eJournals Forum Modernes Theater 26/1-2

Forum Modernes Theater
0930-5874
2196-3517
Narr Verlag Tübingen
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Der Text unternimmt einen Vergleich zwischen dem Traité Elémentaire, Théorique et Pratique de l’art de la Danse aus dem Jahre 1820 und dem 20 Jahre später erschienenen L’Uomo fisico, intellettuale e morale des italienischen Tanzmeisters Carlo Blasis (1795 – 1878) hinsichtlich der in ihnen enthaltenen Strichfigurenzeichnungen. Im Zentrum steht dabei die Beobachtung, dass mit dem veränderten Blick auf Bewegung eine doppelte Verschiebung der Linie einhergeht – der Linie des Körpers und der seiner Zeichnung.
2011
261-2 Balme

Über die Linie

2011
Isa Wortelkamp
Über die Linie - die Strichfigurenzeichnungen in den Tanztraktaten von Carlo Blasis Isa Wortelkamp (Berlin) Der Text unternimmt einen Vergleich zwischen dem Traité Elémentaire, Théorique et Pratique de l ’ art de la Danse aus dem Jahre 1820 und dem 20 Jahre später erschienenen L ’ Uomo fisico, intellettuale e morale des italienischen Tanzmeisters Carlo Blasis (1795 - 1878) hinsichtlich der in ihnen enthaltenen Strichfigurenzeichnungen. Im Zentrum steht dabei die Beobachtung, dass mit dem veränderten Blick auf Bewegung eine doppelte Verschiebung der Linie einhergeht - der Linie des Körpers und der seiner Zeichnung. Eine Vertikale. Eine Horizontale. Eine Schräge. Zwei weite und ein rechter Winkel - mit wenigen Linien vermittelt sich uns das Bild eines menschlichen Körpers. Eines aufrechten Körpers, der auf einem Bein stehend, das Spielbein 90 Grad zur Seite gehoben, die Balance hält. Die seitlich ausgestreckten Arme bilden eine nach rechts abgesenkte Diagonale, wobei der linke Unterarm um etwa 120 Grad abgewinkelt nach oben weist. (Abb. 1) Abb. 1: Strichfigurenzeichnung nach dem “ abécédaire de lignes ” (aus: Blasis, Traité, 1820, Pl. VI, Fig. 3. S. 16) So unmittelbar sich die Strichfigur erschließt, so mittelbar erscheint die Beschreibung, dessen, was sie zeigt: Bewegung. Bewegung zu beschreiben, heißt Worte für etwas zu finden, was in einem Zuge vor dem Auge entsteht und vergeht; heißt, im Nacheinander der gesprochenen oder geschriebenen Sprache nachvollziehbar werden zu lassen, was in der Wahrnehmung auf einmal und uneinholbar geschieht. Indem sich die Zeichnung des menschlichen Körpers ‘ auf einen Blick ’ erschließt, erscheint sie gegenüber der Sprache als bevorzugte Darstellung zur Vermittlung von Bewegung. Der Tanztheoretiker Carlo Blasis sieht in ihr das geeignete Mittel, das die “ langen und ermüdenden Beschreibungen der Bewegungen des Tanzes ” ersetzen soll: J ’ ai préféré ce nouveau moyen, certainement plus sur et plus efficace, à celui d ’ une longue et fatigante description des mouvemens de la danse, qui ne ferait souvent qu ’ embarasser et confondre l ’ esprit de l ’ élève. 1 In seinem Traité Elémentaire, Théorique et Pratique de l ’ art de la Danse aus dem Jahre 1820 erhebt Blasis, der als Begründer der Technik des Klassischen Balletts und seiner Ästhetik gilt, die Strichfigur zum Darstellungsprinzip von Bewegung. Mit einer auf das Skelett reduzierten und geometrisierten Forum Modernes Theater, 26 (2011 [2014]), 191 - 206. Gunter Narr Verlag Tübingen Körperform entwickelt Blasis ein “ Alphabet der Linien ” , 2 das den Schülern zur Orientierung und Reflexion der Bewegungsgrundlagen dienen soll. In ihrer zweidimensionalen, auf wenige Linien reduzierten Form, stellt die von Blasis entworfene Strichfigurenzeichnung die Gesetzmäßigkeiten von Haltungen, die Ausrichtung der Gliedmaßen, den Umgang mit dem Gleichgewicht und die Gewichtsverteilung innerhalb des Tanzes dar. 3 Eine Längsachse und zwei Querstreben symbolisieren die lotrecht fallenden und seitwärts fliehenden Kräfte, die bei Einnahme bestimmter Posituren im Körper auf- und miteinander wirken. Das Studium der geometrisierten Linien soll die Schüler dazu befähigen, die Positionen und Posen in mathematischer Präzision auszuführen und sie mit Flexibilität und Grazie zu füllen. Die Statik der Linie wird dabei zur Voraussetzung für die Mobilisierung und Dynamisierung des Körpers. Das ABC der Linien setzt sich in Gang, der in der Zeichnung still gestellte Körper wird vor dem geistigen Auge des Tänzers bewegt. Die Strichfigur dient auf diese Weise als didaktisches Mittel zur Disziplinierung und Kodifizierung der Körpertechnik des klassischen Balletts. Nicht die Dokumentation eines tänzerischen Werkes, sondern die Produktion des Tanzes - das Generieren von Bewegung - steht für Blasis damit im Vordergrund seiner Tanzschrift. Die einfache und klare Linienführung der Strichfigur ist neben den etablierten Notationssystemen (darunter die Labanotation, die Benesh-Movement-Notation und die Eshkol-Wachmann-Notation) probates Mittel zum Memorieren und Skizzieren von Bewegung. Sie ist es auch, die als Modell in verschiedenen Computerprogrammen zur Choreographie und zur Bewegungsanalyse und -notation Verwendung findet. Verfahren des Motion Capturing arbeiten mit einer auf das Skelett reduzierten Körperform und visualisieren die über Sensoren an Gliedmaßen und Gelenkstellen vermittelten Bewegungen. Jedoch geht es hier, ähnlich wie in den Computergrafikanimationen in dem Programm Life Forms, das Merce Cunningham für den choreographischen Entwurf einsetzt, um Technologien, welche die menschlichen Körper dreidimensional erfassen und übertragen und der Generierung von Bewegung dienen. Die Linie beschreibt hier nicht mehr nur den auf die Gliedmaßen reduzierten Körper, sondern wird zur Linie des Umrisses, der Fläche und Form der menschlichen Gestalt. Die Strichfigur gewinnt an Volumen. Die Strichfigur und die Tanzschrift Die Strichfigur ist eine Form der seit dem 16. Jahrhundert bestehenden Tanznotationen als deren gemeinsames Ziel die Entwicklung einer allgemein verbindlichen Form der Analyse und Notation von Bewegung gelten kann. In ihrer reduzierten Darstellung des menschlichen Körpers stellt die Strichfigurenzeichnung eine Konkretisierung dar, die sich vom Grad der Abstraktion anderer Notationsformen wie den Wortkürzeln, Musiknotenschrift und Bodenwegszeichnung abhebt. Neben den Strichfiguren des L ’ abécédaire de lignes von Blasis ist sie auch in der Sténographie (1852) von Arthur-Saint Léon vertreten, der sie in einzelne Ober- und Unterkörper segmentiert und in ein der Musikpartitur ähnliches Liniensystem einfügt. 4 Wurden Zeichnungen bzw. Striche von menschlichen Körpern bislang zu Illustrationszwecken zusätzlich zu den Notierungen verwendet, so entwickeln sie sich mit Blasis zu einer eigenen Kategorie der Bewegungsanalyse. 5 Anstelle festgelegter Tanzschritte wurden entsprechend des tänzerischen Kodexes einzelne Körperpartien lokalisiert und definiert, wodurch es möglich wird, auch komplexe Körperbewegungen zu notieren. Ähnlich den Musiknotenschriften beinhalten die Strichfigurenzeichnungen den kon- 192 Isa Wortelkamp ditionellen Bezug zwischen Körperlichkeit und Zeit (im Sinne von Vor- und Nachher), die im Tanz jetzt auf einem dreidimensional konzipierten Raum gründet. Der Körper wird nicht mehr nur in der zweidimensionalen Fläche dargestellt, sondern in seiner plastischen Gestalt hervorgehoben. In diesem Verlauf vollzieht sich ein Blickwechsel von der Aufsicht, wie sie etwa 1700 in der Chorégraphie von Raoul Auger Feuillet die Bodenwegszeichnung ermöglicht, welche die Wegführung und Bewegungsfolge festgelegter Schritte darstellt, zur Ansicht eines Gegenübers, das nun in der Gesamtheit seines Körpers erscheint. Tanzschriften passen die Zeichenelemente ihrer jeweiligen Systeme den veränderten Bedingungen der Bewegung an: je komplexer der Kodex der tänzerischen Formen im Laufe der Geschichte wird, desto mehr richtet sich die Aufmerksamkeit auf einzelne Bewegungselemente und damit auf allgemeine und verallgemeinerbare Prinzipien der Notation. Eine verbindliche Notation, vergleichbar etwa mit der Musiknotation, hat es für den Tanz jedoch nie gegeben. Ebenso wie Bewegung ist auch ihre Aufzeichnung einem steten Wandel unterzogen. Der Wandel der Blicke auf Schrift, Körper und Bewegung schlägt sich nieder in der Art und Weise des Schreibens, in den Bildern, Figuren und Zahlen sowie in der Zuordnung und Anordnung der Zeichen. Claudia Jeschke betont in diesem Zusammenhang den analytischen Aspekt der verschiedenen Notationssysteme, die Bewegung in einzelne Elemente zerlegen und unter verschiedenen Parametern ordnen. Entgegen der mit dem Begriff verbundenen Erwartung, sind Tanznotationen nicht primär als Mittel der Tradierung und Hilfe zur Reproduktion zu begreifen. Sie dienen weniger dokumentarischen als analytischen Zwecken zur Betrachtung von Tanz und geben Einsicht in die jeweiligen Vorstellungen von Körper, Raum und Zeit, die Bewegungsweisen und -formen. So werden in den verschiedenen Erscheinungsformen der Tanzschriften immer auch verschiedene Blicke auf Bewegung und Körper sichtbar, die ihrerseits von den Möglichkeiten von Bewegung und Aufzeichnung bestimmt sind. In den Tanzschriften von Carlo Blasis ist eine Verlagerung des Blicks von der äußeren zur inneren Bewegung des menschlichen Körpers zu beobachten. Stehen in dem 1820 entwickelten Alphabet der Linien entsprechend einer an der Ästhetik der bildenden Kunst angelehnten Körperkonzeption die Anatomie, Figur und Positur im Vordergrund, so zeigt sich in dem im Jahre 1840 veröffentlichten, weitaus späteren und weniger bekannten Traktat L ’ Uomo fisico, intellettuale e morale ein verstärktes Interesse für die Psyche, den Ausdruck und die Seele des Körpers. Dieses veränderte Interesse für die Bewegungen des Körpers, das auch hier mit dem Anspruch einer Lehrers und einer Lehre einhergeht, lässt sich, wie zu zeigen sein wird, in der veränderten Figurendarstellung der zahlreichen Zeichnungen des L ’ Uomo ablesen. Mit dem Wandel von außen nach innen kommt, so die zentrale These dieser Untersuchung, ein weiterer Wandel bzw. eine Wanderung zum Tragen: eine Wanderung jener Linie, welche die Achse unserer Körper markiert und deren Aufrechterhaltung im Klassischen Ballett die Stabilität des Tänzers garantiert. Diese so genannte Perpendikulare verlässt in den Zeichnungen nach und nach die Mitte des Körpers und führt so zu einem Spiel mit dem Gleichgewicht, das die innere und die äußere Bewegung des Tänzers aus dem Lot zu bringen scheint. Diese Wanderung ist bereits im Traité in der Figur der Arabeske zu beobachten, der in dieser Betrachtung von daher ein besonderer Stellenwert zukommen soll. 6 Über die Linie nachzudenken heißt demnach, sowohl die Führung und Form der Linie zu betrachten, die sich im Sinne der 193 Über die Linie Figuration 7 als Kontur und Umriss von einem Grund abhebt, als auch jene Linie, die im Sinne einer Grenzziehung aufrechterhalten oder überschritten werden kann. Hierzu werden im folgenden die Figurendarstellungen in ihrem jeweiligen Kontext und in ihrer Ausführung innerhalb der Traktate vorgestellt. Ziel der Untersuchung ist es, die Bedeutung der Linie in den Zeichnungen Blasis ’ für die jeweiligen in den Traktaten formulierten Konzeptionen von Körper und Bewegung herauszustellen und in ihren Bewegungen von innen nach außen ‘ nachzuzeichnen ’ . Die Figurendarstellungen des Traité In den Figurendarstellungen des Traité Elémentaire, Théorique et Pratique de l ’ art de la Danse (1820) handelt es sich um Kupferstiche von Figuren, die nach dem Ebenbild von Blasis dargestellt sind. Das Abbild des Meisters wird zum Vorbild des Tänzers, der sich, auf der Linie des Bodens platziert, als Gegenüber des Schülers präsentiert, womit auch eine ungebrochene Beziehung von Schüler und Lehrer verkörpert wird. So fungieren die Abbildungen weniger zur Rekonstruktion von Tänzen als vielmehr als didaktisches Mittel zur Konstruktion von Haltungen und Bewegungen. Der Körper ist bis auf Bauch und Oberschenkel nackt dargestellt, was mit den vorherrschenden Konventionen der Zeit bricht, nach der die Tänzer à la mode bekleidet sind und was hier der didaktischen Vermittlung von anatomischen und proportionalen Verhältnissen geschuldet ist. Neben der Ganzkörperansicht sind einzelne Gliedmaßen und Partien abgebildet, welche die vom übrigen Körper isolierte Arbeit der Beine, die Führung der Hand oder Schulter- und Armhaltungen, das Epaulement, darstellen. Eine doppelte Bodenlinie ermöglicht es, die Abweichungen des en face in der Ausrichtung des Körpers nach vorne und hinten und die Unterscheidung zwischen belasteten und unbelasteten Beinbewegungen darzustellen. Dabei gibt es in der Tanzschrift Blasis ’ keine Aussagen über einen zeitlichen Ablauf, wohl aber über die Prozessualität seiner Bewegung im Sinne eines abzuleitenden Vorher und Nachher. Das Interesse an dem Verfolgen der Bewegung auf zwei Beinen durch den Raum verlagert sich hier auf die verschiedenen Richtungen des Körpers. Abb. 2: Figurendarstellung mit eingezeichneter gestrichelter Linie (aus: Blasis, Traité, 1820, Pl. II. Fig.1 et 2) Im Traité ist die Linie der zentralen Achse des Körpers unmittelbar in den Menschen eingezeichnet. Sie teilt den Körper in zwei Hälften und hebt seine Aufrechte hervor. (Abb. 2) Darüberhinaus markiert sie auch die Mittelachse einzelner Gliedmaßen von Beinen und Armen. Dabei handelt es sich um gestrichelte Linien, die sich von der übrigen Linienführung der Figurenzeichnung, wie der des Umrisses, der angedeuteten Muskelpartien, des Haars und des Gesichts, der Kleidung und des Faltenwurfs abheben. Sie markieren die Linie der Perpendikularen, die gemeinsam mit dem aplomb als jene Ideale des klassischen Balletts gelten, die sich seit 194 Isa Wortelkamp der 1661 gegründeten Académie Royale de Danse etabliert haben. Abb. 3: Figurendarstellung “ Arabesques ” (aus: Blasis, Traité, 1820, Pl. X. Fig. 1 et 2) L ’ aplomb ist in seiner Bedeutung von le plomb, das Blei, auf das Messinstrument des Lotes zurückzuführen und beschreibt die senkrechte Ausrichtung des Tänzers in der Beherrschung seines Gleichgewichts und seiner Schwerkraft. aplomb n. m. 1. État d ’ équilibre d ’ un corps, d ’ un objet vertical./ contr. déséquilibre/ Le mur a perdu son aplomb. 2. Confiance en soi. Retrouver son aplomb. → sangfroid. - Péj. Assurance qui va jusqu ’ à l ’ audace effrontée. → culot, toupet. Vous en avez, de l ’ aplomb! / contr. timidité 3. D ’ aplomb loc. adv.: en équlibre stable. Bien d ’ aplomb sur ses jambes, il s ’ immobilisa. - Abstrait. En bon état physique et moral. Ce mois de détente me remit d ’ aplomb. 8 Wie das Messinstrument eines an einer Schnur aufgehängten konischen Bleis, le plomb, in der Bautechnik es ermöglicht, einen Gegenstand in der Senkrechten auszuloten, ist der aplomb im Ballett Gradmesser für die senkbzw. lotrechte Haltung des Körpers und seiner Bewegung. Erst die Kontrolle der vertikalen Achse des Körpers garantiert die Balance der Bewegung und trägt in ihrer Perfektionierung wesentlich zur Entwicklung der Tanztechnik Ende des 18. Jahrhunderts bei. Jene Prinzipien erfahren vor allem in den Tanztraktaten von Blasis eine ausführliche theoretische Reflexion und mit ihr, wie zu sehen sein wird, eine wesentliche Transformation. Jene Transformation betrifft den Umgang mit der Aufrechten und lässt sich zuallererst in der Figur der Arabeske verfolgen, die nach Blasis eine Haltung beschreibt, in welcher der Körper entweder nach vorne oder zurück geneigt sein konnte, dergestalt, dass die Ausrichtung des arbeitenden Beines zur entgegen gesetzten Seite geschieht. 9 In den zahlreichen Skizzen und Strichzeichnungen aber erscheint die Arabeske in ihrer strebenden Bewegung nach vorne oder hinten und trotz der ihr eigenen Gewichtsverlagerung beinahe verhalten und wie aufgehalten. 10 (Abb. 3) In der Aufrechterhaltung der Senkrechten orientiert sich Blasis in einem hohen Maße an den tradierten Prinzipien der Tanzkunst, innerhalb der er die Arabeske in ihrer durch die Neigung des Rumpfes bedingten Aufgabe der Aufrechten als eine Ausnahme und Abweichbewegung markiert. Il faut que le corps soit toujours droit, et d ’ aplomb sur les jambes, excepté dans quelques attitudes, et principalement dans les arabesques, où il faut le pencher, le jetter en avant ou en arrière, selon la position; [. . .]. 11 Sichtbar wird diese Abweichbewegung in den als Arabesken beschriebenen Abbildungen, den arabesques penchés, die den Zusatz “ à dos tourné ” tragen. 12 (Abb. 4) Vorherrschend in den Beschreibungen und Aufzeichnungen des Traité aber bleibt die durch die gestrichelte Linie markierte ideale Vertikale, die durch die Kontrolle des aplomb erreicht werden soll (vgl. Abb. 2): Mettez tous vos soins à acquérir de l ’ aplomb et un parfait équilibre; attachez-vous à la correction et à la précision dans votre danse; que 195 Über die Linie tous vos temps soyent réglés d ’ après les meilleurs principes que vous avez reçus, et que l ’ exécution de vos pas soit toujours élégante et gracieuse. 13 Abb. 4: Figurendarstellung “ Arabesques à dos tourné ” (aus: Blasis, Traité, 1820, Pl. XI. Fig. 3 et 4) Als Garant der auf-rechten Linie lässt sich in den Tanzschriften verschiedener Tanzmeister eine Dominanz der Perpendikularen ablesen, in deren Tradition auch die Arbeit von Blasis zu sehen ist. So ermahnt Pierre Rameau in Le Maître à danser aus dem Jahre 1725 in der Beschreibung der Fußpositionen und der Schritte zur Einhaltung der Senkrechten: “ [remettre] le corps dans son à plomb ” . 14 Giambattista Dufort schildert 1728 in seinem Trattato del Ballo nobile den senkrechten Stand des Tänzerkörpers in der Ausrichtung der Schultern, dem eingezogenen Magen, der Ausdrehung der Knie und Füße bei Streckung der Beine. 15 Auch Jean-Georges Noverre nennt in seinen Lettres (1760) die Senkrechte als einen der Faktoren der Tanzkunst, die zusammengenommen den Körper des Tänzers zu einem veredelten Instrument des Tanzes in der Wirkung des Ausdrucks machen. 16 Erst 1779 aber wurde die Senkrechte mit der Publikation Trattato Teorico-Pratico des Neapolitaners Gennaro Magri als Basis des Gleichgewichts von Tänzern genauer analysiert: ” What most matters in equilibrium is that the line, which divides each body into two equal parts from top to bottom, falls in the centre of the base ” . 17 Den Beschreibungen der verschiedenen Tanzschriften folgend, ist die Senkrechte des aplomb an die Mitte des Körpers gebunden und teilt, wie bei Magri deutlich wird, den Körper in zwei gleiche Teile. Die Identität der Perpendikularlinie mit der zentralen Achse des Körpers findet sich auch von Blasis im Traité beschrieben, wo sie von der Mitte der beiden Schlüsselbeine bis zu den Knöcheln verläuft. 18 In der anatomischen Definition der Perpendikularlinie orientiert sich Blasis, wie die Tanztheoretikerin Francesca Falcone herausgestellt hat, an Leonardo da Vinci, aus dessen Trattato della pittura sich im Traité Ausführungen über die Haltung, die Gewichtsverteilung (contre-poids) und das Gleichgewicht finden. 19 Blasis überträgt diese explizit auf direkte Anweisungen an den Tänzer. Zentral für das Konzept des aplomb ist dabei die Ausführung da Vincis über die “ fontanella della gola ” , wörtlich der “ Grube der Kehle ” , die dieser als Lot des menschlichen Körpers definiert. Sie liegt, betrachtet man die Frontansicht des Skeletts, anatomisch in der Körpermitte und kennzeichnet damit ebenso wie das Zentrum der Schlüsselbeine die symmetrische Achse des Körpers. 20 Da Vinci geht in seinem anatomischen und künstlerischen Interesse über die lokale Fixierung der “ fontanella della gola ” hinaus, auf die Verlagerung ein, die diese mit der Bewegung des Körpers erfährt: Dell ’ attitudine. La fontanella della gola cade sopra il piede, e, gittando un braccio innanzi, la fontanella esce die essi piedi; e se la gamba getta indietro, la fontanella va innanzi e cosi si muta in ogni attitudine. 21 In der Bewegung des menschlichen Körpers weicht die “ fontanella della gola ” , wie da Vinci beobachtet, den Gewichtsverlagerungen folgend, von ihrer senkrechten Ausrichtung ab. 196 Isa Wortelkamp Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts auf einem oder aber auch beiden sei, wie Blasis im Anschluss an dieses Zitat im Fußnotentext des Traités ausführt, die Beherrschung des Gleichgewichts des contrepoids, worin eine seiner wichtigsten tanztechnischen Beobachtung besteht. 22 Die Besonderheit der Arabeske liegt jedoch in der Aufhebung der Übereinstimmung der Senkrechten mit der Körpermitte wie Blasis selbst immer wieder betont. 23 Vor allem die arabesques penchés (vgl. Abb. 3) weiche von Umgang mit dem Zentrum der Schwerkraft anderer Figuren ab. 24 Diese Abweichung der Aufrechten, welche die starke Neigung des Oberkörpers bedingt, vollzieht sich im Spiel von Gewicht und Gegengewicht, das den Körper an die Grenzen seines Gleichgewichtes führt. Es ist ein Spiel mit und an der Linie - mit und an jener Grenze, deren Überschreitung den Fall des Tänzers riskiert. L ’ Abécédaire de lignes Diese Linie, die wir bereits in gestrichelter Form in den figurativen Darstellungen eingezeichnet sahen, wird in den geometrischen Strichfigurenzeichnungen vom Körper isoliert und abstrahiert sichtbar. (Vgl. Abb. 1) In ihnen verleiht Blasis den Gesetzmäßigkeiten von Haltung, Gleichgewicht und Gewichtsverteilung eine weitere Anschaulichkeit, die den Tanz und seine Lehre prägt. Verschiedene Positionen werden auf die Vertikale und Horizontale, auf spitze und breite Winkel reduziert zu einem Alphabet aus Linien: [. . .] je formerais pour les élèves une espèce d ’ abécédaire composé de lignes droites, pour toutes les positions de leurs membres, donnant à ces lignes et à leurs combinaisons respectives, les dénominations adoptées par les géomètres, savoir de perpendiculaires, d ’ horizontales, d ’ obliques, d ’ angles droits, aigus, obtus, etc. 25 Wie bereits einleitend erläutert befähigt der Rekurs auf die Geometrie Blasis seine Prinzipien klar und präzise ohne ausschweifende und schwierige Beschreibungen der korrekten Ausführung der Stile aller Posen und Positionen zu erklären. Die Umsetzung der Zeichnung in Bewegung geschieht eingedenk der zu erfüllenden senkrechten und waagrechten Formen des Tanzideals. Die Befähigung hierzu ist ein wesentlicher Bestandteil der Lehre des Tanzmeisters Blasis, der die Qualität des Tänzers darüber hinaus auch darin bemisst, jederzeit in einer Bewegung als Modell des Malers und Bildhauers dienen zu können sowie in dem eigenen Vermögen, (sich selbst) zu zeichnen. 26 Wie das Vorbild der bildenden Kunst wird dem Tänzer in den Tanztheorien die Zeichnung der Geometrie vor Augen geführt, die der Ausbildung dienen und eine Voraussetzung zur Verkörperung der Tanzfiguren sein soll. 27 Gabriele Brandstetter folgend, lässt sich bei dem Alphabet der Linien in Abgrenzung von den Tanzschriften der Bodenwege und der Schrittformen, wie sie noch bei Feuillet zu beobachten sind, von einer Figuren-Schrift sprechen. In ihr erscheint der Körper nicht als Träger von Zeichen, sondern als Figur, die sich in der Lineatur der Zeichnung entschlüsselt. 28 In dieser Figuren-Schrift, die im Traité von einer Dominanz der Perpendikularen und des aplomb gezeichnet ist, zeigt sich im L ’ Uomo ein anderer, ein veränderter Blick auf den Körper und auf die Bewegungen des Tanzes. Mit jenem Blick wandeln sich nicht nur die Motive und Modelle der Zeichnungen und Abbildungen, sondern, wie in einem nächsten Schritt dargelegt wird, auch die Handschrift des Choreographen. Die Figurendarstellungen des L ’ Uomo Anders als in seinen früheren Tanztraktaten, unter denen neben dem Traité auch Code of 197 Über die Linie Terpsichore. The Art of Dancing (1828) 29 zu nennen ist, geht es im L ’ Uomo fisico, intellettuale e morale nicht unmittelbar um den Tänzer, wohl aber um Bewegung. Im Zentrum steht das menschliche Dasein, das in seiner Motorik und Mechanik und in der Korrespondenz und Äquivalenz seiner inneren und äußeren Bewegungen untersucht wird. Dabei scheint es, als sei jenes Traktat selbst bereits als ein Entwurf dessen zu sehen, was Blasis in ihm einfordert: eine Wissenschaft des Körpers, die sich dem menschlichen Mechanismus widmen will: “ Ciò che piu rimane a conoscersi moralmente sono i principii delle forze vitali della macchina umana. Hic labor, hic opus ” . 30 Während im ersten Teil des Traktats sehr allgemein und unmittelbar vom Menschen - “ L ’ Uomo in generale ” - die Rede ist, so sind die zahlreichen Bewegungsstudien, die sich dem Ausdruck des menschlichen Körpers widmen, doch vor allem an den Tänzer und die Schauspieler gerichtet, die im zweiten Teil des Buches auch explizit als Adressat aufgeführt sind. 31 In seinem Vorwort spricht Blasis zudem auch jene jungen Schüler der “ philosophischen Disziplinen ” an, denen auch die Einfachheit und Popularität seiner Sprache geschuldet sei. Ihnen sollen die klaren und strengen geometrischen Demonstrationen, die Umrisszeichnungen der Malerei und der Skulptur eine Vorstellung der unveränderlichen Gesetze des Körpers und von den moralischen und geistigen Vorgängen geben. 32 Wie im Traité dienen die Strichfigurenzeichnungen auch im L ’ Uomo der didaktischen Vermittlung von Bewegung, was vor allem in der einfachen und unmittelbaren Linienform und -führung ablesbar wird. Das veränderte Interesse für die Bewegungen lässt sich außerdem in weiteren Figurendarstellung des L ’ Uomo nachvollziehen. In ihnen sind die in den Strichfiguren reduziert und konzentriert dargestellten Bewegungsprinzipien in komplexen Zeichnungen ausgeführt. Das Traktat L ’ Uomo fisico, intellettuale e morale ist 1840 in Genova erschienen und umfasst zwei Hauptteile, von denen sich der erste den Fähigkeiten des Menschen (Dell ’ Uomo e delle sue facoltà) und der zweite dessen Genie bzw. Geist (Genio dell ’ uomo) widmet. Der erste Teil, der auch die Figurendarstellungen enthält, umfasst zweihundert Seiten, die in etwa vierzig Kapitel unterteilt sind und aus unterschiedlichsten Blickwinkeln das Zusammenspiel der Bewegungen des Körpers und der Seele erforschen. Es nimmt seinen Ausgangspunkt in der Trennung von einem materiellen Teil des Menschen, dem Körper, und einem immateriellen, der Seele, die weiter in den intellektuellen und moralischen Bereich untergliedert ist. Der intellektuelle Bereich umfasst den Geist, den Charakter, seine Kraft, seine Eigenschaften und seine Aktionen sowie seine Erfolge. Der moralische schließlich beschreibt alles, was dem physischen entgegengesetzt ist und die Seele betrifft. 33 Diese bereits im Titel vorgenommene Unterteilung in den physischen Bereich auf der einen und den intellektuellen wie moralischen auf der anderen Seite, prägt die Bewegungsforschung von Blasis. Sie behandelt sowohl die äußeren Bewegungen des Menschen, die seiner einzelnen Glieder und seines ganzen Körpers, die dem Auge die verborgenen Gefühle seiner Seele sichtbar machen, als auch die inneren Bewegungen des körperlichen Ausdrucks, der durch Physiognomie, Gestik und Haltungen bedingt ist. 34 Die Beziehung innerer und äußerer Bewegungen beschreibt Blasis als ein Wechselverhältnis 35 , in dem jedoch die “ Materie ” die verschiedenen Aktionen anführt: Ordinariamente lo spirito e la materia agiscono, come abbiamo detto, l ’ uno su l ’ altra e viceversa - quest ’ ultima però più spesso è la prima da operare. Il corpo per esempio, riceve le impressioni degli oggetti esterni e, mediante gli organi dei sensi, le trasmette all ’ anima, che 198 Isa Wortelkamp le riceve e le sente bensì immediatamente; ma ciò non toglie che il corpo fu il primo ad operare, e l ’ anima la seconda. 36 Der Körper ist der erste, der handelt, insofern er die Eindrücke der äußeren Gegenstände in sich aufnimmt und sie über die Sinnesorgane an die Seele überträgt, die sie unmittelbar, aber eben als zweite wahrnimmt. Die inneren Bewegungen der Seele wiederum wirken sich auf die äußeren Bewegungen des Körpers aus, die Blasis als eine Sprache der Seele versteht, durch die Gedanken und Handlungen zum Ausdruck kommen. 37 Gezeichnete Gefühle, Gänge und Gedanken Der Appendix, der sich dem ersten Teil des L ’ Uomo unmittelbar anschließt, umfasst vier Zeichnungen, die unter dem Titel “ Figurazione del camminare, dell ’ immaginazione, del pensiero e die caratteri ” stehen. 38 Die erste gilt dem Charakter, die zweite dem Gang, die dritte der Einbildungskraft und die vierte schließlich den Gedanken des Menschen. Letztere sind in 17 Strichfiguren dargestellt, denen hier besondere Aufmerksamkeit zukommen soll. Wie in den ersten drei Zeichnungen zeigen sich auch in ihnen die Korrespondenzen seelischer und körperlicher Bewegungen, die sich in Form und Führung der Linie niederschlagen: Abb. 5: Darstellung der Charakteren (aus: Blasis, L ’ Uomo, 1840, S. 207 - 209) Abb. 6: Darstellung zur Lineatur der Gänge (aus: Blasis, L ’ Uomo, 1840, S. 209) (Abb. 5) Die erste Darstellung gilt dem Ausdruck der Gefühle und der Natur des Charakters. Jedem der insgesamt 26 Piktogramme, die in geometrischen und stereometrischen Figuren verschiedene Verhältnisse von Gleichgewicht und Schwerkraft sowie unterschiedliche Formen von Linien darstellen, ist eine entsprechende Charaktereigenschaft zugeordnet. So stehen zum Beispiel die schräge Linie für einen zweifelnden und die gerade für einen aufrechten Charakter. Den kurvigen Linien sind die Attribute nachgebend, schwankend, unsicher und unentschlossen, den geschwungenen Linie gefügig, flexibel und beugsam zugeordnet. Wie bei den letzten beiden Linien zu beobachten, ändert sich mit der kurvigen und geschwungenen Form der Linie auch die Führung des Strichs, der von der geometrischen Zeichnung zur Freihandzeichnung wechselt. Ähnlich verhält 199 Über die Linie es sich in der zweiten Zeichnung zur Lineatur der Gänge. (Abb. 6) Die gerade Linie A kennzeichnet das gerade Gehen mit Ruhe, Sicherheit und Entschlossenheit; die schräge Linie B steht für einen zweifelnden und unsicheren Gang; die halbrunde Linie für abschweifenden, umsichtigen, besonnenen und misstrauischen. Auch hier steht die in ihren Richtungen und Formen variierende Linie E für ein ebenso unbeständiges Gehen und wechselt zwischen einem mit Lineal geführten und Freihand gezeichneten Strich. Die dritte Zeichnung ist ein Modell zur Darstellung der Bewegung und Kraft der Einbildung. (Abb. 7) Auch hier markieren die durchgehende gerade Linie A die Richtung des Blickes und die Aktion der Vernunft und die äußere Linie B die Bewegungen der Einbildung. Während Sehstrahl A das Objekt C in seiner realen Größe erfasst, lassen die Einbildungslinien das Objekt wie D erscheinen. Abb. 7: Darstellung zur Bewegung und Kraft der Einbildung (aus: Blasis, L ’ Uomo, 1840, S. 210) Zum ‘ freien ’ Strich der Figuren Zeichnet sich bereits in diesen drei Zeichnungen die zunehmende ‘ Freiheit ’ der Bewegung - des Charakters oder des Gangs - auch in der Freiheit der Linienführung und -form ab, so sind die Strichfigurenzeichnungen zur Darstellung der Gedanken durchgehend freihand gezeichnet. 39 (Abb. 8) Sie umfassen insgesamt drei Seiten des Appendix und tragen Bezeichnungen der einzelnen Gedankenfiguren, wie “ L ’ attenzione ” , ” La meditazione ” und ” La contemplazione ” . Abb. 8: Strichfigurenzeichnung zur fortschreitenden Bewegung des Gedankens (aus: Blasis, L ’ Uomo, 1840, S. 211 - 213, hier 211) Ähnlich den Strichfiguren im Traité vermitteln die des L ’ Uomo auf unmittelbarem Wege verschiedene Haltungen des Körpers. Anders als in den reduzierten geometrischen Lineaturen des Traité geht es hier nicht um die äußeren Bewegungen des Tänzerkörpers, sondern um die inneren Bewegungen - die Handlungen des Geistes - , die in der Haltung des Körpers zum Ausdruck kommen. (Vgl. Abb. 1) In der Hervorhebung der Gelenke und in der partiellen Ausfüllung von Volumen der Glieder wie Beinen und Armen gehen diese Darstellungen über die einfache Linienführung von Strichfiguren hinaus, die im Traité in der Begradigung der Glieder und 200 Isa Wortelkamp Auslassung von Kopf, Füßen und Händen eine extreme Reduktion erfahren. Die realistische Darstellung der Proportion und Statik des menschlichen Körpers tritt hier zugunsten des Ausdrucks zurück, der durch die Überlängung der Gliedmaßen, die Überzeichnung einer Kurve oder die Breite des Strichs einzelner Partien jeweils verstärkt und überhöht wird. Mit dem Perspektivwechsel von den äußeren zu den inneren Bewegungen wird auch die Zeichnung selbst bewegter. Form und Führung der Linie folgen nicht mehr der strengen linearen Geometrie, sondern wirken wie schnell skizziert, flüchtig entworfen und lassen Spuren des Stifts oder Pinsels erkennen. Es scheint, als werde die Zeichnung dynamischer und expressiver, je mehr es um die Darstellung des Ausdrucks von Seele und Psyche geht. Und so eindringlicher vermittelt sich dem Betrachter auch die Bedeutung der Geste: “ l ’ azione progressiva del pensiero ” . 40 Ebenso unvermittelt und unmittelbar, wie ein Gefühl zu einer Gebärde, eine Emotion zu einer Motion wird, scheint der Strich dieser Zeichnungen geführt. Sie geben die Ausrichtungen des Körpers, des Kopfes und, durch eine gestrichelte Linie betont, auch die des Blickes wieder, der hier dem Ausdruck des Körpers und nicht dessen Haltung folgt. Wie die Linie der Perpendikularen ist auch die der Blickrichtung gestrichelt - und steht damit ebenso für eine imaginäre wie ideale Linie. Dabei fungiert der Blick als gestaltendes Element des Raumes, das durch eine räumliche Linie gekennzeichnet wird. Nicht die Kontrolle des Blicks, der im klassischen Ballett den eingenommenen Haltungen des Körpers entspricht, sondern die Ausrichtung des Kopfes und die Richtung des Blicks in den Raum stehen im Vordergrund. Gleichermaßen frei variieren die Stellung von Stand- und Spielbein, ebenso wie die Haltungen der Arme, die in unterschiedlichen Abstufungen geöffnet oder geschlossen sind, so wie die des Oberkörpers bis hin zu den Haltungen der Hände. Anstelle der Perfektion einer Position steht hier die Gestalt der Gedanken, die sich in der Haltung und Bewegung des Körpers und deren Beschreibung abzeichnet, im Vordergrund. Mit dem Interesse für den Ausdruck des menschlichen Körpers verändert sich bei Blasis der Gegenstand der Zeichnung und auch die Zeichnung selbst. Der Strich wird freier. Dabei unterscheiden sich Strichfiguren zur Darstellung der Gedanken in ihrem Gegenstand und ihrer Ausführung wesentlich von den Strichfiguren des Linienalphabets im Traité und bilden auch innerhalb der Figurendarstellungen des L ’ Uomo eine Ausnahme. Dazu gehört, dass sie gemeinsam mit den anderen Figuren des Appendix innerhalb der Erläuterungen der Abbildungen keine Erwähnung finden. Anders als die Tafelbilder, die mit “ C. Blasis inv. ” , “ Lucio dis. ” und “ Mantoviani inc. ” unterzeichnet sind, gibt es ferner keine Hinweise auf einen Autor, was vermuten lässt, dass sie der Feder Blasis ’ entstammen. Im Vergleich zu den Strichfiguren, die sowohl im L ’ Uomo als auch im Traité der unmittelbaren Vermittlung von Bewegung - der Haltungen und Handlungen - dienen, sind die Figurendarstellungen der Tafelbilder in Ausführung und Gegenstand umfassender. Nicht der einfache Strich zur unvermittelten und unmittelbaren Darstellung der Gebärde oder des Gedanken, sondern der feine und differenzierte Stich einer sehr viel komplexeren Figurendarstellung prägt die Zeichnungen der Tafelbilder. Anstelle von auf wenige Linien reduzierten Figuren sind hier vollständige Körper, teils bekleidet, teils nackt, dargestelt. Weniger die Eindrücklichkeit der Zeichnung als Modell für den Tänzer und Schauspieler ist hier gegeben, vielmehr scheint es, als hätten diese den Zeichnern Modell gestanden. So ermöglichen die Zeichnungen ein genaues Studium der Mimik, der Gesetze der Schwerkraft und des Gleichgewichts sowie des durch die Bewe- 201 Über die Linie gungen bedingten Faltenwurfs der Kleidung. 41 Im Hinblick auf die Linie aber können die Figurendarstellungen als eine Voraussetzung der Strichfiguren des L ’ Uomo betrachtet werden: In ihnen zeigt sich eine Dynamisierung der Stasis, die sich weniger in der Zeichnung, als in der Verzeichnung der Körpermitte darstellt. Abb. 9: Figurendarstellung zur Bewegung der Seele (aus: Blasis, L ’ Uomo, 1840, Tavola III, Fig. 2 e 6) Im Vergleich zu der Stabilität und Statik eines aufrechten Körpers in den Figurendarstellungen der früheren Tanztraktate, steht hier verstärkt die Dynamik und Expansion seiner Bewegungen im Vordergrund. In diesen Bewegung ‘ über die Linie ’ ist auch eine wesentliche Bedeutung für die Tanzgeschichtsschreibung zu sehen - in einer ent-grenzten Bewegung, die gemeinhin mit der Tanzmoderne um 1900 verbunden wird. Nicht die Aufrechterhaltung, sondern die Überschreitung und Ausdehnung der Körpermitte werden sichtbar: Das Streben nach vorne, die Verlagerung von Stand- und Spielbein, die Ausrichtung des Körpers in seinen vorderen und hinteren Umraum, die Entfernung der Arme vom Körperzentrum. Die Akzentuierung liegt hier weniger in der Aufrechterhaltung der Senkrechten als in der Ausrichtung des Körpers an der schrägen und sogar runden Linie. (Abb. 9) Die Aufmerksamkeit des Autors und Zeichners des L ’ Uomo gilt dem Zentrum der Schwerkraft und dem Gleichbzw. Gegengewicht, - dies weniger als Haltung des Körpers, denn als Ausgangspunkt von Bewegung. Damit erfährt auch die Verortung der Senkrechten eine Ver- und Auslagerung. Geht es im Traité noch um eine Identität von Perpendikularlinie und Körpermitte, so finden sich im Appendix des L ’ Uomo zahlreiche Abbildungen, in denen die Körper die Senkrechte verlassen und gerade die Verlagerung des Gewichtes über die Körpermitte hinaus, die Spannung in der jeweiligen Haltung erzeugt. (Abb. 10) Der anatomisch sezierende Blick, mit dem die Linie an das Innere des menschlichen Körpers, wie etwa Kehle und Wirbelsäule, gebunden wurde, wird aufgegeben und mit ihm die Identität der Perpendikularlinie mit der zentralen Achse des Körpers. 42 In Augenschein tritt der Körper in seiner Bewegung und damit im Verhältnis zu seinem Raum, in dem sich auch das Verhältnis von innen und außen wandelt. Abb. 10: Figurendarstellung zum Umgang mit dem Zentrum der Schwerkraft (aus: Blasis, L ’ Uomo, 1840, Tavola IV, Fig. 5 e 9) Aus dem Lot Die veränderte Sicht des Choreographen und Tänzers Carlo Blasis auf Bewegung und Körper schlägt sich, wie deutlich werden konnte, schließlich in seinen Aufzeichnungen nieder. In der Reihung der vereinzelten 202 Isa Wortelkamp Figuren beginnen sich diese gleichsam in Bewegung zu versetzen. Fern der Gesetze der Geraden schwanken die Figuren zwischen Stand- und Spielbein, strecken oder beugen ihre Gliedmaßen, heben oder senken den Blick. Es scheint, als seien die Strichzeichnungen aus dem Raster der Lineatur befreit und damit auch frei, über die Linie zu treten. Jene Bewegung, die in der Figur der Arabeske bereits enthalten und noch aufgehalten war, gewinnt hier mit der Aufmerksamkeit für den Ausdruck Raum - einen Raum, der in den Aufzeichnungen des Bewegungswissenschaftlers Carlo Blasis jedoch unter Beobachtung bleibt. So wie die Arabeske in ihrer Expansion und Transformation ihr gestisches Potential entfaltet, tritt mit der Überschreitung der Mitte des Körpers dessen Ausdruckskraft hervor. Erst mit dem Wandel des Blicks von der äußeren zur inneren Bewegung lässt sich, wie es scheint, auch die äußere Haltung von ihrer senk- und aufrechten Ausrichtung lösen - sie gerät aus dem Lot. Schwarz auf weiß heben sich die Strichfiguren der Traktate in einer Lesbarkeit ab, die auf ganz unterschiedliche Weise Bewegungen frei setzen. Dem ABC der Linien und der Führung des Lineals folgend, vermag der Tänzer - Leser des Traités - sich in der Kunst der Perpendikularen und des aplomb zu bewegen, sich auszudehnen und auszurichten - zu tanzen. Seine Grenze ist zugleich jene Linie, die den Körper aufrecht hält - im Lot hält. Hinter dieser Linie ist der Fall - mit dem die Figur der Arabeske spielt: der Fall, der nicht eintreten darf. Dieser Fall würde den Aus-Fall der Auf- und Senkrechten bedeuten, der geraden und rechten Linie. Die Strichfigurenzeichnungen des L ’ Uomo hingegen bewegt der Ein-Fall - die Bewegungen der Gedanken, die sich in der Linie der Figur und ihres Blickes abzeichnen. Auch sie halten den Körper aufrecht, verleihen ihm seine Haltung, die sich nicht an der äußeren, sondern an der inneren Bewegung orientiert. Bei aller Verschiedenheit in Form und Führung der Linie verbindet die Strichfigurenzeichnungen des Traité und des L ’ Uomo ein Grad an Reduktion und Abstraktion, der sie von den komplexeren und konkreteren Figurendarstellungen der Traktate abhebt. Dabei sind sie von einer Prägnanz und Evidenz, die ihre konzentrierte Form prägt - sich mit ihnen einprägt: in Notationen des Tanzes ebenso wie in alltäglichen Weg- und Bewegungsbeschreibungen. Strichfigurenzeichnungen sind allgegenwärtig in Kinderzeichnungen, Höhlenmalereien, Graffitis, Gemälden, Cartoons und Comics, auf Piktogrammen in den Bereichen des Sports, der Physiotherapie und Biomechanik, des Verkehrs oder öffentlicher Anlagen sowie in der Werbung. Mit wenigen Strichen sind eine Haltung oder eine Handlung erzählt, vermitteln sich innere wie äußere Bewegung. Unvermittelt und unmittelbar zeigt sich in ihr, was den Körper bewegt: in den Figuren des Alphabets der Linien ebenso wie in denen der Gedanken. Beide Figuren-Schriften sind vom Strich des Zeichners geprägt, der hier in seinen Veränderungen untersucht wurde. Danach erscheint das geradlinige Alphabet der Linie wie in Druckbuchstaben verfasst, während die Figuren der Gedanken des L ’ Uomo wie eine Handschrift wirken, womit die Bewegung des Zeichners selbst sicht- und lesbar wird. Sind in den Strichfiguren des Traité Setzung und Gesetze von Bewegung enthalten und gehalten, um dann von den Tänzern - den Lesern dieser Figurenschrift - in Bewegung übertragen zu werden, so überträgt sich in den Strichfiguren des L ’ Uomo die Bewegung selbst: als Gedanke und in Gedanken. Ob in der Linie oder über der Linie - die Strichfigur zeigt und zeitigt sich als eine Zeichnung von Bewegung, die ebenso einprägsam und flüchtig ist wie die Bewegung selbst. 203 Über die Linie Anmerkungen 1 Blasis, Carlo. Traité Elémentaire, Théorique et Pratique de l ’ art de la Danse. Mailand, 1820, 16. 2 Blasis 1820, 15. 3 Als weiterer Verweis zur Autorschaft der Zeichnungen sind die Angaben Carlo Blasis zu berücksichtigen: ” Les figures sont dessinées par Mr. Casartelli, et gravées par Mr. Rados ” , vgl. Blasis 1820, 16. 4 Saint-Léon, Arthur. La Sténochorégraphie ou l ’ art d ’ écrire promptement la danse. Paris/ St. Petersburg, 1852. 5 Jeschke, Claudia. “ Tanznotationen. ” Tanz. Hg. Sibylle Dahms, Stuttgart, 2001, 15 - 24, hier S. 15. 6 Dabei integriert der vorliegende Text Teile eines bestehenden Aufsatzes: Wortelkamp, Isa. “ Von der Wanderung zur Geraden zur Schrägen. ” Andere Körper - Fremde Bewegungen, Theatrale und öffentliche Inszenierungen im 19. Jahrhundert. Hg. Claudia Jeschke/ Helmut Zedelmaier, Münster, 2005, 183 - 196. 7 Vgl. hierzu Brandstetter, Gabriele. “ Figur und Inversion. Kartographie als Dispositiv von Bewegung. ” de figura. Hg. Gabriele Brandstetter/ Sibylle Peters, München, 2002, 247 - 264. 8 Rey, Alain, Hg. Le Micro-Robert, dictionnaire d ’ apprentissage de la langue française. Paris, 1989. 9 Vgl. Falcone, Francesca, “ The Evolution of the Arabesque in Dance. ” Dance Chronicle. Studies in Dance and the Related Arts 22.1 (1999): 71. 10 Entgegen des Eindrucks der Aufrechterhaltung der Senkrechten hebt Blasis die Arabesken-Darstellungen im Traité in ihrer leichten Abweichbewegung hervor: ” Positions du corps dans les arabesques, planc. X, XI et XII.; NB. Dans les arabesques, le corps s ’ éloigne de la perpendiculaire, et doit se pencher avec un agreable abandon ” . Vgl. Blasis 1820, 56. 11 Ebd., 52. 12 Vgl. ebd., 106. 13 Ebd., 23. 14 Rameau, Pierre. Le Maître à danser [Paris, 1725]. New York, 1967. Vgl. Beispiele S. 15, 20 und 60. 15 Dufort, Giambattista. Trattato del ballo nobile [Napoli, 1728]. Richmond, Va. 1972, 11 - 16. 16 Vgl. Noverre, Jean-Georges. Lettres sur la danse et les arts imitateurs [1760]. Paris, 1952, 211, 217. 17 Magri, Gennaio. Trattato Teorico Prattico di ballo. Napoli, 1779. 20; Theoretical and Practical Treatise on Dancing [1779]. Trans. Mary Skeaping/ Irmgard Berry. London, 1988, 56 - 57. 18 Vgl. Blasis 1820. 65: “ qui doit prendre du centre des deux clavicules, et qui s ’ abaisserait, en traversant les chevilles des deux pied ” . 19 Vgl. Blasis 1820. 64 - 67. Zitiert aus Da Vinci, Leonardo. Trattato della pitture. Rome, 1996. Siehe auch Falcone 1999. 75. Zum Einfluss von da Vinci auf Blasis siehe auch Pappacena, Flavia. Il Trattato di Danza di Carlo Blasis (1820 - 1830). Carlo Blasis' Treatise on Dance (1820 - 1830). Lucca, 2005. 20 Nach der physiologischen Definition handelt es sich hier um die Longitudinale, die bei aufrechtem Stand senkrecht zur Unterlage steht. Die Longitudinale kann aber auch durch ein einzelnes Körperglied gehen, entscheidend ist hier die Bewegung um die jeweilige Achse des Körpers bzw. der Gliedmaßen. Vgl. Taschenatlas der Anatomie, 1. Bewegungsapparat. New York, 2 - 4. Bei der Senkrechten, die durch den Körperschwerpunkt verläuft, spricht man vom Lot. 21 Vgl. Blasis 1820. 65. Zitiert aus Da Vinci 1996. “ Über die Haltung. Die ‘ fontanella della gola ’ fällt über den Fuß, wenn ein Arm nach vorne ausgestreckt wird, kommt die ‘ fontanella ’ aus diesem Fuß; wenn das Bein nach hinten reicht, geht die ‘ fontanella ’ nach vorne und so verhält es sich in jeder Haltung. ” (Übersetzung I. W.) 22 Blasis 1820, 64: “ Il faut que le danseur, tout en se plaçant gracieusement, s ’ attache, pour avoir de l ’ aplomb, à former un juste contrepoids des autres parties du corps pour se soutenir sur une seule jambe, et même pour être bien posé sur les deux. ” 204 Isa Wortelkamp 23 Blasis 1820, 56. 24 Ebd., vgl. hierzu außerdem Pl. I, III, IV. 25 Blasis 1820, 15. Gabriele Brandstetter spricht in diesem Zusammenhang von einer Syntax und Grammatik des Tanzes, die Blasis selbst in seinem späteren bereits erwähnten Werk The Code of Terpsichore sammelt. Vgl. Brandstetter, Gabriele. “‘ The Code of Terpsichore ’ . Carlo Blasis ’ Tanztheorie zwischen Arabeske und Mechanik. ” Romantische Wissenspoetik. Die Künste und die Wissenschaften um 1800. Hg. Gabriele Brandstetter/ Gerhard Neumann, Würzburg, 2004, 49 - 72, hier S. 53. 26 Vgl. Blasis 1820: “ Un danseur qui ne sait point se dessiner, et qui par conséquent manque de cette grace qui séduit, qui charme, ne sera point regardé comme un artiste, et ne pourra jamais intéresser ni plaire. ” S. 17; ” Dessinez-vous avec goût, et naturellement, dans la moindre des poses. Il faut que le danseur puisse, à chaque instant, servir de modèle au peintre et au sculpteur. ” S. 64. 27 In der Verbindung der physikalischen Bewegungslehre mit einer an der Ästhetik der bildenden Kunst orientierten Körperkonzeption liege eine Besonderheit der Tanztheorie Carlo Blasis ’ , wie Gabriele Brandstetter hervorhebt. Der Tänzer werde gleichsam zum Maschinisten und zum Skulpteur, zum Poeten seiner Körperdarstellung: “ und dies über den reflexiven Prozess der Einbildungskraft - Einbildungskraft im Wortsinn: der Ein-Bildung der Figurenmathematik des Balletts in die aktuelle Gestalt der Performanz ” . Vgl. Brandstetter 2004, 57. 28 Vgl. ebd. 29 Das Traité Elémentaire, Théorique et Pratique de l ’ art de la Danse. ist in dem acht Jahre später in London erschienenen sechsteiligen Kompendium Code of Terpsichore. The Art of Dancing. enthalten, das Geschichte, Theorie des Tanzes, Pantomime, Regeln der Ballettkomposition, danse de salon umfasst. #Vgl. Blasis, Carlo. L ’ Uomo fisico, intellettuale e morale. Genova, 1840, 88: “ [. . .] una scienza utilissima a chi esercita le arti belle e la cognizione del corpo umano. ” 30 Blasis 1840: “ Was noch zu erkunden offen bleibt sind die Prinzipien der Lebenskräfte der menschlichen Maschine. Hic labor, hic opus. ” (Übersetzung I. W.). Blasis 1840. Capitolo XXX, “ Misteri del mecanismo dell ’ uomo ” , 116 f., hier S. 118. 31 Vgl. Blasis 1840, Parte Seconda, S. 5: “ Genio dell ’ Uomo. Sviluppo e progressi del genio, XIX Il Genio de Ballo, della Mimica, della Corografia, dei Balli pantomimici, della Danza, della Drammatica apllicata al Ballo, in relatione con le altre arti: il Disegno, la Pittura, la Scultura, l ’ Incisione, la Poesia, l ’ Eloquenza, la Musica, la Declamazione, l ’ Architettura, l ’ arte drammatica, ecc. - Quadro sinottico. ” 32 Blasis 1840, 10. 33 Blasis 1840, 3. 34 Blasis 1840. 2 f. 35 Blasis 1840, 4: “ L ’ anima ed il corpo agiscono contemporaneamente, e l ’ uno sopra l ’ altro reciprocamente; - l ’ uno comanda ed obbedisce all ’ altro; l ’ uno non si move se l ’ altro rimane nell ’ inerzia; l ’ uno influisce sopra l ’ altro, e godono e soffrono insieme. ” 36 Blasis 1840, 5. 37 Blasis 1840, 60: “ Questi movimenti esterni sono il linguaggio dell ’ anima e dei sentimenti; essi fanno scorgere il pensiero e prevedere le azioni. ” 38 Blasis 1840, 207. 39 Vgl. Blasis 1840, 211 - 213: “ Dell ’ azione progressiva del pensiero. ” 40 Blasis 1840, 207. 41 Tafel I enthält Abbildungen des Gesichtes zur Erläuterung der Theorie des Ausdrucks und der Blickrichtung. Tafel II zeigt Darstellungen des nackten Körpers und des Gesichtes mit eingezeichneten Blickrichtungen, mit der jeweiligen Bezeichnung des Charakters der Gefühle und Leidenschaften. Tafel III zu den Bewegungen der Seele zeigt naturalistische Darstellungen bekleideter Körper, deren Haltungen mit Linien gleichsam unterstrichen sind. Tafel IV gilt einer Theorie des Zentrums der Schwerkraft. 42 Interessant scheint hier auch die Differenzierung in der Situierung der Vertikalen, die Carlo Blasis im L ’ Uomo vornimmt. So kann sich die “ linea perpendiculare ” sowohl inner- 205 Über die Linie halb als auch außerhalb des Körpers befinden und erst der Zusatz “ al centro di gravità ” bestimmt ihren Verlauf durch die Körpermitte. Vgl. Blasis 1840. 218. 206 Isa Wortelkamp