze 1990, 19. 14 Vgl. Deleuze 1990, 20. 15 Vgl. von Rudolf Laban. Choreutik: Grundlagen der Raumharmonielehre des Tanzes. Wilhelmshaven, 1991. 39-40. 16 Laban 1991, 40. 17 Natürlich hat auch der Ausdruckstanz eine spezifische Ästhetik entwickelt, die die Bewegung normiert hat. 18 Deleuze 1990, 19. 19 Deleuze 1990, 18. 20 Vgl. Susanne Schlicher. TanzTheater. Traditionen und Freiheiten. Pina Bausch, Gerhard Bohner, Reinhild Hoffmann, Hans Kresnik, Susanne Linke. Reinbek bei Hamburg, 1987. 108-149; Gabriele Brandstetter. “Tanztheater als ‘Chronik der Gefühle’. Fall-Geschichten von Pina Bausch und Christoph Marthaler.” e_motion. Ed. Margrit Bischof [et al.]. Hamburg, 2006. 17-34. 21 Schlicher 1987, 142. 22 Der Titel lautet vollständig Blaubart. Beim Anhören einer Tonbandaufnahme von Béla Bartóks Oper ‘Herzog Blaubarts Burg’, Stück von Pina Bausch. 23 Vgl. Brandstetter 2006, 24. 24 Deleuze 1990, 19. 25 Vgl. Fußnote 7. Der Einsatz der Alltagsbewegung diente dabei v.a. dazu, das Konzept der Repräsentation theatraler Bewegungen zu kritisieren; vgl. Sally Banes. Terpsichore in Sneakers: post-modern dance (with a new introduction). Hanover, NH, 1987. 17. Über herausgehobene Momente im Tanz 75 26 Deleuze 1990, 19. 27 Hier sei z.B. auf das Stück Wolfgang … bitte! (1991) verwiesen, Choreographie: Rui Horta, S.O.A.P. Dance Theatre, Mousonturm Frankfurt am Main. 28 Vgl. Gabriele Brandstetter. “Pausieren. Wie die Pose durch ausgebremste Zeit entsteht.” Ballettanz Jahrbuch. Ed. Hartmut Regitz / Arnd Wesemann. Berlin, 2007d, 56-63, hier 57. 29 Brandstetter 2007d, 58. 30 Brandstetter 2007d, 62. 31 Deleuze 1990, 21. 32 Deleuze 1990, 21. 33 Morphing ist zunächst ein digitales Bildbearbeitungsverfahren; vgl. Ulrike Bergermann. “Morphing. Profile des Digitalen.” Das Gesicht ist eine starke Organisation. Ed. Petra Löffler / Leander Scholz. Köln, 2004. 250-274. http: / / wwwcs.uni-paderborn.de/ ~bergerma/ texte/ morph.pdf 34 Das choreographische Verfahren des Morphings wurde und wird in verschiedenen Tanzstücken eingesetzt, so z.B. Saal A (2009) von Christoph Winkler oder Highway 101 (2000/ 01) von Meg Stuart. 35 Choreographiert wurde Der Sterbende Schwan (1907) von Michel Fokine für die Primaballerina Anna Pawlowa. Das Cello-Solo stammt aus Le carneval des animaux (1886) von Camille Saint-Saëns. 36 Zwar ist der Eindruck der Posen und Versatzstücke als Zitate auf den ersten Blick wie auch für den Verlauf der Aufführung prägend. Bei der genaueren Analyse ist jedoch eine Zuordnung zu einer Choreographie in vielen Fällen nicht eindeutig möglich. Dies ergibt sich zum einen aus dem gleichbleibend geringen Kraftaufwand, mit dem sie ausgeführt werden (vgl. Fußnote 42) und der ihre ‘Buchstäblichkeit’ verhindert. Zum anderen lässt dieser Eindruck sich produktionsästhetisch klären, da nicht mit genau geprobten Vor- Bildern, sondern mit der Erinnerung von Choreographin und Performerin an Vor- Bilder der Tanzgeschichte gearbeitet wurde. Dies wiederum ließe sich in Zusammenhang mit dem Umgang mit historischem Material - wie es Hardt unternimmt - und einer eventuellen Unmöglichkeit des buchstäblichen Zitierens im Tanz untersuchen und bildet mithin eine choreographische Arbeit an dieser Frage. 37 Günther Drosdowski, ed. Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. Mannheim, 1980. 38 Vgl. Bettina Brandl-Risi. “Tableau vivant.” Metzler Lexikon Theatertheorie. Ed. Erika Fischer-Lichte [et al.] Stuttgart/ Weimar, 2005. 325-327. 39 Brandstetter 2007c, 261. 40 Brandstetter 2007c, 257. 41 Zudem sind schon im stillen Stehen kleinste Bewegungen nötig, um den Körper aufrecht zu halten, wie schon Steve Paxton gezeigt hat, vgl. Lepecki 2000. 42 Anzumerken wäre noch der gleichbleibend geringe Kraftaufwand, mit dem die Performerin sich bewegt. Er ist immer nur gerade so hoch, die Bewegung ausführen zu können, ohne jedoch ein ‘Extra’ an Streckung oder Muskeltonus aufzubringen. Dies ist ein Merkmal sowohl von Choreographien (des Postmodern Dance) von Yvonne Rainer (zum Beispiel in Trio A) als auch des von Releasetechniken geprägten zeitgenössischen Tanzes, der auch auf diese Weise präsent ist. 43 Bergermann 2004, 2; auch Filmsequenzen können gemorpht werden, allerdings nur mit weitaus größerem technischen Aufwand; vgl. Mark J.P. Wolf “A Brief History of Morphing.” Meta-Morphing. Visual Transformation and the Culture of Quick-Change. Ed. Vivian Sobchack. Minneapolis, MN, 2000. 83-101, hier 94. 44 Brandstetter 2007c, 261. 45 Brandstetter 2007c, 263. 46 Brandstetter 2007c, 265. 47 Brandstetter 2007c, 263. 48 Yvonne Hardt. “Sich mit der Geschichte bewegen. Historische Bewegungszitate und Rekonstruktion als Strategien zeitgenössischer Choreographie.” Denkfiguren. Performatives zwischen Bewegen, Schreiben und Erfinden. Ed. Nicole Haitzinger / Karin Fenböck. München, 2010. 216-223, hier 218. 49 Deleuze 1990, 21. 50 Deleuze 1990, 24. 51 Deleuze 1990, 25. 52 Bergermann 2004, 1. 76 Katarina Kleinschmidt 53 Vgl. Bergermann 2004, 7 (Hervorhebung im Original). 54 Banes 1987, 83. 55 Banes 1987, 83. 56 Bergermann 2004, 1. 57 Bergermann 2004, 11.